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Eine Frage der Ehre, oder: Was ist die Ehre eines Richters wert?

© Corgarashu – Fotolia.com

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Was ist die Ehre eines Richters wert? Die Frage kann man m.E. dem OLG Naumburg, Beschl. v. 17.06.2014 – 2 Rv 88/14 – voranstellen. Zu entscheiden hatte das OLG über eine (angebliche) Beleidigung eines Richters in einer Hauptverhandlung, in der es schon – das räume ich ein – ein wenig turbulent zugegangen zu sein scheint. Ausgangspunkt für die Verurteilung wegen Beleidigung, mit der sich das OLG befassen musste, war folgende Tatgeschehen:

„Aus Verärgerung über den aus seiner Sicht zu Unrecht erhobenen Anklagevorwurf in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren vor dem Halberstadt tobte der Angeklagte im Strafkammersaal 10.07.2013 gegen 9.10 Uhr beim Verlesen der Anklageschrift durch den Staatsanwalt  B massiv herum, wobei er sinngemäß äußerte:

„Höre sofort auf, derartigen Mist zu verbreiten! Wenn du nicht aufhörst, komme ich rüber und mache dich platt.“ bzw. ankündigte, Staatsanwalt über den Tisch ziehen zu wollen und „eine in die Fresse zu hauen. Als daraufhin der Angeklagte durch den Vorsitzenden, Richter am Amtsgericht S. zur Ordnung gerufen wurde, richtete er tobsuchtsanfallartig seinen Wutausbruch gegen das Gericht, wobei er duzend sinngemäß äußerte: „Hört auf, einen derartigen Mist zu verbreiten! Bei Kindern hört der Spaß auf!“, worauf er aufstand, aus denen sich ergab, dass er die Absicht hatte, nun noch unmittelbar mit Gewalt gegen das Gericht vorzugehen, wenn das so weiter ginge. Man würde schon sehen, was man davon hätte.“

Das führt dann zu einer Anklage wegen Beleidigung beim Schöffengericht und auch zu einer Verurteilung wegen Beleidigung: Das OLG hebt auf:

„Das Rechtsmittel hat Erfolg. Durch die Anklage der Sache beim Schöffengericht und Verhandlung vor diesem Spruchkörper ist der Angeklagte seinem gesetzlichen Richter entzogen worden. Nach § 25 Nr. 2 GVG entscheidet er Strafrichter, und nicht das Schöffengericht, wenn eine höhere Freiheit strafe als zwei Jahre nicht zu erwarten ist. So liegt der Fall hier. Eine höhere Freiheitsstrafe aIs zwei Jahre kam nach den Anklagevorwürfen unter keinen Umständen in Betracht. Das Schöffengericht durfte daher nicht entscheiden, zuständig war der Strafrichter. Der Senat verkennt nicht, dass nach einer beachtlichen Mindermeinung das Schöffengericht auch dann zuständig ist, wenn die Sache nicht nur von minderer Bedeutung ist (vergleiche Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Auflage, Rdnr. 3 zu § 25 GVG). Der Senat teilt diese Auffassung, indes handelt es sich bei dieser um eine solche von minderer Bedeutung. Der – vorgeblichen – Beleidigung eines Richters kommt keine höhere Bedeutung zu als der eines beliebigen anderen Mitbürgers. Damit geht es hier um ein Bagatelldelikt.“

Damit ist die Antwort auf die Ausgangsfrage gegeben: Die Ehre eines Richters ist genau so viel wert wie die jedes anderen Mitbürgers.

Das weitere Verfahren dürfte interessant werden. Denn das OLG hat dem AG mit auf den Weg gegeben:

„Für das weitere Verfahren bemerkt der Senat: Das neu entscheidende Gericht wird zu prüfen haben, ob das Verhalten des Angeklagten gemäß § 193 StGB gerechtfertigt war. insbesondere bedarf die Frage, was den Angeklagten seinerzeit zur Last lag und ob die Anklagevorwürfe berechtigt waren, einer Klärung.“

Der Angeklagte ist im Ausgangsverfahren aber frei gesprochen worden, wie mir der Kollege, der die Entscheidung erstritten hat, bei der Übersendung mitgeteilt hat. Insoweit also dann aber auch  „Hut ab“ vor dem Ausgangsrichter. Es hat also keine Retourkutsche für die (angebliche) Beleidigung gegeben.

Der nächste Winter kommt bestimmt: Streupflicht in einem besonderen Fall

entnommen wikimedia.org Urheber Simon A. Eugster

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Urheber Simon A. Eugster

Wir haben zwar noch Mai, aber der nächste Winter kommt bestimmt. Daher dann rechtzeitig 🙂 der Hinweis auf das OLG Naumburg, Urt. v. 12.12.2013 – 2 U 25/13, zur Streupflicht von Hauseigentümern bzw. zu  den Verkehrssicherungspflichten eines Hauseigentümers bei winterlichen Witterungsverhältnissen. Allerdings mit einer Besonderheit: Der Hauseigentümer hatte eine besondere Gefahrenlage geschaffen:

2. Der Beklagte verletzte jedenfalls eine Verkehrssicherungspflicht, die ihm wegen einer besonderen, von ihm selbst geschaffenen Gefahrenlage oblag.

a) Der Beklagte war verpflichtet, Vorkehrungen dagegen zu treffen, dass Benutzer des öffentlichen Gehwegs vor seinem Haus u.a. dadurch zu Fall kommen, dass sich vereinzelte zusätzliche Glättestellen bildeten. Denn er schuf eine besondere Gefahrenlage dadurch, dass er die Entwässerung des Dachs seines Eigenheims mittels eines Regenfallrohrs an der Straßenseite direkt über den öffentlichen Gehweg vornahm, so dass z. Bsp. bei Temperaturen unterhalb des Gefrierpunkts ein erhöhtes Risiko der Bildung einzelner Glättestellen auf diesem Gehweg bestand. Für die Begründung einer Verkehrssicherungspflicht wegen der Schaffung einer besonderen Gefahrenlage für den öffentlichen Verkehr ist es unerheblich, inwieweit eine derartige Entwässerung in der Straße in dem betreffenden Stadtviertel früher üblich gewesen sein mag oder gar auch heute noch weit verbreitet ist, wie der Beklagte behauptet hat; Maßstab ist allein die – im konkreten Fall zu bejahende – Erforderlichkeit und Zumutbarkeit. Denn jedermann, der in seinem Verantwortungsbereich eine zusätzliche Gefahrenlage gleich welcher Art für Dritte schafft oder andauern lässt, hat die allgemeine Rechtspflicht, diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich und für ihn zumutbar sind, um die Schädigung Dritter möglichst zu verhindern (vgl. Sprau in: Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 823 Rn. 46 m.N.).

b) Die vom Beklagten behaupteten Vorkehrungen, insbesondere das Streuen von Rollsplitt auf dem Gehweg vor dem Haus am Vorabend des Unfalls, die die Klägerin unter Hinweis auf die Auffindesituation am Unfallmorgen bestritten hat, waren, selbst wenn der Senat sie zugunsten des Beklagten als wahr unterstellt, nicht ausreichend, um die vorgenannte Verkehrssicherungspflicht zu erfüllen. Wie der Unfall zeigt, war die ergriffene Maßnahme zumindest wirkungslos; der Rollsplitt war am Unfallmorgen nicht mehr vorhanden. Es spricht vieles dafür, dass es dem Beklagten zumutbar wäre, die Gefahrenlage ganz zu beseitigen – das wäre die am besten geeignete und wohl am einfachsten umzusetzende Maßnahme. Es ist nicht ersichtlich und wird vom Beklagten auch nicht geltend gemacht, dass es ihm unzumutbar sei, die Entwässerung des Dachs seines Eigenheims über das eigene Grundstück zu gewährleisten. Solange die Gefahrenlage jedoch andauerte, hätte der Beklagte im vorliegenden Fall zur Unfallzeit schon der Herausbildung einer besonderen Glättestelle entgegenwirken oder, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, zumindest einen deutlichen Warnhinweis bzw. eine zusätzliche Beleuchtung der Stelle zur Erzeugung besonderer Aufmerksamkeit anbringen müssen. Denn bei dem Gehweg handelte es sich um einen innerstädtischen Gehweg, der von Fußgängern zur Erreichung öffentlicher Verkehrsmittel genutzt wurde, wie das Beispiel der Klägerin zeigt. Der Berufsverkehr hatte in der Stadt z. Zt. des Unfalls bereits eingesetzt (ebenso für die allgemeine Räum- und Streupflicht OLG München, Beschluss v. 16.04.2012, 1 U 940/12 – zitiert nach juris).“

Tja, man fragt sich wikrlich: Warum entwässere ich mein Grundstück über den öffentlichen Gehweg?

ABS/AVB – fehlende Bremsspuren – was beweist das?

entnommen wikimedia.org Author Fotograf: Stefan Lampert

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Author Fotograf: Stefan Lampert

Schließen wir den heutigen „haftungsrechtlichen Exkurs“ mit einem Hinweis auf das OLG Naumburg, Urt. v. 10.01.2014 – 10 U 11/13. Der Hinweis ist nur kurz. Das LG hatte eine nach einem Verkehrsunfall erhobene Schadensersatzklage abgewiesen. Das OLG bestätigt das und weist dabei darauf hin:

Deshalb kann zur weiteren Begründung auch dieser Entscheidung ohne Weiteres auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen werden – mit der einzigen Ausnahme, dass fehlende Bremsspuren heutzutage angesichts der eingebauten Antiblockiersysteme (ABS) bzw. „Automatischen Blockierverhinderer“ (ABV) in der Wortwahl des § 41 b StVZO weder für eine maßvolle Geschwindigkeit noch gegen eine Vollbremsung sprechen; hierauf kommt es allerdings auch nicht an.“

Wenn sich ein Erwachsener dazu entschließt, „ruhig auch mal was Verrücktes zu machen“

entnommen wikimedia.org Urheber LepoRello

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Urheber LepoRello

Folgender Sachverhalt liegt dem OLG Naumburg, Urt. v. 22.11.2013 – 10 U 1/13 zugrunde:

„Die zum Unfallzeitpunkt 33-jährige Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz einschließlich Schmerzensgeldes wegen eines behaupteten Sturzes am 13. März 2011 und dessen behaupteter Folgen, weil die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht für den Kinderspielplatz in B. OT D. verletzt habe: Die Klägerin sei von einer sich unvermittelt nach hinten drehenden runden, metallischen Querstange zwischen zwei Holzbalken eines dort aufgebauten mehrseitigen Klettergerüsts rücklings aus einer Höhe von ca. 1,00 m auf den Rasenboden gefallen. Auf diese Metallstange habe sie sich gesetzt bzw. zu setzen versucht, weil sie davon ausgegangen sei, dass diese Stange starr zwischen den Pfosten befestigt sei.“

Das OLG sagt: Nein, es gibt keinen Schadensersatz. An die Verkehrssicherungspflicht bei Kinderspielplätzen sind zwar besonders hohe Anforderungen zu stellen. Das verbietet aber nicht bewegliche Teile, wie z.B. eine drehbare Querstange mit der Kinder in verschiedener Weise spielen können. Die Verkehrssicherungspflicht geht auch nicht soweit, dass Erwachsene vor jedem möglichen Schaden bei der Nutzung eines Klettergerüstes eines Spielplatzes geschützt werden müssten.

Und: Überwiegendes Mitverschulden der Klägerin.

„Wenn sich ein Erwachsener dazu entschließt, „ruhig auch mal was Verrücktes zu machen“ (so die eigene Einlassung der Klägerin), so ist das nicht nur aus Rechtsgründen völlig in Ordnung und nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund und im Umfang des Art. 2 Abs. 1 GG jedem gestattet. Es muss dann allerdings auf dem Klettergerüst eines Spielplatzes mit den dort vorherrschenden und oben ausgeführten Besonderheiten gerechnet und insbesondere auch mit einkalkuliert werden, dass ein Erwachsener sich grundsätzlich ängstlicher oder positiv formuliert: vorsichtiger bewegt als ein Kind, damit befangener, auch naturgemäß weniger beweglich ist, und in aller Regel auch weniger trainiert, weil es im Lauf des Erwachsenwerdens naturgemäß allgemein jedenfalls zu nicht unerheblichen Reduktionen körperlicher Aktivitäten in Beruf, Verkehr und Haushalt kommt, wobei die heutige sog. Digitalisierung noch das ihrige beiträgt. Dieser natürliche Schwund körperlicher Leistungsfähigkeit, auch wenn er hinausgeschoben werden mag, muss dann aber mit einbezogen werden, nutzt man als erwachsene Person Spielgeräte, die grundsätzlich für andere, weit jüngere Altersgruppen geschaffen sind. Für all dies typisch ist die weitere Einlassung der Klägerin, sie habe dann die Höhe der Stange bemerkt und wieder herunterspringen wollen, weil genau dies ein nicht kindlich unbesorgtes Verhalten darstellt, dass das Seine zum – behaupteten – Unfallgeschehen beigetragen hat. Die Klägerin muss sich somit jedenfalls mindestens als ergänzende Argumentation auch noch eine grobe Sorgfaltspflichtverletzung in eigenen Angelegenheiten vorhalten lassen, wie es das Landgericht in letzter Konsequenz weiterhin zutreffend ausgeführt hat.

Starke Worte aus Naumburg: „…an Absurdität nicht mehr zu überbieten“…

© J.J.Brown - Fotolia.com

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Der Kollege, dem der OLG Naumburg, Beschl. v. 18.03.2014 – 2 Ws (s) 7/14 – gilt, hat ihn mir mit dem dazu gehörenden Schriftwechsel zu kommen lassen.Und da stehen dann in dem Beschluss „starke Worte“ des OLG, die mich ob ihrer „Stärke“ dann doch erstaunen. Ich kann mich nicht erinnern, dass der Senat, dem ich angehöre, mal so formuliert hat. Und ich frage mich auch, ob das sein muss?

In der Sache geht es um den Dauerbrenner Terminsverlegung. Der Kollege hat einen Termin bei der Berufungskammer mit dem Vorsitzenden abgesprochen. Danach flattert ihm eine Ladung in einer Kindschaftssache auf den Tisch; den Termin hatte das AG nicht abgesprochen. Der Kollege beantragt unter Hinweis auf § 155 FamFG – kannte ich bisher auch nicht 😉 – die Verlegung der Strafkammertermins. Die wird abgelehnt und der Kollege geht in die Beschwerde. Im Verfahren hatte er auf die Rechtsprechung hingewiesen, die davon ausgeht, dass Gericht versuchen muss, Terminskollisionen des Verteidigers abzustellen/zu überwinden.

Mitnichten in Naumburg, denn man antwortet dort wie folgt:

„Der Vorsitzende hat den Termin mit dem Verteidiger abgestimmt. Hinsichtlich des Termins, den der Verteidiger vor dem Amtsgericht Aschersleben wahrzunehmen beabsichtigt, gilt folgendes: Entweder die Anwesenheit des Verteidigers im Termin vor dem Amtsgericht Aschersleben ist nicht unabdingbar, etwa weil der Termin auch von einem anderen Anwalt wahrgenommen werden kann, dann ist dies sowieso kein Grund, den abgesprochenen Termin in der Strafsache aufzuheben. Oder Rechtsanwalt R. muss unbedingt vor dem Amtsgericht Aschersleben in jener Sache erscheinen. Dann ist er gehalten, die Verlegung des Termins vor dem Amtsgericht Aschersleben zu betreiben, etwa unter Hinweis auf die unterbliebene Terminsabstimmung.

Die Vorstellung der Verteidigung, es sei Sache der Gerichte, Terminskollisionen zu vermeiden, ist an Absurdität nicht mehr zu überbieten. Es ist dem Vorsitzenden der 6. kleinen Strafkammer ebenso wenig wie allen anderen Richtern zuzumuten, bei allen Spruchkörpern aller deutschen Gerichte anzufragen, ob der Verteidiger dort möglicherweise kollidierende Termine hat.“

So m.E. mit Sicherheit nicht richtig, wenn ich die vom Kollegen zitierte Rechtsprechung, die sich auch in meinen Handbüchern findet, richtig verstehe (ich will nicht gleich mit dem Wort „abwegig“ kommen 🙂 ). Im Übrigen passt die Argumentation auch nicht. Der Kollege hatte das, was der Senat ihm unterstellt zu meinen: „Erkundigungs-/Anfragepflicht“ gar nicht gemeint/geschrieben. Zudem ging es auch gar nicht mehr um eine allgemeine Anfrage bei/vor einer Terminierung, sondern um eine Terminskollision und um deren Beseitigung. Wie gesagt: „starke“, aber m.E. nicht unbedingt richtige Worte aus Naumburg.