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Im Bußgeldverfahren immer die Mittelgebühr, oder: Burhoff sagt das auch

Die zweite Entscheidung, die ich heute vorstelle, ist dann erfreulicher als der vorhin vorgestellte OLG Hamburg, Beschl. v. 20.03.2018 – 5 S AR 7/18. 

Es geht auch nicht um Pauschgebühr, sondern „nur“ um die Höhe der Wahlanwaltsgebühren in einem Bußgeldverfahren. Das Bußgeldverfahren gegen den Betroffenen  – ist von der Verwaltungsbehörde eingestellt worden. Die Kosten und die notwendigen Auslagen des Betroffenen wurden der Staatskasse auferlegt. Der Verteidiger hat dann in seinem Festsetzungsantrag die bei ihm entstandenen Wahlanwaltsgebühren geltend gemacht. Dabei hat er jeweils die Mittelgebühr angesetzt. Der Bezirksrevisorin war das teilweise zu viel/zu hoch. Die Gebühren sind dann niedriger festgesetzt worden. Das AG gibt dem Verteidiger im AG Plauen, Beschl. v. 22.03.2018 – 7 OWi 440 Js 18243/16 – Recht:

„Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens – und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigen Ermessen.

Bei den infrage stehenden Gebühren macht der Antragsteller stets die Mittelgebühr geltend.

Die Bezirksrevisorin führt unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des Landgerichts Zwickau vom 07.10.2008 (Az. 2 Qs 308/08) und vom 13.10.2008 (k. 2 Qs 321/07) aus, dass sich in einfach gelagerten Fällen der Gebührenanspruch des Rechtsanwalts im unteren Drittel des zur Verfügung stehenden Gebührenrahmens bewegt.

Abweichungen davon sind im Einzelfall denkbar, werden im vorliegenden Fall jedoch nicht gesehen.

Der Antragsteller hingegen bezieht sich auf eine Entscheidung des LG Chemnitz vom 09.06.2016 (Az. 2 Qs 76/16). Der dort verhandelte Fall (80,00 EUR Geldbuße, 1 Punkt im Verkehrszentralregister) ist mit dem hier vorliegenden Fall vergleichbar. Das Landgericht Chemnitz sieht grundsätzlich in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren die Rahmenmittelgebühr als Ausgangspunkt for die Bemessung der Gebühr.

Von diesem Standpunkt ausgehend wird sodann geprüft gebührenerhöhende oder – vermindernde Tatsachen ein Abweichen von der Mittelgebühr rechtfertigen bzw. erforderlich machen.

Das LG hat in seiner Entscheidung einen durchschnittlichen Fall angenommen und im Ergebnis die Mittelgebühr für erstattungsfähig befunden.

Das Gericht schließt sich der Ansicht des Antragstellers an. Diese deckt sich mit der Ansicht, welche größtenteils die Literatur zu diesem Streitpunkt vertritt (m.w.N. Gerold/Schmidt RVG, 22. Auflage 2015, Rn. 20,21 zu Einl. 5 VV; Burhoff RVG, 2. Aufl., 2007, Rn. 39 -41 zu Vorb. 5). Demgemäß sind straßenverkehrsrechtliche Bußgeldsachen gerade nicht pauschal von geringer/unterdurchschnittlicher Bedeutung, sondern können aufgrund der umfangreichen und zum Teil schwierigen, obergerichtlichen Rechtsprechung durchaus als kompliziert angesehen werden (aaO).

Im Ergebnis hält das Gericht im vorliegenden Verfahren die Mittelgebühr der o.g. Gebührentatbeständen der VV-Nr. 5100, 5103, 5109 RVG für angemessen und damit für erstattungsfähig.“

Sehr schön und richtig 🙂 . Und die Begründung: Burhoff sagt das auch, lese ich natürlich besonders gern.

Das einig Unschöne an der Entscheidung: Das AG zitiert unseren RVG-Kommentar in der 2. Aufl., Den gibt es aber inzwischen schon in der 5. Aufl., die man hier bestellen kann (Werbemodus an/aus 🙂 ).

„Gebührenrechtliches Doppelverwertungsverbot“ im Bußgeldverfahren, oder: Kommt mir bekannt vor…

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So, heute ist der erste Freitag im neuen Jahr und damit der erste Gebührentag hier im Blog. Und zum Auftakt gibt es den AG Bottrop, Beschl. v. 21.12.2017 – 29a OWi 3531/17 (b), den mir der Kollege Moussa aus Castrop-Rauxel gesandt hat. Entschieden worden ist nach Einstellung des Bußgeldverfahrens über die Auslagen des Betroffenen. Der Kollege hatte die Mittelgebühren angesetzt. Das AG folgt ihm, die Stadt Bottrop hatte das noch anders gesehen:

Die Mittelgebühren der Rahmen der Nrn. 5100. 5103 und 5115 der Anlage 1 zum RVG (Vergütungsverzeichnis) waren erstattungsfähig. Gemäß § 14 Abs. 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit. der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens-und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen.

Nach dieser Maßgabe war es nicht unbillig, die jeweilige Mittelgebühr anzusetzen.

Wegen des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war zu berücksichtigen, dass die Akte zwar nicht umfangreich. der Verteidiger jedoch nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage die Bußgeldbehörde auf den Umstand, dass zwischenzeitlich Verfolgungsverjährung eingetreten war, hingewiesen hat. Die Schwierigkeit der Sache ist als Straßenverkehrsordnungswidrigkeit in jeder Hinsicht als durchschnittlich zu bewerten. Im Hinblick auf die Bedeutung der Angelegenheit kommt der (geringen) Höhe der im Bußgeldbescheid verhängten Geldbuße (EUR 75,00) keine eigenständige Bedeutung zu. Dies gilt sowohl bei der Bemessung der Grundgebühr (Nr. 5100 VV-RVG), deren Rahmen ausdrücklich nicht an die Höhe der Geldbuße gekoppelt ist. Gleiches gilt für die Gebühren gemäß Nr. 5103 und 5115 VV-RVG. Denn die Höhe der Geldbuße ist schon Anknüpfungspunkt für die Frage, aus welcher Stufe der Rechtsanwalt seine Gebühren berechnet („gebührenrechtliches Doppelverwertungsverbot). Die (schon) durchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für den Betroffenen rührt insbesondere daraus. dass ihm wegen der vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit eine Eintragung von einem Punkt in das Verkehrszentralregister drohte , das mittlerweile ab einer Punkteanzahl von vier Punkten eine Ermahnung sowie den Hinweis auf die Durchführung eines Fahreignungsseminars sowie ab acht Punkten die Entziehung der Fahrerlaubnis vorsieht. Mangels näherer Angaben ist von durchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Betroffenen auszugehen.“

Das mit dem „gebührenrechtlichen Doppelverwertungsverbot“ kommt mir bekannt vor 🙂 .

LG Cottbus: Grundsätzlich Mittelgebühr im Bußgeldverfahren, oder: Richtig

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Die zweite Entscheidung des heutigen Tages stammt von der Kollegin A. Graeber aus Potsdam. Die Entscheidung ist mal wieder ein Lichtblick in der (unseligen) Diskussion über die Bemessung der Rahmengebühren im Bußgeldverfahren. Das LG Cottbus sagt – erneut – im LG Cottbus, Beschl. v. 02.10.2017 – 22 Qs 149/17: Ausgangspunkt die Tätigkeit des Rechtsanwaltes ist auch in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren grundsätzlich die Mittelgebühr für die Gebührenbemessung und keineswegs grundsätzlich ein geringerer Betrag. Und weiter:

„Sind keine Umstände erkennbar, die eine Erhöhung oder eine Ermäßigung rechtfertigen, entspricht damit die Verteidigung dem Durchschnitt oder dem so genannten „Normalfall“, steht dem Wahlverteidiger grundsätzlich die Mittelgebühr des einschlägigen Gebührenrahmens zu (Mayer in Gerold/ Schmidt, RVG, 22. A., S 14, Rz.10, 54 m.w.N.). Der Ansatz, die Mittelgebühr als Ausgangspunkt für die Ermessensausübung anzunehmen, ist zum einen in der Praxis geboten, um eine einigermaßen gleichmäßige Berechnungspraxis zu erzielen (vgl. Landgericht Potsdam, Rechtspfleger 2015, 23; Hartmann a.a.O. m. w. N.). Ferner wird der Wille des Gesetzgebers, die Einordnung der konkreten Gebühr ausgehend von der Mittelgebühr vorzunehmen, auch aus der aus den Gesetzgebungsmotiven hervorgehenden durch den Gesetzgeber angewandten Systematik bei der Regelung der Gebühren für den Pflichtverteidiger deutlich, wie die in ihren Entscheidungen vom 26. Juli 2016 zu 22 Qs 99/16 und 22 Qs 129/16 im Einzelnen ausgeführt hat.

Unter Beobachtung dieser Maßstäbe, lässt sich — nachdem mit der Beschwerde nur noch die Mittelgebühren beansprucht werden — eine Unbilligkeit der Gebührenbestimmung nicht feststellen. Es sind insoweit hinsichtlich der einzubeziehenden Kriterien, insbesondere nach dem Umfang der Tätigkeit und der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten keine Umstände erkennbar, die ein Abweichen von der Mittelgebühr rechtfertigen würden. Es handelte sich um einen für Verkehrsordnungswidrigkeitsverfahren normalen Bearbeitungsaufwand; die Sache hatte auch einen durchschnittlichen rechtlichen Schwierigkeitsgrad.“

Dieses und noch viel mehr kann man alles nachlesen und ist in einer Rechtsprechungsdatei zusammengestellt in <<Werbemodus an>>: „Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Auflage,“ gerade vor einem Monat erschienen. Zum Bestellformular geht es hier. <<Werbemodus aus>>.

Bußgeldverfahren: Bemessung der Rahmengebühr „…im unteren Drittel…“, oder: Hat das mal eine Kammer durchgerechnet?

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Den LG Zwickau, Beschl. v. 25.11.2015 – 1 Qs 174/15 – hat mir vor einigen Tagen der Kollege, der ihn „erlitten“ hat, übersandt. Ich habe mit dem Posten hier dann bewusst ein wenig gewartet, der erste Ärger über den Beschluss sollte verraucht sein. Aber es ist mal wieder eine Entscheidung, die mich ärgerlich macht. Es geht um die Gebührenbemessung im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren. Dazu führt das LG dann aus:

„Entgegen der Auffassung im Beschwerdeschriftsatz ist vorliegend nicht grundsätzlich von der Mittelgebühr auszugehen. Die Beschwerdekammer hält nach wie vor an ihrer Auffassung fest, wonach sich in Verfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten dann eine Festsetzung der anwaltlichen Vergütungsansprüche im unteren Drittel des zur Verfügung stehenden Gebührenrahmens ergibt, wenn unter strikter Beachtung der Umstände des Einzelfalls und unter Zugrundelegung der Gebührenbemessungskriterien aus § 14 RVG davon auszugehen ist, dass insgesamt eine Angelegenheit von unterdurchschnittlicher Bedeutung vorliegt. So wird in einfach gelagerten Verfahren im Regelfall davon auszugehen sein, dass sich die Gesamtgebührenansprüche des Verteidigers ergeben, die der Höhe nach im unteren Drittel des zur Verfügung stehenden Gebührenrahmens angesiedelt sind. So ist es auch hier. Die Akte umfasste zur erstmaligen Akteneinsicht 22 Blatt. Der eigentliche Ermittlungsvorgang ist recht kurz. Nach einer kurzen Einspruchsbegründung (weniger als eine Seite) stellte das Gericht das Verfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG ein. Die Akte bedurfte auch für einen Verteidiger keiner erheblichen Vorbereitungsdauer. Besondere Umstände, die rechtfertigen, hier von der Mittelgebühr auszugehen, sind weder ersichtlich noch vom Beschwerdeführer nachvollziehbar vorgetragen.“

Ja, richtig gelesen. „…der Höhe nach im unteren Drittel des zur Verfügung stehenden Gebührenrahmens angesiedelt“. Wenn man das liest, fragt man sich, ob eigentlich mal ein Kammermitglied, das an einer solchen Entscheidung beteiligt war, durchgerechnet hat, was die Kammer dem Verteidiger mit einer solchen Entscheidung zumutet. Hier dürften eine Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG, eine Verfahrensgebühr Nr. 5101 VV RVG, eine Verfahrensgebühr Nr. 5107 VV RVG und ggf. eine Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV RVG entstanden sein. Geht man davon aus, dass man sich – was sich aus dem Beschluss leider nicht ergibt – im Bereich einer Geldbuße bis 60 € bewegt und legt man die Rahmen nach dem 2. KostRMoG zugrunde sowie die „Vorgabe“ des LG – „im unteren Drittel“ –, dann dürften sich die Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG auf rund 65 € belaufen, die beiden Verfahrensgebühren Nrn. 5101, 5107 VV RVG auf je rund 40 € und die Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV RVG – wenn sie entstanden ist – auf 65 €. Insgesamt sind das 210 €. 210 €, die dem Verteidiger aber ja nicht für sich verbleiben, sondern von denen er ja noch seinen „Betrieb unterhalten“ muss und den dann verbleibenden Rest dann noch versteuern darf. „Übrig“ bleiben dann für ihn etwa 50 – 60 €. Ja, und das für eine Besprechung mit dem Mandanten, Aktenanforderung, Akteneinsicht und Stellungnahme. Für den sich daraus ergebenden Stundensatz wird ein Fliesenleger kaum noch arbeiten wollen, und Richter tun es wohl auch nicht. Vielleicht sollte man das mal im Auge behalten, wenn man solche Beschlüsse erlässt.

Und m.E. ist der Beschluss auch darüber hinaus noch falsch, zumindest aber missverständlich. Denn das LG geht bei seinen Berechnungen/Ausführungen von der falschen Berechnungsgrundlage aus. Auszugehen ist nämlich – auch im Bußgeldverfahren – von der sog. Mittelgebühr. Diese ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls dann ggf. angemessen zu erhöhen oder zu ermäßigen. Die Kammer behauptet, das auch zu tun, tut es m.E. so aber nicht. Ich habe vielmehr den Eindruck, dass sie davon ausgeht, dass straßenverkehrsrechtliche Bußgeldverfahren immer von unterdurchschnittlicher Bedeutung sind und „im Regelfall davon auszugehen sein [soll], dass sich die Gesamtgebührenansprüche des Verteidigers ergeben, die der Höhe nach im unteren Drittel des zur Verfügung stehenden Gebührenrahmens angesiedelt sind“. Damit wird also nicht von der Mittelgebühr ausgegangen, sondern vom „unteren Drittel“,

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Kann ich von der Mittelgebühr nach oben abweichen?

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

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Die Frage vom Freitag: Ich habe da mal eine Frage: Kann ich von der Mittelgebühr nach oben abweichen? lässt sich nicht so einfach mal eben beantworten. Man schreibt am besten: Es kommt darauf an. Und zwar habe ich dem Kollegen Folgendes geantwortete:

„….Also: Die Frage der Bewährung spielt im Rahmen der Bedeutung der Sache für den Mandanten eine Rolle. Ersttäter? Erstverbüßer? Berufliche Auswirkungen usw. Für das Abweichen kommt es auf die Gesamtumstände an. Zeitaufwand wie groß?“

Letztlich ist ja die Gebührenbemessung nach § 14 Abs. 1 RVG eine Abwägung aller Umstände im Einzelfall, und zwar sowhl der gebührerhöhenden als auch der gebührsenkenden. Je nachdem aus welchem „Lager“ 🙂 der Bemessende kommt, wird er auf der einen oder anderen Seite den Schwerpunkt setzen 🙂 .