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StGB II: Bezeichnung einer BT-Abgeordneten als „es“, oder: Beleidigung, Schmähkritik, Menschenwürde

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Und als zweites Posting dann die erste „Beleidigungsentscheidung“, und zwar das KG, Urt. v. 29.01.2024 – 2 ORs 38/23 – zum Begriff der Schmähkritik und den Voraussetzungen eines Angriffs auf die Menschenwürde bei der Bezeichnung einer Bundestagsabgeordneten als „es“

Das KG geht von folgenden Feststellungen des Berufungsgerichts aus:

„Am 7. April 2022 fand im Bundestag die Abstimmung zur Impfpflicht gegen Sars-CoV-2 statt. Der Angeklagte hielt sich im Rahmen seiner Tätigkeit als „Go“-Journalist – gemeinsam mit dem gesondert verfolgten R B – auf dem Platz der Republik vor dem Reichstagsgebäude auf und führte mehrere Interviews mit Bundestagsabgeordneten, unter anderem mit Ar La (CDU) und C Li (FDP), die er jeweils auf Video aufzeichnete und später auf seinem Telegramkanal veröffentlichte. Ebenso filmte er mit seiner Kamera, wie die Bundestagsabgeordnete T Ga auf dem Weg zur parlamentarischen Abstimmung das Reichstagsgebäude betrat. Während die Abgeordnete sich dem Eingang des Gebäudes näherte, äußerte der Angeklagte in deren Richtung: „Haben Sie sich umoperieren lassen? Mann ist Mann und Frau ist Frau, vergessen Sie das nicht! Menschenskinder, ich find das oberpeinlich, was Sie abziehen. Und das von meinen Steuergeldern, was soll der Scheiß? Hörn Sie mal auf damit, Mann ist Mann und Frau ist Frau. […] Wir beobachten Sie ganz genau, Schritt für Schritt.“ In dem folgenden Gespräch mit dem gesondert verfolgten B äußerte der Angeklagte sodann in Bezug auf T Ga: „Ja, das ist dieser umoperierte Typ da. […] Das ist ’n Bundestagsabgeordneter, der hat sich zur Frau umoperieren lassen.“ Daraufhin bekundete der gesondert verfolgte B: „Der hat seinen Dödel noch“, woraufhin der An-geklagte antwortete: „Ach der hat den noch, ja, ok. Ja es ist ’n Mann. Mann ist Mann und Frau ist Frau.“ Dies kommentierte der gesondert verfolgte B mit den Worten: „Es fühlt sich als Frau“, die der Angeklagte anschließend zustimmend – und in die Kamera lächelnd – wiederholte.

Das Video mit den vorgenannten Worten des Angeklagten in Richtung der Abgeordneten Ga und dem anschließenden Dialog zwischen ihm und dem gesondert verfolgten B veröffentlichte der Angeklagte am selben Tag gegen 18.00 Uhr auf seinem für jedermann frei abrufbaren Telegramkanal „Ak Man“. Am Folgetag löschte er das Vi-deo. Es konnte nicht näher festgestellt werden, wie viele Personen das Video in der Zeit der Veröffentlichung sahen.“

Das AG hatte verurteilt, das LG dann frei gesprochen. Und das KG verwirft die gegen den Freispruch gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft. Es führt u.a. aus:

„2. Der Angeklagte hat mit der Äußerung „Es fühlt sich als Frau“ nach der revisions-rechtlich nicht zu beanstandenden Wertung der Berufungskammer eine als Ehrkränkung der Betroffenen anzusehende Meinung geäußert.

Das Landgericht hat die Äußerung des Angeklagten ausgehend von deren objektivem Sinngehalt ausgelegt. Es hat sich damit auseinandergesetzt, inwieweit die Äußerung – insbesondere der Teil „fühlt sich als Frau“ – einen Bezug zur Person, zu Bekundungen und zu politischen Aktivitäten der betroffenen Bundestagsabgeordneten hat. Des Weiteren hat es in der Verwendung des Wortes „es“ einen Bezug zu aktuellen Debatten um die Verwendung geschlechtsneutraler Pronomen gesehen. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung hat das Landgericht dann den Schluss gezogen, dass der Angeklagte aus Sicht des alle maßgeblichen tatprägenden Umstände kennenden unbefangenen verständigen Dritten der Betroffenen mit seinen Worten ab-gesprochen hat, Mann oder Frau zu sein. Zurecht, ohne dass ein Verstoß gegen Auslegungsregeln oder eine Außerachtlassung weiterer Deutungsmöglichkeiten zu erkennen wäre, hat die Berufungskammer in der Äußerung daher ein ehrverletzen-des Werturteil gesehen.

3. Die Berufungskammer hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die verfahrensgegenständliche Äußerung keine Schmähkritik, keine Formalbeleidigung und keinen Angriff auf die Menschenwürde darstellt. Sie hat erkannt, dass eine Verurteilung auf der Grundlage des § 185 StGB daher eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits erfordert (vgl. BVerfG NJW 2016, 2870 mwN; Burkhardt/Pfeier, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl., Kap. 5 Rn. 192; Mann, Die Strafbarkeit wegen Beleidigung im „Kampf ums Recht“, in: FS für Alexander Ignor, S. 191ff).

a) Soweit die Revision vorträgt, dass in der Äußerung des Angeklagten eine Schmähung zu sehen sei, hinter der die Meinungsfreiheit ohne eine Einzelfallabwägung zurücktritt (vgl. BVerfG NJW 2020, 2622 mwN; BVerfGE 82, 43), hat das Landgericht eine solche zutreffend verneint.

aa) Die Rechtsprechung hat den Begriff der Schmähkritik eng definiert (vgl. BVerfG EuGRZ 2013, 637; BVerfGE 93, 266). Auch eine überzogene, völlig unverhältnismäßige oder sogar ausfällige Kritik macht eine Äußerung noch nicht zur Schmähung, so dass selbst eine Strafbarkeit von Äußerungen, die die persönliche Ehre erheblich herabsetzen, in aller Regel eine Abwägung erfordert (vgl. BVerfG NJW 2020, 2622; BVerfG NJW 2020, 2631). Denn gerade Kritik darf auch grundlos, pointiert, pole-misch und überspitzt geäußert werden, und die Grenze zulässiger Meinungsäußerung liegt nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist oder wo Gründe für die geäußerte kritische Bewertung nicht gegeben werden (vgl. BVerfG NJW 2020, 2622 mwN).

Im verfassungsrechtlichen Sinn ist Schmähung danach anzunehmen, wenn eine Äußerung unter Berücksichtigung ihres Anlasses und Kontextes (vgl. BVerfG NJW 2009, 749 mwN) keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr im Grunde nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht. Davon abzugrenzen sind Fälle, in denen die Äußerung, auch wenn sie gravierend ehrverletzend und damit unsachlich ist, letztlich als (überschießendes) Mittel zum Zweck der Kritik eines Sachverhaltes dient. Dann geht es dem Äußernden nicht allein darum, den Betroffenen als solchen zu diffamieren, sondern stellt sich die Äußerung als Teil einer anlassbezogenen Auseinandersetzung dar (vgl. BVerfG NJW 2020, 2622; NJW 2020, 2636 mwN).

b) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hat das Landgericht zurecht angenommen, dass die Äußerung des Angeklagten in ihrem Kontext keine Schmähung dar-stellt. Der Revision ist dabei zuzugeben, dass die Worte des Angeklagten (auch) auf den persönlichen Geltungsanspruch der Betroffenen abzielen. Dem steht jedoch – entgegen der Revisionsbegründung – ein vom Landgericht unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Urteilsgründe knapp, aber zutreffend beschriebener Sachbezug gegenüber.

Betroffen von der verfahrensgegenständlichen Äußerung des Angeklagten ist eine Bundestagsabgeordnete, die sich nach den Urteilsfeststellungen in der Vergangen-heit unter anderem öffentlich zu ihrem Personenstand und ihrer persönlichen Haltung zu Verfahren für Namens- und Personenstandsänderungen erklärt hat. Sie hat sich zudem zum geltenden Transsexuellengesetz geäußert. Sie betrat das Reichstagsge-bäude zur Abstimmung, als der Angeklagte, der sich vor Ort befand und verschiede-ne andere Politiker interviewte, sie filmte, sich in ihre Richtung äußerte und schließlich das Gespräch mit der verfahrensgegenständlichen Bemerkung aufnahm. Es liegt daher ersichtlich kein Fall vor, in dem eine vorherige Auseinandersetzung nur äußerlich zum Anlass für eine diffamierende Bemerkung dient oder in dem aus dem Schutz der Anonymität des Internets heraus Verunglimpfungen getätigt worden sind (vgl. BVerfG NJW 2020, 2622). Auch die Revisionsbegründung weist auf keinen der-artigen Sachverhalt hin.

Das Landgericht hat anhand des Videos zudem festgestellt, dass sich der Redebeitrag des Angeklagten nicht in den inkriminierten Worten erschöpfte. Vielmehr äußerte er sich mehrfach – in Richtung der Betroffenen sowie im Gespräch mit dem gesondert verfolgten B – und brachte dabei insgesamt polemisch, überspitzt und unsachlich zum Ausdruck, dass er die von ihrem rechtlichen Personenstand differieren-de geschlechtliche Identität der Betroffenen nicht anerkennt. Dass die Betroffene ihm gerade aufgrund ihrer Tätigkeit als Bundestagsabgeordnete bekannt war und er dieser Tätigkeit Bedeutung zumaß, ergibt sich ebenfalls aus seinem Redebeitrag. Die für strafwürdig befundene Äußerung dient damit entgegen der Revisionsbegründung nicht allein der abschätzigen Bewertung des äußeren Erscheinungsbildes und der gelebten Geschlechtsidentität der Betroffenen. Vielmehr steht sie auch (noch) im Zusammenhang mit deren Wirken in der öffentlichen Meinungsbildung zu einer Neu-regelung von Rechten für transgeschlechtliche Menschen.

Dem steht nicht entgegen, dass der vom Landgericht festgestellte Anlass für den Angeklagten, sich vor dem Bundestag aufzuhalten, die anstehende Abstimmung zur Impfpflicht gegen Sars-CoV-2 gewesen ist. Denn eines Grundes für eine geäußerte Kritik bedarf es gerade nicht. Die abfällige Äußerung des Angeklagten ist daher nicht schon deshalb als Schmähung zu qualifizieren, weil sich kein inhaltlicher Zusammen-hang zu dem Thema der anstehenden Abstimmung herstellen lässt.

b) Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht zudem verneint, dass die Äußerung des Angeklagten die Menschenwürde angreift, die als Fundament aller Grundrechte mit keinem Einzelgrundrecht abwägungsfähig ist (vgl. BVerfG 93, 266; BVerfGE 107, 275; KG, Beschluss vom 26. November 2019 – [5] 161 Ss 165/19 [34/19] – mwN).

……

bb) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe liegt ein Angriff auf die Menschenwürde nicht vor, obwohl der Angeklagte die Betroffene herabwürdigt, wenn er das Pronomens „es“ verwendet, um über sie zu sprechen.

Zum einen gehört die geschlechtliche Identität einer Person nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur engeren persönlichen Lebenssphäre, die nicht primär durch Art. 1 Abs. 1 GG, sondern durch das Grundrecht der freien Persönlichkeitsentfaltung als allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG iVm Art. 1 Abs. 1 GG) geschützt wird (vgl. BVerfGE 115, 1 [14] mwN; BVerfGE 96, 56 [61]). Art. 2 Abs. 1 iVm Art 1 Abs. 1 GG garantiert insoweit als Teil dieser Lebenssphäre den intimen Sexualbereich, der die sexuelle Selbstbestimmung de Menschen und damit das Finden und Erkennen der eigenen geschlechtlichen Identität sowie der eigenen sexuellen Orientierung umfasst (BVerfGE 128, 109 [124]; BVerfGE 115, 1 [14]). Zwar nimmt die Zuordnung zu einem Geschlecht typischerweise eine Schlüsselposition sowohl im Selbstverständnis einer Person als auch dabei ein, wie die betroffene Person von anderen wahrgenommen wird. Ihr kommt für die individuelle Identität unter den gegebenen Bedingungen herausragende Bedeutung zu und auch in alltäglichen Lebensvorgängen spielt sie eine wichtige Rolle (vgl. BVerfGE 147, 1 [19]). Dennoch wird die geschlechtliche Identität in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung regelmäßig als „ein“ konstituierender Aspekt der eigenen Persönlichkeit (vgl. BVerfGE 147, 1 [19]; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 17. November 2023 – 1 BvR 1915/23 –, juris), nicht als der die menschliche Würde ausmachende Kern bezeichnet. Durch die Bezeichnung einer Person als „gleichsam geschlechtsloses Wesen“ (UA S. 5) wird daher nicht per se die Menschenwürde angegriffen.

Zum anderen ergibt auch die erforderliche Gesamtschau der Umstände (vgl. KG, Beschluss vom 27. Dezember 2001 – [4] 1 Ss 297/01 [166/01] –, juris mwN), dass kein Angriff auf die Menschenwürde vorliegt. Einzubeziehen ist, dass der Angeklagte der Betroffenen zunächst vorwirft, sich „oberpeinlich“ zu verhalten, und unter anderem – unsachlich und mit diskriminierender Konnotation – ausdrückt, dass er einen Wechsel der Geschlechtsidentität ablehnt. Die insoweit von ihm verwendete Ansprache „Sie“ mag überspitzte Höflichkeit und ebenfalls herabwürdigend gemeint gewesen sein. Der Redebeitrag in seiner Gesamtheit adressiert die Betroffene aber als Person. Unter Berücksichtigung ihres Gesamtzusammenhangs ist die Äußerung da-mit nicht dahingehend zu verstehen, dass der Angeklagte der Betroffenen mit dem Wort „es“ das Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft abspricht.

4. Die von der Strafkammer vor dem Hintergrund der Verneinung der Fallkonstellationen der Schmähung, der Formalbeleidigung und des Menschenwürdeangriffs vorgenommene Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht der betroffenen Bundestagsabgeordneten und der Meinungsfreiheit des Angeklagten hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

a) Liegt keine Schmähkritik, keine Formalbeleidigung oder kein Angriff auf die Menschenwürde vor, begründet dies bei Äußerungen, mit denen eine Person in ihrer Ehre herabgesetzt wird, kein Indiz für den Vorrang der Meinungsfreiheit (vgl. BVerfG NJW 2022, 1523).  Voraussetzung einer strafrechtlichen Sanktion ist dann allerdings – wie es der Normalfall für den Ausgleich von Meinungsfreiheit und Persönlichkeits-recht ist – eine grundrechtlich angeleitete Abwägung, die an die wertungsoffenen Tatbestandsmerkmale und Strafbarkeitsvoraussetzungen des Strafgesetzbuchs, ins-besondere die Begriffe der „Beleidigung“ und der „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ anknüpft. Hierfür bedarf es einer umfassenden Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Falls und der Situation, in der die Äußerung erfolgte (vgl. BVerfG aaO; NJW 2020, 2622 jeweils mwN).

Zu den hierbei zu berücksichtigenden Umständen können insbesondere Inhalt, Form, Anlass und Wirkung der betreffenden Äußerung sowie Person und Anzahl der Äußernden, der Betroffenen und der Rezipienten gehören. Das bei der Abwägung an-zusetzende Gewicht der Meinungsfreiheit ist umso höher, je mehr die Äußerung da-rauf zielt, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, und umso geringer, je mehr es hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen geht (vgl. BVerfG NJW 2020, 2622; BayObLG, Beschluss vom 15. August 2023 – 204 StRR 292/23 –, juris).

Bei der Gewichtung der durch eine Äußerung berührten grundrechtlichen Interessen ist zudem davon auszugehen, dass der Schutz der Meinungsfreiheit gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin unverändert seine Bedeutung findet. Teil dieser Freiheit ist, dass Bürgerinnen und Bürger von ihnen als verantwortlich angesehene Amtsträgerinnen und Amtsträger in anklagender und personalisierter Weise für deren Art und Weise der Machtausübung angreifen können, ohne befürchten zu müssen, dass die personenbezogenen Elemente solcher Äußerungen aus diesem Kontext herausgelöst werden und die Grundlage für einschneidende gerichtliche Sanktionen bilden. In die Abwägung ist daher einzustellen, ob die Privatsphäre der Betroffenen oder ihr öffentliches Wirken mit seinen – unter Umständen weitreichenden – gesellschaftlichen Folgen Gegenstand der Äußerung ist und welche Rückwirkungen auf die persönliche Integrität der Betroffenen von einer Äußerung ausgehen können (vgl. BVerfG aaO mwN; KG, Beschluss vom 1. Juni 2023 – 4 ORs 37/23 –).

b) Entsprechend diesen Grundsätzen hat die Berufungskammer eine Abwägung vor-genommen, in die sie die maßgeblichen Tatumstände, insbesondere Inhalt und Form der betreffenden Äußerung sowie die Person des Äußernden, der Betroffenen und die Anzahl der Rezipienten, eingestellt hat.

aa) Das Landgericht hat zutreffend berücksichtigt, dass der Angeklagte die Äußerung des gesondert verfolgten B wiederholte. Die Äußerung sei einerseits spontan und mündlich erfolgt, durch die Veröffentlichung auf dem Telegramkanal des Ange-klagten jedoch der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Das Landgericht hat diesbezüglich zudem festgestellt, dass der Angeklagte das Video nach einem Tag löschte. Die sich daraus ergebende Würdigung des Landgerichts, dass die Zugänglichkeit des Videos nur für einen begrenzten Zeitraum und für einen begrenzten Personenkreis bestand, ist möglich und weder lückenhaft noch unklar oder widersprüchlich.

bb) Das Landgericht hat zudem in seine Abwägung einbezogen, dass der Angeklagte vor dem Bundestag zu der damals unmittelbar bevorstehenden Abstimmung zur Corona-Impfpflicht mehrere Politiker interviewte und die verfahrensgegenständliche Äußerung im Rahmen dieser Beschäftigung tätigte. Er habe sich dort „zur kritischen Auseinandersetzung mit dem parlamentarischen Handeln aufgehalten“ (UA S. 9). Insoweit hat das Landgericht angenommen, dass der Angeklagte auch auf das öffentliche Wirken der Betroffenen als Bundestagsabgeordnete abzielte. Es hat daraus unter erschöpfender Würdigung der dazu getätigten Feststellungen den nachvoll-ziehbaren Schluss gezogen, dass es sich bei der Äußerung um zulässige Machtkritik handelt; zumal der Angeklagte die Betroffene nach den Urteilsgründen auch als mit (seinen) Steuergeldern finanzierte Abgeordnete ansprach.

In diesem Zusammenhang berücksichtigt die Kammer zutreffend, dass unter dem Gesichtspunkt der Machtkritik nicht jede auch ins Persönliche gehende Beschimpfung von Amtsträgern erlaubt ist (vgl. BVerfG NJW 2022, 680; BVerfG NJW 2022, 1523). Gerichte haben unter dem Aspekt der Machtkritik aber Auslegung und An-wendung des Art. 10 Abs. 2 EMRK durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu berücksichtigen, der in ständiger Rechtsprechung betont, dass die Grenzen zulässiger Kritik an Politikerinnen und Politikern, die bewusst in die Öffentlichkeit treten, weiter zu ziehen sind als bei Privatpersonen (vgl. BVerfG NJW 2022, 680 mwN). Dies gilt mithin auch für die Betroffene, deren persönliche Herabwürdigung das Landgericht ebenso gewürdigt hat wie die Tatsache, dass sie als Bundestagsabgeordnete weithin bekannt ist und erhebliche öffentliche Aufmerksamkeit beansprucht.

cc) Revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass die Berufungskammer in einer Gesamtbetrachtung die herabwürdigende Äußerung des Angeklagten als einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung betrachtet hat, hinter den der Ehr-schutz der Betroffenen im Ergebnis zurücktritt. Denn die Berufungskammer hat ins-besondere die maßgeblichen tatprägenden Begleitumstände rechtsfehlerfrei festgestellt und in ihrer Abwägung berücksichtigt. Soweit das Landgericht zuletzt darauf verweist, dass die Benutzung des Wortes „es“ auch einen „Bezug zur aktuellen Debatte um die Verwendung geschlechtsneutraler Pronomen“ aufweist (UA S. 11), ist auch diese Wertung ohne Verstoß gegen Sprach- und Denkgesetze, Erfahrungssätze und allgemeine Auslegungsregeln. Zwar wäre dagegen einzuwenden, dass es die aktuellen Debatten nicht gäbe, wenn das Pronomen „es“ geschlechtliche Identitäten hinreichend abbilden würde, und erkennt auch die Berufungskammer an, dass der Angeklagte mit „es“ gerade kein (gängigeres) geschlechtsneutrales Pronomen verwendet hat. Allerdings ist die sprachliche Entwicklung hinsichtlich verschiedener geschlechtlicher Identitäten weder in Bezug auf die Selbstbezeichnung noch in Bezug auf die Fremdbezeichnung bisher abgeschlossen. Die Würdigung des Landgerichts hält daher revisionsrechtlicher Prüfung stand.“

Ich weiß, war viel Text. Ist aber ja meist so bei diesen Verfahren.

StGB I: Meinungsfreiheit versus Schmähkritik, oder: BVerfG stellt klar

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Heute stelle ich dann drei Postings zu StGB-Fragen ein, und zwar zunächst:

Wer sich mit Beleidigungsdelikten (§§ 185 ff. StGB) befasst, muss sich zwangsläufig auch mit der Rechtsprechung des BBerfG zur Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) befassen. Und das Zusammenspiel dieser beiden Regelungen ist nicht einfach. Letztlich geht es immer um die Frage: Noch straffrei oder schon Beleidigung? Und in dem Zusammenhnag spielt die Rechtsprechung des BVerfG eine große Rolle.

Dazu hat das BVerfG vor einiger Zeit noch einmal vier Entscheidungen veröffentlicht, die die verfassungsrechtlichen Maßgaben für strafrechtliche Verurteilungen wegen ehrbeeinträchtigender Äußerungen noch einmal zusammen stellen. Es sind die BVerfG, Beschl. v.  19.05.2020 – 1 BvR 2459/19, 1 BvR 2397/19, 1 BvR 1094/19 und 1 BvR 362/18.

Die stelle ich hier heute aber nicht im Einzelnen vor, sondern ich zitiere aus der dazu vorliegenden PM Nr. 49/2020 vom 19.06..2020 des BVerfG. Darin heißt es u.a.:

„…..Die Kammer hat diese Verfahren zum Anlass genommen, um die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Spannungsverhältnis von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht bei ehrverletzenden Äußerungen klarstellend zusammenzufassen. Dabei hat sie bekräftigt, dass die Beurteilung, ob eine ehrbeeinträchtigende Äußerung rechtswidrig und unter den Voraussetzungen der §§ 185, 193 StGB strafbar ist, in aller Regel von einer Abwägung der widerstreitenden grundrechtlichen Interessen abhängig ist, die eine Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen einer Äußerung und ihrer Bedeutung erfordert. Dabei hat sie wesentliche Kriterien zusammengefasst, die bei dieser Abwägung von Bedeutung sein können. In Abgrenzung dazu hat die Kammer wiederholt, dass eine Abwägung nur in besonderen Ausnahmefällen und nur unter engen Voraussetzungen entbehrlich sein kann, nämlich in den – verfassungsrechtlich spezifisch definierten – Fällen einer Schmähkritik, einer Formalbeleidigung oder einer Verletzung der Menschenwürde. Sie hat die speziellen Voraussetzungen solcher Fallkonstellationen klargestellt und hervorgehoben, dass deren Bejahung von den Fachgerichten klar kenntlich zu machen und in gehaltvoller Weise zu begründen ist. Umgekehrt hat die Kammer betont, dass die Ablehnung eines solchen Sonderfalls, insbesondere das Nichtvorliegen einer Schmähung, das Ergebnis der Abwägung nicht präjudiziert.

Unter Anwendung dieser Maßstäbe hat die Kammer entschieden, dass in zwei Verfahren die von den Fachgerichten vorgenommene Abwägung, wonach die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts die Meinungsfreiheit überwiege, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Demgegenüber genügt die Abwägung in den anderen beiden Verfahren auch unter Berücksichtigung des fachgerichtlichen Wertungsrahmens den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, weil jeweils keine hinreichende Auseinandersetzung mit den konkreten Situationen erkennbar ist, in denen die Äußerungen gefallen sind.

Sachverhalte:

  1. Dem Verfahren 1 BvR 2397/19, in dem die Kammer die auch für die anderen Verfahren maßgeblichen Maßstäbe übergreifend zusammenfasst, liegen Äußerungen des Beschwerdeführers in einem von ihm geführten Internetblog zugrunde. Der Beschwerdeführer hatte sich 2002 von seiner damaligen Partnerin getrennt und führte anschließend vor verschiedenen bayerischen Gerichten zahlreiche rechtliche Auseinandersetzungen um das Umgangsrecht mit der gemeinsamen Tochter, das ihm ab 2012 ganz verwehrt wurde. 2016 verfasste er in seinem Internetblog aus Anlass einer für ihn nachteiligen Berufungsentscheidung drei weitere Einträge. Darin nannte er unter anderem die an der Entscheidung beteiligten Richter sowie diverse andere Personen namentlich, stellte Fotos von ihnen ins Netz und bezeichnete sie mehrfach als „asoziale Justizverbrecher“, „Provinzverbrecher“ und „Kindesentfremder“, die Drahtzieher einer Vertuschung von Verbrechen im Amt seien. Sie hätten auf Geheiß des namentlich genannten „rechtsradikalen“ Präsidenten des Oberlandesgerichts offenkundig massiv rechtsbeugend agiert. Der Beschwerdeführer wurde deshalb von den Strafgerichten wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Zwar handele es sich wegen des sachlichen Bezugs und der verständlichen schweren emotionalen Situation des Beschwerdeführers nicht um Schmähkritik. Bei einer Abwägung der widerstreitenden grundrechtlichen Interessen überwiege jedoch der Ehrschutz. Die Kammer beurteilte das als verfassungsgemäß.
  2. Dem Verfahren 1 BvR 2459/19 liegen Äußerungen des Beschwerdeführers in einer verwaltungsgerichtlichen Klageschrift zugrunde. Die Stadtbibliothek hatte – nach Rücksprache mit dem dortigen Rechtsamt – bei der Bestellung eines Buchs von ihm verlangt, das Bestellformular selbst auszufüllen. Hintergrund war, dass der Beschwerdeführer vorher eine Fernleihgebühr für ein Buch nicht entrichtet hatte, weil er der Ansicht gewesen war, ein anderes Buch bestellt zu haben. Schon zuvor hatte die Leiterin des Rechtsamtes in einer anderen Angelegenheit Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer gestellt, aufgrund derer ein Strafverfahren wegen Urkundenfälschung gegen ihn eingeleitet worden war. In diesem Verfahren hatte er die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens über deren Geisteszustand beantragt. Noch ehe über diesen Antrag entschieden wurde, erhob der Beschwerdeführer wegen des Streits mit der Stadtbibliothek Klage vor dem Verwaltungsgericht. In der Klageschrift äußerte er, „unter Berücksichtigung, … dass in der Sache die Leiterin des Rechtsamtes R., eine in stabiler und persönlichkeitsgebundener Bereitschaft zur Begehung von erheblichen Straftaten befindlichen Persönlichkeit, deren geistig seelische Absonderlichkeiten und ein Gutachten zu deren Geisteskrankheit Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen sind, involviert ist“, behalte er sich vor, „ein Ordnungsgeld in angemessener Höhe zu beantragen“. Aufgrund dieser Äußerung verurteilten die Strafgerichte den Beschwerdeführer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe. Zwar handele es sich nicht um einen Fall der Schmähkritik, da ein Sachbezug nicht völlig fehle. Die gebotene Abwägung falle jedoch zugunsten des Persönlichkeitsrechts aus. Auch dies beurteilte die Kammer als verfassungsgemäß.
  3. Dem Verfahren 1 BvR 362/18 liegen Äußerungen des Beschwerdeführers im Rahmen einer Dienstaufsichtsbeschwerde zugrunde. Der als Rechtsanwalt tätige Beschwerdeführer vertrat 2015 einen Tierschutzverein, für den er vor einem Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt ein Erlaubnisverfahren führte, an dessen Ende die vom Verein beantragte Erlaubnis erteilt wurde. Anschließend erhob der Beschwerdeführer eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den zuständigen Abteilungsleiter, in der er die Ansicht vertrat, das Amt habe eine unglaubliche materielle Unkenntnis, langsame Bearbeitungszeiten und eine offensichtlich vorsätzliche Hinhaltetaktik in der Sache gezeigt. Nach Schilderung von aus Sicht des Beschwerdeführers kritikwürdigen Vorfällen äußerte er, nunmehr gehe es noch um die Verfahrenskosten des Vereins. Diese habe die Behörde zwar bereits formell anerkannt, es scheine aber so, als ob der zuständige Abteilungsleiter durch immer wieder neue Vorgaben letztlich die Kosten nicht erstatten möchte. Weiter hieß es, dessen Verhalten „sehen wir mittlerweile nur noch als offenbar persönlich bösartig, hinterhältig, amtsmissbräuchlich und insgesamt asozial uns gegenüber an“. Die Strafgerichte verurteilten den Beschwerdeführer daraufhin wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe. Durch die verwendete Formulierung „persönlich“, „hinterhältig“ und „asozial“ sei es nur noch um eine konkrete Diffamierung des von ihm namentlich ausdrücklich benannten Abteilungsleiters gegangen, ohne dass dabei noch ein konkreter Bezug zur Sache erkennbar sei. Die Kammer beurteilte dies als eine Verletzung der Meinungsfreiheit.
  4. Dem Verfahren 1 BvR 1094/19 liegen Äußerungen des Beschwerdeführers in einem einkommensteuerrechtlichen Festsetzungsverfahren zugrunde. Im Rahmen des Verfahrens, in dem insbesondere die Abzugsfähigkeit der Kosten für ein gerichtliches Vorgehen gegen den Rundfunkbeitrag strittig war, erhielt der Beschwerdeführer ein beigelegtes Rundschreiben des nordrhein-westfälischen Finanzministers. Dort hieß es unter anderem, Steuern machten „keinen Spaß, aber Sinn. Die Leistungen des Staates, die wir alle erwarten und gern nutzen, gibt es nicht zum Nulltarif“. Daraufhin verfasste der Beschwerdeführer ein weiteres Schreiben an die Finanzbehörden, das hauptsächlich die Frage der Absetzbarkeit der Kosten des rechtlichen Vorgehens gegen den Rundfunkbeitrag zum Gegenstand hatte. Am Ende erklärte er, weitere Dienstaufsichtsbeschwerden jetzt zu erheben, dürfte sinnlos sein: „Solange in Düsseldorf eine rote Null als Genosse Finanzministerdarsteller dilettiert, werden seitens des Fiskus die Grundrechte und Rechte der Bürger bestenfalls als unverbindliche Empfehlungen, normalerweise aber als Redaktionsirrtum des Gesetzgebers behandelt.“ Wegen dieser Äußerung verurteilten die Strafgerichte den Beschwerdeführer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe. Der Beschwerdeführer überschreite die Grenze eines Angriffs auf die Ehre des Finanzministers, den er als Person herabwürdige. Zwar werde nicht verkannt, dass die freie Meinungsäußerung ein hohes Rechtsgut sei und dass in der Öffentlichkeit stehende Personen deutliche Kritik auszuhalten hätten. Doch seien auch diese Personen wie andere Bürger geschützt, wenn die Grenze eines persönlichen Angriffs überschritten werde. Auch dies beurteilte die Kammer als Verletzung der Meinungsfreiheit.

Also eine Quote von 2 : 2. Wegen der Einzelheiten der Erwägungen des BVerfG verweise ich auf die Beschlüsse und die PM.

Beleidigung II: „solange …. die rote Null als Genosse Finanzministerdarsteller dilettiert“, oder: Strafbar?

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Bei dem zweiten Beschluss des Tages handelt es sich um den BVerfG, Beschl. v. 19.05.2020 – 1 BvR 1094/19. In ihm geht es um die Verfassungsbeschwerde gegen die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Beleidigung des ehemaligen Finanzministers des Landes NRW in einem Schreiben an die Finanzbehörden.

Folgender Sachverhalt: Im Rahmen eines einkommensteuerrechtlichen Festsetzungsverfahrens, in dem insbesondere die Abzugsfähigkeit der Kosten für ein gerichtliches Vorgehen gegen den Rundfunkbeitrag strittig war, erhielt der Beschwerdeführer neben dem sonstigen behördlichen Schriftverkehr ein an ihn persönlich gerichtetes, mit dessen abgedruckter Unterschrift versehenes Rundschreiben des nordrhein-westfälischen Finanzministers. Dort heißt es unter anderem: „Steuern machenkeinen Spaß, aber Sinn. Die Leistungen des Staates, die wir alle erwarten und gern nutzen, gibt es nicht zum Nulltarif“. Daraufhin äußerte sich der Beschwerdeführer im März 2017 am Ende eines weiteren Schreibens an die Finanzbehörden, das hauptsächlich die Frage der Absetzbarkeit der Kosten des rechtlichen Vorgehens gegen den Rundfunkbeitrag, die angebliche Rechtswidrigkeit dieses Beitrags sowie die vermeintlich rechtswidrige Vorauszahlungsverpflichtung für das nächste Steuerjahr betraf und das auch allgemein eine „Drangsalierung“ und „Tyrannisierung“ der Bürger seitens des Fiskus geltend machte, wie folgt:

StGB II: „Gashahnaufdreher“, oder: Beleidigung oder freie Meinungsäußerung?

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Und als zweite Entscheidung kommt dann das „Gashahnaufdreher-Urteil“ des OLG Köln. Es geht um die Frage der Beleidigung durch die Bezeichnung als „Gashahnaufdreher“. Dazu hatte das LG u.a. festgestellt:

„… Gegenstand des Verfahrens war zum einen der Text: Kennen sie T. E.? Ich auch nicht. Auf den Fotos auf seiner Facebook-Seite wirkt er wie das Abziehbild eines grün-links versifften Großstadt-Hipsters, der Bier aus der Flasche säuft, sich lustige Hütchen und Mützchen aufsetzt, viel Zeit beim Tätowierer verbringt, ziellos in der „scene“ rumgammelt, beschissene Musik hört, weil sie angesagt ist, und ansonsten sich von einem prekären Drecksjob in der Medienbranche zum anderen hangelt, weil sich darin solche Überflüssigen wie seinesgleichen schon in rauen Mengen tummeln. Zum anderen waren Gegenstand des Verfahrens folgende Ausführungen des Angeklagten in Bezug auf T. E.: „Er tut dabei so, als hätten solche intoleranten Minderbegabten und Mitläufer wie er, die anno Adolf mit absoluter Sicherheit eine Superkarriere als Gashahnaufdreher hingelegt hätten, irgendeine andere stalinistische Kackmeinung als die ihrige je toleriert.“

Das LG hatte vom Vorwurf der Beleidigung frei gesprochen. Das OLG sieht das im OLG Köln, Urt. v. 10.12.2019 – III-1 RVs 180/19 – anders:

bb) Aber auch soweit Gegenstand der Bewertung der Strafkammer einzelne in dem Artikel enthaltene und ausdrücklich zitierte Äußerungen, insbesondere diejenige ist, er (der Geschädigte) tue dabei so, „als hätten solche intoleranten Minderbegabten und Mitläufer wie er, die anno Adolf mit absoluter Sicherheit eine Superkarriere als Gashahnaufdreher hingelegt hätten, irgendeine andere stalinistische Kackmeinung als die ihrige je toleriert“, weisen die Gründe keine erschöpfende, alle in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkte einschließende Würdigung der dem Angeklagten zur Last gelegten Beleidigung zum Nachteil des T. E. aus.

aaa)  Eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB begeht derjenige, der einen anderen rechtswidrig in dessen Ehre angreift, indem er vorsätzlich dem anderen durch eine Äußerung von Missachtung oder Nichtachtung seinen sittlichen, personalen oder sozialen Geltungswert ganz oder teilweise abspricht, ihm also unter einem dieser drei Aspekte seine Minderwertigkeit oder Unzulänglichkeit attestiert (vgl. SenE v. 20.01.2012 – III- 1RVs 6/12; SenE v. 30.09.2003 – Ss 405/03 -; BayObLG NStZ-RR 2002, 210 [211]; KG NJW 2003, 685 [686]; Fischer, a.a.O., § 185 Rdnr. 5 f.; Schönke/Schröder-Lenckner, StGB, a.a.O., § 185 Rdnr. 2, jeweils m. w. Nachw.). Dabei erfasst § 185 StGB sowohl herabsetzende Werturteile als auch ehrverletzende Tatsachenbehauptungen (Formalbeleidigungen im Sinne des § 192 StGB; vgl. Fischer, a.a.O., § 185 Rdnr. 5; zur Abgrenzung von Tatsachenbehauptungen und Werturteilen vgl. BVerfG NJW 2003, 1855 f. m. w. Nachw.). Ob eine an sich ehrverletzende Meinungsäußerung noch durch das Grundrecht des Art. 5 GG beziehungsweise als berechtigte Interessenwahrnehmung geschützt ist oder ob sie ihren Grundrechtsschutz verliert, weil sie sich als Angriff auf die Menschenwürde, Formalbeleidigung oder Schmähung darstellt, kann nur unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Täters, seiner gewöhnlichen Ausdrucksweise, einer durch den Anlass der Interessenwahrnehmung hervorgerufenen besonderen Erregung sowie aller sonstigen wesentlichen Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Dabei kommt der zutreffenden Deutung von Äußerungen bei der Prüfung von Beeinträchtigungen der Meinungsfreiheit und des Persönlichkeitsrechts weichenstellende Bedeutung zu. Durch eine unzutreffende Deutung von Äußerungen darf weder die Meinungsfreiheit noch der grundrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts verkürzt werden (vgl. SenE v. 20.01.2012, a.a.O.; BVerfG NJW 2006, 3769 –„Babycaust“- bei Juris unter Rdnr. 68 m.w.N.).

Von diesen Grundsätzen ist das Tatgericht unter Ziffer IV 1. der Urteilsgründe (vgl. S 19/20 UA) im Ansatz zutreffend ausgegangen. Dabei begegnet zunächst weder die Einordnung der verfahrensgegenständlichen Äußerungen als „Meinungsäußerungen“ und damit als Werturteile noch deren Auslegung in tatsächlicher Hinsicht rechtlichen Bedenken. Ebenso revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Tatgericht die Äußerungen in Bezug auf T. E. offenkundig – anders als im Verurteilungsfall zum Nachteil E. – nicht als „Schmähkritik“ gesehen hat.

bbb) Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassung wegen eng zu verstehen. Merkmal der Schmähung ist die das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung (vgl. BVerfG NJW 1995, 3303 – „Soldaten sind Mörder“; BVerfG NJW 1999, 204 – „Verunglimpfung des Staates“; BVerfG NJW 1999, 2358 – „FCKW“). Von ihr ist lediglich dann auszugehen, wenn sich der ehrbeeinträchtigende Gehalt der Äußerung von vorneherein außerhalb jedes in einer Sachauseinandersetzung wurzelnden Verwendungskontextes bewegt (so die Formulierung in der Entscheidung BVerfG NJW 2016, 2870).

Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist für den Streitfall nicht zu verkennen, dass die verfahrensgegenständlichen Äußerungen im Kontext mit einer Auseinandersetzung um die von dem T. E. durch seinen Online-Artikel angestoßene Diskussion um die Ereignisse auf der Frankfurter Buchmesse, den Umgang der Veranstalter mit – von Herrn Eckert so bezeichneten – „rechten Verlagen“ und um einen Auftritt des AFD-zugehörigen Politikers B. H. standen. Die auf den Artikel „„Versteht es doch endlich: Rechtes Gedankengut darf nicht toleriert werden“ bezogene Kommentierungen des Angeklagten und damit sachbezogenen Äußerungen enthalten noch keine derartig persönlich kränkenden Komponenten, die eine Einordnung als „Schmähkritik“ rechtfertigen würden.

ccc) Eine Meinungsäußerung, die sich weder als Verletzung der Menschwürde, Formalbeleidigung oder Schmähkritik darstellt, erfordert indes eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Ehrenschutz, deren Ergebnis verfassungsrechtlich nicht vorgegeben ist, bei der jedoch alle wesentlichen Umstände des Falles zu berücksichtigen und bei der es auf die Schwere der Beeinträchtigung der betroffenen Rechtsgüter ankommt (vgl. Senat in ständiger Rechtsprechung: SenE v. 02.06.2017 – III- 1RVs 110/17; SenE v. v. 13.12.2017 – III- 1RVs 296/17; SenE v. 27.07.2018 – III- 1 RVs 150/18; vgl. auch BayObLG [15.02.02] NStZ-RR 2002, 210 [212]).

Eine entsprechende tatrichterliche Abwägung zwischen den Grundrechten des Angeklagten aus Art. 5 Abs. 1 und 3 GG einerseits und dem Persönlichkeitsrecht des pp. aus Art. 2 Abs. 1 GG andererseits enthalten die Urteilsgründe der Strafkammer nicht.

Soweit die Kammer den Äußerungen mit Blick auf – nicht weiter konkretisierte – „satirische Aspekte“ den besonderen Schutz des Art. 5 Abs. 3 GG zubilligt, lässt sich dieser Einordnung bereits nicht entnehmen, dass die Kammer bedacht hat, dass es auch im Bereich von Karikatur und Satire am Merkmal der Beleidigung nur fehlt, wenn die Überzeichnung menschlicher oder sachlicher Schwächen eine ernstliche Herabwürdigung der Person nicht enthält; die Kunstfreiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG unterliegt zwar nicht dem Gesetzesvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG, sie gilt gleichwohl nicht schrankenlos und kann ihrerseits durch verfassungsrechtlich legitimierte Werte, insbesondere durch die in Art. 1 GG garantierte Würde des Menschen sowie durch verfassungsrechtlich geschützte Persönlichkeitsrechte, begrenzt werden (vgl. Fischer, a.a.O., § 185 Rn. 8b, § 193 Rn. 35 m.w.N.).

Die Ausführungen des Tatgerichts erschöpfen sich auch im Übrigen in der Feststellung, die Äußerungen stellten – in ihrem Kontext betrachtet – keine Beleidigungen da, sondern seien von der Meinungsäußerungsfreiheit gem. Art 5 Abs. 1 S 1 GG „gedeckt“. Dabei ist zunächst zu konstatieren, dass sich eine ausdrückliche Erwähnung des in Art. 2 Abs. 1 GG verankerten Ehrschutzes des Geschädigten den Urteilsgründen an keiner Stelle entnehmen lässt. Aber auch konkludent lassen die Gründe die aufgrund der Erkenntnis, es handele sich nicht um Schmähkritik im oben aufgezeigten Sinne, erforderliche Abwägung zwischen den sich gegenüberstehenden Grundrechten der an der Sachauseinandersetzung beteiligten Personen nicht erkennen. So sieht die Kammer zwar, dass insbesondere der Vergleich mit einem „Gashahnaufdreher“ im Dritten Reich ein verbrecherisches Vorgehen impliziert, betrachtet diesen Vergleich jedoch als lediglich „bissig formuliert“ und vorwiegend auf das Mitläufertum abzielend, die von dem Geschädigten selbst bemühten Begriffe der Intoleranz und den Vergleich mit dem Nationalsozialismus aufgreifend. Dies greift zu kurz und verkennt, dass die auf die Person des Geschädigten abzielende Bezeichnung als „Gashahnaufdreher“  nicht nur eine Ehrkränkung von erheblichem Gewicht darstellt, da ihm nicht nur die Eigenschaft eigenständigen Denkens und eigenverantwortlichen Handelns abgesprochen wird, sondern der Geschädigte mit der konkreten Wortwahl auch persönlich in die Nähe einer Ideologie vergleichbar mit derjenigen der Unterstützer des nationalsozialistischen Unrechtsregimes gerückt wird; der so Bezeichnete wird durch die verfahrensgegenständliche Äußerung in persona im Zusammenhang mit einer nationalsozialistisch gesinnten Gruppe genannt, wodurch der soziale Geltungsanspruch des solchermaßen Angegangenen massiv infrage gestellt wird. Sprachlicher Bezugspunkt ist im Artikel des Angeklagten – in klarer Abgrenzung zu dem Anlass-Artikel des Geschädigten, der ein gesellschaftliches Phänomen anspricht („So hat das in Deutschland schon einmal angefangen …“) – die Person des Geschädigten, die in den Fokus genommen und der gleichsam unterstellt wird, dass sie auch im NS-Unrechtsregime „Mitläufer“ gewesen wäre.

Soweit die Kammer die Auffassung vertritt, dass der Geschädigte mit seiner Meinungskundgabe im genannten Artikel öffentlich einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf geleistet habe, weswegen er habe damit rechnen können, dass sich die Leser seines Beitrags mit seiner Person befassen, weswegen er „weniger schutzbedürftig“ sei als derjenige, der seine Meinungskundgabe aus der Öffentlichkeit fernhalte, mag dies zwar im Ansatz zutreffen; die Ausführungen lassen jedoch außer Acht bzw. beleuchten nicht hinreichend den Umstand, dass der Anlass-Artikel des Geschädigten – im Gegensatz zu den verfahrensgegenständlichen Äußerungen des Angeklagten – in Wortwahl und Ausdruck äußerst moderat und sachlich gefasst ist; es ist nicht ersichtlich, dass der Artikel die Äußerungen des Angeklagten in ihrer konkreten Form etwa unter dem Gesichtspunkt des „Rechts zum Gegenschlag“ (vgl. dazu BayObLG [15.02.02] NStZ-RR 2002, 210 [212]; BayObLG [14.04.04] NStZ 2005, 215 [216]) provoziert haben könnte.

„Verhandlung erinnert an „mittelalterlichen Hexenprozess“ oder an „nationalsozialistisches deutsches Sondergericht““, oder: Schmähkritik?

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Heute im „Kessel Buntes“ dann mal seit längerem wieder etwas vom BVerfG zur Beleidigung/Schmähkritik.

Der Beschwerdeführer, der spätere Angeklagte, war Kläger eines Zivilprozesses beim AG, in dem es um Schadensersatz für vermeintlich mangelhafte Malerarbeiten in seinem Haus ging. In der Hauptverhandlung ersuchte der Prozessbevollmächtige des Beschwerdeführers das Gericht um die Ablehnung der Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit. Dieses Gesuch begründete der spätere Angeklagte selbst in zwei Schriftsätzen an das Gericht. Darin schilderte er ausführlich seinen Eindruck, die Richterin habe einen vom Beklagten benannten Zeugen einseitig zu seinen Lasten vernommen und diesem die von ihr erwünschten Antworten gleichsam in den Mund gelegt. In dem ersten der Schriftsätze hieß es wörtlich unter anderem:

„Die Art und Weise der Beeinflussung der Zeugen und der Verhandlungsführung durch die Richterin sowie der Versuch, den Kläger von der Verhandlung auszuschließen, erinnert stark an einschlägige Gerichtsverfahren vor ehemaligen nationalsozialistischen deutschen Sondergerichten.“

In dem weiteren Schriftsatz hieß es wörtlich unter anderem:

„Die gesamte Verhandlungsführung der Richterin erinnerte eher an einen mittelalterlichen Hexenprozess als an ein nach rechts-staatlichen Grundsätzen geführtes Verfahren.“

Wegen dieser Äußerungen stellte der Präsident des AG Strafantrag gegen den Angeklagten. Gegen den erging ein Strafbefegl. Auf seinen Einspruch hin hat das AG ihn verurteilt. Das LG hat seine Berufung verworfen, und das OLG dann seine Revision als offensichtlich unbegründet.

Die Verfassungsbeschwerde hatte nun beim BVerfG Erfolg. Das hat im BVerfG, Beschl. v. 14.06.2019 – 1 BvR 2433/17 – einen Verfassungsverstoß festgestellt:

„2. Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie zulässig ist, im Sinne des §?93c Abs.?1 Satz?1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

a) Die hier gegenständlichen Äußerungen fallen in den Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit. Sie sind durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens geprägt und deshalb – in Übereinstimmung mit der Ansicht des Landgerichts – als Werturteil anzusehen. Die polemische oder verletzende Formulierung einer Aussage entzieht diese grundsätzlich nicht dem Schutzbereich des Grundrechts (vgl. BVerfGE 54, 129 <138 f.>; 93, 266 <289>; stRspr).

b) Das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gilt allerdings nicht vorbehaltlos, sondern findet nach Art. 5 Abs. 2 GG seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, namentlich in dem der hier angegriffenen Verurteilung zugrunde liegenden § 185 StGB (vgl. BVerfGE 93, 266 <290 ff.>). Steht ein Äußerungsdelikt in Frage, so verlangt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG grundsätzlich eine Gewichtung der Beeinträchtigung, die der Meinungsfreiheit des sich Äußernden einerseits und der persönlichen Ehre des von der Äußerung Betroffenen andererseits droht (vgl. BVerfGE 7, 198 <212>; 93, 266 <293>; stRspr). Das Recht, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, gehört zum Kernbereich der Meinungsfreiheit, weshalb deren Gewicht insofern besonders hoch zu veranschlagen ist (vgl. BVerfGE 93, 266 <293>). Die Meinungsfreiheit erlaubt es insbesondere nicht, den Beschwerdeführer auf das zur Kritik am Rechtsstaat Erforderliche zu beschränken und ihm damit ein Recht auf polemische Zuspitzung abzusprechen.

Einen Sonderfall bei der Auslegung und Anwendung der §§?185?ff. StGB bilden herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. BVerfGE 82, 43 <51>; 90, 241 <248>; 93, 266 <294>). Diese für die Meinungsfreiheit einschneidende Folge gebietet es aber, hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>). Die Qualifikation einer ehrenrührigen Aussage als Schmähkritik und der damit begründete Verzicht auf eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Ehre erfordern regelmäßig die Berücksichtigung von Anlass und Kontext der Äußerung (vgl. BVerfGE 93, 266 <303>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 23. August 2005 – 1 BvR 1917/04 -, juris, Rn.?22).

c) Diesen Maßstäben genügen die Entscheidungen nicht. Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind schon dann verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft wird mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (vgl. BVerfGE 85, 1 <14>; 93, 266 <294>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juni 2016 – 1 BvR 2646/15 -, www.bverfg.de, Rn.?14). So liegt der Fall hier; die inkriminierten Äußerungen stellen keine Schmähkritik dar. Mit seinen Vergleichen richtete sich der Beschwerdeführer gegen die Verhandlungsführung der Richterin in dem von ihm betriebenen Zivilverfahren. Dieses bildete den Anlass der Äußerungen, die im Kontext der umfangreichen Begründung eines Befangenheitsgesuchs getätigt wurden. Die Äußerungen entbehren daher insofern nicht eines sachlichen Bezugs. Sie lassen sich wegen der auf die Verhandlungsführung und nicht auf die Richterin als Person gerichteten Formulierungen nicht sinnerhaltend aus diesem Kontext lösen und erscheinen auch nicht als bloße Herabsetzung der Betroffenen. Die Äußerungen lassen nicht ohne weiteres den Schluss zu, der Beschwerdeführer habe der Richterin eine nationalsozialistische oder „mittelalterliche“ Gesinnung unterstellen wollen. Historische Vergleiche mit nationalsozialistischer Praxis begründen für sich besehen nicht die Annahme des Vorliegens von Schmähkritik (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. Februar 2017 – 1 BvR 2973/14 -, juris).

Die Ausführungen, mit denen das Landgericht eine Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 193 StGB verneint, nehmen die unzutreffende Einordnung der Äußerung als Schmähung nicht zurück, sondern bauen auf ihr auf. Zwar hebt das Landgericht insoweit zutreffend das besondere Interesse des Beschwerdeführers an der Verteidigung seiner Rechtsansichten im „Kampf ums Recht“ hervor und berücksichtigt zu seinen Gunsten, dass die Äußerungen Dritten gegenüber nicht bekannt wurden. Indem es demgegenüber dann aber geltend macht, dass die gewählten Formulierungen für die Verteidigung der Rechtsansichten nicht erforderlich gewesen seien, knüpft es an seinem unzutreffenden Verständnis des Begriffs der „Schmähung“ als Ehrbeeinträchtigung, die durch die Sache nicht mehr geboten ist, an und verkennt, dass der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung seiner Meinungsfreiheit nicht auf das zur Begründung seiner Rechtsansicht Erforderliche beschränkt werden darf.“