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Zusammenstoß Radfahrer/Fußgänger in Fußgängerzone: Wer gewinnt?

FahrradfahrerUnd als drittes Posting zu den samstäglichen Verkehrsunfällen (vgl. bereits hier Inlineskaten auf der Gegenfahrbahn – Zusammenstoß – 75 : 25) und hier Überholen einer Fahrzeugkolonne – Abbiegerzusammenstoß – 75 : 25) das OLG München, Urt. v. 04.10.2013 – 10 U 2020/13, das man sich als Münsteraner gut merken muss. Es geht nämlich um einen Zusammenstoß eines Fußgängers mit einem Radfahrer, der verbotswidrig in einer Fußgängerzone gefahren ist.

Zum Saxhverhalt: Der Kläger und dessen Ehefrau, die ihre Ansprüche später an den Kläger abgetreten hat, fuhren mit Fahrrädern über den Theaterplatz in I. Der Beklagte war zu diesem Zeitpunkt in die gleiche Richtung zu Fuß auf dem Theaterplatz unterwegs. Das Ehepaar H. – der Kläger und seine Ehefrau – näherte sich mit seinen Fahrrädern dem Beklagten von hinten und wollten an diesem rechts vorbeifahren. Der Beklagte ging vom Ehepaar H. aus gesehen links auf einer höher liegenden Treppenstufe. Die Ehefrau des Klägers kam im Zusammenhang mit dem Passieren des Beklagten mit ihrem Fahrrad zu Sturz.

Das LG ist von einer Haftungsquote von 50:50 ausgegangen.Das OLG hat das anders gesehen und hat ein Verschulden des Fußgängers verneint und hat damit den Radfahrer allein haften lassen:

„Für die Pflichten eines Fußgängers geht der Senat von folgenden Erwägungen aus:

Auf einem Sonderweg, der eine Mischung des Radverkehrs mit den Fußgängern auf einer gemeinsamen Verkehrsfläche bewirkt, haben Radfahrer auf Fußgänger Rücksicht zu nehmen (vgl. OLG Oldenburg NJW-RR 2004, 890; OLG Köln VersR 2002, 1040; Hentschel/König/Dauer-König, Straßenverkehrsrecht, 42. Auflage 2013, § 41 StVO Rz. 248 d f.). Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass kombinierte Fuß- und Radwege, die eine Benutzungspflicht für Radfahrer zur Folge haben, nur dann angelegt werden sollen, wenn dies nach den Belangen der Fußgänger, insbesondere der älteren Verkehrsteilnehmer und der Kinder, im Hinblick auf die Verkehrssicherheit für vertretbar erscheint (vgl. Verwaltungsvorschrift zu den Zeichen 240 und 241, gemeinsamer bzw. getrennter Fuß- und Gehweg). Radfahrer haben demnach die Belange der Fußgänger auf solchen Wegen besonders zu berücksichtigen. Selbstverständlich haben auch Fußgänger auf Radfahrer Rücksicht zu nehmen und diesen die Möglichkeit zum Passieren zu geben; den Radfahrer treffen aber in erhöhtem Maße Sorgfaltspflichten. Insbesondere bei einer unklaren Verkehrslage muss ggfs. per Blickkontakt eine Verständigung mit dem Fußgänger gesucht werden; soweit erforderlich, muss Schrittgeschwindigkeit gefahren werden, damit sofortiges Anhalten möglich ist. Auf betagte oder unaufmerksame Fußgänger muss der Radfahrer besondere Rücksicht nehmen; mit Unaufmerksamkeiten oder Schreckreaktionen muss er rechnen.

Diese Maßstäbe gelten, wie das OLG Oldenburg in seiner Entscheidung vom 09.03.2004 (NJW-RR 2004, 890]) überzeugend ausgeführt hat, erst recht auf Gehwegen, die durch ein Zusatzschild für Radfahrer freigegeben sind. Das Zusatzschild „Radfahrer frei“ eröffnet dem Radverkehr nur ein Benutzungsrecht auf dem Gehweg. Den Belangen der Fußgänger kommt in diesem Fall ein besonderes Gewicht zu; insbesondere darf der Radverkehr nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren (Verwaltungsvorschrift zu Zeichen 239 Fußgänger).

Noch einmal mehr gelten diese Maßstäbe in einer „faktischen“ Fußgängerzone (Zeichen 250): In einem Bereich, in dem Fußgänger nur mit „Fahrradschiebern“ rechnen müssen, haben die Belange von Fußgängern überragendes Gewicht. Weicht hier ein Fußgänger einem anderen aus, muss ein sein Fahrrad schiebender Verkehrsteilnehmer mit Unaufmerksamkeiten rechnen. Dies gilt auch für den Fall, dass der Fußgänger die breitere Treppenstufe einer gestuften „faktischen“ Fußgängerzone eine Stufe hinabsteigt, denn an der Natur einer Richtungskorrektur ändert sich nichts. Bei einer unklaren Verkehrslage muss ggfs. mit Blickkontakt Verständigung gesucht werden. Hierbei fällt im vorliegenden Fall insbesondere ins Gewicht, dass sich die Geschädigte dem Beklagten von hinten genähert hat, also durchaus wahrnehmen konnte, dass sie der Beklagte nicht herankommen sieht und auch wahrnehmen konnte, dass sich der Beklagte, nachdem der Kläger selbst an diesem vorbeigefahren war, nicht nach weiteren Radfahrern umgedreht hat. Damit war der Geschädigten – anders als dem Beklagten – die Gefahrenlage durchaus bewusst. Darüber hinaus lag konkret nicht nur eine „gefahrenneutrale“ Situation vor, bei der die Geschädigte darauf vertrauen durfte, ohne Klingelzeichen mit zu geringem Sicherheitsabstand am erkennbar nichts ahnenden Beklagten vorbeizufahren (vgl. BGH MDR 2009, 203, 204). Vielmehr hatte sich das abstrakte Gefährdungspotential, das bei nur optisch voneinander getrennten Verkehrsflächen im innerstädtischen Begegnungsverkehr angenommen wird (vgl. BGH MDR 2009, 203, 204; OLG Oldenburg NJW-RR 2004, 890, 891; OLG Köln VersR 2002, 1040; Hentschel/König/Dauer-König, a.a.O., § 41 StVO, Rz. 248 c) bereits dadurch zu einer kritischen Situation verdichtet, dass objektiv das Befahren des Theatervorplatzes mit Fahrrädern verboten war. In dieser kritischen Situation, in der die Geschädigte noch nicht einmal geklingelt hat – was nicht genügt hätte -, wäre sie gehalten gewesen abzusteigen und ihr Fahrrad entsprechend Zeichen 250 zu schieben.

 

Blind über die Straße – falsch fahrender Radfahrer: Was überwiegt?

FahrradfahrerAls Münsteraner interessieren mich natürlich Entscheidungen mit und um das Fahrrad besonders :-), und zwar nicht nur owi-/strafrechtliche Entscheidungen sondern vor allem auch die zivilrechtlichen, die meist in Zusammenhang mit Verkehrsunfällen mit Fahrradbeteiligung ergehen. Daher der Hinweis auf das OLG München, Urt. v. 26.07.2013 – 10 U 3593/12-, das den „Zusammenstoß“ eines Fußgängers mit einem Fahrradfahrer und die Haftungsverteilung zum Gegenstand hat.

Wenn ich die knappen Entscheidungsgründe richtig verstehe, war die klagende Fußgängerin verdeckt durch einen Van abends im Dunklen beim Überqueren der Straße hinter dem Van auf einen Fahrradweg getreten und auf den unmittelbar auf dem Radweg in entgegengesetzter Richtung mit einer Geschwindigkeit von 15 bis 20 km/h fahrenden beklagten Radfahrer getroffen. Das OLG nimmt u.a. zur Haftungsverteilung Stellung:

„Das Erstgericht ist in nicht zu beanstandender Beweiswürdigung (§ 529 I Nr. 1 ZPO) zur Überzeugung gelangt, dass die Klägerin, verdeckt durch den Van, am 28.02.2008 gegen 21.05 Uhr in Höhe der D. Straße 78 in M. hinter dem Van auf den Fahrradweg getreten und auf den unmittelbar auf dem Radweg in entgegengesetzter Richtung mit einer Geschwindigkeit von 15 bis 20 km/h fahrenden Beklagten getroffen ist, wodurch es zu einer Kollision gekommen ist. Dass der Beklagte ohne Licht gefahren ist, hat das Erstgericht in ebenfalls nicht zu beanstandender Beweiswürdigung für nicht erwiesen erachtet.

Anders als das Erstgericht hält der Senat bei der Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge das verbotswidrige Radfahren in entgegengesetzter Richtung im Hinblick auf die konkreten örtlichen Gegebenheiten, insbesondere die räumliche Enge, für wesentlich gravierender als das Fehlverhalten der Klägerin, die lediglich ohne nach links zu schauen durch die parkenden Autos den Radweg querend zu ihrer Wohnung gelangen wollte. Der Senat hält im Hinblick auf dieses deutliche Fehlverhalten des Beklagten eine Haftungsverteilung von 30 : 70 zu Lasten des Beklagten für angemessen (vgl. auch LG Hannover vom 16.09.1994, zfs 1995, 328).“

Senkung der Promillegrenze für Radfahrer, oder: Wem kann man was „ans Herz legen“?

Ist denn schon wieder Sommer?, habe ich mich gefragt, als ich vorhin die Meldung zur morgen beginnenden Innenministerkonferenz gehört habe (vgl. dazu hier aus der FAZ). Denn ziemlich regelmäßig im Sommer kommen die Meldungen und Forderungen für eine strengere Alkoholgrenze bei Radfahrern. So auch heute, obwohl das Wetter nun nicht gerade sommerlich ist.

Die Grenze für die absolute Fahrunsicherheit liegt für Radfahrer derzeit – etwas vereinfacht – bei 1,6 Promille für den § 316 StGB – in der Rechtsprechung der OLG, der BGH geht wohl immer noch von 1,7 Promille aus, jedenfalls ist mir andere Rechtsprechung nicht bekannt. Liegt die BAK unter dem Wert, müssen Ausfallerscheinungen (Schlangenlinien, Kleinunfälle o.Ä.) hinzutreten, um zur Strafbarkeit zu kommen. Die Radfahrer werden also anders als die Autofahrer behandelt, bei denen man/die Rechtsprechung ab 1,1 Promille von absoluter Fahrunsicherheit ausgeht.

Nun kann man mit Recht davon ausgehen, dass für diese „Ungleichbehandlung“ kein Grund besteht. Denn ein Fahrradfahrer wird kaum erst mit 1,6 Promille absolut fahrunsicher sein. Deshalb spricht viel dafür, die Grenze bei den Radfahrern zu senken und ggf. an die für die Autofahrer geltende anzugleichen.

Nur, es geht m.E. nicht so, wie es sich offenbar die Innenministerkonferenz bzw. ihr Vorsitzender für die Frühjahrskonferenz vorstellt, nämlich: „Am Mittwoch beginnt in Hannover das Frühjahrstreffen der Innenminister (IMK). Dabei wollen die Ressortchefs den Verkehrs- und Justizministern „ernsthaft“ die Senkung der Promillegrenze ans Herz legen.“ Denn mit „ans Herz legen“ ist es nicht getan. Die Angleichung geht nicht so einfach „per order mufti“, denn wir haben es ja nicht mit einem gesetzlichen Grenzwert wie bei § 24a Abs. 1 StVG – 0,5 Promillegrenze – zu tun, den der Gesetzgeber ändern könnte, sondern mit einem von der Rechtsprechung entwickelten Grenzwert. Den Gerichten können aber die Verkehrs- und Justizminister nicht einfach mal eben so „„ernsthaft“ die Senkung der Promillegrenze ans Herz legen.“ Da muss sich schon bei den Gerichten – OLG, BGH aber auch den AG und LG – etwas bewegen, also die Rechtsprechung muss sich ändern.

Das hatte der niedersächsische Innenminister sicherlich auch gemeint. Nur: Warum sagt er es dann nicht?

Zu langes Parken und (falsches) Fahrradfahren werden teuerer

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Ein wenig untergegangen in der Diskussion um die Punktereform ist die Diskussion um die Änderung des Bußgeldkatalogs bzw. der Erhöhung der Verwarnungsgelder, u.a. für Radfahrer. Der hat gestern aber nun auch der Bundesrat zugestimmt (vgl. hier die PM 25/12 des Bundesrates). Hier ein paar der beschlossenen Neuerungen:

  • Beim Überschreiten der erlaubten Parkdauer um bis zu 30 Minuten sollen künftig 10 statt bisher 5 Euro fällig werden.
  • Je 5 € teurer werden längere Parkzeitüberschreitungen: 15 € für bis zu eine Stunde länger als erlaubt, 20 € für bis zu zwei Stunden, 25 € für bis zu drei Stunden und 30 € für noch längere Verstöße. Der Höchstsatz von 35 € soll weiterhin gelten, wenn es um Verstöße wie das Zuparken von Feuerwehrzufahrten und Behindertenparkplätzen geht. Fazit: Es kann sich dann jetzt also ggf. doch lohnen, ein Parkhaus aufzusuchen.
  • Für Radfahrer soll falsches Einbiegen in Einbahnstraßen je nach Situation künftig 20 bis 35 €statt bisher 15 bis 30 € kosten
  • Wer nicht auf dem Radweg fährt oder darauf in falscher Richtung unterwegs ist, soll künftig 20 statt 15 € zahlen. Fahren ohne Licht soll Radler bald 20 statt 10 € kosten.
  • Wenn Autofahrer auf Radwegen parken, soll die Geldbuße von 15 auf mindestens 20 € angehoben werden.
  • Wer mit seinem Wagen einen Schutzstreifen für Radler blockiert, muss 20 statt 10 € zahlen.

 

Modenschau in Münster – und der Minister spricht mal wieder zur Promillegrenze

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Gestern war Modenschau in Münster. Die nordrhein-westfälischen Fahrradpolizisten haben eine neue Uniform bekommen: Blaue Hose, gelbe Weste. Und das wurde der Öffentlichkeit vorgestellt. Die örtliche Presse hat darüber unter dem Titel: „Neue Uniform für-Radstreife – 700 Polizisten mit dem Fahrrad auf-Verbrecherjagd“ berichtet. Ob zu „Verbrecherjagd“ allerdings das an anderer Stelle gestellte Beispiel: Verfolgung eines mobiltelefonierenden Radfahrers passt, ist m.E. fraglich (vgl. hier).

Und: Einen solchen „Modetermin“ lässt sich natürlich die Politik nicht nehmen. D.h. wir durften auch den nordrhein-westfälischen Innenminister in Münster begrüßen. Der Minister im Kreise neu eingekleideter Polizisten vor dem münsterischen Rathaus macht sich immer gut. Und der Minister hat seinen Auftritt dann auch gleich wieder genutzt, um für eine Absenkung der Promillegrenze bei Radfahrern zu plädieren. Die liege dort immer noch bei 1,6 Promille. Man wolle jetzt in den Innenministerkonferenz einen entsprechenden Antrag stellen (leider ist der Teil von den WN nicht online gestellt.

Nun, das scheint derzeit das Lieblingsthema des Ministers zu sein (vgl. dazu schon hier). Vielleicht liegt es ja an der Jahreszeit :-). Jedenfalls frage ich mich – ebenso haben sich schon andere in ihrem Blog gefragt – wie das gehen soll? Wollen die Innenminister die Strafgerichte anschreiben und auf eine Senkung der Promillegrenze hinweisen? Denn im strafrechtlichen Bereich sind die 1,6 Promille, über die man diskutieren kann, darum geht es gar nicht – eine von den Gerichten gezogene Grenze. Die werden die Innenminister nicht einfach mal so per Erlass (?) senken können. Darüber sollte sich auch mal ein Minister Gedanken machen. Oder zumindest diejenigen, die „in seinem Haus“ für den Bereich zuständig sind.