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StPO III: Schöffe macht sich länger private Notizen, oder: Beschäftigung mit privaten Dingen ==> Rauswurf

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Und dann noch etwas aus der Hauptverhandlung, nämlich die Frage nach der Besorgnis der Befangenheit einer Schöffin.

Der Angeklagte hat in einem Berufungsverfahren eine Schöffin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das ist wie folgt begründet worden: Der Angeklagte und sein Verteidiger hätten beobachten können, wie die Schöffin ab 14:00 Uhr bei der Verlesung eines Extraktionsberichtes durch den Vorsitzenden sich in einem schwarzen DIN-A5 Notizbuch Notizen auf den letzten Seiten gemacht habe. Das sei insoweit auffällig gewesen, als sie sich bisher Notizen zum Verfahren auf einem DIN A4 Papier gemacht habe. Ein solches DIN A4 Papier habe sich auch am Sitzungstag auf ihrem Tisch befunden. Die Schöffin habe sich Notizen in dem Buch untereinander gemacht, z.B. wie bei einer Einkaufsliste. Sie habe dabei mindestens 3 Seiten benutzt, weil sie mindestens einmal umgeblättert habe und dann auf den Folgeseiten links und rechts Notizen von oben bis unten gefertigt habe. All das habe sie gemacht, während der Vorsitzende die Chats vorgelesen habe. Sie habe daher dem Vorlesen und dem im Zusammenhang verlesenen Chat nicht folgen können. Sodann habe beobachtet werden können, dass sie das Zählen beginne. Sie habe auf der linken und rechten Seite die jeweiligen Aufzeichnungen gezählt. Dies habe sie wiederholt und sich weiterhin Notizen gemacht, die jedoch auch nie im Zusammenhang mit dem Vorgelesenen erfolgten, was deutlich aufgefallen sei. Daher sei offenkundig gewesen, dass sich die Schöffin nicht etwa Notizen des soeben vorgelesenen Chats gemacht habe. Um exakt 14.19 Uhr habe sie ihr Notizbuch geschlossen, weil sie offenkundig mit ihrer privaten Tätigkeit, die nicht im Zusammenhang mit dem Verfahren gestanden habe, fertig gewesen sei. Dies, obwohl der Vorsitzende noch lange nicht fertig gewesen sei, mit dem Verlesen. Auf Nachfrage der Verteidigung habe die Schöffin pp. sodann – was zutreffend ist bestätigt, dass diese Notizen nichts mit dem Verfahren zu tun gehabt hätten.

Die Schöffin hat in ihrer dienstlichen Stellungnahme hierzu ausgeführt, dass es stimme, dass sie während der Verhandlung Kritzeleien gemacht habe, die nicht unmittelbar mit dem Verfahren in Verbindung gestanden hätten. Diese hätten jedoch nicht der Ablenkung sondern vielmehr dazu gedient, ihre Konzentration zu bewahren. Das Kritzeln sei für sie eine bewährte Technik, die sie regelmäßig nutze – auch während ihres Studiums – um bei längeren Vorträgen konzentriert zu bleiben und nicht gedanklich abzuschweifen. Trotz des Kritzelns habe sie die Verlesung des Chats durch den Vorsitzenden Richter aufmerksam verfolgt.

Das LG Dortmund hat im LG Dortmund, Beschl. v. 08.11.2024 – 45 Ns 131/22 – dem Antrag statt gegeben:

„Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters oder einer Schöffin ist gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, dass der Richter oder die Schöffin ihm gegenüber eine innere Haltung einnimmt, die ihre Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Maßgebend ist dabei der Standpunkt eines vernünftigen Angeklagten (vgl. zum Ganzen: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO-Kom., 66. Aufl. § 24 Rn. 8 und 8a).

Der unterzeichnende Vorsitzende hat selbst beim Verlesen des Chats nicht mitbekommen, inwieweit die Schöffin pp. sich Notizen oder Ähnliches gemacht hat. Jedoch hat sich die Tätigkeit der Schöffin nach dem letztlich unbestritten gebliebenen Vortrag der Verteidigung über einen Zeitraum von 19 Minuten hingezogen und die Schöffin habe erkennbar dabei zwischendurch auch Punkte ihrer Notizen abgezählt. Das lässt es aus der Sicht eines verständigen Angeklagten in der Tat nicht unwahrscheinlich erscheinen, dass die Schöffin pp. über einen nicht nur kurzen Zeitraum der Beweisaufnahme mit verfahrensfremden Angelegenheiten beschäftigt war, zumal sie auf anschließende Nachfrage des Verteidigers, ob die Notizen etwas mit dem Verfahren zu tun gehabt hätten, auch umgehend mit „Nein“ geantwortet hat. In Anbetracht der Länge des Vorgangs lässt das für einen verständigen Betrachter auch durchaus den Eindruck der Befangenheit zu. Hieran ändert in Anbetracht der dezidierten Ablaufschilderung in dem Befangenheitsantrag sodann auch die dienstliche Erklärung der Schöffin, dass diese Kritzeleien letztlich nur ihrer Konzentrationshilfe gedient hätten, nichts mehr.“

Also zurück auf Start, gehe nicht über Los …. 🙂

StPO II: Schöffin will das Kopftuch nicht ablegen, oder: Gröbliche Amtspflichtverletzung oder Amtsenthebung?

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Und als zweite Entscheidung dann etwas aus dem „Schöffenrecht“, also eher GVG, aber natürlich mit Auswirkungen auf die StPO. Es geht nämlich um die Frage: Was passiert, wenn sich eine Schöffin aus religiösen Gründen weigert, während der Hauptverhandlung, ihr Kopftuch abzulegen? Ist das eine gröbliche Amtspflichtverletzung oder eine Unfähigkeit, das Schöffenamit auszuüben.

Das OLG Hamm geht im OLG Hamm, Beschl. v. 11.04.2024 – 5 Ws 64/24 – von Letzterem aus. In dem entschiedenen Fall hatte der Vorsitzende des Jugendschöffenausschusses eines AG  beantragt, die für die Wahlperiode 2024 bis 2028 gewählte Hauptjugendschöffin T. gem. § 51 Abs. 1 GVG ihres Amtes zu entheben. Die Schöffin habe erklärt, aus Bekenntnisgründen ein Kopftuch zu tragen und hierauf auch in der gerichtlichen Verhandlung nicht verzichten zu können. Dies verstoße gegen § 2 Abs. 1 Justizneutralitätsgesetz NRW (im Folgenden: JNeutG NRW) und stelle eine gröbliche Amtspflichtverletzung dar. Die Schöffin hat im Rahmen ihrer Anhörung erklärt, dass sie mit dem Kopftuch keine religiöse oder weltanschauliche Auffassung zum Ausdruck bringen wolle, sondern das Tragen des Kopftuchs als religiöse Pflicht verstehe. Auch ohne Kopftuch sei sie sehr schnell als Muslimin wahrzunehmen. Durch eine kopftuchtragende Schöffin werde die Vielfalt der Gesellschaft abgebildet und die gesellschaftliche Akzeptanz von Gerichtsurteilen erhöht.

Dazu das OLG:

„Der Antrag auf Amtsenthebung der Schöffin war abzulehnen, da ihre Weigerung, das Kopftuch während der Gerichtsverhandlung abzunehmen, keine gröbliche Amtspflichtverletzung im Sinne von § 51 Abs. 1 GVG darstellt.

1. Im Ansatz zutreffend ist der Vorsitzende des Jugendschöffenausschusses davon ausgegangen, dass die Weigerung der Schöffin, während der Gerichtsverhandlung auf das Tragen des Kopftuches zu verzichten, gegen § 2 Abs. 1 JNeutG NRW verstößt, wonach ehrenamtliche Richter in der gerichtlichen Verhandlung keine wahrnehmbaren Symbole oder Kleidungsstücke tragen dürfen, die bei objektiver Betrachtung eine bestimmte religiöse Auffassung zum Ausdruck bringen.

2. Ferner bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 2 Abs. 1 JNeutG NRW. Der Senat nimmt insofern Bezug auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Arnsberg (Beschluss vom 9. Mai 2022 – 2 L 102/22 -, Rn. 27 – 32, juris; ebenso: Beaucamp/Thrun, ZJS 2020, 373 ff.) und teilt insbesondere dessen Auffassung, dass das Verbot des Tragens religiöser Symbole während der Gerichtsverhandlung sich im Hinblick auf den hohen Rang des staatlichen Neutralitätsgebots und die geringe Eingriffsintensität als verhältnismäßig darstellt.

3. Nach Auffassung des Senats stellt die Weigerung der Schöffin, das Kopftuch während der Gerichtsverhandlung abzunehmen, indes keine gröbliche Amtspflichtverletzung im Sinne von § 51 Abs. 1 GVG, sondern eine (sonstige) Unfähigkeit zur Ausübung des Schöffenamtes im Sinne von § 52 Nr. 1 GVG dar.

a) Amtsenthebungsverfahren nach § 51 Abs. 1 GVG und Streichung von der Schöffenliste nach § 52 Abs. 1 GVG stehen in einem Ausschließlichkeitsverhältnis zueinander, so dass die Entscheidung, ob ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten oder eine Streichung von der Schöffenliste vorzunehmen ist, nur entweder in die eine oder in die andere Richtung getroffen werden kann (OLG Celle, Beschluss vom 23. September 2014 – 2 ARs 13/14 -, Rn. 3, juris)

b) Ob die Nichtausübbarkeit des Schöffenamtes wegen des Tragens religiöser Kleidung unter § 51 GVG oder § 52 GVG zu fassen ist, wird uneinheitlich beantwortet und ist seit Einführung von § 2 JNeutG NRW – soweit ersichtlich – bislang nicht entschieden.

aa) Teilweise wird eine Unfähigkeit zur Ausübung des Schöffenamtes verneint (AG Fürth (Bayern), Beschluss vom 7. Dezember 2018 – 441 AR 31/18 -, juris; KG Berlin, Urteil vom 9. Oktober 2012 – (3) 121 Ss 166/12 (120/12) -, juris). Begründet wird dies damit, dass § 52 GVG Bezug auf die §§ 32 bis 34 GVG nehme, in welchem das Tragen eines Kopftuchs nicht genannt werde. Wegen des hohen Grades an demokratischer Legitimation sei eine enge Auslegung von § 52 GVG geboten. Zudem bestehe für die Schöffin jeweils die Möglichkeit, gem. § 54 Abs. 1 S. 1 GVG ihre Entbindung von Dienstleistungen an bestimmten Sitzungstagen zu beantragen, solange sie sich aus religiösen Gründen nicht in der Lage sehe, in der Öffentlichkeit ihr Kopftuch abzulegen (AG Fürth (Bayern), Beschluss vom 7. Dezember 2018 – 441 AR 31/18 -, juris).

bb) Die Gegenauffassung geht hingegen davon aus, dass eine Streichung nach § 52 Abs. 1 GVG von der Schöffenliste geboten sei (Goers, in: Beck´scherOK, Stand: 15.02.2024, § 51 GVG Rn. 17a; Schmidt/Schiemann in: Gercke/Temming/Zöller, 7. Auflage 2023, § 51 GVG, Rn. 3; AG Hamburg-St. Georg, Beschluss vom 28. Dezember 2018 – ID 847 -, juris; in diese Richtung wohl auch: Gittermann in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage, § 31 GVG, Rn. 19c), da die Erklärung, während der Hauptverhandlung ein Kopftuch tragen zu wollen, keine gröbliche Amtspflichtverletzung darstelle.

c) Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung.

aa) Die gröbliche Verletzung der Amtspflichten im Sinne von § 51 GVG wird nach dessen Sinn und Zweck allgemein als Verhalten definiert, welches den Schöffen aus objektiver Sicht eines verständigen Verfahrensbeteiligten ungeeignet für die Schöffenamtsausübung macht, weil er nicht mehr die Gewähr bietet, unparteiisch und nur nach Recht und Gesetz zu entscheiden. (Goers, in: Beck´scherOK, a.a.O., § 51 GVG Rn. 9). Vorliegend geht es indes nicht um ein Fehlverhalten der Schöffin – diese praktiziert vielmehr lediglich ihre durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Religionsausübungsfreiheit – sondern um eine Kollision der grundrechtlich geschützten Religionsausübung mit den staatlichen Neutralitätsvorgaben bei Ausübung des Schöffenamtes.

bb) Ferner ist ersichtlich gesetzgeberisch nicht intendiert, dass Personen als Schöffen berufen werden, die nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft an der Ausübung des Schöffenamtes gehindert sind. Dies wäre indes die Folge, wenn man das religiöse Kopftuchtragen nicht als fehlende Eignung zur Ausübung des Schöffenamtes, sondern als gröbliche Amtspflichtverletzung verstehen würde. Bei dem letztgenannten Verständnis wäre eine Schöffin auch in Kenntnis des vorgenannten Umstandes zunächst zu berufen.

Soweit das Amtsgericht Fürth in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, dass Schöffinnen nach ihrer Berufung jeweils ihre Entbindung gem. § 54 Abs. 1 GVG von der Dienstleistung an bestimmten Sitzungstagen beantragen müssten, wenn sie sich aus religiösen Gründen zum Ablegen des Kopftuches in der Öffentlichkeit nicht in der Lage sehen würden, und die unterlassene Stellung des Entbindungsantrags eine gröbliche Amtspflichtverletzung darstellen kann (AG Fürth (Bayern), Beschluss vom 7. Dezember 2018 – 441 AR 31/18 -, juris Rn. 14, 16), vermag dies nicht zu überzeugen. Denn die ständige Beantragung der Entbindung nach § 54 GVG stellt nicht nur einen mit erheblichem bürokratischen Aufwand verbundenen Formalismus dar, sondern führt bei einer gefestigten religiösen Überzeugung der Schöffin – wie hier – auch zum gleichen Ergebnis wie deren Streichung von der Schöffenliste.

Anerkannt ist zudem, dass über den Wortlaut von § 52 GVG hinaus auch sonstige Gründe die Unfähigkeit zur Ausübung des Schöffenamtes begründen können (Schmitt, in: Meyer-Goßner, 66. Aufl. 2023, § 52 GVG Rn. 1; Barthe, in: Karlsruher Kommentar, 9. Aufl. 2023, § 52 GVG Rn. 4; Duttge/Kangarani, in: HK-GS, 5. Aufl. 2022, § 52 Rn. 2 GVG).

d) Der Senat ist aus den vorgenannten Gründen gehindert, die Schöffin nach § 51 Abs. 1 GVG ihres Amtes zu entheben. Der Senat vermag zudem die Schöffin nicht aus der Schöffenliste zu streichen. Denn zuständig für die Streichung aus der Schöffenliste nach § 52 GVG ist nicht der Senat, sondern der geschäftsplanmäßig für die Schöffenangelegenheiten im Sinn der §§ 31 ff. GVG i.V.m. § 34 Abs. 1 JGG bestimmte Jugendrichter (Schuster, in: MünchKomm, 1. Aufl. 2018, § 52 GVG Rn. 11), vorliegend somit der Vorsitzende des Jugendschöffenausschusses. Dessen Entscheidung ist gem. § 52 Abs. 4 GVG unanfechtbar.

Die Schöffin mit dem Hidschab-Kopftuch – ist das Gericht richtig besetzt?

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Beim AG Tiergarten hat eine Hauptverhandlung stattgefunden, die zur Verurteilung des Angeklagten u.a. wegen fahrlässiger Tötung geführt hat. An der Hauptverhandlung war eine Schöffin beteiligt, die „ein so genanntes Hidschab-Kopftuch trug, das ihre Stirn bis zum den Augenbrauen sowie ihre Ohren voll- ständig abdeckte und unter dem Kinn derart geschlossen war, dass der Hals der Schöffin vollständig verhüllt war.“ Die Staatsanwaltschaft hat Revision eingelegt und u.a. gerügt, dass das Gericht nicht ordnungsgemäß besetzt war (§ 338 Nr. 1 StPO). Mit der Frage befasst sich das KG, Urt. v. 09.10.2012 – (3) 121 Ss 166/12 (120/12) -. das die Revision der Staatsanwaltschaft verworfen hat.:

Der Fall, dass ein Schöffe ein bestimmtes Kleidungsstück trägt, begründet auch unter dem Umstand, dass es sich dabei um eine religiös begründete Kleidung handelt, wie das beim so genannten Hidschab-Kopftuch der Fall ist (BVerfGE 108, 282, 299), nach der einschlägigen gesetzlichen Vorschrift des § 32 GVG nicht die Unfähigkeit, das Schöffenamt zu bekleiden. Dass der Gesetzgeber solche Personen auch nicht grundsätzlich vom Schöffenamt ausschließen will, ergibt sich aus § 34 Nr. 6 GVG, der Ordensleuten und Priestern, die ja ebenfalls aufgrund religiöser Vorschriften eine bestimmte Art von Bekleidung tragen und in dieser unter Umständen an einer gerichtlichen Hauptverhandlung teilnehmen, gerade nicht die Fähigkeit abspricht, das Schöffenamt zu bekleiden.

Aus § 32 GVG im Wege einer verfassungskonformen Auslegung, die Unfähigkeit einer ein Kopftuch tragenden Muslimin, das Schöffenamt zu bekleiden, abzuleiten, verbietet sich schon deshalb, weil es im Falle eines Eingriffs in ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage bedarf (vgl. BVerfGE 108, 282, 297; BVerfG, NJW 2008, 2568, 2570; Groh, NVwZ 2006, 1023, 1026). Das der Schöffen zur Seite stehende Grundrecht der Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG garantiert, dass der Einzelne sein gesamtes Verhalten an den für ihn verbindlichen Glaubenslehren ausrichten kann (BVerfGE 32, 98, 106), wozu auch die religiös motivierte Gestaltung des äußeren Erscheinungsbildes durch Kleidung gehört (BVerfGE 108, 282, 297 1.). Soweit die Schöffin in der Hauptverhandlung ein Kopftuch trug, lag dies also im unmittelbaren Schutzbereich des von der Verfassung vorbehaltlos gewährten Grundrechts auf Religionsfreiheit. Eine Einschränkung dieses Grundrechts, welche hier mit dem Ausschluss vom Schöffenamt verbunden gewesen wäre, wäre somit nur aufgrund eines hinreichend bestimmten Gesetzes möglich, das insoweit nicht vorliegt.

Auch § 44 Abs. 2 DRiG -bestimmt, dass ein ehrenamtlicher Richter vor Ablauf seiner Amtszeit nur unter gesetzlich bestimmten Voraussetzungen abberufen werden kann. Mit dieser Vorschrift wird der ebenfalls zu beachtenden verfassungsrechtlichen Vorgabe des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG entsprochen, wonach niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof für den Fall der Streichung eines Schöffen von der Schöffenliste bereits entschieden, dass diese nur unter den engen Voraussetzungen des §52 GVG erfolgen kann, die ohne gesetzliche Regelung nicht erweitert werden können (BGHSt 9, 203, 206).

Es kann dahingestellt bleiben, ob für Berufsrichter unter dem Gesichtspunkt der staatlichen Neutralitätspflicht die Verpflichtung begründet ist, auf das Tragen von religiös motivierten Bekleidungsstücken zu verzichten, denn die für Berufsrichter geltenden Grundsätze können schon deshalb nicht auf Schöffen übertragen werden, weil diese nicht in einem Beamten- oder einem sonstigen Dienstverhältnis zum Staat stehen, sondern ein Ehrenamt ausüben, wobei sie trotz der. Amtsausübung Privatpersonen bleiben (Bader. NJW 2007, 2964, 2966; Grob, a.a.0, S. 1025 f.; Gittermann in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufläge, § 31 GVG Rn. 16). Die Grundsätze des Beamtenrechts sind daher auf sie nicht unmittelbar anzuwenden (Groh, a.a.O., S. 1025). Zudem sieht § 36 Abs. 2 Satz 1 GVG vor, dass in den Vorschlagslisten zur Schöffenwahl alle Gruppen der Bevölkerung nach Geschlecht, Alter, Beruf und sozialer Stellung angemessen zu berücksichtigen sind. Zur Bevölkerung gehören auch Personen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit. Sie sind Teil der Gesellschaft und können daher nicht von vornherein vom Schöffenamt ausgeschlossen werden (so auch Groh, a.a.O., S. 1026). Ein solches Vorgehen wäre sowohl mit Grundsatz der staatlichen Neutralität gegenüber Religionen nach Art. 140 GG 1.V.m. Art. 136 Abs. 1 WRV als auch mit Art. 33 Abs. 3 GG unvereinbar, wonach der Genuss staats- bürgerlicher Rechte, zu denen ja auch das Recht, das Schöffenamt auszuüben gehört, unabhängig vom religiösen Bekenntnis ist und niemandem aus seiner Zugehörigkeit zu einem Bekenntnis ein Nachteil erwachsen darf (Gittermann, a.a.O., An. 19).

Es besteht somit keine mit dem Gesetz und dem Verfassungsrecht vereinbare Grundlage, einer Person, allein aufgrund des Umstandes, dass sie ein religiös motiviertes Kleidungsstück trägt, die Fähigkeit, das Schöffenamt zu bekleiden, abzusprechen (so auch Groh, a.a.O., S. 1026; Bader, a.a.O., S. 2965; Buggert, StRR 2006, 44, 47; LG Bielefeld, NJW 2007, 3014; Gittermann, a.a.O.; Meyer-Goßner, a.a.O., § 52 -GVG An. 1; a.A. LG Dortmund NJW 2007, 3013, 3014; der Fall LG Dortmund, NStZ 2007, 360, ist hier nicht einschlägig, da es dort um eine Kopftuch tragende Muslimin ging, die im Rahmen einer Anhörung angegeben hatte, dass Männer und Frauen grundsätzlich anders seien und Frauen grundsätzlich weniger glaubwürdig seien als Männer, und aus diesem Grunde als unfähig angesehen wurde, dass Schöffenamt zu bekleiden.).