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Corona II: Schulische Maßnahmen wegen Corona, oder: Die Zuständigkeit von Familiengerichten

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Und als zweite Corona-Entscheidung am Pfingstmontag hier der AG Essen, Beschl. v. 07.05.2021 – 106 F 83/21, Der passt ganz gut zu dem AG Weimar, Beschl. v. 08.04.2021 – 9 WF 148/21 – und zum OLG Jena, Beschl. v. 14.05.2021 – 1 UF 136/21 (vgl. dazu Corona I: OLG Jena hebt AG-Weimar-Masken-Beschluss auf: „Familienrichter bleib bei deinen Leisten“).

Das AG Essen zeigt, wie es – m.E. – richtig geht. Es hatte über eine Anregung „von Amts wegen ein Verfahren gemäß § 1666 Abs. 1 und 4 BGB zur Beendigung einer derzeit bestehenden nachhaltigen Gefährdung des körperlichen, seelischen und geistigen Wohls von TO wie darüber hinaus aller weiteren Schulkinder der F-Schule, Essen, die aufgrund von schulinternen Anordnungen zur Wahrung räumlicher Distanz zu anderen Personen und zur Zulassung von gesundheitlichen Testverfahren an Schülern auf dem Gelände der Schule ohne vorherige schriftliche ausdrückliche Genehmigung der Sorgeberechtigten besteht zu eröffnen und darin auch die Rechtmäßigkeit der diesen Anordnungen zugrundeliegenden Vorschriften der CoronaSchVO sowie insbes. die §§ 1ff der VO zum Schutz von Neuinfektionen mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 im Bereich der Betreuungsinfrastruktur des Landes NRW i. d. F. vom 19.04.2021  zu überprüfen, hilfsweise für den Fall, dass eine Entscheidung der Hauptsache aus formellen Gründen kurzfristig nicht möglich ist, eine einstweilige Anordnung ohne mündliche Verhandlung nach § 49 ff. FamFG zu erlassen, mit der die nachstehend begründete Gefährdungslage für F bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch vorläufige Aussetzung der schulinternen Anordnungen zum Tragen des Mund- und Nasenschutzes, zur Einhaltung von Mindestabständen anderen Personen gegenüber und/oder die Zulassung von gesundheitlichen Testungen vorläufig aufgehoben  bzw. untersagt wird.“ zu entscheiden.

Das hat das AG getan und den Antrag zurückgewiesen, und zwar als „bereits nicht zulässig“ und auch unbegründet:

„Der Antrag ist bereits nicht zulässig.

Für alle weiteren Schulkinder der F-Schule gilt das bereits deshalb, weil der Antragsteller nicht befugt ist, für diese namentlich nicht benannten Kinder Anträge zu stellen. Ihm mangelt es an der entsprechenden elterlichen Sorge oder einer Vollmacht aller Eltern dieser Kinder.

Die Ausführungen des Amtsgerichts Weimar, es sei wegen des Gleichbehandlungsgebots des Art. 3 GG verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar, wenn nur für solche Kinder, deren Eltern bereit und in der Lage wären, gebotene gerichtliche Anträge zu stellen, ein Schutz bestehe, können nicht nachvollzogen werden. Denklogische Konsequenz dieser Argumentation wäre, dass (sämtliche) deutschen Familiengerichte für alle Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland von Amts wegen Kinderschutzverfahren im Rahmen der staatlichen Fürsorgepflicht einleiten müssten. Dies wäre jedoch ein Verstoß der Familiengerichte gegen den Erziehungsvorrang der Eltern, wie er in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG als natürliches Recht der Eltern verankert ist. Das Wächteramt des Staates nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG ist subsidiär (AG Waldshut-Tiengen Beschl. v. 13.4.2021 – 306 AR 6/21, BeckRS 2021, 6998).

Im Übrigen hat der Antragsteller hinsichtlich des ihn selbst betreffenden Antrags auch den falschen Rechtsweg gewählt. Nach gerichtlichem Hinweis soll keine Verweisung an die Verwaltungsgerichtsbarkeit erfolgen, sondern unter Hinweis auf Entscheidungen des AG Weimar vom 08.04.2021 (9 F 148/21) und Weilheim i. OB vom 13. April 2021 (2 F 192/21) eine sorgerechtliche Regelung.

Der Antragsteller wendet sich jedoch gegen hoheitliche Maßnahmen der Schulverwaltung auf Grund der o. g. Vorschriften, womit es sich um eine öffentlich-rechtlichen Streitigkeit handelt. Hierfür ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet, weil sich das Antragsbegehren gegen Maßnahmen der Träger öffentlicher Gewalt einschließlich der Schulbehörden richtet. Die gerichtliche Kontrolle dieser hoheitlichen Maßnahmen einschließlich der Gesundheitsschutzmaßnahmen in den Schulen, die auf öffentlichem Recht basieren, obliegt allein den Verwaltungsgerichten (vgl. zuletzt nur VG Weimar, B.v. 20.4.2021 – 8 E 416/21 We – juris Rn 6 f.; AG Waldshut-Tiengen, B.v. 13.04.2021 – 306 Ar 6/21 – juris Rn. 8; VG Würzburg, Beschluss vom 23. April 2021 – W 8 E 21.546 -, juris ; AG Dippoldiswalde, Beschluss 29.04.2021 – 7 F 204/21, juris).

2. In der Sache hätte der Antrag jedoch auch keinen Erfolg.

a) Eine Maßnahme zum Schutz des Kindes gemäß § 1666 Abs. 1 BGB setzt zum einen eine gegenwärtige, erhebliche Gefährdung des Kindes voraus und zum anderen die fehlende Bereitschaft oder Fähigkeit der Eltern diese Gefährdungslage abzuwenden.

Dass eine Gefährdungslage für ihn durch einen Elternteil gesetzt worden sei, ist durch den Antragsteller nicht behauptet worden. Gleiches gilt für die Fähigkeit oder Bereitschaft der Eltern, eine möglicherweise bestehende Gefährdungslage abzuwenden.

Soweit er Einsamkeit, Schulunlust („selbst der Distanzunterricht habe ihm keine Freude bereitet“) und Gefahren bei einer unsorgfältigen Verwendung der Testmaterialien sowie eine psychische Belastung benennt, obliegt es seinen sorgepflichtigen Eltern, ihm die Situation altersgerecht zu erklären, ihn zu motivieren und – falls nötig – das Testprozedere mit ihm zu üben.

Hinsichtlich der angegriffenen Pflicht zum räumlichen Abstand wird nichts weiter vorgetragen. Die Maskenpflicht wird in der vorliegenden Hauptsache – anders als im EA – Verfahren 106 F 84/21 – nicht thematisiert.

Gerade umgekehrt wird die Gefahr einer Infektion des Antragstellers mit u. U. schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen gerade deshalb vermieden, weil die vorgeschriebenen Abstandsgebote sowie die Test- und Maskentragungspflicht in der Schule umgesetzt werden, also die Schule die Vorschriften umsetzt, die das Land aufgrund der vom Bundestag festgestellten Pandemielage von nationaler Bedeutung aufgrund des Bundesinfektionsschutzes getroffen hat (ebenso AG Elmshorn, Beschluss vom 21.04.2021, 44 F 33/21).

b) § 1666 Abs. 4 BGB ist hier nicht einschlägig.

Nach dem Wortlaut der Vorschrift kann das Gericht in Angelegenheiten der Personensorge auch Maßnahmen gegen Dritte treffen, um eine solche Gefährdungslage abzuwenden.

Der Begriff des „Dritten“ ist nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift auszulegen.

Dazu gehören nach ganz einhelliger Rechtsprechung jedoch lediglich natürliche Personen wie Verwandte (BayObLG FamRZ 1995, 948: ältere Schwester des Kindes), Freunde eines Elternteils (OLG Düsseldorf NJW 1995, 1970), der Stiefelternteil (BayObLG FamRZ 1994, 1413), eine Pflegeperson (anders MüKoBGB/Olzen Rn. 40), ein Nachbar (BT-Drs. 8/2788, 59; OLG Zweibrücken FamRZ 1994, 976), aber auch der nicht sorgeberechtigte Elternteil sowie eine sonstige auf das Kind einwirkende Person, z. B. der neue Lebensgefährte, ersichtlich nicht jedoch Körperschaften des öffentlichen Rechts. Eine Einwirkung auf diese ist lediglich im Rahmen eines verwaltungsrechtlichen bzw. verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich (OLG Nürnberg, Beschlüsse vom 29.04.2021, 9 WF 342/21 und 343/21, juris; AG Reutlingen Beschl. v. 7.4.2021 – 16 F 247/21, BeckRS 2021, 7047).

Sinn und Zweck der Vorschrift ist nämlich die Erfüllung der durch Art. 6 Abs. 2 GG angeordneten Wächterpflicht des Staates über die Ausübung des Sorgerechts durch die Eltern. Dazu wird eine Eingriffsbefugnis des Familiengerichts bei einer Gefährdung des Kindes durch die eigenen Eltern normiert sowie – im Falle ihrer Untätigkeit – auch gegen andere natürliche Personen.

Dies wird bestätigt durch die systematische Auslegung. Danach ist eine Vorschrift nicht isoliert sondern im Zusammenhang mit den weiteren desselben Gesetzes und unter Berücksichtigung ihrer Stellung in der Rechtsordnung auszulegen. Das Tatbestandsmerkmal der vorrangigen Elternabhilfe, der Inhalt des  Maßnahmenkatalogs (öffentliche Hilfen anzunehmen, den Schulbesuch sicherzustellen usw.) und die Einordnung der Norm in den Titel 5 über die elterliche Sorge zeigen, dass Adressaten der Anordnungen primär die Inhaber der elterlichen Sorge sind. Schon für Vormünder und Pfleger gilt § 1666 BGB nicht direkt, sondern i. V. m. § 1837 Abs. 4 BGB bzw. 1915 Abs. 1 BGB. Der Rechtsschutz gegen behördliche Maßnahmen ist hingegen im öffentlichen Recht detailliert geregelt. Die spezialgesetzlichen Voraussetzungen können nicht durch erweiternde Auslegung von § 1666 BGB umgangen werden. Selbst bei etwaigen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen – die das Familiengericht jedoch nicht hat (so auch OVG Schleswig-Holstein (13.11.2020 3 MR 61/20) zur Maskenpflicht und VGH München (02.03.2021, 20 NE 21.369) zur Testpflicht –  führt dies nicht dazu, dass das Familiengericht sich an die Stelle des Verwaltungsgerichtes setzen dürfte und Anordnungen gegenüber der Schule trifft (ebenso AG Elmshorn, Beschluss vom 21.04.2021, 44 F 33/21).

Weil der Antrag aus Rechtsgründen unzulässig ist, sind weitere Maßnahmen nicht geboten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1, 3 und 4 FamFG. Dem Antragsteller als minderjährigem Beteiligten in einem Kindschaftsverfahren können Kosten gemäß § 81 Abs. 3 FamFG nicht auferlegt werden. Die Kosten sind vorliegend gemäß § 81 Abs. 4 FamFG den Eltern aufzuerlegen, weil sie die Tätigkeit des Gerichtes veranlasst haben und sie ein grobes Verschulden trifft. Aus einer Vielzahl bei verschiedenen Amtsgerichten eingeleiteter Verfahren (s. o.) und dem im hiesigen Verfahren verwendeten Mustertext wird dem Gericht offenkundig, dass es sich bei dem Inhalt der Antragsschrift um ein vorgefertigtes Schreiben handelt. Das Antragsschreiben wurde lediglich im Hinblick auf das Kind sowie die Schule / Gemeinde individualisiert  (u. a. AG Siegburg, Beschluss vom 20. April 2021 – 323 F 48/21 -, Rn. 4, juris; AG München, Beschluss vom 18. März 2021 – 542 F 2559/21 -, juris) Dabei wurde allerdings der Antragsteller z. T. auch als F bezeichnet, eine Überprüfung der Verordnung des Kreises Kleve gewünscht und die Anschrift des hiesigen Antragstellers nicht angegeben.

Der Verfahrenswert der Anträge in der Hauptsache beträgt hinsichtlich des Antragstellers nach § 45 Abs. 1 FamGKG 4.000 Euro und hinsichtlich aller weiteren Schulkinder der F-Schule 30.000 Euro, weil angesichts der hohen Schülerzahl eine Vielzahl weiterer Sorgerechtsverhältnisse Verfahrensgegenstand ist. Nicht ein und denselben Verfahrensgegenstand betreffen bereits jene Verfahren, in denen Anträge oder von Amts wegen zu regelnden rechtliche Beziehungen mehrerer Personen im Verhältnis zu demselben Kind zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden sind, wie z. B. die Regelung des Umgangs mehrerer Bezugspersonen mit demselben Kind gem. § 1685 BGB (OLG Brandenburg NJW-RR 2018, 584; BeckOK KostR/Neumann, 32. Ed. 1.1.2021, FamGKG § 45 Rn. 55). Hier geht es um eine Regelung für eine Vielzahl weiterer Kinder mit völlig anderen Sorgeberechtigten.“

Der Schüler und sein Handy, oder: Was mache ich ohne bloß am Wochenende?

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Und im „Kessel Buntes“ dann noch eine Entscheidung aus Berlin, und zwar vom VG. Es handelt sich um das VG Berlin, Urt. v. 04.04.2017 –  3 K 797/15. Die Entscheidung ist nicht nur auch aus Berlin, sondern hat auch Bezüge zur Schule, ebenso wie die vorhin gepostete „Schwarzfahrerentscheidung“.

Hier geht es um die Klage eines inzwischen 18 Jahre alten Schülers, der im Schuljahr 2014/15 die neunte Klasse einer Sekundarschule in Berlin besuchte. Neben den Schüler klagen auch dessen Eltern. Es geht um einen Vorfall im Mai 2015. Am 29. Mai 2015, einem Freitag, hatte sich nämlich der Klassenlehrer des Schülers dessen Mobiltelefon wegen Störung des Unterrichts aushändigen lassen, weil dieser – so der Klassenlehrer – im Unterricht während des Vortrags von Mitschülern seine Aufmerksamkeit auf sein unter der Bank befindliches Handy gerichtet hatte. Der Schüler bestreitet dies und behauptet, der Lehrer habe das Handy herausverlangt, weil dieses in der Hosentasche des Klägers vibriert habe.

Eine Rückgabe des Handys an den Schüler selbst lehnte der stellvertretende Schulleiter dann zunächst ab und behielt das Gerät über das Wochenende ein; am darauffolgenden Montag konnte es die Mutter im Schulsekretariat wieder abholen. Der Kläger geht zwischenzeitlich auf eine andere Schule.

Es wird dann Feststellungsklage erhoben, mit der festgestellt werden soll, dass die Einziehung und Verwahrung des Handys rechtswidrig gewesen sei. Die Maßnahme habe den Schüler in seiner Ehre verletzt und gedemütigt.

Das VG hat die Klage abgewiesen, und zwar als unzulässig. Nachdem das Handy wieder herausgeben worden sei, könne die begehrte Feststellung nur ausgesprochen werden, wenn die Kläger ein besonderes Interesse hieran hätten. Daran fehle es:

„Darüber hinaus liegt auch kein Rehabilitierungsinteresse vor, das ein Feststellungsinteresse begründen könnte. Ein solches kann vorliegen, wenn eine (erledigte) behördliche Maßnahme bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise und Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalles diskriminierenden Charakter hatte und zudem abträgliche Nachwirkungen der Maßnahme fortbestehen, denen durch eine gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit wirksam begegnet werden kann. Folglich reicht es für ein Rehabilitationsinteresse nicht aus, dass ein Betroffener die von ihm beanstandete Maßnahme als diskriminierend empfindet (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013, a.a.O., juris Rn. 25). Hat ein von einer erledigten schulischen Maßnahme betroffen gewesener Schüler seine Laufbahn an der betreffenden Schule bereits beendet und keine konkreten Tatsachen zum gegenwärtigen Stand seiner schulischen oder beruflichen Laufbahn mitgeteilt, welche die Prognose zulassen, dass er durch die erledigte Maßnahme noch schulische oder berufliche Nachteile erleiden kann, so fehlt ein berechtigtes Interesse an der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme (vgl. BayVGH, Urteil vom 28. November 2006 – 21 B 04.3400 – juris Rn. 36; sowie OVG Münster, Beschluss vom 11. September 2012 – 19 A 928/10 – juris, Rn. 26 ff. m. w. N.). Von einer Fortwirkung etwaiger diskriminierender Maßnahmen kann hier nicht ausgegangen werden. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die erledigten Maßnahmen noch schulische oder berufliche Nachteile für die Kläger nach sich ziehen könnten. Die Kläger bewegen sich nämlich aufgrund des Schulwechsels des Klägers zu 3. seit dem zweiten Schulhalbjahr 2015/2016 nicht mehr in der Klassengemeinschaft und in dem Kreis der Lehrkräfte, des Schulleitungspersonals und weiterer Schulangestellter, die von der Einziehung des Handys und dem weiteren Geschehen Kenntnis gehabt haben (ebenso VG Osnabrück, Urteil vom 27. Januar 2015 – 1 A 209/14 – juris Rn. 20). Dass die Kläger eine Stigmatisierung erfahren hätten, die sie gegenüber einem weiteren als dem hier in Bezug genommenen Personenkreis hätten erdulden müssen, haben sie selbst nicht vorgetragen.

Ein darüber hinaus gehender Grundrechtseingriff, der ein Feststellungsinteresse begründen könnte, liegt hier ebenfalls nicht vor. Ein schwerwiegender Grundrechtseingriff kann zwar ein Feststellungsinteresse begründen, wenn sich die aus dem angegriffenen Hoheitsakt ergebende direkte Belastung nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung gegebenen Instanz kaum erlangen kann. Tiefgreifende Grundrechtseingriffe in diesem Sinne kommen vor allem bei Anordnungen in Betracht, die das Grundgesetz – wie in den Fällen des Art. 13 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 2 und 3 – vorbeugend dem Richter vorbehalten hat; ebenso verhält es sich bei Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. April 1997 – 2 BvR 817/90 u.a. – juris Rn. 49 ff. [Wohnungsdurchsuchung]; Beschluss vom 7. Dezember 1998 – 1 BvR 831/89 – juris Rn. 25 [Wasserwerfereinsatz]). Ein solcher Eingriff, der aus sich heraus unabhängig von den Umständen des Einzelfalls eine mit Eingriffen in die Unverletzlichkeit der Wohnung oder in die körperliche Unversehrtheit vergleichbare Intensität aufweist, ist hier indes weder dargetan noch ersichtlich. Die Kläger selbst gehen davon aus, dass die Einziehung des Handys durch den Klassenlehrer im Unterricht noch keinen allzu schweren Eingriff in die Rechte des Klägers zu 3. darstellte (Seite 8 der Klageschrift). Darüber hinaus dringen die Kläger mit ihrem Vortrag nicht durch, wonach der Verbleib des Handys im Schulgebäude über das Wochenende sie schwerwiegend in ihren Grundrechten verletzt habe. Dem Kläger zu 3. war der Gebrauch seines Handys nach Schulschluss an einem Freitag, an dem darauf folgenden Wochenende und am nächsten Montagmorgen nicht möglich. Auch wenn sich die Einziehung des Handys insoweit auf den außerschulischen Privatbereich des Klägers zu 3. auswirkte, so war die fehlende Gebrauchsmöglichkeit über das Wochenende doch von vornherein vorhersehbar zeitlich beschränkt. Es ist zudem weder dargetan noch erkennbar, dass der geschilderte vorübergehende Gebrauchsentzug die Kläger an dem besagten Wochenende vor erhebliche Probleme gestellt oder in unzumutbarer Weise beeinträchtigt hätte. Allein dass der Kläger zu 3. Kontaktabsprachen nicht tätigen konnte und „plötzlich unerreichbar“ war, reicht hierfür nicht aus. Ein tiefer Eingriff, etwa in das Eigentumsrecht des Klägers zu 3. aus Art. 14 Abs. 1 GG, ist darin jedenfalls nicht zu sehen. Ebenso wenig ist ein schwerwiegender Eingriff in das Erziehungsrecht der Kläger zu 1. und 2. aus Art. 6 Abs. 1 GG zu erkennen, ein solcher ist auch nicht dargetan. Schließlich ist weder dargelegt noch ersichtlich, inwieweit in der – aus Sicht der Kläger erzwungenen – Abholung des Handys eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung liegen soll. Darin, dass die Klägerin zu 1. für die Abholung des Handys ihres Sohnes im Schulsekretariat Kfz-Kosten und zeitlichen Aufwand aufbringen musste, kann ein solcher Eingriff jedenfalls nicht liegen.“

Wenn ich solche Klagen lese bzw. von solchen Verfahren höre, weiß ich auch, warum die VG überlastet sind. 🙂 . Vielleicht ist es ja gar nicht mal schlecht, ein Wochenende ohne Handy zu verbringen. 🙂

Sex in der Grillhütte – die Schülerin und der Lehrer auf der Abschlussfeier

© ferkelraggae - Fotolia.com

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Einen Schlussstrich hat das OLG Koblenz jetzt unter inzwischen fast 10 Jahre zurückliegende (behauptete) Geschehnisse auf einer Abschlussfeier einer Schulklasse des Hauptschulzweigs einer regionalen Schule gezogen. An dieser hatten die (ehemalige) Schülerin und einer ihrer ehemaligen Lehrer teilgenommen. Zwischen ihnen soll es zu sexuellen Handlungen gekommen sein. Es erfolgte Strafanzeige wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen. Das eingeleitete Verfahren hat jetzt im sog. Klageerzwingungsverfahren sein Ende gefunden. Der noch gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung hatte dort keinen Erfolg. Kein „Obhutsverhältnis“ sagt das OLG Koblenz im OLG Koblenz, Beschl. v. 17.03.2014 – 1 Ws 56/14:

1. Die am pp. geborene Antragstellerin besuchte im Schuljahr 2004/2005 die 9. und damit letzte Klasse des 5-zügigen Hauptschulzweigs der Regionalen Schule in A.. Einer ihrer Fachlehrer war der Beschuldigte. Das Schuljahr endete offiziell am 24. Juli 2005. Bereits am 14. Juni 2005 hatte die Zeugniskonferenz für die Abschlussklassen der Hauptschule stattgefunden. Mit der Übergabe der Zeugnisse am Freitag, dem 24. Juni 2005 wurden diese aufgelöst. Diejenigen Schülerinnen und Schüler, die sich wie die Antragstellerin mit ihren Leistungen für ein weiteres Schuljahr zur Erlangung der Mittleren Reife qualifiziert hatten, wurden bereits ab dem 27. Juni 2005 bis zum Beginn der Sommerferien in der neuen Klasse 10 V b unterrichtet, und zwar von den Lehrern, die sie auch im Schuljahr 2005/2006 unterrichten sollten. Der dem Hauptschulzweig zugehörige Beschuldigte gehörte, was am 24. Juni 2007 bereits feststand, nicht dazu.

 ……

Der Antrag ist jedoch unbegründet, weil das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten nach derzeitiger Rechtslage unter keinen Straftatbestand zu subsumieren ist. Wie der Senat in seinem Beschluss vom 29. Dezember 2011 (1 Ss 213/11) festgestellt hat, ist das nach § 174 Abs. 1 StGB notwendige Obhutsverhältnis nicht ohne weiteres zwischen allen Lehrern und Schülern der Regionalen Schule in A. zu bejahen. Sachlich fundierte Kritik gegen diese Rechtsauffassung gab es nicht; sie wurde inzwischen vom Bundesgerichtshof bestätigt (BGH v. 25.04.2012 – 4 StR 74/12 – juris Rn. 8 – StV 2012, 531).

Es kommt somit darauf an, ob die Antragstellerin dem Beschuldigten in der fraglichen Nacht noch zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut war. Dies ist zu verneinen, weil das Lehrer-Schüler-Verhältnis und damit das Obhutsverhältnis mit der Auflösung des Klasseverbandes am 24. Juni 2005 endete (vgl. BGH v. 30.10.1963 – 2 StR 357/63 – juris n. 17 – BGHSt 19, 163). Allein die theoretische Möglichkeit, der Beschuldigte könne künftig die Antragstellerin als Vertretungslehrer unterrichten, begründet kein tatsächliches Obhutsverhältnis. Das frühere Obhutsverhältnis dauerte nicht allein deshalb fort, weil der Beschuldigte von ehemaligen Schülerinnen und Schülern zu einer privaten Veranstaltung eingeladen wurde. Bei dieser Veranstaltung war er lediglich Gast, aber kein tauglicher Täter eines sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen.

Über den vom OLG angeführten OLG Koblenz, Beschl. v. 29.12.2011 – 1 Ss 213/11 – haben wir hier unter: Sex in der Schule – der Religionslehrer und die 14-jährige Schülerin – Volltext hier berichtet.

An Schulen dürfen Köpfe rauchen, aber Lehrer keine E-Zigaretten

An Schulen (in Hessen) dürfen Köpfe rauchen, aber Lehrer keine E-Zigaretten.Das hat jetzt das VG Gießen entschieden, worüber LTO berichtet hat, und zwar wie folgt, ich zitiere:

VG Gießen zu rauchendem Lehrer

Auch E-Zigaretten auf dem Schulhof nicht erlaubt

In hessischen Schulen und auf Schulhöfen dürfen neben herkömmlichen Zigaretten auch keine E-Zigaretten geraucht werden. Dies geht aus einem kürzlich bekannt gegebenen Urteil des VG Gießen hervor. Das Gericht hat damit einem Schulleiter Recht gegeben, der einem Lehrer den Zigarettenersatz verboten hatte.

Ein Lehrer hatte sich gegen die Anweisung seines Schulleiters gewehrt, der ihm das Zeigen und Nutzen einer elektronischen Zigarette (E-Zigarette) auf dem Schulgelände untersagt hatte. Der Pädagoge argumentierte damit, dass die E-Zigarette nicht unter das Nichtraucherschutz- und Schulgesetz falle.

Dieser Ansicht folgte das Verwaltungsgericht (VG) Gießen nicht und gab dem Schulleiter überwiegend Recht (Urt. v. 20.02.2013, Az. 5 K 455/12.GI). Das Rauchen sei im Schulgebäude und auf dem Schulgelände nicht gestattet (§ 3 Abs. 9 Satz 2 HSchG). „Rauchen“ im Sinne dieser Vorschrift sei auch das Inhalieren einer E-Zigarette.

Vorbildfunktion unterstützt Rauchverbot

Die Kammer verwies zudem darauf, dass es nicht nur um den Nichtraucherschutz vor dem Passivrauchen gehe, sondern vielmehr darum, Prävention vor risikobehaftetem Verhalten zu leisten. Insbesondere wegen der Vorbildfunktion von Lehrkräften könne das Rauchverbot für die E-Zigarette zudem auch auf die beamtenrechtliche Verpflichtung des Lehrers gestützt werden, sich achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten.

Die E-Zigarette bloß zeigen allerdings darf der Pädagoge. Das verstößt nach Ansicht der hessischen Verwaltungsrichter nicht gegen gesetzliche Normen, weshalb der Lehrer insoweit Recht bekam. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

age/LTO-Redaktion

Mit Material von dpa.“