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StGB II: Nochmals Begriff der „sexuellen Handlung“, oder: Einbeziehung in das sexuelle Geschehen

Die zweite Entscheidung, der BGH, Beschluss v.  13.06.2023 – 4 StR 288/22 – nimmt (noch einmal) Stellung zum Begriff der sexuellen Handlung in Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch. Nichts Neues, aber:

„2. Das rechtsfehlerfrei festgestellte Geschehen im Fall II.2.c) (Tat Nr. 10) der Urteilsgründe erfüllt jedoch den Tatbestand des (vollendeten) sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB (in der ab 1. April 2004 gültigen Fassung).

a) Gemäß § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB aF macht sich strafbar, wer sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt, sofern sie erheblich im Sinne des § 184f Nr. 1 StGB in der ab 1. April 2004 gültigen Fassung (jetzt § 184h Nr. 1 StGB) sind und das Kind den Vorgang wahrnimmt (§ 184f Nr. 2 StGB in der ab 1. April 2004 gültigen Fassung; jetzt § 184h Nr. 2 StGB). Darüber hinaus ist erforderlich, dass der Täter die andere Person in der Weise in das sexuelle Geschehen einbezieht, dass für ihn gerade die Wahrnehmung der sexuellen Handlung durch das Tatopfer von Bedeutung ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2023 – 4 StR 216/22 Rn. 3; Urteil vom 12. Mai 2011 – 4 StR 699/10, NStZ 2011, 633 Rn. 4 mwN).

b) Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift insoweit ausgeführt:

„Dadurch, dass der Angeklagte der Geschädigten seinen entkleideten und erigierten Penis gezeigt hatte, hat er sexuelle Handlungen vor einem Kind vorgenommen. Durch das Ansinnen, den Penis anzufassen, war die Wahrnehmung durch das Kind für den Angeklagten auch von handlungsleitender Bedeutung […].“

Dem schließt sich der Senat an und ändert – da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind – den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Auch § 358 Abs. 2 StPO steht der Verschärfung des Schuldspruchs nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. März 2016 – 5 StR 516/15 Rn. 4; Urteil vom 10. April 1990 – 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5 Rn. 9).“

Strafzumessung II: Minder schwerer Fall/Vertypte Milderungsgründe, oder: Strafe beim Kussversuch

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Die zweite Entscheidung, der KG, Beschl. v. 02.08.2021 – (2) 121 Ss 81/21 (11/21)  -, betrifft die Strafrahmenwahl bei minder schwerem Fall und vertypten Milderungsgründen, und zwar bei einem Kussversuch. Insoweit bejaht das KG das Vorliegen einer sexuellen Handlung und führt dann zur Strafzumessung aus:

„2. Hingegen kann der Einzelstrafausspruch zur Tat zu 1. keinen Bestand haben. Die Strafzumessung erweist sich insoweit als durchgreifend rechtsfehlerhaft.

a) Das Amtsgericht ist von einem minder schweren Fall der sexuellen Nötigung „gemäß § 177 Abs. 6 StGB“ (gemeint ist offensichtlich § 177 Abs. 9 StGB) ausgegangen, „weil mit § 21 StGB sowie §§ 22, 23 StGB zwei vertypte Milderungsgründe vorlagen.“ Diese Begründung lässt nicht erkennen, dass sich das Amtsgericht des Umstands bewusst war, dass in Fällen, in denen sowohl Strafrahmenverschiebungen gemäß § 49 Abs. 1 StGB als auch die Annahme eines minder schweren Falls möglich sind, unterschiedliche Strafrahmen zur Wahl stehen, von denen einer für den Angeklagten günstiger sein kann (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2019 – 2 StR 512/19 –, juris; BGH, Beschluss vom 11. August 1987 – 3 StR 341/87 –, juris). Zwar ist das Tatgericht nicht verpflichtet, den jeweils für den Angeklagten günstigeren Strafrahmen zugrunde zu legen. Welchen Strafrahmen es wählt, unterliegt seiner pflichtgemäßen Entscheidung auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller für die Wertung von Tat und Täter in Betracht kommenden Umstände, gleichgültig, ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2019 aaO; BGH, Beschluss vom 4. Juni 2015 – 5 StR 201/15 –, juris; BGH vom 19. Januar 1982 – 1 StR 734/81 –, juris). Die Urteilsgründe müssen aber belegen, dass das Gericht die unterschiedlichen Möglichkeiten erkannt und geprüft hat (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2019 aaO; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 933, 1113 mwN). Bei Vorliegen mehrerer vertypter Milderungsgründe ist vorrangig zu prüfen, ob bereits nach dem Tatgepräge und sich hieraus ergebenden (nicht vertypten) Milderungsgründen für sich genommen oder im Zusammenspiel mit nur einem vertypten Milderungsgrund die Annahme eines minder schweren Falles gerechtfertigt wäre. Sodann ist zu prüfen, ob dessen Strafrahmen ohne Verstoß gegen § 50 StGB unter Heranziehung eines weiteren vertypten Milderungsgrundes nochmals gemäß § 49 Abs. 1 StGB gemildert werden kann. Führt – wie hier – die einfache oder mehrfache Strafrahmenmilderung des Regelstrafrahmens gemäß § 49 Abs. 1 StGB zu einem günstigeren Strafrahmen als ein minder schwerer Fall, bedarf die Annahme eines solchen der Erörterung (vgl. BGH, Beschluss vom 1. März 2001 – 4 StR 36/01 –, juris; BGH, Urteil vom 4. August 2004 – 2 StR 183/04 –, juris). Trotz der keineswegs übersetzten Freiheitsstrafe kann der Senat aufgrund des Erörterungsmangels nicht ausschließen, dass die Wahl eines gemäß § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens sich auch günstig auf die Strafbemessung im engeren Sinne ausgewirkt hätte.

b) Bei der konkreten Strafzumessung hat das Amtsgericht straferschwerend berücksichtigt, dass der Angeklagte die Zeugin ins Gesicht küssen wollte „und damit eine besonders sensible Region des Körpers im Visier hatte“. Diese Erwägung erweist sich auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. Senat, Beschluss vom 18. März 2021 – 2 Ss 32/20 – mwN) mit Blick auf das Doppelverwertungsverbot gemäß § 46 Abs. 3 StGB als rechtsfehlerhaft. Danach dürfen die Merkmale des Tatbestandes, welche die Strafbarkeit begründen und der Bestimmung des gesetzlichen Strafrahmens zugrunde liegen, nicht nochmals bei der Strafzumessung berücksichtigt werden. Da Kussversuche üblicherweise das Gesicht betreffen und im Rahmen denkbarer Tathandlungen des § 177 StGB deutlich sensiblere betroffene Körperregionen in Betracht kommen, beschränkt sich die zu beanstandende Strafzumessungserwägung auf die strafschärfende Berücksichtigung des Kussversuchs als solchen. Dieser begründet aber vorliegend erst in Verbindung mit den weiteren oben beschriebenen Tatumständen die Qualifikation als erhebliche sexuelle Handlung im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB.“

StGB III: Die sexuelle Handlung bei der gynäkologischen Untersuchung, oder: Anvertrautsein

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Und als dritte und letzte Entscheidung des Tages dann noch der BGH, Beschl. v. 02.02.2021 – 4 StR 364/19.

Das LG hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses in 25 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.  Dagegen die Revision, die keinen Erfolg hatte.

Ausgegangen ist der BGH von folgenden Feststellungen des LG:

„Nach den Feststellungen nahm der Angeklagte, ein Frauenarzt, in der Zeit zwischen dem 22. November 2011 und dem 22. Dezember 2011 im Behandlungsraum seiner Praxis in 25 Fällen an verschiedenen Patientinnen Untersuchungen des Genitals vor, wobei er bei vaginalen Tastuntersuchungen auch einen Finger in die Scheide der Patientinnen einführte. Dabei fertigte er ohne Kenntnis und Zustimmung der jeweiligen Patientinnen digitale Bilder und Videoaufnahmen an, die den entblößten Genitalbereich der auf einem gynäkologischen Stuhl mit gespreizten Beinen sitzenden Frauen während der Untersuchungshandlungen zeigten. Die Aufnahmen fertigte er mit einer Kamera, die er in der Auffangschale des gynäkologischen Stuhls platziert hatte, sowie mit einer als Kugelschreiber getarnten Kamera, die sich in der Brusttasche seines Arztkittels befand. Zudem stellte er den gynäkologischen Stuhl in einer Weise ein, die es den Patientinnen erschwerte, den Angeklagten während der Untersuchungen zu beobachten. Dies ermöglichte ihm zugleich, ungestört und aus seiner Sicht bessere Aufnahmen fertigen zu können. Die Erstellung der Bilder und Videoaufnahmen war allein sexuell motiviert.“

Die Strafkammer hat u.a. die Auffassung vertreten, dass der Tatbestand des § 174c Abs. 1 StGB auch in den Fällen verwirklicht sei, in denen der Angeklagte lediglich Vorsorgeuntersuchungen vorgenommen habe, weil auch in diesen Fällen ein schützenswertes Vertrauensverhältnis entstanden sei. Die konkreten Untersuchungshandlungen und die zu sexuellen Zwecken gefertigten Aufnahmen seien einheitlich als sexuelle Handlung zu bewerten.

Der BGH hat das „gehalten“. Hier der Leitsatz zu seinem Beschluss:

1. Auch Patienten, die einen Arzt zu Vorsorgeuntersuchungen aufsuchen, können diesem im Sinne von § 174c Abs. 1 StGB anvertraut sein.

2. Zum Vorliegen einer sexuellen Handlung bei gynäkologischen Untersuchungen, die heimlich zu sexuellen Zwecken aufgezeichnet werden.

Sex III: Das kurze Berühren der bekleideten Scheide, oder: Keine sexuelle Handlung

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Auch die dritte Entscheidung, auf die ich heute hinweise, befasst sich mit dem Begriff der „sexuellen Handlung“. Es ist das BGH, Urt. v.  04.05.2017 3 StR 87/17. Der Angeklagate ist vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs eines Kindes freigesprochen worden. Dagegen die Revision der Nebenklägerin. Die hatte keinen Erfolg. Denn:

„Die Strafkammer hat zu Recht angenommen, dass die Feststellungen eine Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176 Abs. 1 StGB) nicht tragen. Denn das jeweilige kurze Berühren der bekleideten Scheide der Nebenklägerin ist nicht als sexuelle Handlung im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB – zur Tatzeit noch § 184g Nr. 1 StGB – anzusehen. Zwar hatten die Handlungen des Angeklagten nach ihrem äußeren Erscheinungsbild den danach erforderlichen sexuellen Bezug (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 24. September 1980 – 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338). Sie waren insoweit aber nicht erheblich.

Als erheblich im Sinne von § 184h Nr. 1 StGB sind solche sexualbezo-genen Handlungen zu werten, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 24. September 1980 – 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338; vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, NJW 1992, 324; vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270; vom 10. März 2016 – 3 StR 437/15, NJW 2016, 2049). Dazu bedarf es einer Gesamtbetrachtung aller Umstände im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Handlung für das jeweils betroffene Rechtsgut; unter diesem Gesichtspunkt belanglose Handlungen scheiden aus (BGH, Urteile vom 3. April 1991 – 2 StR 582/90, BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheblichkeit 4; vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, NJW 1992, 324; vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270; vom 21. September 2016 – 2 StR 558/15, NStZ-RR 2017, 43, 44).

Bei Tatbeständen, die – wie § 176 Abs. 1 StGB – dem Schutz von Kindern oder Jugendlichen dienen, sind an das Merkmal der Erheblichkeit geringe-re Anforderungen zu stellen als bei Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Erwachsener (BGH, Beschluss vom 13. Juli 1983 – 3 StR 255/83, NStZ 1983, 553; Urteil vom 21. September 2016 – 2 StR 558/15, NStZ-RR 2017, 43, 44). Deshalb kann – worauf die Revision unter Hinweis auf die entsprechenden Entscheidungen zutreffend hinweist – die Erheblichkeitsschwelle unter Umständen schon überschritten sein, wenn der Täter das Opfer unter der Bekleidung abtastet und unter Anwendung von Gewalt dessen „unbekleidetes“ Geschlechtsteil berührt (BGH, Urteil vom 15. Oktober 1987 – 4 StR 420/87, BGHSt 35, 76, 77 f.), wenn er ein sich wehrendes 8-jähriges Mädchen mit der linken Hand festhält, mit der rechten Hand zwischen die Beine des Kindes fasst und dessen bekleidetes Geschlechtsteil „einige Male streichelt“ (BGH, Urteil vom 27. Februar 1992 – 4 StR 23/92, BGHSt 38, 212, 213), wenn er einem 9-jährigen Mädchen „mit festem Griff“ an das bekleidete Geschlechtsteil fasst (BGH, Urteil vom 6. Mai 1992 – 2 StR 490/91, BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheb-lichkeit 6) oder wenn er einen 13-jährigen Jungen in ein Gebüsch zerrt und ihn, während er ihn fest umklammert, „an das bekleidete Geschlechtsteil fasst“ sowie dabei teilweise „fest drückt“ (BGH, Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, NStZ-RR 2000, 299). Gleiches gilt, falls der Täter während eines gemeinsamen Schwimmbadbesuchs von hinten in die Badehose eines Mädchens greift und „ihr nacktes Gesäß“ berührt oder wenn er seine Hand in die Schlafanzughose des schlafenden Mädchens einführt und dessen „nacktes“ Gesäß „nicht nur kurzzeitig“ streichelt (BGH, Urteil vom 21. September 2016 – 2 StR 558/15, NStZ-RR 2017, 43, 44).

Da stets nur erhebliche geschlechtsbezogene Handlungen sexuelle im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB sind, gilt indes auch im Hinblick auf § 176 Abs. 1 StGB, dass nicht alle mit einem Körperkontakt verbundenen sexualbezogenen Handlungen tatbestandsmäßig sind. Kurze, flüchtige oder aus anderen Grün-den unbedeutende Berührungen, insbesondere des bekleideten Geschlechtsteils, reichen dafür nicht aus (BGH, Beschluss vom 13. Juli 1983 – 3 StR 255/83, NStZ 1983, 553; Urteile vom 8. Februar 1989 – 3 StR 546/88, BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheblichkeit 3; vom 3. April 1991 – 2 StR 582/90, BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheblichkeit 4; Beschlüsse vom 10. September 1998 – 1 StR 476/98, NStZ 1999, 45; vom 8. September 1999 – 3 StR 357/99, juris Rn. 4; vom 21. September 2005 – 2 StR 311/05, juris Rn. 8; Urteil vom 21. September 2016 – 2 StR 558/15, NStZ-RR 2017, 43, 44; vgl. auch zu dem durch den Begriff der sexuellen Handlung ersetzten Merkmal der „Unzucht“ nach früherem Recht: BGH, Urteil vom 13. Juli 1951 – 2 StR 275/51, BGHSt 1, 293, 296).

Daran gemessen ist die Annahme des Landgerichts, dass die „kurzen Berührungen“ der „bekleideten Scheide“ der Nebenklägerin in den Fällen 1 und 4 der Anklageschrift keine erheblichen sexuellen Handlungen im Sinne von § 184h Nr. 1 StGB darstellten, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Strafkammer hat bei ihrer Bewertung zwar allein auf die Handlungen als solche abgestellt und keine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorgenommen. Das gefährdet den Bestand des Urteils aber nicht. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich entnehmen, dass sie die insoweit bedeutsamen Gesichtspunkte, namentlich die Beziehung zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin sowie die Begleitumstände, unter denen es zu den sexualbezogenen Handlungen gekommen ist, nicht außer Acht gelassen hat. Deren näherer Erörterung bedurfte es indes nicht, weil sich daraus nichts ergibt, was zu einer anderen Beurteilung Anlass geben könnte.

Sex II: Mit einer Hand kurz unter den BH, oder: Sexuelle Handlung

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Die zweite Entscheidung, die ich vorstelle, befasst sich ebenfalls mit dem Begriff der sexuellen Handlung. Es handelt sich um das BGH, Urt. v.  26.04.2017 – 2 StR 580/16. Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen sexueller Nötigung verurteilt.

Grundlage waren folgende Feststellungen:

„Im September 2016 (richtig: 2015) hielten sich der Angeklagte, die Zeugin N. und die Geschädigte gemeinsam in der Wohnung der Zeugin N. auf. Als der Angeklagte – wie bereits bei früheren Gelegenheiten – ankündigte, sie „packen“ zu wollen, scherzte die Nebenklägerin entgegen früheren Gelegenheiten nicht zurück, sondern erklärte dem Angeklagten, als dieser auf sie zuging, dass er sie nicht anfassen solle. Obwohl er den entgegenstehenden Willen der Geschädigten erkannte, fasste der Angeklagte sie an den Hüften, woraufhin die Geschädigte ihn nochmals aufforderte, sie loszulassen und gleichzeitig versuchte, sich aus dem Griff zu befreien. Um dies zu verhindern, packte er noch fester zu, wobei die Geschädigte nicht unerhebliche Schmerzen im Hüftbereich erlitt und zu weinen begann. Der Angeklagte ließ dennoch nicht los. Schließlich geriet die Geschädigte in dem Bemühen, in eine Schutzhaltung zu kommen, unter dem Druck des Angeklagten zu Boden. Auch auf die Intervention der Zeugin N. , ihr Kind loszulassen, ließ der Angeklagte nicht ab. Er führte vielmehr in sexuell motivierter Absicht seine Hände Richtung Oberkörper der Geschädigten, wobei er mit einer Hand ihr T-Shirt von unten unter ihren Büstenhalter schob, so dass sich dieses nunmehr zwischen ihrer linken Brust und seiner Hand, welche unter den Büstenhalter geglitten war und auf ihrer linken Brust lag, befand. In dieser Position hielt der Angeklagte die linke Brust der Geschädigten für einige Augenblicke fest. Erst auf Drohung der Geschädigten, Anzeige zu erstatten, ließ er von dieser ab.“

Der BGH sagt – in Übereinstimmung mit dem LG :

„a) Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht das Verhalten des Angeklagten als sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit im Sinne von § 184h Nr. 1 StGB gewertet hat, ohne dies näher in der rechtlichen Würdigung zu erörtern. Die im Rahmen der Rangelei mit der Nebenklägerin erfolgte Berührung ihrer Brust ist ohne Zweifel eine sexuelle Handlung, die auch die Erheblichkeitsschwelle des § 184h Nr. 1 StGB überschritten hat.

Als erheblich in diesem Sinne sind solche sexualbezogenen Handlungen zu werten, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 24. September 1980 – 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338; vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, NJW 1992, 324 f., insoweit nicht abgedruckt in BGHSt 38, 68; vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270; Senat, Urteil vom 21. September 2016 – 2 StR 558/15, NStZ-RR 2017, 43, 44). Dazu bedarf es einer Gesamtbetrachtung aller Umstände im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Handlung für das jeweils betroffene Rechtsgut; unter diesem Gesichtspunkt belanglose Handlungen scheiden aus (BGH, Urteile vom 24. September 1980 – 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338; Senat, Urteil vom 3. April 1991 – 2 StR 582/90, BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheblichkeit 4; BGH, Urteil vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, NJW 1992, 324, 325; Senat, Urteil vom 6. Mai 1992 – 2 StR 490/91, BGHR § 184c Nr. 1 StGB; Erheblichkeit 6; BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270; Senat, Ur-teil vom 21. September 2016 – 2 StR 558/15, NStZ-RR 2017, 43, 44; Lack-ner/Kühl/Heger, 28. Aufl., § 184g Rn. 5; Matt/Renzikowski/Eschelbach, StGB, § 184g Rn. 7; differenzierend SSW-StGB/Wolters, 2. Aufl., § 184g Rn. 9 f.).

Aus den Feststellungen des Landgerichts ergibt sich, dass die an der Geschädigten vorgenommene Handlung nicht nur in einer flüchtigen oder „zufälligen“ Berührung bekleideter Körperregionen, sondern in einem sexuell motivierten Übergriff bestand, bei dem der Angeklagte eine Hand mit dem T-Shirt unter ihren Büstenhalter schob und ihre Brust für einige Augenblicke festhielt.

Einer Erörterung der Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle durch die Strafkammer bedurfte es bei dieser Sachlage nicht.“

Und: Kein Anlass zu einer günstigeren Bewertung wegen der Gesetzesänderungen durch das 50. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestim-mung – vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460) geben keinen Anlass zu einer für den Angeklagten günstigeren Bewertung als milderes Recht im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB. Das hatte der BGH bereits im BGH, Urt. 26.04. 2017 – 2 StR 574/16 – ausgeführt (vgl. dazu: „das Streicheln der Tochter im Genitalbereich über der Hose“, oder: Erhebliche sexuelle Handlung?).