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Wenn Urteilsformel und Protokoll nicht übereinstimmen, oder: Protokollrüge

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Und die zweite Entscheidung des Tages hat auch etwas mit dem Protokoll der Hauptverhandlung zu tun, allerdings nur mittelbar. Denn es geht um die sog. Protokollrüge im Rahmen der Revision, ein häufiger Fehler. So stellt es auch der BGH im BGH, Beschl. v. 03.05.2019 – 3 StR 462/18 – fest:

„Ergänzend bemerkt der Senat:

1. Die Rüge, dass der Angeklagte nach der Urteilsformel zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden sei, wohingegen sich aus dem Protokoll die Verhängung einer lediglich sechsjährigen Gesamtfreiheitsstrafe ergebe, erweist sich als unzulässig.

Zwar ist die Beanstandung, mit der vorgetragen wird, dass das Protokoll eine von der schriftlichen Fassung abweichende Urteilsformel enthalte, trotz der missverständlichen Überschrift “Verletzung materiellen Rechts“ als Verfahrensrüge auszulegen. Doch legt die Revision einen Verfahrensfehler begründende Tatsachen nicht dar (§ 344 Abs. 2 StPO). Sie trägt lediglich vor, dass der Angeklagte “ausweislich des Protokolls“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden sei. Zwar kann eine solche Formulierung auch als ein Hinweis auf das geeignete Beweismittel zu verstehen sein, ohne dass dadurch die Ernsthaftigkeit der Tatsachenbehauptung selbst in Frage gestellt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 1981 – 4 StR 496/81, StV 1982, 4, 5). Hier leitet die Revision die Fehlerhaftigkeit des Verfahrens jedoch ausdrücklich nur aus dem Protokoll ab, während sie zum tatsächlichen Geschehen keine Angaben macht. Die Behauptung, dass das verkündete Urteil tatsächlich auf eine sechsjährige Gesamtfreiheitsstrafe lautete, enthält das Revisionsvorbringen – auch sinngemäß – nicht.

Da die Rüge somit schon unzulässig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 2011 – 4 StR 181/11, StV 2012, 73), kommt es nicht darauf an, dass eine Protokollberichtigung, die der Rüge den Boden entzogen hätte (zu den Anforderungen vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2007, GSt 1/06, BGHSt 51, 298, 316 f.) bisher nicht vorliegt.

Matthäus 5, 37, oder: „Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.“

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Ich hatte vorhin wegen der materiell-rechtlichen Fragestellung ja schon auf den BGH, Beschl. v. 09.06.2015 – 3 StR 113/15 hingewiesen (vgl. Diebstahl und Unterschlagung geht nicht, aber: Außer Spesen nichts gewesen). Der Beschluss enthält neben den Ausführungen des BGH zu der materiell-rechtlichen Frage aber auch eine verfahrensrechtliche Problematik, die eines Hinweises wert ist. Und zwar geht es mal wieder um die Verfahrensrüge und deren Begründung (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

Einer der Angeklagten hatte mit der Verfahrensrüge die Verlesung eines eine Nebenklägerin betreffenden Attests als Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes (§§ 250, 251 StPO) gerügt. Allerdings nicht ausreichend = bestimmt genug. Der BGH ruft dazu in Erinnerung:

„a) Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, wird ein Verfahrensfehler nicht bestimmt behauptet, soweit die Revision beanstandet, die Voraussetzungen des § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO hätten nicht vorgelegen. Mit dem Revisionsvorbringen, es sei „fraglich, ob vorliegend überhaupt von Einverständnis ausgegangen werden kann“, sowie, das Protokoll vermerke zwar, dass die Prozessbeteiligten keine Bedenken gegen die Verlesung erhoben hätten, damit sei dem Erfordernis einer Einverständniserklärung aber nicht Genüge getan, macht der Beschwerdeführer zum einen nicht in bestimmter Weise gel-tend, dass die erforderlichen Einverständniserklärungen nicht abgegeben worden seien, und rügt zum anderen letztlich nur, dass sich das Einverständnis nicht aus dem Protokoll ergebe. Das genügt zur zulässigen zulässigen Erhebung der Rüge nicht (LR/Sander/Cirener, StPO, 26. Aufl., § 251 Rn. 94 mwN).“

Tja, so ist das eben mit der Verfahrensrüge. Es muss bestimmt behauptet werden, dass der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt. Die Rüge, dass sich etwas nicht aus dem Protokoll ergebe, ist tödlich. Denn dann wird die Verfahrensrüge zur bloßen Protokollrüge. Und die mögen die Revisionsgerichte nun gar nicht.

Zulässig war die Rüge aber im Übrigen insoweit, als ein Verstoß gegen § 251 Abs. 4 Satz 1 StPO geltend gemacht worden ist, weil das LG die (einverständliche) Verlesung des Attests nicht durch einen Gerichtsbeschluss angeordnet hatte. Auf dem Rechtsfehler beruhte das Urteil nach Auffassung des BGH aber nicht (§ 337 StPO). Also nochmals: Außer Spesen nichts gewesen.

Protokollrüge – tödlich für die Revision

Da ist mal wieder ein Fall der sog. bloßen Protokollrüge, der Tod der Verfahrensrüge in der Revision. Der Angeklagte hat in BGH, Beschl. v. 08.06.2011 – 4 StR 111/11 beanstanden wollen, dass nach dem Wiedereintritt in die Beweisaufnahme nicht mehr/noch einmal beraten worden ist. Das kann grds. auch im Sitzungssaal erfolgen. Das hatte der Angeklagte beanstandet, aber eben nicht ausreichend. Der BGH führt dazu aus:

Die Verfahrensrüge des Angeklagten P. , mit welcher geltend gemacht wird, das Urteil sei nach Wiedereintritt in die Verhandlung und Erteilung eines Hinweises nach § 265 StPO unter Verletzung des § 260 Abs. 1 StPO ergangen, ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf die erneute Beratung nach Wiedereintritt in die Verhandlung in Form einer kurzen, für alle Vefahrensbeteiligten erkennbaren Verständigung des Gerichts im Sitzungssaal erfolgen, wenn bei der Entscheidung einfacher Fragen rascheste Verständigung möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 1971 – 3 StR 73/71, BGHSt 24, 170, 171; Beschlüsse vom 31. Juli 1992 – 3 StR 200/92, BGHR StPO § 260 Abs. 1 Beratung 5; vom 25. November 1997 – 5 StR 458/97, NStZ-RR 1998, 142). Die Revision trägt nicht vor, dass eine solche Nachberatung durch Verständigung im Sitzungssaal unterblieben ist, sondern führt lediglich aus, dass sich der Protokollvermerk „nach Beratung“ nicht dazu verhält, in welcher Weise die Beratung erfolgt sei. Das Rügevorbringen erschöpft sich damit in der Beanstandung der Protokollierung, ohne einen konkreten Verfahrensfehler bestimmt zu behaupten. Abgesehen davon, dass die Urteilsberatung nicht zu den protokollierungspflichtigen Förmlichkeiten gehört (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2008 – 4 StR 260/08, NStZ 2009, 105), vermögen Fehler des Protokolls die Revision nicht zu begründen, weil das Urteil hierauf nicht beruhen kann (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 2006 – 4 StR 604/05, NStZ-RR 2007, 52, 53).“

Ist im Grunde ein Klassiker, dass Fehler des Protokolls die Revision nicht begründen können.