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Aufgepasst beim Sicherungs-HB !! Mandant ordnungsgemäß im Ausland geladen?

Der Erlass des Sicherungshaftbefehls nach § 230 Abs. 1 StPO setzt eine ordnungsmäße Ladung des Angeklagten (§ 216 StPO) voraus. Wann die vorliegt, ist bei einem im Ausland lebenden Angeklagten gar nicht so einfach zu beantworten.

Dazu hat das KG vor einiger Zeit Stellung genommen. Der Leitsatz zu KG, Beschl. v. 10.11.2010 – 3 Ws 459/10 – 1 AR 1247/10 lautet:

„Der Erlass eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO setzt bei einem dauerhaft im Ausland lebenden Angeklagten voraus, dass seine Ladung zum Termin nicht nur gemäß § 216 Abs.1 Satz 1 StPO die Warnung auf die Folgen seines unentschuldigten Ausbleibens enthielt, sondern darüber hinaus den eindeutigen Hinweis, dass die Vollstreckung der angedrohten Zwangsmaßnahmen ausschließlich im Geltungsbereich der Strafprozessordnung erfolgt.“

Im Beschluss heißt es dann:

Unverzichtbarer Bestandteil jeder schriftlichen Ladung eines auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten ist die Warnung, dass im Falle seines unentschuldigten Ausbleibens seine Verhaftung oder Vorführung erfolgen wird. Lebt der Angeklagte dauerhaft im Ausland, wird diese Warnung in der obergerichtlichen Rechtsprechung teilweise als nach den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts unzulässig [vgl. OLG Brandenburg StRR 2007, 276; OLG Köln NStZ-RR 2006, 22; OLG Frankfurt NStZ-RR 1999, 18, 19], teilweise aber auch als zulässig angesehen, sofern sie den für den Zustellungsempfänger eindeutigen Hinweis enthält, dass die Vollstreckung der angedrohten Zwangsmaßnahmen ausschließlich im Geltungsbereich der Strafprozessordnung erfolgt [vgl. OLG Saarbrücken NStZ-RR 2010, 49; LG Saarbrücken, Beschluss vom 17. Juli 2010 2 Qs 22/10 – bei juris; OLG Rostock StRR 2008, 310].

Der Haftbefehl des Amtsgerichts kann nicht bestehen bleiben. Zwar ist nach § 230 Abs. 2 StPO die Verhaftung des der Hauptverhandlung ferngebliebenen Angeklagten anzuordnen, wenn dieser nicht genügend entschuldigt ist. Voraussetzung ist jedoch, dass er zum Termin ordnungsgemäß geladen wurde. Daran fehlt es hier. Dies beruht jedoch nicht darauf, dass der Verteidiger zur Entgegennahme der Ladung für den in Frankreich lebenden Angeklagten nicht bevollmächtigt gewesen ist. Der Angeklagte hat ihn vielmehr ausdrücklich hierzu bevollmächtigt und der Verteidiger hat dies durch die mit Schriftsatz vom 13. Januar 2010 überreichte Vollmacht vom 11. Dezember 2009 im Original nachgewiesen. Dass diese entgegen der Ansicht des Verteidigers durch eine auf den 15. Oktober 2009 datierte Vollmacht, die zudem nur in Ablichtung vorliegt, nicht eingeschränkt werden kann, ist offensichtlich und bedarf keiner näheren Begründung. Hinzu kommt, dass der Senat die Zweifel des Landgerichts an der Echtheit der Vollmacht vom 15. Oktober 2009 teilt, sodass fraglich ist, ob diese Vollmacht im Rechtsverkehr überhaupt Wirkung entfaltet. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, weil der in der an den Verteidiger bewirkten Ladung enthaltene Hinweis nach § 216 Abs. 1 StPO in dieser Form nicht hätte erteilt werden dürfen. Unverzichtbarer Bestandteil jeder schriftlichen Ladung eines auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten ist die Warnung, dass im Falle seines unentschuldigten Ausbleibens seine Verhaftung oder Vorführung erfolgen wird. Lebt der Angeklagte dauerhaft im Ausland, wird diese Warnung in der obergerichtlichen Rechtsprechung teilweise als nach den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts unzulässig [vgl. OLG Brandenburg StRR 2007, 276; OLG Köln NStZ-RR 2006, 22; OLG Frankfurt NStZ-RR 1999, 18, 19], teilweise aber auch als zulässig angesehen, sofern sie den für den Zustellungsempfänger eindeutigen Hinweis enthält, dass die Vollstreckung der angedrohten Zwangsmaßnahmen ausschließlich im Geltungsbereich der Strafprozessordnung erfolgt [vgl. OLG Saarbrücken NStZ-RR 2010, 49; LG Saarbrücken, Beschluss vom 17. Juli 2010 2 Qs 22/10 – bei juris; OLG Rostock StRR 2008, 310]. Letzterer Ansicht schließt sich der Senat an. Sie entspricht der in Nr. 116 Abs. 1 RiVASt geregelten Vorgehensweise…“

Schön, wenn man sieht, dass das KG auch den StRR zitiert :-).

Kann man einen Untersuchungshaftbefehl umdeuten?

Interessante Frage, mit der sich das OLG Düsseldorf in seinem Beschl. v. 22.05.2010 – III-3 Ws 175/10 auseinanderzu setzen hatte.

Nämlich: Kann man einen Untersuchungshaftbefehl umdeuten in einen sog. Sicherungshaftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO. Das OLG bejaht das und sagt:  Erscheint ein Angeklagter zu einem gegen ihn angesetzten Termin zur Hauptverhandlung unter Vorlage von unzureichenden oder gefälschten Attesten nicht, so kann gegen ihn keine Untersuchungshaft angeordnet werden, wenn nicht einer der einschlägigen Haftgründe (§ 112 StPO) vorliegt. Fehlt es an einem Haftgrund, ist die Untersuchungshaft daher aufzuheben. Es sei dem Beschwerdegericht jedoch unbenommen, die zu Unrecht angeordnete Untersuchungshaft in eine Hauptverhandlungshaft umzuwandeln, um so das Erscheinen des Angeklagten zu sichern, wenn die übrigen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Der Hauptverhandlungshaftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO stelle gegenüber dem Untersuchungshaftbefehl ein wesensgleiches Weniger dar und eine Umwandlung seidaher möglich, wenn kein milderes Mittel ersichtlich ist, um das Erscheinen des Angeklagten zu gewährleisten.