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Verdacht auf Besitz von KiPo-Material beim Lehrer, oder: Suspendierung vom Dienst auch nach Einstellung

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Und heute dann – im Kessel Buntes – zwei verwaltungsgerichtliche Entscheidungen. Die Themen liegen etwas abseits der Themen, die ich sonst vorstelle.

Zunächst weise ich hier den VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 19.10.2022 – 1 L 1301/22 – hin, der sich mit den Folgen für einen Lehrer bei Verdacht auf Besitz kinder- und jugendpornografischen Materials befasst. Der betroffene Lehrer ist Beamter auf Lebenszeit. Nachdem bekannt geworden war, dass gegen ihn ein Strafverfahren u.a. anderem wegen des Besitzes kinder- beziehungsweise jugendpornografischen Materials geführt und gegen Zahlung eines Geldbetrages eingestellt worden war, ist ihm von seinem Dienstherrn verboten worden, vorerst weiter zu unterrichten. Dagegen wendet sich der Lehrer mit seiner Klage und seinem Eilantrag, mit dem er u.a. geltend macht, das auf seinem Computer befindliche pornografische Material habe nicht er, sondern möglicherweise ein Familienmitglied heruntergeladen. Er selbst habe hiervon keine Kenntnisse gehabt.

Das VG hat den Antrag zurückgewiesen, und führt u.a. aus:

„Danach begegnet die Verfügung vom 20. Juni 2022 weder in formeller (aa.) noch in materieller (bb.) Hinsicht durchgreifenden Bedenken.

aa) ….

bb) Das Verbot des Führens der Dienstgeschäfte ist auch materiell rechtmäßig. Es liegen die Tatbestandsvoraussetzungen der Rechtsgrundlagen vor und es wurde eine rechtsfehlerfreie Rechtsfolge gewählt.

Nach § 39 Satz 1 BeamtStG kann aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden. Solche Gründe liegen hier vor.

Bei dem Begriff der zwingenden dienstlichen Gründe handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Zwingende dienstliche Gründe sind gegeben, wenn bei einer weiteren Ausübung des Dienstes durch den Beamten auf seinem bisherigen Dienstposten der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde oder andere gewichtige dienstliche Nachteile ernsthaft zu besorgen wären. Die zu befürchtenden Nachteile müssen so gewichtig sein, dass dem Dienstherrn die Führung der Dienstgeschäfte durch den Beamten bis zur abschließenden Klärung und Entscheidung nicht zugemutet werden kann.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. November 1998 – 1 WB 36.98 -, juris, Rn. 5; OVG NRW, Beschlüsse vom 25. März 2021 – 6 B 2055/20 -, juris, Rn. 19, vom 30. Juli 2015 – 6 A 1454/13 -, juris Rn. 7 ff., und vom 17. Juni 2013 – 6 A 2586/12 -, juris, Rn. 11 ff.

Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte gemäß § 39 Satz 1 BeamtStG dient der dienstrechtlichen Gefahrenabwehr und trägt nur vorläufigen Charakter. Mit dem Verbot sollen durch eine rasche Entscheidung des Dienstherrn gravierende Nachteile durch die aktuelle Dienstausübung des Beamten für den Dienstherrn vermieden werden. Maßgebend ist die Prognose, dass die Aufgabenerfüllung der Verwaltung durch die vorerst weitere Amtsführung des Beamten objektiv gefährdet ist. Demnach ist nicht erforderlich, dass bereits Klarheit über den Grund der Beeinträchtigung der dienstlichen Belange oder die weitere Verwendung und Behandlung des Beamten besteht, sondern es genügt insoweit der auf hinreichenden Anhaltspunkten beruhende Verdacht einer Gefahrenlage.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 25. März 2021 – 6 B 2055/20 -, juris, Rn. 20, vom 30. Juli 2015 – 6 A 1454/13 -, juris, Rn. 13 ff., und vom 17. Juni 2013 – 6 A 2586/12 -, juris, Rn. 13.

Die endgültige Aufklärung des gesamten Sachverhaltes ist folglich den in § 39 Satz 2 BeamtStG aufgeführten weiteren Verfahren vorbehalten. Gerade deshalb ist für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte weder eine erschöpfende Aufklärung bzw. ein „Beweis“ erforderlich, noch dass Beeinträchtigungen des Dienstbetriebs bereits eingetreten sind oder das Verhalten des Beamten sich letztlich als strafrechtlich relevant erweist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 2004 – 2 C 21.03 -, juris, Rn. 10; OVG NRW, Beschlüsse vom 30. Juli 2015 – 6 A 1454/13 -, juris, Rn. 13 ff., und vom 17. Juni 2013 – 6 A 2586/12 -, juris, Rn. 13; VG Minden, Beschluss vom 29. Januar 2018 – 4 L 1288/18 -, juris, Rn. 9.

Auf dieser Grundlage sind zwingende dienstliche Gründe für das hier ausgesprochene Verbot der Führung der Dienstgeschäfte zu bejahen. Die hierfür erforderliche, dem Antragsgegner unzumutbare Gefahrenlage für den Dienstbetrieb ergibt sich aus der Art der vorgeworfenen Straftaten im Bereich des Sexualstrafrechts im Kontext des Besitzes kinder- bzw. jugendpornographischer Erzeugnisse, mit der die Ausübung des Lehrberufs in keiner Weise vereinbar ist. Denn würde der Antragsgegner den Antragsteller trotz dieses Verdachts weiter als Lehrer einsetzen, könnte in der Öffentlichkeit nicht nur der Eindruck entstehen, dass der Antragsgegner etwaig begangene Rechtsbrüche dulde, sondern auch der erforderliche ungestörte Lehrbetrieb würde aller Wahrscheinlichkeit nach nicht nur in geringem Maße gestört werden, insbesondere da zahlreiche Eltern nicht bereit wären, ihre Kinder Lehrern anzuvertrauen, gegen die der Verdacht von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gerade von Kindern und Jugendlichen im Raum steht. Ein solcher Umstand ist mit der Wahrung des Ansehens der Lehrerschaft nicht vereinbar.

Vgl. zu einem vergleichbaren Fall OVG NRW, Beschluss vom 30. Oktober 2001 – 6 B 1335/01 -, juris, Rn. 12.

Dabei durfte der Antragsgegner auch von einem hinreichenden Verdacht von den benannten Straftaten ausgehen. Soweit der Antragsteller vorträgt, der ihm gemachte Schuldvorwurf sei unzutreffend, dringt er damit nicht durch. Denn das Institut des Verbots des Führens der Dienstgeschäfte ist nach besagtem Maßstab eine Form der Gefahrenabwehr und dient ausschließlich dem Zweck, Gefahren für den Dienstbetrieb abzuwenden. Gerade deshalb muss im Falle des Verdachts einer Straftat der Tatvorwurf nicht bewiesen oder ausermittelt sein, weil aus benannten Gründen auch der Verdacht alleine eine hinreichende Gefahr für den Dienstbetrieb darzustellen vermag. Im Übrigen ist es vornehmlich die Aufgabe des Verbots der Ausübung der Dienstgeschäfte, die Möglichkeit zu eröffnen, den Sachverhalt umfassend aufzuklären und im Rahmen dessen auch etwaige Unstimmigkeiten aufzulösen.

Dabei liegen auch genügend Verdachtsmomente dafür vor, dass der Antragsteller die Straftaten begangen hat. Dies zeigt sich bereits an der Eröffnung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft F. (Az. ).

Vgl. zu diesem Argument VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Mai 2016 – 13 L 832/16 -, juris, Rn. 46.

Dass das Verfahren gegen Auflage (Zahlung von 8.000,- Euro) gemäß § 153a Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt worden ist, ändert daran nichts. Nicht nur, dass eine solche Verfahrenseinstellung jedenfalls nach der gesetzlichen Regelung ohnehin nur in Betracht kommt, wenn von der Schuld des Angeklagten auszugehen ist (vgl. § 153a Abs. 1 Satz 1 StPO: „…die Schwere der Schuld nicht entgegensteht“), wurde durch den Abschluss des Strafverfahrens in keiner Weise ersichtlich, dass der Antragsteller die Straftaten nicht begangen hat. Auch der – soweit ersichtlich erstmals im hiesigen Gerichtsverfahren erfolgte – Vortrag des Antragstellers, er habe von den kinder- bzw. jugendpornographischen Erzeugnissen keine Kenntnis gehabt, aber sein Vater habe seinen Computer nutzen können, ändert freilich nichts daran, dass der Verdacht gegen ihn weiter bestehen bleibt, zumal der Antragsteller insoweit lediglich eine theoretische Möglichkeit, aber keinen eindeutigen Entlastungsumstand vorträgt, der die Vorwürfe gegen ihn ohne nähere Prüfung als haltlos erscheinen lässt.

Auch im Hinblick auf die getroffene Rechtsfolge vermag das Gericht keine Rechtsfehler zu erkennen. Auf der Rechtsfolgenseite räumt die Vorschrift des § 39 Satz 1 BeamtStG der Behörde Ermessen („kann“) ein, das gemäß § 114 Satz 1 VwGO gerichtlich nur eingeschränkt, namentlich auf die Überschreitung gesetzlicher Ermessensgrenzen sowie auf die Beachtung des Zwecks der Ermessensnorm, überprüfbar ist.

Allerdings wird, sofern – wie hier – die Tatbestandsvoraussetzungen der zwingenden dienstlichen Gründe für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte erfüllt sind, Ermessen in aller Regel nicht mehr hinsichtlich der Anordnung der Maßnahme als solcher, sondern im Wesentlichen nur noch dahin eröffnet sein, ob es eine andere Möglichkeit gibt, den betreffenden Beamten amtsangemessen zu beschäftigen, gegebenenfalls auch zu Dauer und Umfang des Verbots.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Mai 2017 – 6 B 265/17 -, juris, Rn. 7, und vom 17. Juni 2013 – 6 A 2586/12 -, juris, Rn. 14; VG Düsseldorf, Beschluss vom 3. Januar 2018 – 2 L 3301/17 -, juris, Rn. 14.

Demnach sind keine Ermessensfehler ersichtlich. Unter Verweis auf die bereits im Zusammenhang mit der Unbeachtlichkeit der unterlassenen Anhörung erfolgten Ausführungen sind hinreichende Alternativen zu der konkret ausgestalteten Maßnahme vorliegend nicht ersichtlich. Von daher liegt auch keine Ermessensüberschreitung vor, weil der Antragsgegner die gesetzliche Grenze des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes missachtet hätte. Gegenstand dieser Prüfung ist, ob sich das Verbot mit dem damit verbundenen Eingriff in das Recht des Beamten auf amtsangemessene Beschäftigung im Verhältnis zum erstrebten Zweck, nämlich der Abwehr von Gefahren für den Dienstbetrieb, als angemessen erweist.

Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 19. Dezember 2014- 2 K 6786/14 -, juris, Rn. 32.

Die Verbotsverfügung erweist sich nicht als unverhältnismäßig. ….“

 

Wenn der Lehrer Kinderpornos besitzt, oder: Der Lehrer fliegt

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Im zweiten Posting des Tages dann der Hinweis auf zwei Entscheidungen des BVerwG. Das hat in den Urteilen vom 24.10.2019 –  2 C 3.18 und 2 C 4.18 – über die Revision gegen ein OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 28.02.2108 – 80 D 1.17 – entschieden. Zu den BVerwG-Entscheidungen liegen die Volltexte noch nicht vor; ich verstehe gar nicht, warum das bei den Verwaltungsgerichten immer so lange dauert, bis die veröffentlicht werden. Wegen der Bedeutung der Entscheidungen – auch für die Praxis des Verteidigers – blogge ich aber schon mal dazu, allerdings nur auf der Grundlage der Pressemitteilung 74/2019 des BVerwG.

In der heißt es:

„Besitz von Kinderpornographie mit dem Beruf des Lehrers unvereinbar

Der strafbare Besitz von Kinderpornographie durch Lehrer – selbst in geringer Menge – führt in Disziplinarverfahren in aller Regel zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute in zwei Revisionsverfahren entschieden und dabei seine Rechtsprechung zu Fällen dieser Art fortentwickelt.

Nach der in den beiden Verfahren maßgeblichen, seit 2004 geltenden Rechtslage wurde der Besitz kinderpornographischer Schriften (dazu zählen auch Bild- und Videodateien) mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft (§ 184b Abs. 4 StGB a.F.). Erst Anfang 2015 hat der Gesetzgeber den Strafrahmen um ein Jahr auf drei Jahre erhöht (nun § 184b Abs. 3 StGB n.F.).

Die zwei Revisionsverfahren betreffen Lehrer im Berliner Landesdienst. Den Beamten wurde jeweils vorgeworfen, auf privat genutzten Datenträgern kinderpornographische Bild- oder Videodateien besessen zu haben. Der Beamte des Verfahrens BVerwG 2 C 3.18 ist durch rechtskräftigen Strafbefehl zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen verurteilt worden. Der Beamte des Verfahrens BVerwG 2 C 4.18 ist durch rechtskräftiges Strafurteil zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden.

Die auf die Entfernung der beiden Beamten aus dem Beamtenverhältnis gerichteten Disziplinarklagen sind vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht ohne Erfolg geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat unter Berücksichtigung des abstrakten Strafrahmens, der individuellen Strafzumessung sowie der Anzahl und Inhalt der Bilddateien angenommen, dass es sich lediglich um Fälle im unteren Bereich der möglichen Begehungsformen handele. Daher sei die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinare Höchstmaßnahme ausgeschlossen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revision des Landes Berlin in beiden Fällen die vorinstanzlichen Urteile aufgehoben und die Lehrer jeweils aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Dazu hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Außerhalb des Dienstes wird zwar heute auch von Beamten kein besonders vorbildhaftes Sozialverhalten mehr erwartet, so dass außerdienstliche Verfehlungen nur unter besonderen Voraussetzungen zu Disziplinarmaßnahmen des Dienstherrn berechtigen. Straftaten rechtfertigen disziplinarische Maßnahmen aber dann, wenn ein Bezug zwischen den begangenen Straftaten und den mit dem Amt des Beamten verbundenen Pflichten besteht. Beim außerdienstlichen (d.h. privaten) Besitz kinderpornographischer Bild- oder Videodateien ist dies bei Lehrern wegen ihrer besonderen Schutz- und Obhutspflichten gegenüber Kindern und Jugendlichen der Fall.

Straftaten, für die der Gesetzgeber eine Strafandrohung von bis zu zwei Jahren vorgesehen hat und die einen Bezug zur Amtsstellung des Beamten – hier des Lehrers – haben, lassen Disziplinarmaßnahmen bis hin zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu. Die Ausschöpfung dieses Orientierungsrahmens bedarf indes der am Einzelfall ausgerichteten Würdigung der Schwere der von dem Beamten begangenen Verfehlungen und seiner Schuld. Diese Bemessungsentscheidung führt beim Besitz von Kinderpornographie durch Lehrer – selbst in geringer Menge – in aller Regel zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Ausschlaggebend dafür ist der mit dem Besitz von Kinderpornographie verursachte Verlust des für das Statusamt des Lehrers erforderlichen Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit. Einem Lehrer obliegt die Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen, die mit besonderen Schutz- und Obhutspflichten verbunden sind. Da das Strafrecht und das beamtenrechtliche Disziplinarverfahren unterschiedliche Zwecke verfolgen, kommt es hingegen nicht auf das konkret ausgesprochene Strafmaß (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe) an.

Nach diesen Grundsätzen war in beiden Verfahren die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis die angemessene Disziplinarmaßnahme.“

Ggf. komme ich, wenn die Volltexte vorliegen, noch einmal auf die Verfahren zurück.

Sex in der Grillhütte – die Schülerin und der Lehrer auf der Abschlussfeier

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Einen Schlussstrich hat das OLG Koblenz jetzt unter inzwischen fast 10 Jahre zurückliegende (behauptete) Geschehnisse auf einer Abschlussfeier einer Schulklasse des Hauptschulzweigs einer regionalen Schule gezogen. An dieser hatten die (ehemalige) Schülerin und einer ihrer ehemaligen Lehrer teilgenommen. Zwischen ihnen soll es zu sexuellen Handlungen gekommen sein. Es erfolgte Strafanzeige wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen. Das eingeleitete Verfahren hat jetzt im sog. Klageerzwingungsverfahren sein Ende gefunden. Der noch gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung hatte dort keinen Erfolg. Kein „Obhutsverhältnis“ sagt das OLG Koblenz im OLG Koblenz, Beschl. v. 17.03.2014 – 1 Ws 56/14:

1. Die am pp. geborene Antragstellerin besuchte im Schuljahr 2004/2005 die 9. und damit letzte Klasse des 5-zügigen Hauptschulzweigs der Regionalen Schule in A.. Einer ihrer Fachlehrer war der Beschuldigte. Das Schuljahr endete offiziell am 24. Juli 2005. Bereits am 14. Juni 2005 hatte die Zeugniskonferenz für die Abschlussklassen der Hauptschule stattgefunden. Mit der Übergabe der Zeugnisse am Freitag, dem 24. Juni 2005 wurden diese aufgelöst. Diejenigen Schülerinnen und Schüler, die sich wie die Antragstellerin mit ihren Leistungen für ein weiteres Schuljahr zur Erlangung der Mittleren Reife qualifiziert hatten, wurden bereits ab dem 27. Juni 2005 bis zum Beginn der Sommerferien in der neuen Klasse 10 V b unterrichtet, und zwar von den Lehrern, die sie auch im Schuljahr 2005/2006 unterrichten sollten. Der dem Hauptschulzweig zugehörige Beschuldigte gehörte, was am 24. Juni 2007 bereits feststand, nicht dazu.

 ……

Der Antrag ist jedoch unbegründet, weil das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten nach derzeitiger Rechtslage unter keinen Straftatbestand zu subsumieren ist. Wie der Senat in seinem Beschluss vom 29. Dezember 2011 (1 Ss 213/11) festgestellt hat, ist das nach § 174 Abs. 1 StGB notwendige Obhutsverhältnis nicht ohne weiteres zwischen allen Lehrern und Schülern der Regionalen Schule in A. zu bejahen. Sachlich fundierte Kritik gegen diese Rechtsauffassung gab es nicht; sie wurde inzwischen vom Bundesgerichtshof bestätigt (BGH v. 25.04.2012 – 4 StR 74/12 – juris Rn. 8 – StV 2012, 531).

Es kommt somit darauf an, ob die Antragstellerin dem Beschuldigten in der fraglichen Nacht noch zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut war. Dies ist zu verneinen, weil das Lehrer-Schüler-Verhältnis und damit das Obhutsverhältnis mit der Auflösung des Klasseverbandes am 24. Juni 2005 endete (vgl. BGH v. 30.10.1963 – 2 StR 357/63 – juris n. 17 – BGHSt 19, 163). Allein die theoretische Möglichkeit, der Beschuldigte könne künftig die Antragstellerin als Vertretungslehrer unterrichten, begründet kein tatsächliches Obhutsverhältnis. Das frühere Obhutsverhältnis dauerte nicht allein deshalb fort, weil der Beschuldigte von ehemaligen Schülerinnen und Schülern zu einer privaten Veranstaltung eingeladen wurde. Bei dieser Veranstaltung war er lediglich Gast, aber kein tauglicher Täter eines sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen.

Über den vom OLG angeführten OLG Koblenz, Beschl. v. 29.12.2011 – 1 Ss 213/11 – haben wir hier unter: Sex in der Schule – der Religionslehrer und die 14-jährige Schülerin – Volltext hier berichtet.

Über Sex darf ein Lehrer reden, aber nicht privat mit seinem Schüler bei Facebook

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„Let`s talk about Sex“ gilt nicht für Lehrer, zumindest nicht, wenn sie sich mit einem Schüler in einem sozialen Netzwerk unterhalten. So hat das VG Aachen im VG Aachen, Beschl. v. 01.07.2013 – 1 L 251/13, einen 40 Jahre alter Lehrer beschieden, der privaten Kontakt über soziale Netzwerke zu einer Schülerin pflegte und hierbei auch Anzüglichkeiten austauschte. Deshalb war gegen ihn ein Unterrichtsverbot verhängt worden, was das VG jetzt bestätigt hat. Danach darf ein Lehrer, der über soziale Netzwerke mit einer 16jährigen Schülerin privat kommuniziert und dabei explizit sein sexuelles Interesse an dem Mädchen zum Ausdruck bringt, mit einem Unterrichtsverbot belegt werden. Dazu noch aus der PM des VG Aachen vom 03.07.2013:

„Der 40jährige Lehrer hatte über Monate privaten Kontakt mit einer seiner Schülerinnen und sie schließlich gebeten, mit ihm sexuell zu verkehren. Als es der Schülerin zu viel wurde und sie sich ihrer Schulleitung offenbarte, verbot ihm die Bezirksregierung Köln mit sofortiger Wirkung die Führung der Dienstgeschäfte und kündigte die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis an.

Der Lehrer wandte sich an das Gericht und erläuterte, dass er einen Fehler begangen habe. Da es aber zu keinem Zeitpunkt körperliche sexuelle Kontakte mit der Schülerin gegeben habe, seien das Unterrichtsverbot und die dem wahrscheinlich folgende Entlassung aus dem Beamtenverhältnis unverhältnismäßig. Mit der Versetzung an eine andere Schule würde er sich einverstanden erklären.

Das Gericht hat in seinem Beschluss betont, dass bereits die verbalen sexuellen Kontakte zu einer seiner Schülerinnen eine weitere Unterrichtstätigkeit des Lehrers nicht zuließen.“

Sorry, aber wie bescheuert muss man eigentlich sein, um sich so zu verhalten….

Der nächste Winter kommt bestimmt: Schnellballschlacht ist für einen Lehrer Arbeit

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In der vergangenen Woche ist die Berichterstattung über das VG Freiburg, Urt. v.04.12.2012 – 5 K 1220/11 – über die Ticker gelaufen, über das u.a. auch LTO berichtet hat.

Geklagt hatte eine Lehrer, der sich bei einer Schneeballschlacht auf dem Schulhof verletzt hatte. Der (Klassen)Lehrer „hatte sich von seinen Schülern nach Verlassen des Unterrichtsraumes in eine Schneeballschlacht verwickeln lassen. Erst hatte er sich nur verteidigt, dann jedoch auch selber Schneebälle geworfen. Dabei war er derart am Auge verletzt worden, dass er operiert werden musste.

Das Regierungspräsidium Freiburg wollte den Vorfall nicht als Dienstunfall anerkannen, weil kein natürlicher Zusammenhang zu den eigentlichen Dienstaufgaben des Lehrers bestanden habe. Nach der Schulordnung sei das Schneeballwerfen sogar ausdrücklich verboten gewesen. Schließlich habe der Pädagoge durch Teilnahme an der Schneeballschlacht seine erzieherische Vorbildfunktion verletzt.

Das Verwaltungsgericht Freiburg gab seiner Klage nun statt (04.12.2012, Az. 5 K 1220/11). Der Unfall habe sich noch „in Ausübung des Dienstes“, nämlich am Dienstort und während der Dienstzeit ereignet. Nach Ansicht des Gerichts sei die Aufspaltung des Regierungspräsidium in eine dienstliche Verteidigungsphase und eine rein private aktive Teilnahme lebensfremd. Der Lehrer habe plausibel dargelegt, dass er den Schneeballangriff nicht als böswillig, sondern als Ausdruck der Lebensfreude seiner Schützlinge und für sich als Herausforderung begriffen habe. Mit der bloßen Aufforderung, das Schneeballwerfen zu unterlassen, hätte er sich als Pädagoge lächerlich gemacht.“

Recht dürfte das VG – die beamtenrechtlichen Fragen kann ich nicht abschließend beurteilen – mit dem letzen Satz der o.a. Mitteilung aus den Urteilsgründen haben. Und – so das VG:

Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger durch sein Mitwirken an einer Schneeballschlacht möglicherweise gegen ein in der Hausordnung ausgesprochenes Verbot verstoßen hat. Die Kammer kann in diesem Zusammenhang auch dahinstehen lassen, ob und ggfs. in welchem Umfang oder gegenüber welchem Personenkreis das Verbot des Schnellballwerfens überhaupt Geltung beanspruchen kann. Denn selbst, wenn der Kläger durch seine Teilnahme an der Schneeballschlacht tatsächlich gegen ein wirksames Verbot verstoßen hätte, ginge er deshalb nicht der dienstunfallrechtlichen Fürsorge des Dienstherrn verlustig. Im Ausgangspunkt ist insoweit bereits in den Blick zunehmen, dass es sich bei diesem Verbot – dessen generelle Wirksamkeit und persönliche Anwendbarkeit auf den Kläger einmal unterstellt – um eine Vorschrift handelt, die vornehmlich der Verhütung von Unfällen zu dienen bestimmt ist und weniger die pädagogischen oder fiskalischen Interessen des Dienstherrn im Blick hat. Insoweit ist gemäß § 7 Abs. 2 SGB VII in den Blick zu nehmen, dass verbotswidriges Handeln einen Versicherungsfall nicht für sich genommen ausschließt. Diese gesetzliche Anordnung im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung findet im Dienstunfallrecht entsprechende Anwendung (Wilhelm in GKÖD, Band 1, § 31 BeamtVG Rdn. 64; Plog/Wiedow, BBG, Band 2, § 31 BeamtVG Rdn. 54 m.w.N.).