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„You’re complete crazy“ – sagt man das zu einem (bayerischen) Polizeibeamten?

entnommen: openclipart.org

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Da haben wir mal wieder eine – taufrische – Entscheidung zur Beleidigung/Schmähkritik, und zwar den OLG München, Beschl. v. 06.11.2014 – 5 OLG 13 Ss 535/14. Das OLG hatte sich mit folgendem Sachverhalt zu befassen:

„Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hatte der Angeklagte in einer Bar mindestens 6 Whiskys getrunken, was zu einem Atemalkoholwert von 2,3 Promille führte. Er geriet mit dem Wirt der Bar über die Höhe der Rechnung in Streit. Ein anderer Gast hatte zahlreiche Getränke auf die Rechnung des Angeklagten setzen lassen, was den Angaben des Angeklagten nach nicht mit ihm vereinbart war. Der herbeigerufenen Polizei nannte der Angeklagte eine Adresse in Berlin und händigte seinen Reisepass aus, aus dem sich jedoch lediglich Berlin als Wohnsitz ergab. Die Überprüfung der Personalien nahm einige Zeit in Anspruch. Da sich der Angeklagte erst kurz zuvor umgemeldet hatte, konnte zuerst nicht die Richtigkeit der Angaben des Angeklagten festgestellt werden. Während der gesamten Personalienfeststellung war der Angeklagte uneinsichtig und verhältnismäßig laut. Zur Geschädigten Polizeibeamtin pp. sagte der Angeklagte: „You’re complete crazy“, um so seine Missachtung auszudrücken.“

Das AG hatte den Angeklagten verurteilt. Das OLG hat aufgehoben und frei gesprochen:

„Eine ehrverletzende Äußerung ist dann nicht mehr hinzunehmen, wenn mit ihr die Grenze zur Schmähkritik überschritten wird. Selbst eine überzogene und ausfällige Kritik macht für sich genommen eine Äußerung noch nicht zur Schmähkritik. Eine herabsetzende Äußerung nimmt erst dann den Charakter einer Schmähung an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BayObLG NJW 2005, 1291, 1292).

Die Äußerung des Angeklagten ist anlässlich seiner Personalienfeststellung gegenüber der die Abfrage durchführenden Beamtin gefallen und vor dem Hintergrund zu sehen, dass der – zudem stark alkoholisierte Angeklagte vorher von ihrem Kollegen zu Unrecht der Angabe falscher Personalien bezichtigt worden war und sich die Abfrage eine Weile hinzog. Angesichts der Anlassbezogenheit dieser Äußerung, der in der Einlassung des Angeklagten geschilderten Verärgerung über den Vorwurf, gelogen zu haben und der Dauer der Kontrolle kann trotz des Umstands, dass der Vorwurf nicht durch die Geschädigte selbst, sondern durch ihren Kollegen erhoben wurde, nicht davon ausgegangen werden, dass die Diffamierung der Polizeibeamtin, sondern das ihm von der Polizei als Institution entgegengebrachte Misstrauen und die damit verbundene langdauernde Kontrolle durch die beiden Beamten im Vordergrund stand. Trotz der scharfen Kritik ist deshalb die Grenze zur Schmähkritik nicht überschritten. Ein durch das Grundrecht auf Meinungsäußerung nicht gedeckter Angriff auf die Menschenwürde liegt ebenso wenig vor, wie eine Formalbeleidigung.“

Freispruch ja, aber leicht ist er dem OLG offenbar nicht gefallen. Denn am Ende gibt es dann noch etwas „fürs Leben“:

„Der Senat bemerkt ausdrücklich, dass die Entscheidung nicht als Billigung der Äußerung und der Vorgehensweise des Angeklagten missverstanden werden darf. Die Auseinandersetzung mit tatsächlich oder vermeintlich falschen Entscheidungen oder Vorgehensweisen von Behörden hat grundsätzlich allein mit den Mitteln zu erfolgen, die die jeweiligen Verfahrensordnungen zur Verfügung stellen, ohne, dass Anlass und Raum für verletzende und kränkende, die gebotene sachliche Atmosphäre lediglich vergiftenden Angriffe auf die handelnden Personen veranlasst wären. Strafbar ist das Verhalten des Angeklagten nach Maßgabe der verfassungsrechtlichen Grundsätze aber nicht.“

Tja, auch wenn es schwer fällt…..

…“dass Ihre Amtsvorgänger die Reichsrassengesetze gegen die Juden rechtssicherer angewandt haben“…

© froxx - Fotolia.com

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Der Angeklagte schreibt als Reaktion auf einen vorherigen Fernsehbericht des WDR über die Abschiebehaft eines serbischen Ehepaares, in dem über „angebliche Missstände bei der Abschiebepraxis“ berichtet worden war, eine E-Mail mit folgendem Inhalt an die zuständige Behörde, das Ausländeramt des Kreises G:

„Sehr geehrte Damen und Herren,
nach dem Erleben des heutigen WDR-Beitrages muss ich sachlich feststellen, daß Ihre Amtsvorgänger die Reichsrassengesetze gegen die Juden rechtssicherer angewandt haben. Man sollte doch erwarten, daß die rechtssicheren Handlungen, die jedem damaligen Judenschänder seinen Beamtenstatus erhielten, auch noch von Ihnen beherrscht werden. Aber zu Ihrer Beruhigung: Ehe dem deutschen Beamten ein Rechtsbruch nachgewiesen würde, drehte sich die Erde rückwärts.
Weiter so bis zum Ruhestand.
Und Kopf hoch, selbst Roland Freislers Witwe wurde im Nachhinein die Altersversorgung aufgebessert.“

Na ja, ist schon ganz schön dicke, oder?. Hat sich das AG auch wohl gedacht und verurteilt den Angeklagten wegen Beleidigung verurteilt. OLG Hamm hebt auf die Revision des Angeklagten dann aber im OLG Hamm, Beschl. v. 14.08.2014 – 2 RVs 29/14 – auf und spricht frei. Begründung. (noch) keine Schmähkritik, sondern noch freie Meinungsäußerung_

Die mangels Vorliegens einer Schmähkritik demnach unter Berücksichtigung aller wesentlichen Einzelumstände vorzunehmende konkrete Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht der Geschädigten und der Meinungsfreiheit des Angeklagten fällt vorliegend zugunsten der Meinungsfreiheit aus.

Zwar ist der Ehrschutz und das Persönlichkeitsrecht der bei der Ausländerbehörde des Kreises G tätigen Mitarbeiter in massiver Weise angegriffen bzw. verletzt worden. Denn in seiner E-Mail nimmt der Angeklagte zwar auch auf den Inhalt des WDR-Berichtes Bezug, eine nähere Auseinandersetzung mit dem Inhalt des WDR-Berichtes erfolgt jedoch nicht. Vielmehr steht der ehrverletzende Charakter der E-Mail im Vordergrund. Gerade der vom Angeklagten vorgenommene Vergleich der Mitarbeiter des Ausländeramtes des Kreises G mit den Amtsvorgängern der NS-Diktatur, welche „Judenschänder“ gewesen seien, und die damit gezogene Parallele zu den Gräueltaten der NS-Diktatur, greift in massiver Weise in den Ehrschutz der Mitarbeiter der Ausländerbehörde ein.

Dennoch überwiegt bei Zugrundelegung der Maßstäbe der maßgeblichen bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung im Rahmen der hier vorzunehmenden Abwägung die Meinungsfreiheit.

Für den Vorrang der Meinungsfreiheit spricht, dass nach dem Inhalt des Fernsehberichtes des WDR Anlass zu – auch scharfer – Kritik gegeben war. In einem solchen Fall ist der Umfang dessen, was an Meinungsäußerung noch gerechtfertigt ist, erheblich größer (vgl. Thür. OLG, Beschluss vom 4. Juli 2001, NJW 2002, 1890). Dabei fallen auch scharfe und übersteigerte Äußerungen grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG. Bei Beiträgen zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage gilt die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. März 1992, NJW 1992, 2815).

Bei der Beurteilung der Schwere der zweifellos vorliegenden Ehrverletzung und ihrer Gewichtung im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung ist zudem von Bedeutung, ob die betroffenen Mitarbeiter der Ausländerbehörde persönlich angegriffen und womöglich sogar namentlich genannt wurden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. März 1992, a.a.O.). Vorliegend hat der Angeklagte mit dem Inhalt seiner E-Mail jedoch keine einzelnen Personen, sondern allgemein die Mitarbeiter der Ausländerbehörde des Kreises G ansprechen wollen. Zudem ist der Inhalt der E-Mail nicht unbeteiligten Dritten zugänglich gemacht worden, was ebenfalls bei der Abwägung zu berücksichtigen ist.

Auch ist zu bedenken, dass der Inhalt der E-Mail des Angeklagten zwar beleidigend, jedoch angesichts der gewählten Formulierungen nicht derart ehrverletzend ist, dass der Ehrschutz überwiegen würde. Vielmehr dürfen im „Kampf um das Recht“ auch scharfe, polemische und übersteigerte Äußerungen getätigt werden, um eine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn die Kritik auch anders formuliert hätte werden können (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 3. Juni 2004, NStZ-RR 2006, 7; OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. März 2012, NStZ-RR 2012, 244). Bei Beiträgen in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage – wie hier der Abschiebung von Ausländern – muss Kritik an staatlichen Maßnahmen, die in überspitzter und polemischer Form geäußert wird, hingenommen werden, weil anderenfalls die Gefahr einer Lähmung oder Verengung des Meinungsbildungsprozesses drohte (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. BVerfGE 82, 272]).“

„…der Kollege ist kriminell…“ – darf man nicht sagen

© m.schuckart - Fotolia.com

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Hoch her ging es im OLG-Bezirk Koblenz in Zusammenhang mit der Einziehung von Geschäftsanteilen einer GmbH. Das war dann Gegenstand eines einstweiligen Verfügungsverfahrens, das die von der Zwangseinziehung betroffene Gesellschafterin gewonnen hat. Im Anschluss daran äußerte ein Gesellschafter der GmbH gegenüber einer Kollegin des Rechtsanwalts, der die Gesellschafterin, die das einstweilige Verfügungsverfahren gewonnen hat, in dem Verfahren vertreten hatte, das dieser ein Krimineller sei und in einem gerichtlichen Verfahren eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben habe. Ein Verfahren habe er nur aufgrund der von ihm falsch abgegebenen eidesstattlichen Versicherung gewonnen. Die Streitigkeiten hätten der Mandantin  nichts gebracht, der Verfügungskläger habe nur das Geld seiner Mandantin verbrannt.

Und das war dann Gegenstand eines Unterlassungsverfahrens, das mit dem Hinweisbeschluss des OLG Koblenz v. 16.12.2013 – 3 U 1287/13 – und dem OLG Koblenz, Urt. v. 16.12.2013 – 3 U 1287/13 -geendet hat. Ergebnis: So etwas darf man nicht sagen.

Bezüglich des Vorwurfs, der Verfügungskläger sei kriminell und habe ein gerichtliches Verfahren nur deshalb gewonnen, weil er eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben habe, handelt es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine subjektive Meinungsäußerung, die ein Werturteil darstellt.

Eine gemäß § 823 Abs. 1 BGBi.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB analog, § 823 Abs. 2 BGBi.V.m. § 185 StGBzu unterlassende rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung stellt eine Meinungsäußerung nur dann dar, wenn die Belange des Betroffenen durch ihren ehrverletzenden Gehalt in einem mit der Ausübung grundgesetzlich garantierter Meinungsfreiheit nicht mehr zu rechtfertigenden Maß tangiert sind (BVerfG, Beschluss vom 10.11.1998 – 1 BvR 153/96 – NJW 1999, 1322, 1324 [BVerfG 10.11.1998 – 1 BvR 1531/96]).

Bei der Abwägung ist unter anderem zu berücksichtigen, ob die Äußerung im öffentlichen Meinungskampf aufgestellt worden, in dem eine Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede besteht und ob sie gegenüber unbeteiligten Dritten aufgestellt worden ist. In der öffentlichen Auseinandersetzung muss auch Kritik hingenommen werden, die in überspitzter und polemischer Form geäußert wird, weil andernfalls die Gefahr einer Lähmung oder Verengung des Meinungsbildungsprozesses droht (BVerfG, Beschluss vom 26.06.1990 – 1 BvR 1165/89NJW 1991, 95 f.). Dementsprechend sind Werturteile von dem Recht zur freien Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gedeckt, soweit sie nicht zugleich darauf gerichtet sind, die Persönlichkeit herabzusetzen, zu diffamieren oder sie formal beleidigend sind. Insoweit ist eine Interessenabwägung erforderlich. Eine sachliche Kritik ist nicht widerrechtlich. Unzulässig sind aber Werturteile, die in eine jeder sachlichen Grundlage entbehrende böswillige oder gehässige Schmähkritik übergehen. Dabei macht selbst eine überzogene oder gar ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Die Zulässigkeitsgrenze wird vielmehr erst dann überschritten, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung mit der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sie muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen Herabsetzung bestehen (BVerfG, Beschluss vom 26.06.1990 – 1 BvR 1165/89BVerfGE 82, 272; BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91, 1 BvR 1980/91, 1 BvR 102/92, 1 BvR 221/92NJW 1995, 3303 f.; BGH; Urteil vom 10.11.1994 – I ZR 216/92NJW-RR 1995, 301; Urteil vom 07.12.1999 – VI ZR 51/99NJW 2000, 1036, 1038; Urteil vom 16.11.2004 – VI ZR 298/03NJW 2005, 279, 283; OLG Koblenz, Beschluss vom 12.07.2012 – 2 U 862/06ZUM-RD 2007, 522 ff., zitiert nach […]).

Bei Anlegung dieser Grundsätze überschreitet die Äußerung des Verfügungsbeklagten, der Verfügungskläger sei kriminell und habe ein gerichtliches Verfahren nur deshalb gewonnen, weil er eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben habe, den Bereich einer zulässigen Meinungsäußerung. Die Äußerung stellt eine Schmähkritik dar, weil sie darauf ausgerichtet ist, den Verfügungskläger zu diffamieren. Dabei kommt im Rahmen der Abwägung dem Umstand besonderes Gewicht zu, das der Verfügungskläger Rechtsanwalt ist. Der Vorwurf des Verfügungsbeklagten verletzt den Verfügungskläger nämlich nicht nur persönlich in seiner Ehre, sondern in besonderer Weise in seinem beruflichen Ansehen als Rechtsanwalt und damit als unabhängigem Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO). Der Verfügungskläger muss diese nicht hinnehmen.

Das BVerfG deckt den „Kollegen Winkeladvokaten“

Gerade läuft die PM des BVerfG Nr. 51/2013 vom 09.08.2013 zum BVerfG, Beschl. v. 02.07.2013 über den Ticker. In der Sache geht es um die Unterlassungsurteile aus Köln, in denen einem Rechtanwalt untersagt worden war, einen Kollegen als Winkeladvokat zu bezeichnen (vgl. hier Der Kollege “Winkeladvokat” oder auch: Der “umstrittene Anwalt“, Schmähkritik oder zulässige Meinungsäußerung?).

Das BVerfG hat die die angegriffenen Unterlassungsurteile aufgehoben. Die Bezeichnung einer Rechtsanwaltskanzlei als „Winkeladvokatur“ könne von der Meinungsfreiheit gedeckt sein.

In der PM heißt es:

1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt und vertrat wiederholt eine Patientin in Arzthaftungsprozessen gegen mehrere Zahnärzte. Der im zivilgerichtlichen Ausgangsverfahren auf Unterlassung klagende Rechtsanwalt vertrat mehrfach jeweils zwei der beklagten Zahnärzte. Der Beschwerdeführer warf dem Rechtsanwalt Parteiverrat und widerstreitende Interessen vor, weil er nur einen seiner Mandanten effektiv gegen Haftungsvorwürfe habe verteidigen können, aber nicht beide. In einem anderen Verfahren monierte der Beschwerdeführer in einem Schriftsatz einen widersprüchlichen Außenauftritt des Rechtsanwalts, denn es sei nicht klar, ob dieser mit zwei Rechtsanwälten in einer Sozietät oder in einer Bürogemeinschaft zusammenarbeite. Hier zeige sich eine Parallele zu den von ihm vertretenen Zahnärzten, bei denen auch nicht klar sei, ob sie eine Praxisgemeinschaft oder eine Gemeinschaftspraxis bildeten. Dem Schriftsatz fügte der Beschwerdeführer eine E-Mail aus einem berufsständischen Verfahren an die Rechtsanwaltskammer bei. Dort heißt es unter anderem: „Mir persönlich erscheint es daher fragwürdig, wie es die Rechtsanwälte … mit ihrer prozessualen Wahrheitspflicht halten, wenn sie dem Gericht gegenüber eine ‚Kooperation‘ behaupten, wo sonst von ihnen allenthalben der Eindruck einer Sozietät zu vermitteln versucht wird. Ich gehe davon aus, dass es nicht unsachlich ist, eine solche geschickte Verpackung der eigenen Kanzlei – mal als Kooperation, mal als Sozietät (wie es gerade günstig ist) – als ‚Winkeladvokatur‘ zu apostrophieren.“ Das Landgericht und das Oberlandesgericht verurteilten den Beschwerdeführer, es zu unterlassen, den Unterlassungskläger als Winkeladvokaten oder das von ihm geführte Büro als Winkeladvokatur zu bezeichnen, wobei das Landgericht die Äußerung als Schmähkritik einordnete und schon aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit herausfallen ließ, während das Oberlandesgericht zwar eine Interessenabwägung durchführte, diese aber zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehen ließ, weil die Äußerung für den Anlass vollkommen unangemessen und unnötig sei.

2. Diese Urteile verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG).

a) Zutreffend ist allerdings, dass durch den Begriff „Winkeladvokatur“ in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Unterlassungsklägers eingegriffen wird. Denn er insinuiert, dass der Kläger ein Rechtsanwalt sei, der eine geringe fachliche Eignung aufweist und dessen Seriosität zweifelhaft ist. Dies setzt ihn in seiner Persönlichkeit herab.

b) Es handelt sich jedoch hier nicht um Schmähkritik. Verfassungsrechtlich ist die Schmähung eng definiert. Eine Schmähkritik ist spezifisch dadurch gekennzeichnet, dass nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Dies kann hier aber nicht angenommen werden, denn die Äußerung hat einen Sachbezug. c) Verfassungsrechtlich geboten war also eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Unterlassungsklägers. In dieser Abwägung muss das Gericht, an das zurückverwiesen wurde, berücksichtigen, dass die Äußerung zunächst nur gegenüber der Rechtsanwaltskammer getätigt und dann in einen Zivilprozess eingeführt wurde, in dem nur die Prozessbeteiligten und das Gericht von ihr Kenntnis nehmen konnten. Rechtsschutz gegenüber Prozessbehauptungen ist nur gegeben, wenn die Unhaltbarkeit der Äußerung auf der Hand liegt oder sich ihre Mitteilung als missbräuchlich darstellt; die bloße „Unangemessenheit“ und „Unnötigkeit“ der Äußerung reichen dafür nicht aus. Das Gericht muss des Weiteren berücksichtigen, dass der Vorwurf des Winkeladvokaten nur eine begrenzt gewichtige Herabsetzung allein in der beruflichen Ehre bedeutet und den Unterlassungskläger damit lediglich in seiner Sozialsphäre betrifft. Die Verurteilung zur Unterlassung einer Äußerung muss im Interesse des Schutzes der Meinungsfreiheit auf das zum Rechtsgüterschutz unbedingt Erforderliche beschränkt werden. Sie hat dagegen nicht den Zweck, die sachliche Richtigkeit oder Angemessenheit der betreffenden Meinungsäußerung in dem Sinne zu gewährleisten, dass zur Wahrung allgemeiner Höflichkeitsformen überspitzte Formulierungen ausgeschlossen werden.

c) Verfassungsrechtlich geboten war also eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Unterlassungsklägers. In dieser Abwägung muss das Gericht, an das zurückverwiesen wurde, berücksichtigen, dass die Äußerung zunächst nur gegenüber der Rechtsanwaltskammer getätigt und dann in einen Zivilprozess eingeführt wurde, in dem nur die Prozessbeteiligten und das Gericht von ihr Kenntnis nehmen konnten. Rechtsschutz gegenüber Prozessbehauptungen ist nur gegeben, wenn die Unhaltbarkeit der Äußerung auf der Hand liegt oder sich ihre Mitteilung als missbräuchlich darstellt; die bloße „Unangemessenheit“ und „Unnötigkeit“ der Äußerung reichen dafür nicht aus. Das Gericht muss des Weiteren berücksichtigen, dass der Vorwurf des Winkeladvokaten nur eine begrenzt gewichtige Herabsetzung allein in der beruflichen Ehre bedeutet und den Unterlassungskläger damit lediglich in seiner Sozialsphäre betrifft. Die Verurteilung zur Unterlassung einer Äußerung muss im Interesse des Schutzes der Meinungsfreiheit auf das zum Rechtsgüterschutz unbedingt Erforderliche beschränkt werden. Sie hat dagegen nicht den Zweck, die sachliche Richtigkeit oder Angemessenheit der betreffenden Meinungsäußerung in dem Sinne zu gewährleisten, dass zur Wahrung allgemeiner Höflichkeitsformen überspitzte Formulierungen ausgeschlossen werden.

Die Beleidigung des Richters: Sie und die Nürnberger Rassegesetze….

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In einem ausländerrechtlichen Verfahren, in dem es um die Anordnung der Sicherungshaft gegen einen nigerianischen Staatsangehörigen ging, der in Deutschland mit einer deutschen Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter zusammen lebte, ist es 2005 in einem Vorführungstermin zu einem – gelinde ausgedrückt – heftigen Wortwechsel zwischen dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen und dem zuständigen Richter gekommen. Der Wortwechsel hatt dann mehrfach die Gerichte beschäftigt und jetzt sein vorläufiges Ende beim OLG Bremen gefunden (vgl. OLG Bremen, Beschl. v. 28.06.2013 – 2 Ss 35/13). Das OLG bestätigt in seinem Beschluss die Verurteilung des Rechtsanwalts wegen Beleidigung und teilt dazu folgenden Sachverhalt mit:

„Der Festgenommene wurde umgehend dem zuständigen Richter der Vorermittlungsabteilung, dem Zeugen X, vorgeführt. Vor der eigentlichen Anhörung und noch in Abwesenheit des Betroffenen kam es im Flurbereich der Vorermittlungsabteilung zu einem Gespräch zwischen dem Rechtsvertreter des Betroffenen, dem Angeklagten, und dem Zeugen X, das die Protokollführerin, die Zeugin Y, teilweise mitbekam. Dabei wies der Angeklagte auf die Tatsache hin, dass sein Mandant ein Kind in Deutschland habe und für dieses die Personensorge ausübe. Dem Zeugen X war die Vaterschaft des Mandanten aus der Akte bekannt. Im Laufe der Unterhaltung erregte sich der Angeklagte immer mehr, was – zu Gunsten des Angeklagten unterstellt – auch damit zusammenhing, dass ihm der Zeuge X aus einer Vielzahl vorangegangener Abschiebehaftverfahren als ein Richter bekannt war, der bislang den Anträgen der Ausländerbehörde regelmäßig entsprochen hatte. Der Angeklagte wiederholte mehrfach, dass sein Mandant ein Kind habe. Der Zeuge X äußerte sinngemäß, dass seinem Mandanten seine prekäre ausländerrechtliche Situation bekannt gewesen sein müsste, als er Vater geworden sei. Möglicherweise merkte er sinngemäß noch an, der Betroffene hätte die richtige Reihenfolge, zunächst die Beschaffung einer Aufenthaltsgestattung und anschließend die Vaterschaft, einhalten sollen. Der Angeklagte verstand die Bemerkung dahingehend, dass der Zeuge der Auffassung sei, sein Mandant benötige eine behördliche Erlaubnis, um mit einer deutschen Frau ein Kind zu zeugen. Er forderte sodann den Zeugen X auf, ihm den Satz nachzusprechen, der Betroffene als Afrikaner sei berechtigt, eine deutsche Frau zu ficken und ihr ein Kind zu machen. Der Zeuge reagierte nicht und der Angeklagte wiederholte die Aufforderung, wobei er nunmehr das Wort „ficken“ durch den Ausdruck „vögeln“ ersetzte. Der Zeuge reagierte wiederum nicht, worauf der Angeklagte zu ihm Folgendes sagte: „Sie werden diesen Satz nicht über Ihre Lippen bringen, weil er gegen ihre Auffassungen verstößt. Sie vertreten hier Auffassungen, die in diesem Staat zuletzt 1934 (gemeint ist offensichtlich 1935) mit den Nürnberger Rassegesetzen vertreten worden sind“. Der Zeuge brach daraufhin das Gespräch ab.“

Zur rechtlichen Würdigung heißt es:

„1. Die Beleidigung setzt einen rechtwidrigen Angriff auf die Ehre einer anderen Person durch vorsätzliche Kundgabe der Missachtung voraus (Fischer, 60. Auflage, 2013, § 185 Rdn. 4). Die Äußerung des Angeklagten: „Sie werden diesen Satz nicht über Ihre Lippen bringen, weil er gegen ihre Auffassungen verstößt. Sie vertreten hier Auffassungen, die in diesem Staat zuletzt 1934 mit den Nürnberger Rassegesetzen vertreten worden sind“, erfüllt den Tatbestand der Beleidigung. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 05.11.2010 (Az.: 2 Ss 35/09) ausgeführt hat, unterstellt die Äußerung des Angeklagten dem Zeugen X, dass dieser die im höchsten Maße menschenverachtende Auffassung der Nationalsozialisten teile. Dabei handelt es sich ohne Zweifel um einen schwerwiegenden Angriff auf die Ehre und einen kaum hinnehmbaren Ausdruck der Missachtung (Hans. OLG aaO.). Dies war dem Angeklagten bekannt und von ihm in seiner Wirkung beabsichtigt, wie das Landgericht rechtfehlerfrei festgestellt hat.

2. Die genannte Äußerung ist auch nicht gem. § 193 StGB im Rahmen der Wahrnehmung berechtigter Interessen des als Rechtsanwalt tätigen Angeklagten gerechtfertigt gewesen. Denn durch § 193 StGB in keinem Fall gedeckt sind herabsetzende Äußerungen, zu denen der Verfahrensbeteiligte oder der Verfahrensablauf keinen Anlass gegeben haben und die in keinem Zusammenhang mit der Rechtsverfolgung stehen (Fischer aaO., § 193 Rdn. 28a). Dies gilt insbesondere für die Ausübung von sog. Schmähkritik, die in spezifischer Weise dadurch gekennzeichnet ist, dass nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BVerfG, Beschluss vom 17.09.2012, 1 BvR 2979/10, bei juris). Wie das Landgericht in dem angefochtenen Urteil in zutreffender Weise festgestellt hat, fand das tatgegenständliche Geschehen vor der eigentlichen Anhörung im Flur vor dem Richterzimmer statt, so dass der dienstliche Bezug dieses Aufeinandertreffens zumindest gelockert gewesen ist. Entscheidend ist aber in diesem Zusammenhang, dass der Angeklagte durch seine mehrfache Aufforderung an den Zeugen, ihm den Satz nachzusprechen, der Betroffene als Afrikaner sei berechtigt, eine deutsche Frau zu „ficken“ (bzw. zu „vögeln“) und ihr ein Kind zu machen, die Ebene der Sachlichkeit vollständig verlassen hatte. Ein derartiges Gebaren eines Rechtsanwaltes, dessen Verhalten mit Rücksicht auf seine besondere Stellung als Organ der Rechtspflege „zurückhaltend, ehrenhaft und würdig“ sein sollte (EGMR NJW 2004, 3317 [EGMR 28.10.2003 – 39657/98]), ist unter keinen Umständen hinnehmbar. Im Kern ging es bei den Äußerungen des Angeklagten nicht mehr um die Rechtmäßigkeit der Festnahme seines Mandanten, sondern ersichtlich um die vermeintliche Einstellung des Zeugen zu Geschlechtsverkehr zwischen Menschen unterschiedlicher Nationalität. Dies liegt neben der Sache und hat mit dem eigentlichen Streitgegenstand, nämlich der bevorstehenden Verhandlung über den Sicherungshaftantrag, nichts mehr zu tun. Die Revision war nach alledem als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.“