Ich eröffne die 28. KW. mit zwei Entscheidungen zum Auslieferungsrecht. Beide kommen aus Celle. Die erste Entscheidung ist der OLG Celle, Beschl. v. 31.03.2017 – 2 AR (Ausl) 15/17. Die GStA hatte beantragt, die Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafvollstreckung wegen der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten wegen Raubes u. a. nach Rumänien für zulässig zu erklären und Haftfortdauer anzuordnen, nachdem der Verfolgte vorläufig festgenommen worden war. Das OLG hat das abgelehnt. Die Gründe ergeben sich aus den Leitsätzen des OLG. Sie sind für eine Auslieferung nach Rumänien nicht neu:
- Die Auslieferung eines Verfolgten nach Rumänien zur Strafvollstreckung aufgrund eines Europäischen Haftbefehls ist nach § 73 IRG unzulässig, wenn nicht sichergestellt ist, dass die dortigen Haftbedingungen den in Art. 3 EMRK verankerten menschenrechtlichen Mindestanforderungen genügen.
- Den durch den EGMR mit Urteil der großen Kammer vom 20. Oktober 2016 (7334/13, Mursic/Kroatien) aufgestellten Kriterien zu der Frage, ob die Haftbedingungen im Ausstellungsmitgliedstaat Art. 3 EMRK genügen, kommt eine normativen Leitfunktion zu. Die in dem Urteil des Gerichtshofes aufgestellten Maßstäbe sind daher der Prüfung des Senates zugrunde zu legen (Anschluss OLG Celle, 1. Strafsenat, Beschluss vom 23.12.2016 – 1 AR (Ausl) 80/16 -; entgegen OLG Hamburg, Beschluss vom 03.01.2017, Ausl 81/16).
- Danach stellt eine Haftraumgrundfläche von 3 m² pro Inhaftiertem bei Belegung eines Haftraumes mit mehreren Gefangenen das von Art. 3 EMRK verlangte Minimum dar. Die Unterschreitung dieses Minimalstandards begründet eine starke Vermutung für eine unmenschliche Behandlung.
- Dieser Maßstab gilt sowohl für den geschlossenen Vollzug als auch für den halboffenen Vollzug, weil der Gefangene auch im halboffenen Vollzug eine signifikante Zeit des Tages in dem Haftraum eingeschlossen ist.
- Um entgegen der Regelvermutung einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu verneinen, müssen drei (kompensatorische) Voraussetzungen kumulativ gegeben sein: Die Haftraummindestgröße von 3 m² pro Gefangenem darf nur kurzzeitig, gelegentlich und geringfügig unterschritten werden. Die Reduktion der Haftraummindestgröße muss mit ausreichender Bewegungsfreiheit außerhalb der Zellen und adäquaten Aktivitäten außerhalb der Hafträume einhergehen. Die betreffende Haftanstalt muss generell angemessen ausgestattet sein und darf es keine anderen den Gefangenen beschwerenden Haftumstände geben.