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Alltagsmaskenpflicht, oder: Die Trageverpflichtung ist weiterhin rechtmäßig

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Die 32. KW. beginnt. Und ich starte diese Woche mit zwei Entscheidungen zu „Corona“. Die erste, der OVG Münster, Beschl. v. 28.07.2020 – 13 B 675/20.NE. Thema? das (leidige) Thema der Maskenpflicht.

Dazu vorab: Wenn ich die Bilde von der Demo am vergangenen Samstag in Berlin sehe, kann man nur den Kopfschütteln. Das wird – wie ich an verschiedenen Stellen gelesen habe – auch für meine Freiheit demonstriert, für meine Würde und meine Grundrechte. Leute, danke .-) (?), aber. Ich werde zwar diesen Monat 70 Jahre alt, kann aber meine Rechts noch ganz gut selbst wahrnehmen. Ich möchte nicht, dass jemand das ungefrgat für mich tut. Vor allem nicht, wenn ich weder meine Freiheit, meine Würde und meine Grundrechte nicht beeinträchtigt sehe. Und wenn ihr demonstriert: Dann bitte mit Würde – da waren einige für mich würdelose Bilder – und unter Einhaltung der Auflagen und Regeln. Und die schreiben nun mal derzeit eine Maske vor. Das zu begreifen, kann doch nicht so schwer sein. Leider ist es das aber wohl.

Und hier dann der Beschluss des OVG Münster, der einem Mann aus Kleve im vorläufigen Verfahren „bescheinigt“ hat, dass derzeit die Maskenpflicht gilt und wohl auch weitergeilt (wovon man nach den Samstagsbildern ausgehen kann):

„….

aa) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die durch Rechtsverordnung normierte streitgegenständliche Regelung nach § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG liegen voraussichtlich vor.

Vgl. dazu bereits Senatsbeschlüsse vom 30. April 2020 – 13 B 539/20.NE -, juris, Rn. 23 ff., und vom 19. Mai 2020 – 13 B 557/20.NE -, juris, Rn. 51 ff.

Für die Anordnung infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen ist es nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG erforderlich, aber auch ausreichend, dass eine übertragbare Krankheit aufgetreten ist, deren Weiterverbreitung verhindert werden soll. Das ist vorliegend der Fall, da in allen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland, auch in Nordrhein-Westfalen, eine Vielzahl von Infektionsfällen mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 bestätigt wurden.

Vgl. Robert Koch-Institut, COVID-19: Fallzahlen in Deutschland und weltweit, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html, Stand: 28. Juli 2020, vgl. auch Dashboard der Landesregierung Nordrhein-Westfalen zur Corona-Pandemie, abrufbar unter: https://www.giscloud.nrw.de/coronadashboard.html.

Es bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken gegen die Bestimmtheit der Regelung. Der Begriff der textilen Mund-Nase-Bedeckung, der durch die in § 2 Abs. 2 Satz 1 CoronaSchVO benannten Beispiele Alltagsmaske, Schal und Tuch konkretisiert wird, erfasst jede Form einer textilen Barriere, und zwar unabhängig von einer Kennzeichnung oder zertifizierten Schutzkategorie.

Die in § 2 Abs. 3 Satz 1 CoronaSchVO normierte Verpflichtung, unter bestimmten Bedingungen eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen, stellt auch eine Schutzmaßnahme i. S. d. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dar.

Vgl. Senatsbeschluss vom 30. April 2020 – 13 B 539/20.NE -, juris, Rn. 25 ff.

bb) Es spricht weiter Überwiegendes dafür, dass der Verordnungsgeber auf der Rechtsfolgenseite von dem ihm zukommenden Verordnungsermessen in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht hat, soweit er unter den in § 2 Abs. 3 CoronaSchVO konkretisierten Voraussetzungen zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung verpflichtet.

(1) Unzweifelhaft können Schutzmaßnahmen nicht nur gegenüber Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen oder Ausscheidern (sog. „Störer“) erlassen werden, sondern auch gegenüber der Allgemeinheit oder (sonstigen) Dritten (sog. „Nichtstörer“), wenn ein Tätigwerden allein gegenüber „Störern“ eine effektive Gefahrenabwehr nicht gewährleistet, beispielsweise um sie vor Ansteckung zu schützen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16.11 -, juris, Rn. 26, unter Hinweis auf BT-Drs. 8/2468, S. 27; Senatsbeschlüsse vom 6. April 2020 – 13 B 398/20.NE -, juris, Rn. 70, sowie vom 15. April 2020 – 13 B 440/20.NE -, juris, Rn. 82 ff.; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 23. März 2020 – OVG 11 S 12/20 -, juris, Rn. 8; Nds. OVG, Beschluss vom 29. Mai 2020 – 13 MN 185/20 -, juris, Rn. 24.

So verhält es sich hier schon deshalb, weil aus tatsächlichen Gründen vielfach gar nicht klar ist, ob eine Person „Störer“ oder „Nichtstörer“ ist. Nach aktuellem Erkenntnisstand kann nämlich eine Übertragung des Virus durch eine infizierte Person schon bis zu drei Tage vor Symptombeginn oder auch bei einem asymptomatischen Verlauf der Erkrankung, den der Betroffene selbst gar nicht wahrgenommen hat, stattfinden. Es reicht mithin nicht aus, im Zusammenhang mit bevölkerungsbezogenen Maßnahmen, die darauf abzielen, infektionsrelevante soziale Kontakte zu unterbinden oder zumindest zu beschränken, allein „Störer“ in die Pflicht zu nehmen.

Vgl. Senatsbeschluss vom 30. April 2020 – 13 B 539/20.NE -, juris, Rn. 30 f.; Rixen, Gesundheitsschutz in der Coronavirus-Krise – Die (Neu-) Regelungen des Infektionsschutzgesetzes, in: NJW 2020, 1097 (1101).

(2) Auch Art und Umfang der hier in Rede stehenden Verpflichtung sind nicht erkennbar ermessensfehlerhaft. § 2 Abs. 3 CoronaSchVO genügt voraussichtlich dem in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG zum Ausdruck kommenden Gebot strikter Verhältnismäßigkeit.

Die Verpflichtung, in bestimmten sozialen Situationen eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen, dient dem legitimen Zweck, die Weiterverbreitung des SARS-CoV-2-Virus einzudämmen. Der Verordnungsgeber darf noch immer davon ausgehen, dass die Corona-Pandemie eine ernstzunehmende Gefahrensituation begründet, die staatliches Einschreiten nicht nur rechtfertigt, sondern mit Blick auf die Schutzpflicht des Staates für Leib und Gesundheit der Bevölkerung weiterhin gebietet.

Vgl. zu dieser Schutzpflicht BVerfG, Urteil vom 28. Januar 1992 – 1 BvR 1025/82 u. a. -, juris, Rn. 69, m. w. N.

Auch wenn sich das Infektionsgeschehen aufgrund der ergriffenen Maßnahmen in letzter Zeit verlangsamt hat und insbesondere die Anzahl der festgestellten Neuinfektionen rückläufig ist, besteht die Gefahr der Verbreitung der Infektion und daran anknüpfend einer Überlastung des Gesundheitswesens mit gravierenden Folgen für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung fort. Nach den maßgeblichen Feststellungen des Robert Koch-Instituts handelt es sich immer noch um eine sehr dynamische Situation. Die Gefährdung für die Bevölkerung wird deshalb nach wie vor als hoch eingeschätzt, für Risikogruppen sogar als sehr hoch. Dabei variiert die Gefährdung von Region zu Region. Die Belastung für das Gesundheitswesen hängt maßgeblich von der regionalen Verbreitung der Infektion, den vorhandenen Behandlungskapazitäten und den eingeleiteten Gegenmaßnahmen wie Isolierung, Quarantäne und physischer Distanzierung ab. Sie ist aktuell in weiten Teilen Deutschlands gering, kann aber örtlich hoch sein.

Vgl. Robert Koch-Institut, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Aktualisierter Stand für Deutschland, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Gesamt.html, Stand: 27. Juli 2020.

Angesichts dessen ist es nicht zu beanstanden, wenn der Verordnungsgeber die seit dem sogenannten Shutdown zugelassenen Lockerungen schrittweise und unter Beachtung der weiteren Entwicklung des Infektionsgeschehens vollzieht, um die errungenen Erfolge – mit nicht absehbaren wirtschaftlichen und sozialen Folgen – nicht wieder zu verspielen.

Vgl. dazu die Pressemitteilung der Landesregierung vom 6. Mai 2020, Ministerpräsident Armin Laschet stellt Nordrhein-Westfalen-Plan vor, abrufbar unter: https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/ministerpraesidentarminlaschetstelltnordrheinwestfalenplan -vor.

Dabei ist ihm wegen der Fragilität der Lage und wegen der fortbestehenden tatsächlichen Ungewissheiten nach wie vor eine Einschätzungsprärogative im Hinblick auf das gewählte Mittel einzuräumen, soweit und solange sich nicht andere Maßnahmen eindeutig als gleich geeignet und weniger belastend darstellen.

So im Einzelnen z. B. bereits die Senatsbeschlüsse vom 29. April 2020 – 13 B 512/20.NE -, juris, Rn. 44 ff., und vom 19. Mai 2020 – 13 B 557/20.NE -, juris, Rn. 71 ff.; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. Mai 2020 – 1 BvR 1021/20 -, juris, Rn. 10; VerfGH Saarl., Beschluss vom 28. April 2020 – Lv 7/20 -, juris, Rn. 32.

Nach dieser Maßgabe dürfte sich die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung als geeignet zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks erweisen, die Ansteckungsgefahr trotz der stufenweisen (Wiederer-)Öffnung nahezu aller Bereiche des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens weiterhin einzudämmen.

Dabei ist ein Mittel bereits dann geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Es ist nicht erforderlich, dass der Erfolg in jedem Einzelfall auch tatsächlich erreicht wird oder jedenfalls erreichbar ist; die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. April 1997 – 2 BvL 45/92 -, juris, Rn. 61, m. w. N.

Dass der Verordnungsgeber die Grenzen seines Einschätzungsspielraums überschritten haben könnte, ist nicht festzustellen.

Die streitgegenständliche Regelung beruht im Wesentlichen auf der Grundannahme, dass sich das Coronavirus nach derzeitigen Erkenntnissen bei direkten persönlichen Kontakten im Wege einer Tröpfcheninfektion oder über Aerosole, bestehend aus kleinsten Tröpfchenkernen, die längere Zeit in der Umgebungsluft schweben und sich z. B. in Innenräumen anreichern und größere Distanzen überwinden können, besonders leicht von Mensch zu Mensch verbreitet. Grundsätzlich ist die Wahrscheinlichkeit einer Exposition gegenüber Tröpfchen und Aerosolen im Umkreis von 1 bis 2 Metern um eine infizierte Person herum erhöht.

Vgl. Robert Koch-Institut, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Übertragungswege, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/ Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief. html#doc13776792bodyText1, Stand: 24. Juli 2020.

Zwar dürfte der wissenschaftliche Diskurs über die Eignung sog. Behelfsmasken als Mittel zur Verringerung der Infektionszahlen bisher nicht abgeschlossen sein. Nach den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts, denen der Verordnungsgeber gefolgt ist, ist bei dem derzeitigem Erkenntnisstand aber davon auszugehen, dass auch privat hergestellte textile Mund-Nase-Bedeckungen eine (wenn auch im Vergleich zu einem chirurgischen Mund-Nasen-Schutz geringere) Filterwirkung auf feine Tröpfchen und Partikel entfalten können, die als Fremdschutz zu einer Reduzierung der Ausscheidung von Atemwegsviren über die Ausatemluft führen kann. Hierdurch erscheint es wiederum möglich, dass ihr Tragen einen Beitrag zur weiteren Verlangsamung der Ausbreitung des von Mensch zu Mensch übertragbaren Coronavirus leistet.

Vgl. Robert Koch-Institut, Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2 / Krankheit COVID-19, Was ist beim Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in der Öffentlichkeit zu beachten?, abrufbar unter: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html?nn=13490888, Stand: 15 Juli 2020, und Epidemiologisches Bulletin 19/2020, Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Raum als weitere Komponente zur Reduktion der Übertragungen von COVID-19, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/ Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/19_20_MNB.pdf?__blob=publicationFile, Stand: 3. Update vom 7. Mai 2020; vgl. auch WHO, Q&A: Masks and COVID-19, What is WHO’s view on masks?, abrufbar unter: https://www.who.int/emergencies/diseases/ novelcoronavirus-2019/questionandanswershub/ qadetail/qaoncovid-19-andmasks, Stand: 7. Juni 2020; Tagesschau, Coronavirus – Studie bestätigt Schutzwirkung von Masken, 8. Juni 2020, abrufbar unter: https://www.tagesschau.de/inland/coronamaskenschutzstudie-101.html; Bay. VGH, Beschluss vom 7. Juli 2020 – 20 NE 20.1477 -, juris, Rn. 16 ff.; OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 6. Juli 2020 – 6 B 10669/20 -, juris, Rn. 30; Thür. OVG, Beschluss vom 3. Juli 2020 – 3 EN 391/20 -, juris, Rn. 66 ff.

Diese Beurteilung wird nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass das Robert Koch-Institut zu Beginn der Pandemie noch keine allgemeine Empfehlung zum Tragen einer Maske abgegeben und mitgeteilt hatte, es gebe keine hinreichende Evidenz dafür, dass der Mund-Nase-Schutz das Risiko einer Ansteckung für eine gesunde Person, die ihn trage, signifikant verringere. Diese Einschätzung über die Schutzwirkung sog. Behelfsmasken steht zu der jetzigen Empfehlung nicht im Widerspruch, die anders als zunächst den Fokus nicht in erster Linie auf den Aspekt des Eigenschutzes richtet, sondern vorrangig den Gesichtspunkt des Fremdschutzes in den Blick nimmt. Die Neubewertung von Schutzmaßnahmen, auch unter Berücksichtigung neuer Erkenntnisse über das Virus, ist notwendiger Bestandteil eines wissenschaftlichen Diskurses.

Vgl. dazu den Senatsbeschluss vom 19. Mai 2020 – 13 B 557/20.NE -, juris, Rn. 92 f., m. w. N.

Der Einschätzung des Robert Koch-Instituts steht auch nicht entgegen, dass es unter der Vielzahl wissenschaftlicher Meinungen andere Stimmen gibt, die die Wirksamkeit einer einfachen Mund-Nase-Bedeckung gänzlich verneinen. Der Verordnungsgeber verletzt seinen Einschätzungsspielraum grundsätzlich nicht dadurch, dass er bei mehreren vertretbaren Auffassungen einer den Vorzug gibt, solange er dabei nicht feststehende, hiermit nicht vereinbare Tatsachen ignoriert.

Vgl. so schon den Senatsbeschluss vom 30. April 2020 – 13 B 539/20.NE -, juris, Rn. 45 f., m. w. N.

Im Übrigen ist anerkannt, dass der Einschätzung des Robert Koch-Instituts nach dem in den einschlägigen Regelungen im Infektionsschutzgesetz (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 IfSG) zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers im Bereich des Infektionsschutzes besonderes Gewicht zukommt.

Vgl. Senatsbeschluss vom 6. April 2020 – 13 B 398/20.NE -, juris, Rn. 76 f., m. w. N.

Es ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht ersichtlich, dass Gefahren, die durch eine nicht sachgerechte Anwendung der Mund-Nase-Bedeckung im Einzelfall,

vgl. dazu Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin 19/2020, Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Raum als weitere Komponente zur Reduktion der Übertragungen von COVID-19, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/19_20_MNB.pdf?blob=publicationFile, Stand: 3. Update vom 7. Mai 2020,

entstehen können, die Eignung der sog. Maskenpflicht in Gänze in Frage stellen. Es ist schon zweifelhaft, ob Gefahren durch eine nicht sachgerechte Anwendung ernsthaft zu befürchten sind, da diese unschwer möglich ist. Leicht zugängliche Hilfestellung bieten zudem zahlreiche Institutionen, aber auch der Antragsgegner auf seiner Internetseite an. Diese enthalten Anleitungen zur Benutzung und Reinigung der Alltagsmasken und den Hinweis, dass die Maske gewechselt werden soll, wenn sie durch Atemluft feucht geworden ist.

Vgl. MAGS NRW, Sonderseite des Gesundheitsministeriums zum Coronavirus in Nordrhein-Westfalen, Informationen zum Mund-Nasen-Schutz in Leichter Sprache, abrufbar unter: https://www.mags.nrw/coronavirus, letztes Update: 15. Juli 2020.

Auf etwaige Risiken hat der Verordnungsgeber damit ausreichend reagiert.“

Ein bisschen lang, wie OVG-Beschlüsse es häufig sind. Aber vielleicht liest es ja der ein oder andere Demonstrant von Samstag doch…..

Und: Wenn diese Maskenpflicht nun ggf. auch durchgesetzt würde, wäre es gut.

Entziehung der Fahrerlaubnis: Bindungswirkung an Straf-/Bußgeldverfahren

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Und als zweite Entscheidung dann noch einmal etwas zur Bindungswirkung an Entscheidungen aus dem Bußgeldverfahren, wenn es um die Entziehung der Fahrerlaubnis geht, nämlich den OVG Münster, Beschl. v. 09.06.2020 – 16 B 1223/19 (vgl. dazu auch neulich: VG Würzburg, Beschl. v. 28.04.2020 – W 6 S 20.510):

„Der Einwand des Antragstellers, die zeitlich letzte in der Anlage zur Entziehungsverfügung aufgeführte, zum Erreichen von acht Punkten führende Ordnungswidrigkeit habe nicht er, sondern sein Sohn begangen, führt nicht zum Erfolg der Beschwerde. Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 4 StVG ist die nach Landesrecht zuständige Behörde bei den Maßnahmen nach § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder die Ordnungswidrigkeit gebunden. Der die Ordnungswidrigkeit, die nach dem Beschwerdevorbringen der Sohn des Antragstellers begangen haben soll, ahndende Bußgeldbescheid ist seit 16. April 2019 rechtskräftig. Daran war der Antragsgegner bei der Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers gebunden.

Die Bindung entfällt auch nicht ausnahmsweise. Dass § 4 Abs. 5 Satz 4 StVG wegen des Gebots materieller Gerechtigkeit im Einzelfall dahingehend auszulegen ist, dass fahrerlaubnisrechtliche Maßnahmen unzulässig sind, wenn die im Straf- oder Bußgeldverfahren zu Lasten des Betroffenen ergangene Entscheidung inhaltlich evident unrichtig ist, ist bei summarischer Prüfung grundsätzlich nicht anzunehmen.

Vgl. OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 28. Mai 2015 – OVG 1 S 71.14 -, juris, Rn. 8; bisher offen lassend: OVG NRW, Beschlüsse vom 24. Juni 2013 – 16 B 640/13 -, und vom 28. August 2013 – 16 B 904/13 -, juris, Rn. 8 ff.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 4. November 2013 – 10 S 1933/13 -, juris, Rn. 7; zu § 2a StVG: OVG NRW, Beschlüsse vom 11. Dezember 2009 – 16 B 1505/09 -, juris, Rn. 4 f., und vom 2. März 2010 – 16 B 1316/09 -, juris, Rn. 5 f.; Hamb. OVG, Beschluss vom 3. Dezember 1999 – 3 Bs 250/99 -, juris, Rn. 6; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 5. Februar 2013 – 10 S 2292/12 -, juris, Rn. 4.

Dies widerspräche dem den Willen des Gesetzgebers entsprechenden klaren, keine Ausnahme zulassenden Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Vorschrift, wonach die Fahrerlaubnisbehörde aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung in Verfahren dieser Art gerade nicht prüfen muss, ob die punktebewehrte Ahndung zu Recht erfolgt ist.

Zur Gesetzesbegründung: BT-Drucks. 13/6914, S. 69 zu § 4 StVG („Die Bindung … gilt auch für die Gerichte, da diese nur über die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörden befinden.“) und S. 67 zu § 2a StVG („Außerdem wird durch Absatz 2 Satz 2 klargestellt, daß die Fahrerlaubnisbehörde bei der Anordnung einer Maßnahme in vollem Umfang an die rechtskräftige Entscheidung über die Ordnungswidrigkeit oder die Straftat gebunden ist und nicht noch einmal prüfen muß, ob der Fahranfänger die Tat tatsächlich begangen hat.“).

Da der Betroffene über hinreichende Rechtsschutzmöglichkeiten im Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenverfahren verfügt, bestehen keine Bedenken im Hinblick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG). Er ist gehalten, sich gegen die straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtliche Ahndung zur Wehr zu setzen, um (auch) die Berücksichtigung der betreffenden Taten im Verfahren nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem zu vermeiden. Ihn belastende rechtskräftige Entscheidungen muss er so lange gegen sich gelten lassen, als sie nicht aufgehoben worden sind oder nicht mehr verwertet werden dürfen. Die Bindung der Fahrerlaubnisbehörde sowie der Verwaltungsgerichte an rechtskräftige Strafurteile bzw. Strafbefehle oder Bußgeldentscheidungen kann nachträglich nur dann entfallen, wenn diese Entscheidungen – anders als vorliegend – im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens oder der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgehoben worden sind.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24. Januar 2008 – 16 B 1269/07 -, DAR 2008, 540 = juris, Rn. 2 ff., und vom 25. Juli 2017 – 16 B 432/17 -, juris, Rn. 4 ff.

Gemessen daran ist das Vorbringen des Antragstellers, sein Sohn habe die zu dem Stand von acht Punkten führende Ordnungswidrigkeit begangen, unbeachtlich. Es wäre dem Antragsteller möglich und zumutbar gewesen, diesen Einwand im Bußgeldverfahren geltend zu machen. Wie sich aus dem Beschluss des Landgerichts Gießen vom 6. November 2019 ergibt, meldeten sich der Antragsteller und sein Sohn jedoch erst nach Ablauf der Einspruchsfrist bei der Bußgeldbehörde. Der Antrag des Antragstellers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Einspruchsfrist hatte deshalb keinen Erfolg.

Die (außerhalb der Beschwerdebegründungsfrist vorgetragenen) beruflichen Auswirkungen der Fahrerlaubnisentziehung stellen keine Umstände dar, die im Rahmen der Interessenabwägung dazu führen, dass dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers entgegen der gesetzlichen Wertung in § 4 Abs. 9 StVG Vorrang vor dem öffentlichen Vollzugsinteresse einzuräumen wäre.“

Cannabiskonsum und Verkehrsteilnahme, oder: Neue Drogenfahrt nach Wiedererteilung

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Im „Kessel Buntes“ heute dann (verkehrs)verwaltungsrechtliche Entscheidungen. Und ich starte die Berichterstattung mit dem OVG Münster, Beschl. v. 17.02.2020 – 16 B 885/19 -, den mir der Kollege Urbanzyk aus Coesfeld geschickt hat. Problematik: Cannabiskonsum und Verkehrsteilnahme.

Dem Beschluss liegt in etwa folgender Sachverhalt zugrunde.

Der Mandat des Kollegen hat am 13.06.2016 erstmalig ein Kfz unter Cannabiswirkung im Straßenverkehr geführt. Ihm wurde daraufhin nach der zu dem Zeitpunkt geltenden Rechtsprechung die Fahrerlaubnis aufgrund Verstoß gegen das Gebot der Trennung von Cannabiskonsum und Teilnahme am Straßenverkehr mit Anordnung sofortiger Vollziehung entzogen. Am 10.05.2017 erlangte er durch erfolgreiche Teilnahme an einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) die Fahreignung wieder. Am 16.05.2017 wurde ihm die Fahrerlaubnis dann neu erteilt.

Am 26.11.2018 nahm der Antragsteller dann abermals unter Wirkung von Cannabis am Straßenverkehr teil. Mit Ordnungsverfügung vom 21.03.2019 wurde ihm die Fahrerlaubnis im Wege des Sofortvollzugs entzogen, da er als Gelegenheitskonsument aufgrund fehlenden Trennungsvermögens, Nr. 9.2.2 der Anlage 4 FeV keine Fahreignung besitze.

Gegen diesen Entziehung ist Klage erhoben und Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gestellt worden. Zwischenzeitlich ergingen am 11.04.2019 die BVerwG-Entscheidungen 3 C 13.17 u.a.

Das VG lehnte am 19.06.2019 im Eilverfahren den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab. Begründung: Der Antragsteller habe nicht erstmals im Sinne der BVerwG-Rechtsprechung ein Kfz unter Wirkung von Cannabis im Straßenverkehr geführt. Die der früheren Neuerteilung zugrundliegende Prognose, der Antragsteller werde künftig das Trennungsgebot einhalten, sei innerhalb relativ kurzer Zeit widerlegt worden.

Dagegen dann die Beschwerde, mit der vorgetragen worden ist, der Cannabis-Verstoß vom Juni 2016 dürfe ihm heute nicht mehr entgegen gehalten werden. Es gebe nämlich keine „bedingte“ Fahreignung, sondern nur Fahreignung oder keine Fahreignung. Durch Wiedererlangung der Fahreignung und Neuerteilung der Fahrerlaubnis im Mai 2017 sei der Antragsteller beim neuerlichen Verstoß wie ein Ersttäter zu behandeln. Dies sei auch Wille des Gesetzgebers. Denn bei Neuerteilung der Fahrerlaubnis würden aus dem FAER alle früheren Punkte gelöscht. Außerdem sei selbst bei einem Zweittäter die Prognose der Fahrerlaubnisbehörde nicht ohne fachliche Hilfe möglich, da der Behörde insoweit die Kompetenz fehle. Das BVerwG habe zwar nur über einen „Ersttäter“ entscheiden müssen. Es gebe jedoch keinen Erfahrungssatz, dass Zweittäter automatisch zum Drittäter würden.

Das OVG Münster wies die Beschwerde trotz Zugeständnissen an die Auffassung des Antragstellers insgesamt als unbegründet zurück. Dazu bitte in der recht umfangreich begründeten Entscheidung im Volltext selbst nachlesen.

Der vom Kollegen, der die Sache für den VRR aufbereitet hat, erstellte Leitsatz lautet:

Auch ein zweimaliges Auffälligwerden im Straßenverkehr unter der Wirkung von Cannabis erlaubt in der Regel nicht, ohne weitere Sachverhaltsaufklärung die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen anzunehmen und die Fahrerlaubnis zu entziehen.

Das ist wohl – wenn ich es richtig sehe – die erste OVG-Entscheidung, mit der geklärt und klargestellt wird: Auch beim zweiten Verstoß ist grundsätzlich weitere Sachverhaltsaufklärung geboten, also die Anordnung einer MPU.

Hier hat es aber wenig genutzt. Denn das OVG meint: Zwar durften Fahrerlaubnisbehörde und VG Münster nicht allein aufgrund Zweitverstoßes und der Widerlegung der Positivprognose von feststehender Nichteignung gemäß § 11 Abs. 7 FeV ausgehen. Jedoch galt der Antragsteller laut früherem MPU-Gutachten als „drogengefährdet“ (= Hypothese D3 der Beurteilungskriterien zur Kraftfahreignung). Er hätte daher abstinent leben müssen, hat dies nicht – und abermals an den Tag gelegte fehlende Trennungsvermögen ist Ergebnis eines Kontrollverlustes.

Schauen wir mal, wie es weitergeht.

Die gelöschten Rohmessdaten bei der Fahrtenbuchauflage, oder: Auch da gilt der Teufelskreis

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Ja, kein Fehler, sondern richtig gelesen. Das OVG Münster zur Löschung von Rohmessdaten. Dazu lesen wir ja sonst immer (nur) etwas von AG oder OLG. Jetzt also auch das OVG Münster im OVG Münster, Beschl. v. 20.12.2018 – 8 B 1018/18. Ergangen ist er in einem Verfahren wegen einer Fahrtenbuchauflage (§ 31a StVZO). Die davon betroffene Fahrzeughalterin hatte geltend gemacht, dass eine Verurteilung im OWi-Verfahren nicht hätte erfolgen können, da das zur Messung verwendete Messgerät TraffiStar S 350 die Rohdaten nicht speichert. Daher sei es dem Betroffenen nicht möglich, das Messergebnis zu überprüfen und die Annahme eines standardisierten Verfahrens anzugreifen.

Das OVG Münster hat die Beschwerde zurückgewiesen, es führt zur Begründung aus:

„Nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.

Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht die Fahrtenbuchauflage für rechtmäßig gehalten. Dem setzt die Antragstellerin entgegen, dass eine nachweisbare Zuwiderhandlung nicht vorliege. Das Messergebnis sei mit dem Messgerät TraffiStar S 350 gewonnen worden. Bei diesem Gerät würden in den digitalen Falldatensätzen keine Rohdaten zum eigentlichen Messvorgang gespeichert. Deshalb habe der Betroffene keine Möglichkeit, das Messergebnis zu überprüfen und die Annahme eines standardisierten Verfahrens anzugreifen. Eine Verurteilung im Ordnungswidrigkeitenverfahren wäre deshalb nicht erfolgt. Dieser Einwand verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.

Die Behörde, die die Auferlegung eines Fahrtenbuchs prüft, muss ebenso wie das Verwaltungsgericht in einem sich anschließenden Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit der Fahrtenbuchauflage alle (objektiven) Tatbestandsmerkmale der Bußgeld- bzw. Strafvorschrift selbstständig prüfen. Dabei genügt es – anders als im Strafprozess -, wenn mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass ein Verkehrsverstoß begangen worden ist. Wenn ein Halter, der ein Fahrtenbuch führen soll, den begangenen Verkehrsverstoß als solchen bestreitet, muss er im Verwaltungs- oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren substantiierte Angaben machen, die seine Schilderung plausibel erscheinen lassen. Geschwindigkeitsmessergebnisse, die mit amtlich zugelassenen Geräten in standardisierten Verfahren gewonnen werden, dürfen dabei nach Abzug der Messtoleranz von Behörden und Gerichten im Regelfall ohne Weiteres zu Grunde gelegt werden; mögliche Fehlerquellen brauchen in einem solchen Fall nur erörtert zu werden, soweit der Einzelfall dazu konkrete Veranlassung gibt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Mai 2018 – 8 A 740/18 -, NWVBl. 2018, 418 = juris Rn. 7 ff. m. w. N.

Nach der Rechtsprechung des Senats und anderer Obergerichte ist das hier verwendete Geschwindigkeitsmessverfahren mit der Messanlage TraffiStar S 350 ein standardisiertes Messverfahren.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Mai 2018 – 8 A 740/18 -, NWVBl. 2018, 418 = juris Rn. 14 ff.; OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 9. Mai 2017 – IV-3 RBs 56/17, 3 RBs 56/17 -, juris Rn. 6, und vom 31. Januar 2017 – IV-3 RBs 20/17, 3 RBs 20/17 -, juris Rn. 6; OLG Hamm, Beschluss vom 31. März 2016 – 5 RBs 38/16 -, juris Rn. 9; vgl. auch AG Eisenach, Urteile vom 30. März 2017 – 332 Js 1176/17 1 OWi -, juris Rn. 20, und – 311 Js 822/17 1 OWi -, juris Rn. 21; AG Mettmann, Urteile vom 28. März 2017 – 33 OWI 237/16 -, juris Rn. 6, vom 14. März 2017 – 33 OWI 97/16 -, juris Rn. 7 f., vom 14. Februar 2017 – 32 OWi 461/16, 32 OWi 723 Js 1214/16 – 461/16 -, DAR 2017, 401 = juris Rn. 7, und vom 28. September 2016 – 38 OWI 19/16 -, juris Rn. 5.

Ob mit der Rechtsprechung einiger Amtsgerichte eine andere Bewertung deshalb geboten sein könnte, weil das Gerät keinen Zugriff auf die Rohmessdaten und deshalb eine Plausibilitätskontrolle nicht ermögliche,

vgl. AG Heidelberg, Urteil vom 18. Januar 2018 – 17 OWi 540 Js 21713/17 -, ZfSch 2018, 412 (413), mit krit. Anm. von Krenberger; AG Neunkirchen, Urteil vom 15. Mai 2017 – 19 OWi 534/16 -, n. v.; AG St. Ingbert, Urteil vom 26. April 2017 – 2 OWi 379/16 -, n. v.; AG Stralsund, Urteil vom 7. November 2016 – 324 OWi 554/16 -, juris Rn. 16,

bedarf keiner Entscheidung.

Zur Bedeutung der Rohmessdaten vgl. nur VerfGH Saarl., Beschluss vom 27. April 2018 – Lv 1/18 -, NZV 2018, 275 = juris Rn. 30 ff.; OLG Bamberg, Beschluss vom 24. August 2017 – 3 Ss OWi 1162/17 -, DAR 2017, 715 = juris Rn. 3; Röß, NZV 2018, 507 ff.

Selbst wenn das hier verwendete Geschwindigkeitsmessverfahren mit der Messanlage TraffiStar S 350 die Voraussetzungen eines standardisierten Messverfahrens nicht erfüllen würde, würde dies hier nicht schon für sich genommen die Schlussfolgerung zulassen, dass der vorgeworfene Verkehrsverstoß nicht mit der für den Erlass einer Fahrtenbuchauflage erforderlichen hinreichenden Sicherheit feststehe.

Auch dort, wo kein standardisiertes Geschwindigkeitsmessverfahren angewendet wurde, gilt das Gebot der einfachen, zweckmäßigen und zügigen Durchführung des Verwaltungsverfahrens (§ 10 Satz 2 VwVfG NRW) und richtet sich die Pflicht der Behörde zur Aufklärung des Sachverhalts nach dem Maßstab des Untersuchungsgrundsatzes gemäß § 24 VwVfG NRW.

Deshalb muss die Behörde zwar das Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen für den Erlass der Fahrtenbuchauflage prüfen. Die Intensität der Prüfung darf sie aber auf das im jeweiligen Fall gebotene Maß an sachlichem und zeitlichem Aufwand beschränken.

Vgl. Pautsch, in: Pautsch/Hoffmann, VwVfG, 2016, § 24 Rn. 5; Ritgen, in: Knack/Henneke, VwVfG, 10. Aufl. 2014, § 24 Rn. 33.

Wie in anderen Massenverfahren auch,

vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 1991 – 1 C 24.90 -, BVerwGE 89, 110 = juris Rn. 19,

kann dabei auch eine Plausibilitätsprüfung genügen und ist eine weitere Erforschung des Sachverhalts erst auf einen konkreten Anhalt hin geboten.

Vgl. auch Schenk, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Aufl. 2014, § 24 Rn. 26.

In Verfahren betreffend den Erlass einer Fahrtenbuchauflage verpflichtet deshalb der Amtsermittlungsgrundsatz die Behörde nicht, ohne konkreten Anlass gewissermaßen „ins Blaue hinein“ das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung zu hinterfragen. Dies ist erst dann geboten, wenn der Fahrzeughalter auf Unstimmigkeiten der Messung oder deren Dokumentation hinweist oder auf andere Weise die Möglichkeit eines Messfehlers aufzeigt oder wenn sich der Behörde ohnedies die fehlende Plausibilität der Messung aufdrängen muss.

Dies ist hier nicht der Fall. Weder weckt die aktenkundige Dokumentation Zweifel an der Geschwindigkeitsmessung noch hat die Antragstellerin solche vorgebracht. Ihr Vorbringen beschränkt sich auf den nach dem Vorstehenden nicht genügenden Einwand, das Messverfahren mit dem Gerät TraffiStar S 350 sei kein standardisiertes Messverfahren.

Ob die Antragstellerin noch erkennbar der Sache nach rügt, infolge der Unzugänglichkeit der Rohmessdaten das Messergebnis überhaupt nicht hinreichend in Frage stellen zu können, kann dahinstehen. Dieser Einwand hätte jedenfalls keinen Erfolg. Abgesehen davon, dass es ihr möglich und zumutbar gewesen wäre, sich mit der aktenkundigen Dokumentation der Geschwindigkeitsmessung auseinanderzusetzen, geht aus der vom Antragsgegner vorgelegten Stellungnahme der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt vom 12. September 2016 hervor, dass eine nachträgliche Plausibilitätskontrolle bei dem Messgerät TraffiStar S 350 – unabhängig vom Vorliegen der Rohmessdaten – möglich ist. Dem ist die Antragstellerin nicht entgegengetreten. Überdies hat sie sich im Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht auf Fehler des Messvorgangs, sondern auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Die Befragung der oder des ihr mithin offenbar bekannten Fahrers oder Fahrerin hätte ebenfalls Erkenntnisse über eine etwaige Fehlmessung ergeben können.“

Auch hier also der schon häufig genannte „Teufelskreis“.

VW-Abgasskandal: Halter von Dieselfahrzeugen zum Software-Update verpflichtet, sagt das OVG Münster

entnommen wikimedia.org
Urheber Rüdiger Wölk

Halter von Dieselfahrzeugen sind zum Software-Update verpflichtet. Das hat das OVG Münster in zwei Beschlüssen entschieden, und zwar einmal im OVG Münster, Beschl. v. 17.08.2018 – 8 B 865/18 – und im OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.08.2018 – 8 B 548/18.

Ergangen sind die beiden Beschlüssen in Eilverfahren. Nach der PM des OVG waren die beiden Antragsteller jeweils Halter eines Audi – gehört ja zum VW-Konzern – , der mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet ist. In der Motorsteuerung war eine/die unzulässige Abschalteinrichtung verbaut, die zu Abgasmanipulationen führte Das Kraftfahrtbundesamt hatte Audi verpflicht, diese zu entfernen, um die Übereinstimmung mit dem ursprünglich genehmigten Typ wiederherzustellen. Und weiter in der PM:

„Die beiden Antragsteller nahmen weder an der (kostenlosen) Rückrufaktion des Herstellers teil noch ließen sie an den Fahrzeugen nach schriftlicher Aufforderung durch die Straßenverkehrsbehörden ein Software-Update vornehmen. Daraufhin wurde in einem Fall der Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Verkehr untersagt. In dem anderen Fall wurde dem Halter nochmals eine Frist für das Aufspielen des Software-Updates gesetzt und ein Zwangsgeld angedroht. Gleichzeitig ordneten die Behörden die sofortige Vollziehung an. Die Anträge der beiden Fahrzeugbesitzer auf einstweiligen Rechtsschutz hatten weder beim Verwaltungsgericht noch beim Oberverwaltungsgericht Erfolg.

Der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Auffassung der Antragsteller, die sofortige Durchsetzung des Software-Updates sei nicht geboten, weil das einzelne Fahrzeug nur geringfügig zur Stickstoffdioxid-Belastung beitrage, folge der Senat nicht. Nach den maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften sei der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen nur dann gewährleistet, wenn jedes einzelne Fahrzeug die geltenden Emissionsgrenzwerte einhalte. Emissionsbegrenzende Maßnahmen bedürften zu ihrer Wirksamkeit einer gleichmäßigen Anwendung. Nur so sei die angestrebte Minderung der Gesamtemissionen garantiert, die gleichzeitig zur Minderung der Immissionswerte im Einwirkungsbereich beitrage.

Auch könne der Halter eines betroffenen Fahrzeugs das Aufspielen des Software-Updates grundsätzlich nicht unter Hinweis darauf verweigern, dass er wegen des Einbaus der Abschalteinrichtung zivilrechtlich gegen den Verkäufer oder Hersteller vorgehe. Insbesondere könne etwaigen Beweisverlusten durch ein selbstständiges Beweisverfahren vorgebeugt werden.“