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OWi I: Keine Selbstunterzeichnung der Vertretungsvollmacht mehr, oder: Da ist sie….

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Heute ist ein OWi-Tag, und zwar mit drei Entscheidungen um die §§ 73, 74 OWiG, also Anwesenheit/Abwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung und Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG.

Und den Entscheidungsreigen eröffne ich mit einer m.E. für die Praxis wichtigen Entscheidung des OLG Köln, und zwar mit dem OLG Köln, Beschl. v. 24.09.2019 – III-1 RBs 328/19. Er nimmt zur Frage des Nachweise der Vertretungsvollmacht des Verteidigers in der Hauptverhandlung Stellung. Die Entscheidung des OLG geht von folgendem Sachverhalt aus:

Gegen die Betroffenen war in einem Bußgeldbescheid wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO eine Geldbuße in Höhe von 100,00 EUR festgesetzt worden. Die Betroffene hat dagegen Einspruch eingelegt. Nach Ladung der Betroffenen zum Hauptverhandlungstermin am 26.6.2019 ist die Betroffene zum Termin nicht erschienen und hat über ihren anwesenden Verteidiger beantragt, sie von dem Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden. Das AG hat den Antrag abgelehnt und den Einspruch mit Urteil vom selben Tag verworfen.

Dagegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, der u.a. mit der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs begründet worden. Dazu hat die Betroffene auf folgendes Verfahrensgeschehen hingewiesen: Der Verteidiger hat zu Beginn der Hauptverhandlung vor dem AG beantragt, die nicht erschienene Betroffene von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu entbinden, wozu er dem AG eine von ihm selbst handschriftlich geschriebene und im Namen der Betroffenen „kraft umfassend erteilter Vollmacht (auch zur Vertretung)“ unterschriebene Vollmacht überreicht hat, mit welcher diese ihn über die bloße Verteidigung hinaus zur Abgabe von Erklärungen jedweder Art, insbesondere im Falle ihrer eigenen Abwesenheit, bevollmächtige. Diesen Antrag hat das Amtsgericht abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass die Vertretung der Betroffenen nicht durch schriftliche Vertretungsvollmacht nachgewiesen worden sei (§§ 46, 72 OWiG, 234, 411a StPO.

Der Zulassungsantrag hatte keinen Erfolg. Auch dem OLG hat die vom Verteidiger selbst unterschriebene Vertretungsvollmacht nicht (mehr) gereicht:

„b) Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs ist jedoch unbegründet, da die Verwerfung des Einspruchs durch das Tatgericht nicht verfahrensfehlerhaft, sondern rechtmäßig erfolgt ist und somit durch die Verwerfung des Einspruchs ohne Durchführung einer Hauptverhandlung nach § 74 Abs. 2 OWiG rechtliches Gehör nicht versagt wurde.

Das Amtsgericht ist – wenn auch ohne ausdrückliche einzelfallbezogene Begründung im angefochtenen Urteil – jedenfalls im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Betroffene mangels wirksamer Vertretungsmacht ihres in der Hauptverhandlung erschienen Verteidigers vor dem Amtsgericht Brühl nicht ordnungsgemäß vertreten war und damit ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben ist. Tatsächlich genügt die vom Verteidiger in der Hauptverhandlung selbst geschriebene und in Vertretung für die Mandantin unterschriebene Vollmacht den Anforderungen des § 73 Abs. 3 OWiG nicht.

Zwar kann der Antrag des Betroffenen auf Entbindung von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung nach der Rechtsprechung des Senats auch noch zu Beginn der Hauptverhandlung gestellt werden, wenn – wie hier – noch nicht zur Sache selbst verhandelt worden ist (vgl. SenE v. 15.11.2010 – III-1RBs 287/10 m.w.N.). Der Entbindungsantrag setzt in diesem Fall allerdings voraus, dass der zur Hauptverhandlung erschienene Verteidiger über die nachgewiesene Vertretungsvollmacht im Sinne des § 73 Abs. 3 OWiG verfügt (vgl. SenE v. 21.12.2001 – Ss 507/01 B – NStZ 2002, 268 [269] = VRS 102, 112 [114] = StraFo 2002, 134 [135] = DAR 2002, 178 [179] = NZV 2002, 241 [242] = zfs 2002, 152; SenE v. 11.01.2002 – Ss 533/01 B – = VRS 102, 106 [110] = DAR 2002, 180 [181] = NStZ-RR 2002, 114 [116] = NZV 2002, 466 [468] = NJW 2002, 3790 L. = NStZ 2004, 22 [K]; SenE v. 23.12.2008 – 81 Ss-OWi 95/08 -; OLG Zweibrücken zfs 2011, 708).

Entgegen der Rechtsansicht der Verteidigung wurde eine solche Vertretungsvollmacht dem Tatgericht nicht wirksam nachgewiesen.

Der Wortlaut der Vorschrift des § 73 Abs. 3 OWiG wurde durch Gesetz v. 5. Juli 2017, BGBl. I S. 2208, zum 1. Januar 2018 dahingehend geändert, dass die Vertretung nicht mehr durch einen „schriftlich bevollmächtigten“, sondern durch einen „mit nachgewiesener Vollmacht versehenen“ Verteidiger erfolgen kann. Nach der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 73 Abs. 3 OWiG, die ihrerseits auf die Gesetzesbegründung zu § 329 Abs. 1 S 1 StPO verweist (vgl. BT-Drucks. 18/9416, S 75), war dabei – in Ansehung des neu verwendeten Gesetzeswortlauts „Vollmacht“ im Unterschied zu der in §§ 234, 329 Abs. 1 S. 1 StPO bezeichneten „Vertretungsvollmacht“ – eine terminologische Anpassung und Vereinheitlichung der Vorschriften bezweckt. Danach handelt es sich bei der in Rede stehenden „Vollmacht“ um die von der Beratungs- bzw. Anwaltsvollmacht zu unterscheidende „Vertretungsvollmacht“ (vgl. BT-Drucks. 18/9416 S. 70). Die – von den entsprechenden Regelungen in der StPO abweichende – Wortwahl „Vollmacht“ in § 73 Abs. 3 OWiG anstelle von „Vertretungsvollmacht“ in § 329 StPO ist indes für die Art und Weise der Vollmachtserteilung ohne Belang. Vielmehr ist für die Beantwortung der vorliegend in Rede stehenden Fragestellung allein die Auslegung des in der Strafprozessordnung und dem Ordnungswidrigkeitengesetz einheitlich verwendeten Begriffs „nachgewiesen“ maßgeblich, welcher an die Stelle früherer Gesetzesfassungen mit der Bezeichnung „schriftlich“ getreten ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die insoweit geänderte Terminologie vor dem Hintergrund der bevorstehenden Einführung der elektronischen Akte erfolgte und „medienneutral“ zu verstehen ist, so dass – neben der vom Betroffenen zu wahrenden Schriftform – nunmehr der Nachweis über die Erteilung der Vollmacht beispielsweise auch durch eine elektronische Signatur erfolgen kann (vgl. BT-Drucks. 18/9416 S. 70). Der Gesetzgeber hat hierdurch keineswegs das Erfordernis der Schriftform aufgegeben.

Nach der Gesetzesbegründung aus dem Jahr 2015 zur Änderung des § 329 StPO  soll es dafür nunmehr ausdrücklich nicht (mehr) ausreichen, wenn diese Vertretungsvollmacht aufgrund mündlicher Ermächtigung durch den Angeklagten von dem zu bevollmächtigenden Verteidiger selbst unterzeichnet wird (vgl. BT-Drucks. 18/3562, S. 68; so aber bisher: BayObLG, Beschluss vom 07.11.2001, Az.: 5St RR 285/01; OLG Brandenburg, Beschluss vom 18.02.2015, Az.: (1 Z) 53 Ss- OWi 619/14 (351/14); OLG Celle, Beschluss vom 20.01.2014, Az.: 322 SsRs 247/13; vgl. nunmehr: Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 25.07.2017, Az.: 1 Rev 37/17; KG Berlin, Beschluss vom 23.11.2017, Az.: (4) 161 Ss 158/17 (213/17); Münchener Kommentar zur StPO, 1. Auflage, § 234 Rn. 4ff, insbesondere Rn. 6).

Dieser in der Begründung zur Änderung des § 329 StPO ausdrücklich formulierte gesetzgeberische Wille gilt nach Auffassung des Senats auch für das gerichtliche Bußgeldverfahren. Soweit der Senat in früheren Entscheidungen die abweichende Auffassung vertreten hat, dass der Verteidiger im Termin wirksam die Vertretungsvollmacht gem. § 73 Abs. 3 OWiG im Namen des Betroffenen unterzeichnen kann, sofern es keinem Zweifel unterliegt, dass der Verteidiger umfassend bevollmächtigt ist (vgl. SenE v. 22.03.2016 – III-1 RBs 104/16), hält er hieran ausdrücklich nicht mehr fest:

Für eine einheitliche Verfahrensweise im Straf- und Bußgeldverfahren spricht bereits, dass ausweislich der o.g. Gesetzesbegründung zu § 73 OWIG bei der Neufassung der Vorschriften eine Anpassung und Vereinheitlichung jedenfalls der Gesetzesterminologie beabsichtigt war (vgl. BT-Drucks. 18/9416 S. 70). Auch nach der Kommentarliteratur gelten für die Einzelheiten der nach § 73 Abs. 3 OWiG erteilten Vertretungsvollmacht die zu den §§ 234, 411 Abs. 2 StPO entwickelten Grundsätze (vgl. Göhler, a.a.O., § 73 Rn. 27 m.w.N.). Insbesondere ist aber auch zu bedenken, dass die bisher geübte und von der Rechtsprechung überwiegend akzeptierte Praxis, nach der der Verteidiger des Betroffenen die Vollmacht in der Hauptverhandlung selbst ausstellt und in Vertretung unterschreibt, weder mit der Gesetzessystematik noch mit den mit dem Schriftformerfordernis verfolgten Zielen ohne Weiteres im Einklang stand bzw. steht; dies hat der Gesetzgeber nunmehr bezogen auf § 329 StPO mit seinem Hinweis in der Gesetzesbegründung ausdrücklich klargestellt. So erachtet das Gesetz regelmäßig eine mündliche Zusicherung des als Teil der Strafrechtspflege handelnden Verteidigers über den Bestand der Vollmacht als ausreichend. Fordert das Gesetz hingegen ausnahmsweise eine „nachgewiesene“ – bzw. nach alter Fassung „schriftliche“ – Vollmacht, so dient dies, neben dem gesicherten Nachweis des Bestehens eben dieser Vollmacht für das Gericht (vgl. BT-Drucks. 18/9416 S. 70), insbesondere auch dem Hinweis an den bzw. einer Warnung des Angeklagten bzw. Betroffenen, indem diesem vor Augen geführt wird, dass er wesentliche Verfahrensrechte und weitreichende Befugnisse in der Hauptverhandlung auf seinen Verteidiger überträgt (Beweis- und Warnfunktion: vgl. dazu MüKo zur StPO, a.a.O.; Mosbacher NStZ 2013, 312, 314 f.). Eine allein vom Verteidiger unterzeichnete Urkunde ist indes als Nachweis für die frühere Bevollmächtigung, also eine Erklärung des Angeklagten, ersichtlich nicht geeignet. Diese Erwägungen, namentlich die aufgezeigten Zwecke und Funktionen des Schriftformerfordernisses, gelten entsprechend und einschränkungslos auch im gerichtlichen Bußgeldverfahren. Auch dort ist der Betroffene nach § 73 Abs. 1 OWiG zum persönlichen Erscheinen verpflichtet und es gelten gemäß §§ 46, 71 OWiG wesentliche strafprozessuale Verfahrensrechte entsprechend; auch dort erhält der Verteidiger durch eine Bevollmächtigung weitreichende Befugnisse. Schließlich vermag auch der Umstand, dass im Ordnungswidrigkeitenverfahren regelmäßig massenhaft vorkommende Bagatellverstöße geahndet werden, eine Einschränkung oder Verkürzung der prozessrechtlich verankerten Rechte des Betroffenen nicht zu rechtfertigen; auch entsprechende Ahndungen und Sanktionierungen von Ordnungswidrigkeiten können im Einzelfall hohe Geldbußen und spürbare Nebenfolgen beinhalten, die erhebliche Auswirkungen auf die Betroffenen haben können. Differenzierungen im Einzelfall, etwa nach Gewicht der Ordnungswidrigkeit oder ihrer Sanktion, erscheinen aus Sicht des Senats weder sachgerecht noch praktikabel. Sofern das Kammergericht in anderer Hinsicht zwischen Straf- und Bußgeldverfahren differenziert und hinsichtlich der Interessenvertretung durch einen Verteidiger im Bußgeldverfahren weniger hohe Anforderungen als im Berufungsverfahren gestellt hat, betraf dies allein die inhaltlichen Anforderungen an die Ausgestaltung einer erteilten Vollmacht (KG Berlin, Beschluss vom 22.07.2019, Az.: 3 Ws (B) 178/19, 162 Ss 71/19, 3 Ws (B) 179/19, 3 Ws (B) 178-179/19), zitiert nach juris, Rn. 14 f); nach Auffassung des Senats sind diese Rechtsprechungsgrundsätze unter besonderer Berücksichtigung der mit dem Schriftformerfordernis verfolgten Ziele jedenfalls nicht auf die hier in Rede stehende Art und Weise der Vollmachtserteilung zu übertragen.“

Da ist sie also, die erste Entscheidung eines OLG zur Frage, ob sich im Bußgeldverfahren der Verteidiger weiterhin selbst die erforderliche Vertretungsvollmacht ausstellen und unterzeichnen kann oder ob ihm das nach den Änderungen des § 329 StPO, die das für das Strafverfahren ausschließen, auch im Bußgeldverfahren nicht mehr möglich ist. Und es war m.E. zu erwarten, dass die Rechtsprechung die für das Strafverfahren geltende Praxis auf das Bußgeldverfahren übertragen werden würde. Dass es so lange gedauert hat, überrascht allerdings. Damit ist dieses „Schlupfloch“ in den Entbindungsfällen oder, wenn der Mandant unerwartet nicht erscheint, „gestopft“. Und man soll sich nicht der Hoffnung hingeben, dass andere OLG anders entscheiden werden. Ich denke eher nein, man wird die Begründung des OLG Köln übernehmen.

Fazit: Als Verteidiger muss man nun darauf achten, dass der Mandant bei Auftragserteilung auf jeden Fall auch eine Vertretungsvollmacht unterzeichnet und dass man die in der Hauptverhandlung dann zur Hand hat.

StGB I: Untreue des Rechtsanwalts?, oder: Die veweigerte Rückzahlung von Fremdgeld

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Heute ist zwar Feiertag, ich lasse aber hier, da ich derzeit viel Material habe, das „normale“ Programm durchlaufen. Und heute gibt es dann mal drei Entscheidungen zum materiellen Recht, also StGB.

Ich beginne mit dem OLG Köln, Beschl. v. 30.04.2019 – III 1 RVs 97 u. 99/19. Er behandelt die Untreue (§ 266 StGB) eines Rechtsanwaltes in der Form des Treubruchtatbestand. Ist etwas länger die Darstellung, aber heute ist ja Zeit zum Lesen:

„Der Angeklagte war als Rechtsanwalt Anfang des Jahres 2012 durch Vermittlung eines gemeinsamen Bekannten mit der Geltendmachung einer Darlehensforderung i.H.v. 56.000,– € beauftragt, die der Geschädigten – einer seinerzeit mittellosen Studentin – zustand. Am 30. März 2012 forderte er den Darlehensschuldner unter Beifügung einer Kostennote über 1.761,08 € erfolglos zur Rückzahlung auf. Die Geschädigte wandte sich daraufhin an einen anderen Rechtsanwalt, der den Erlass eines Mahnbescheids beantragte, gegen den der Schuldner indessen Widerspruch einlegte. Nachdem das zuständige Amtsgericht mitgeteilt hatte, die Durchführung des streitigen Verfahrens hänge von der Zahlung einer weiteren Gerichtsgebühr i.H.v. 1.390,– € ab, wandte sich der gemeinsame Bekannte an den Angeklagten mit der Bitte, das Mandat fortzuführen. Die Geschädigte überwies am 28. Dezember 2012 und am 3. Januar 2013 die angeforderten Gerichtskosten in zwei Teilbeträgen auf das bei der A geführte Geschäftskonto des Angeklagten, über das dieser auch Zahlungen privater Natur abwickelte und das sich im fraglichen Zeitraum mit etwas über 21.000,– € im Soll befand. Auf diesem Konto war dem Angeklagten ein Dispositionskredit i.H.v. 47.500,– € eingeräumt. Über ein Anderkonto verfügte er seinerzeit nicht.

Der Angeklagte schrieb die Geschädigte am 11. Januar 2013 an und teilte ihr unter anderem folgendes mit:

„(…) Des Weiteren möchte ich nochmals verbindlich klarstellen, dass die Wahrnehmung Ihrer Interessen nur nach vorherigem Ausgleich meiner Gebührenforderung in Betracht kommt, diese entnehmen sie bitte der anliegenden Kostennote (über 1.757,28 €). Vor diesem Hintergrund bitte ich um Ausgleich der in der Anlage beigeschlossenen Kostennote. Die Vereinbarung eines Erfolgshonorars (scil.: über welches bei Mandatserteilung Anfang 2012 diskutiert worden war) muss ich dagegen vorsorglich nochmals ausdrücklich bereits aus dem Grund ablehnen, dass mir keinerlei Informationen über die Solvenz des Schuldners und insbesondere über in der Bundesrepublik bestehendes Vermögen vorliegen. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich mich auf Vollstreckungsversuche im (zumal außereuropäischen) Ausland nicht einlassen kann. Vor diesem Hintergrund bitte ich um Ausgleich der in der Anlage beigeschlossenen Kostennote. Diese betrifft zunächst die Geltendmachung der Darlehnsforderung Songel (…).“

Weiter heißt es in den Urteilsgründen:

„Dieser Schriftsatz (…) erreichte die Zeugin (…) nicht, weil er an eine veraltete Adresse gesendet worden war. Die Zeugin war zwischenzeitlich umgezogen. Dies teilte (der gemeinsame Bekannte) dem Angeklagten per Mail kurze Zeit danach mit. In der Folgezeit reichte der Angeklagte weder die Gerichtskosten an das zuständige Gericht weiter, noch reichte er Klage ein. Auch zahlte er die Gerichtsgebühren nicht an die Zeugin (…) zurück. Ein weiteres Schreiben versendete er nicht mehr an die Zeugin (…)“

Diese ihrerseits wandte sich mit Schreiben vom 27. Juni 2013 an den Angeklagten, forderte diesen unter Fristsetzung zur Rückzahlung der 1.390,– € auf und erklärte zugleich, ihre „Beauftragung zurückzuziehen“. Nachdem die Geschädigte keinen Zahlungseingang feststellen konnte, forderte sie den Angeklagten ein weiteres Mal zur Rückzahlung auf und wandte sich mit Schreiben vom 4. September 2013 an die Anwaltskammer B, welche den Angeklagten mit Schreiben vom 31. Oktober und 26. November 2013 um Stellungnahme zu den seitens der Zeugin erhobenen Vorwürfe aufforderte. Dieses Schreiben blieben ebenfalls unbeantwortet.

Das Landgericht hat gemeint, der Angeklagte sei – wie sich aus seiner Reaktion auf die Mahnungen der Geschädigten sowie die Anschreiben der Rechtsanwaltskammer ergebe – nicht bereit gewesen, die vereinnahmten Gerichtskosten „zurückzuzahlen bzw. weiterzuleiten“ er habe, soweit Fremdgelder betroffen seien, die zu Grunde liegende Zweckbestimmung zu achten, und zwar ohne auf den Eintritt ihm günstiger Bedingungen (scil.: Der Begleichung der Honorarforderung) zu warten. Er habe sich daher der Untreue – in der Variante des Treubruchtatbestandes durch aktives Tun – strafbar gemacht.“

Dem OLG reichen die Feststellungen für die Annahme einer Untreue gemäß § 266 Abs. 1 Var. 2 StGB nicht:

„bb) Die fehlende Bereitschaft des Angeklagten zur zweckentsprechende Mittelverwendung schlussfolgert die Berufungsstrafkammer aus seinem Verhalten nach Beendigung des Mandats. Auf Mahnungen der Geschädigten und die Einräumung einer Gelegenheit zur Stellungnahme durch die Rechtsanwaltskammer habe er nicht reagiert.

Eine solche Schlussfolgerung von späterem Verhalten auf eine früher vorhandene oder nicht vorhandene Bereitschaft (zur zweckentsprechende Mittelverwendung) ist grundsätzlich denkgesetzlich möglich. Die Kammer differenziert jedoch nach Auffassung des Senats nicht in ausreichendem Maße zwischen dem Bestehen und der Zeit nach Beendigung des Mandatsverhältnisses, die durch die am 27. Juni 2013 seitens der Geschädigten erklärte Kündigung eingetreten ist. Ab diesem Zeitpunkt bestand für den Angeklagten keine Vermögensbetreuungspflicht mehr, er war lediglich schuldrechtlich zur Rückzahlung des von der Geschädigten erhaltenen Geldes verpflichtet, ohne dass diese Pflicht als solche zur Vermögensbetreuung strafbewehrt gewesen wäre (BGH NStZ 1986, 361; Schönke/Schröder-Perron, StGB, 30. Auflage 2019, § 266 Rz. 34; soweit das OLG Karlsruhe [NStZ 1990, 82] diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs „einschränken“ will, waren die Mandatsverhältnisse in dem dort zugrundeliegenden Fall jedenfalls nicht erkennbar beendet). Das bedeutet, dass die Pflicht des Angeklagten, sich strafbewehrt jederzeit zur zweckentsprechende Mittelverwendung bereitzuhalten, nur in der Zeit zwischen Empfang des Geldes (28. Dezember 2012) und Mandatskündigung (27. Juni 2013) bestand. In dieser Zeit war der Angeklagte aus dem anwaltlichen Auftragsverhältnis zunächst verpflichtet, das eingenommene Geld zur Zahlung des weiteren Gerichtskostenvorschusses zu verwenden. Ausweislich seines – zeitnah zum Geldempfang verfassten – Schreibens vom 11. Januar 2013 bestand diese Bereitschaft auch, freilich „nur nach vorherigem Ausgleich meiner Gebührenforderung“.

Mit dieser Formulierung hat der Angeklagte sich der Sache nach auf das ihm gemäß § 9 RVG grundsätzlich zustehende Recht berufen, von seinem von seinem Auftraggeber für die entstandenen und die voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen einen angemessenen Vorschuss fordern. Zahlt der Mandant diesen nicht, darf der Rechtsanwalt – freilich nach vorheriger Ankündigung – seine weitere Tätigkeit einstellen (BeckOK-RVG-v. Seltmann, 43. Edition Stand 01.12.2018, § 9 Rz. 20). Die Anforderung eines Vorschusses war hier nach Lage der Dinge auch sinnvoll, da die Auftraggeberin ausweislich der ausdrücklich getroffenen Feststellungen der Berufungsstrafkammer als Studentin „mittellos“ war und der Angeklagte Anfang 2012 – offenbar bislang unvergütet – bereits für diese tätig geworden war. Anfang Januar 2013 wird man dem Angeklagten aus diesem Grund die Bereitschaft zur auftragsgemäßen Weiterleitung des eingenommenen Geldes kaum absprechen können.

Zu der weiteren Entwicklung der Geschehnisse bis zum Zeitpunkt der Mandatskündigung hat die Berufungsstrafkammer nur unzureichende Feststellungen getroffen. Festgestellt ist lediglich, dass das Schreiben vom 11. Januar 2013 die Geschädigte nicht erreichte, weil diese umgezogen war und dass der Angeklagte (jedenfalls) von der Tatsache des Umzugs Kenntnis hatte. Ob dieser – bejahendenfalls: wann – davon erfahren hat, dass sein Schreiben vom 11. Januar die Geschädigte nicht erreicht und ob er von der neuen Anschrift der Geschädigten Kenntnis hatte und so die Möglichkeit gehabt hätte, mit dieser die weitere Vorgehensweise (auftragsgemäßes weiteres Tätigwerden – bejahendenfalls: zu welchen Konditionen –  oder Rückabwicklung des Auftragsverhältnisses) zu klären, ob er also überhaupt die Möglichkeit gehabt hätte, „ein weiteres Schreiben“ zu versenden (UA 8), bleibt nach den getroffenen Feststellungen offen. Die Beantwortung dieser Fragen ist aber für die Bereitschaft des Angeklagten zur zweckentsprechenden Mittelverwendung bis zum Zeitpunkt der Mandatsbeendigung von entscheidender Bedeutung.

Mit der Mandatskündigung durch die Geschädigte ist dann aber jedenfalls insoweit eine neue Situation eingetreten, als der Angeklagte die Begleichung seiner Honorarforderung nicht mehr als von seinen Bemühungen um die Realisierung des Darlehensrückzahlungsanspruchs der (ehemaligen) Mandantin abhängig einschätzen konnte.“

OWi I: OLG Köln zu den Rohmessdaten, oder: Auch wir folgen dem VerfGH Saarland nicht

Ja, richtig gesehen. Heute schon wieder OWi. Stand an sich nicht auf meinem Plan. Hat sich aber so ergeben, weil mir der Kollege Freese aus Heinsberg gestern einen Beschluss des OLG Köln geschickt hat, den ich dann den interessierten Lesern nicht lange vorenthalten möchte.

Das OLG Köln sich hat im OLG Köln, Beschl. v. 27.09.2019 – III – 1 RBs 362/19 – wen überrascht es? – nicht der Auffassung des VerfGH Saarland in seinem Urteil vom 05.07.2019 angeschlossen. Das hier in einer Einzelrichterentscheidung, die auf eine Senatsentscheidung (hoffentlich?, denn auch Einzelrichterentscheidungen sind Senatsentscheidungen) Bezug nimmt, und zwar wie folgt:

„Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung, allgemeine Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (vgl. BGH VRS 40, 134 [137]). Zulassungsbedürftige Fragen in dieser Hinsicht wirft die Sache nicht auf; insbesondere hat der Senat in einem Parallelverfahren mit Entscheidung vom heutigen Tag zu der dort ebenfalls verfahrensgegenständlichen Geschwindigkeitsmessung mit dem Messgerät TraffiStar S 350 und mit Blick auf das Urteil des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes vom 5. Juli 2019 (Lv 7/17 = NJW 2019, 2456 ff) wie folgt Stellung genommen (vgl. SenE v. 27.09.2019 —III-1 RBs 339/19):

Die angefochtene Entscheidung verletzt ihn (erg.: den Betroffenen) nicht in seinem Grundrecht auf ein faires Verfahren. Namentlich ist sein Anspruch auf effektive Verteidigung nicht in durchgreifender Weise berührt.

Anlass zu Ausführungen bietet insoweit das Urteil des Verfassungsgerichts-hofes des Saarlandes (VerfGH) vom 5. Juli 2019 (Lv 7/17 = NJW 2019, 2456 ff.), wonach der Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt ist, wenn der Betroffene einwendet, er könne das Messergebnis mangels gespeicherter Rohmessdaten nicht sachverständig überprüfen lassen.

Die Entscheidung, die Geltung nur für das Saarland entfaltet, bindet den Senat nicht Er teilt im Übrigen die Auffassung auch in der Sache nicht; er hält vielmehr die dort postulierten Anforderungen an ein faires Verfahren und eine effektive Verteidigung für überzogen. Die Prämisse jederzeitiger anlassloser Überprüfbarkeit lässt sich jedenfalls für den Bereich der Verfolgung massenhaft auftretender Verkehrsordnungswidrigkeiten aus diesen Grundsätzen nicht herleiten (so wohl auch: Krenberger, NZV 2019, 421, 422). Das gilt nach Auffassung des Senats unabhängig davon, ob Messdaten im Einzelfall vom Gerät gespeichert werden oder nicht. Er folgt insoweit der Auffassung des OLG Oldenburg (Beschl. v. 09.09.2019 — 2 Ss OWi 233/19 – betr. das Lichtschrankenmesssystem ES 8.0).

Ein Messgerät durchläuft eine intensive, sich in der Regel über mehrere hundert Stunden erstreckende Bauartprüfung bei der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB). So sind bei dem betroffenen System TraffiStar S 350 — so der Sachverständige der PTB in der mündlichen Verhandlung vor dem VerfGH – über 21.000 Messungen mit dem Ergebnis durchgeführt worden, dass die gesetzlich geforderten Fehlergrenzen eingehalten werden. Erst nach erfolgreichem Durchlaufen dieser Testverfahren wird die Konformitätsbescheinigung erteilt, die nach der vom Senat geteilten obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. zuletzt SenE v. 21_11.2018 – 111-1 RBs 383/18 -; SenE v. 10.04.2019 —111-1 RBs 416/19 -; OLG Düsseldorf, Beschl. v 31.01.2017 IV 3 RBs 20/17 -; OLG Oldenburg, Beschl. v. 13.03.2017 — 2 Ss OWi 40/17 – OLG Rostock, Beschl. v. 22.01.2019 — 21 SS OWi 251/128 ) ein sog. antizipiertes Sachverständigenglutachten darstellt Hinzu kommt, dass nach erfolgter Zulassung eines Messverfahrens jedes zum Einsatz kommende Einzelgerät noch zusätzlich dem Erfordernis der regelmäßigen Eichung — mithin einer turnusmäßigen Kontrolle der Gerätefunktionen und ihrer Konformität mit dem bei der PTB hinterlegten Baumuster durch eine unabhängige Landesbehörde – unterliegt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.07.2014 – 1 RBs 50/14 ). Etwaigen Ungewissheiten und Ungenauigkeiten wird schließlich durch — äußerst großzügig bemessene — Toleranzabzüge Rechnung getragen. All dies begründet ein hohes Maß an Zuverlässigkeit, welches bei der Verfolgung angemessene Beachtung finden muss.

Das erkennt im Grundsatz auch der VerfGH an, indem „in keiner Weise bezweifelt wird, dass der Zulassungs- oder Konformitätsprüfung der PTB außerordentlich sorgfältig und neutral erfolgen und unter den gleichen Bedingungen gewährleisten, zu gleichen Ergebnissen zu gelangen.“ Ist dem aber so, so ist es nur konsequent, Vertrauen in die vom Messsystem gelieferten Ergebnisse zu setzen. Nach Auffassung des Senats würde die Systematik des antizipierten Sachverständigengutachtens konterkariert, ja geradezu ad absurdum geführt, würde der Betroffene diese jederzeit und allein auf einen Verdacht hin in Frage stellen und überprüfen dürfen. Durch die Verwehrung einer solchen Prüfung wird er nicht „zum unmündigen Objekt staatlicher Verfügbarkeit“ degradiert bzw. „auf Gedeih und Verderb der amtlichen Bestätigung der Zuverlässigkeit eines elektronischen Systems und der es steuern-den Algorithmen ausgeliefert“. Anders als der VerfGH meint, ist er nämlich nicht rechtlos gestellt. Die gem. § 39 MessEG auf seinen Antrag durch die Landesbehörde vorzunehmende Befundprüfung vermag Klarheit darüber zu verschaffen, ob das jeweilige Messgerät den Anforderungen der Eichung und der Konformitätsprüfung genügt Wenngleich der konkrete in Rede stehende Messvorgang damit nicht nachvollzogen werden kann, rechtfertigt ein Ergebnis, welches keine Beanstandungen zu Tage fördert, aber sehr wohl den Schluss, dass bei dem Messgerät auch in der Vergangenheit keine Unregelmäßigkeiten aufgetreten sind. Dem Betroffenen stehen darüber hinaus prozessuale Rechte zur Seite. So kann er Akteneinsicht nehmen, konkrete Zweifel an der Zuverlässigkeit des Messung jederzeit vortragen, in der Hauptverhandlung sein Fragerecht ausüben, Beweisanregungen oder Beweisanträge stellen (so zu Recht: OLG Bamberg, Beschl. v. 13.06.2018 – 3 Ss OWi 626/18 – = NStZ 2018, 724 ff).

Damit bedarf es nicht der Klärung der Frage, ob die Rohmessdaten überhaupt geeignet sind, eine nachträgliche Plausibilisierung zu ermöglichen. Dies hat die PTB im Verfahren vor dem VerfGH mit beachtlicher Argumentation in Frage gestellt. Ferner sei darauf hingewiesen, dass die Entscheidung des VerfGH keinen für die Praxis gangbaren Weg aufzeigt, in welcher Weise eine private Überprüfung des Messvorgangs auf die Überzeugungsbildung des Tatrichters ggfls. Einfluss nehmen soll. Für. den Fall, dass der vom Betroffenen beauftragte Sachverständige die sich aus den Akten ergebende Messung bestätigt, entstehen zwar keine Probleme. Ergibt seine Untersuchung indes eine Geschwindigkeit, die die amtlich ermittelte unterschreitet, ebenso gut aber – was in der bisherigen Debatte erstaunlicherweise gar keine Rolle spielt – auch darüber liegen kann, stellt sich die Frage, welche Messung zugrunde zu legen ist. Der Tatrichter befindet sich in dem Dilemma, entscheiden müssen, ob er dem amtlichen Ergebnis gleichwohl vertraut oder auf den – auf einem in Eigenregie rekonstruierten Algorithmus beruhenden — Befund des Sachverständigen setzt. Eine weitere sachverständige Begutachtung wird allenfalls dann in Betracht kommen, wenn der Sachverständige des Betroffenen dartun kann, dass er über überlegene Erkenntnismöglichkeiten verfügt. Dafür sieht der Senat bislang keine- Anhaltspunkte.

Der Senat stellt klar, dass seine Entscheidung die Konstellation betrifft, in der von vornherein keine Messdaten gespeichert worden sind oder aber dem Gericht keine solchen zur Verfügung stehen. Damit bleibt (selbstverständlich) das — sich zwanglos bereits aus § 147 StPO ergebende – Recht der Verteidigung, unberührt, in sämtliche sich bei den Akten befindlichen Unterlagen gegebenenfalls auch Rohmessdaten) Einsicht zu nehmen. Soweit in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung dem Betroffenen weitergehende Informationsrechte — etwa auch im Hinblick auf nicht bei den verfahrensgegenständlichen Akten befindlichen Unterlagen — zugestanden werden (vgl. etwa: OLG Celle, Beschl. v. 16.06.2016 1 Ss OWi 96/16 KG, Beschl. v. 06.08.2018 — 3 Ws 168/18 -; OLG Hamm, Beschl. v. 03.01.2019— 4 RBs 377/18 -; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.07.2019 — 1 Rb 10 Ss 291/19 — m.w.N. – bei juris), muss der Senat sich damit nicht befassen, denn die genannten Entscheidungen beziehen sich auf Fallgestaltungen, in denen der Betroffene vergeblich eine entsprechende Herausgabe von Verwaltungsbehörde verlangt hatte. Von daher ist auch eine Vorlage an den Bundesgerichtshof gern. §§ 121 Abs. 2 Nr. 1 GVG, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG nicht veranlasst“

Daraus folgt zwanglos, dass der Betroffene durch die Zurückweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht ausdrücklich „mit Blick auf die“ damals noch „bevorstehende Entscheidung des VerfGH des Saarlandes“ gestellten und auf Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen für Geschwindigkeitsmessungen gerichteten Beweisantrages auch nicht in seinem Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Maßgabe des § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG verletzt ist. Soweit sich die Rechtsbeschwerdebegründung zudem auf den Zulassungsgrund der „Nachprüfung zur einheitlichen Rechtsprechung“ beruft, ist dieser nach § 80-Abs. 1 Nr.-1, Abs. 2 Nr. 1 OWG angesichts der Höhe des verhängten Bußgeldes nicht, einschlägig.“

Es ist schon traurig zu sehen, wie schnell die OLG sich bemühen, dem VerfGH Saarland nicht zu folgen. Und: Hier haben wir ihn wieder: Den Teufelskreis. Abgelehnt wird u.a. mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der (Akten)Einsicht. Nur, wenn die beantragt wird, gibt es sie nicht vollständig – so auch das OLG Köln entgegen einigen anderen OLG. Und vorlegen? Wir doch nicht…

Edit am 02.10.2019 – 17.45 Uhr: In der Post war gestern eine Mail vom OLG köln mit Entscheidungen. Darunter der OLG Köln, Beschl. v. 27.09.2019 –  III-1 RBs 339/19, der in der hier vorgestellten Entscheidung  erwähnt wird. Ich habe die Mail erst heute Nachmittag bearbeitet. Man erkennt, es war eine Sentasentscheidung, also Dreierbesetzung. Zumindest das 🙂 .

OWi II: Immer wieder Sonntags, oder: Verstoß gegen das Sonntagsfahrverbot

entnommen wikimedia.org

Die zweite Entscheidung kommt mit dem OLG Köln, Beschl. v. 05.07.2019 – 1 RBs 207/19 – aus dem Rheinland. Verurteilt worden ist der Betroffene vom AG wegen „fahrlässiger Anordnung bzw. Zulassung der verbotswidrigen Teilnahme eines LKWs an einem Feiertag am öffentlichen Straßenverkehr“. Grund: Eine Frau A war am Karfreitag 2018 mit einem Lastkraftwagen, dessen Halter das Speditionsunternehmen ist, in welchem der Betroffene als Geschäftsführer arbeitet, gefahren. Das AG ist davon ausgegangen, der Betroffene habe die Fahrt zumindest fahrlässig zugelassen.

Das hat beim OLG Köln nicht gehalten:

„2. Die Rechtsbeschwerde hat aber mit der erhobenen Sachrüge Erfolg; die Verurteilung des Betroffenen wird von den bislang getroffenen Feststellungen nicht getragen.

a) Gemäß § 30 Abs. 3 S. 1 StVO in der bis zum 18. Oktober 2017 geltende Fassung durften Lastkraftwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5t an Sonn- und Feiertagen nicht verkehren. Diese Formulierung der Verordnung wurde so verstanden, dass sie einer bußgeldrechtlichen Verantwortlichkeit auch des Fahrzeughalters jedenfalls nicht entgegenstand, die sodann – letztlich – aus Sinn und Zweck des Verbots gefolgert wurde (vgl. BayObLG VRS 70, 471 [472]; ebenso OLG Hamm B. v. 29.05.2013 – III-3 RBs 336/12 – bei Juris Tz. 9; Hentschel/König/Dauer-König, Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage 2016, § 30 StVO Rz. 16; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke-Hühnermann, Straßenverkehrsrecht, 25. Auflage 2018, § 30 StVO Rz. 8; HK-Straßenverkehrsrecht-Jäger, § 30 StVO Rz. 34). Ein entsprechender Bußgeldregelsatz fand (und findet) sich in lfd. Nr. 120 BKat.

b) Durch die 53. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 6. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3549 ff [3550]) ist freilich der Wortlaut der Verordnung dahingehend geändert worden, dass an Sonn- und Feiertagen Lkw nicht geführt werden dürfen. Ein Fahrzeug „führt“ gängiger Definition zufolge, wer es selbst (eigenhändig) bei bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte unter eigener Allein- oder Mitverantwortung in Bewegung setzt oder unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrtbewegung durch den öffentlichen Verkehrsraum ganz oder wenigstens zum Teil lenkt (Hentschel/König/Dauer-König, a.a.O., 45. Auflage 2019, § 316 StGB Rz. 3; § 2 StVG Rz. 28 je m. w. N.; zu der dort gemeinten – hier nicht einschlägigen – Mitverantwortung vgl. a.a.O., § 316 Rz. 5). Das trifft auf den Fahrzeughalter nicht zu; er „führt“ das Fahrzeug in dieser Eigenschaft nicht eigenhändig (zum fahrenden Halter vgl. OLG Celle NZV 2004, 368 = VRS 107, 133). Obwohl der Verordnungsgeber ausweislich der Begründung durch die Verwendung des Verbs „führen“ (nicht – wie in BR-DRs. 556/17, S. 29 ausgewiesen – „fahren“; so aber auch BeckOK-Straßenverkehrsrecht-Ritter, 3. Edition Stand 01.04.2019, § 30 StVO Rz. 9) lediglich den ruhenden Verkehr von dem Verbot ausnehmen wollte, ist nach dem nunmehrigen Wortlaut der Verordnung der (das Fahrzeug nicht selbst führende) Halter daher nicht (mehr) Normadressat der Vorschrift (vgl. auch Ternig, NZV 2017, 497 [499]: „Somit geht es um den Fahrzeugführer“).

c) Dass der Betroffene als Halter des fraglichen Fahrzeugs dieses nicht (das wird jedenfalls nicht festgestellt) eigenhändig geführt hat, schließt freilich nicht aus, dass er sich an einem (vorsätzlichen) „Führen“ durch die Fahrerin im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 1 OWiG (vorsätzlich) beteiligt hat (vgl. dazu BeckOK-OWiG-Coen, 22. Edition Stand 15.03.2019, § 14 Rz. 12 ff.; s. weiter speziell zur Beteiligung an Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten KK-OWiG-Rengier, 5. Auflage 2018, § 14 Rz. 56 ff.). Der Senat vermag indessen den Urteilsgründen ausreichende Feststellungen zu einer solchen Beteiligung nicht zu entnehmen, so dass eine (bloße) Schuldspruchänderung durch das Rechtsbeschwerdegericht nicht in Betracht kommt. Einer solchen steht namentlich im Wege, dass das Amtsgericht von „zumindest fahrlässig(er)“ Begehung ausgegangen, eine fahrlässige Beteiligung an fremder Ordnungswidrigkeit aber begrifflich nicht möglich ist (Göhler-Gürtler, OWiG, 17. Auflage 2017, § 14 Rz. 4).

Die Zurückverweisung gibt dem Tatrichter darüber hinaus Gelegenheit, konkrete Feststellungen zur zulässigen Gesamtmasse des bislang lediglich als „LKW“ bezeichneten Fahrzeugs zu treffen.“

OWi I: Traffipax Traffistar S, oder: Das „Schlosssymbol“ hat keine Bedeutung

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Heute bringe ich dann mal wieder drei OWi-Entscheidungen. Ich eröffne die Berichterstattung mit dem OLG Köln, Beschl. v. 10.04.2019 – 1 RBs 416/18.

Es geht um eine Geschwindigkeitsüberschreitung. Gemessen worden ist mit TraffiStar S 350, Dagegen die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er geltend gemacht hat, dass auf dem  Messfoto und in der Originalbilddatei das sog. Schlosssymbol fehle. Das OLG Köln meint, nachdem es die Rechtsbeschwerde zugelassen und eine  Stellungnahme der PTB eingeholt hat: Hat keine Auswirkungen auf die Verwertbarkeit der Messung:

„1. Das Geschwindigkeitsmesssystem TRAFFIPAX Traffistar S 350 ist von der obergerichtlichen Rechtsprechung und auch vom Senat (vgl. zuletzt: SenE v. 21.11.2018 – III-1 RBs 383/18 -) als standardisiertes Verfahren anerkannt, was auch die Verteidigung im Grundsatz einräumt. Der standardisierte Ablauf bezieht sich – wie auch bei anderen Messsystemen – nicht nur auf den eigentlichen Messvorgang, sondern auch auf die die Auswertung der Messdaten. Erfasst wird auch der Ausdruck der zu den Akten zu nehmenden Beweisfotos, sofern sichergestellt ist, dass die Bedienungsanleitung des Herstellers durchgehend beachtet und die zur Auswertung genutzte Software entweder zertifiziert ist, jedenfalls aber bestimmten Anforderungen des Herstellers an die Funktionalität genügt. Das regelmäßige Fehlen des sog. Schlosssymbols auf dem ausgedruckten und bei den Akten befindlichen Messfoto begründet in diesem Zusammenhang keine Zweifel am Messergebnis, sofern im Einzelfall keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Authentizität und Integrität der Messdaten gefährdet ist. Im Einzelnen:

a) Das Symbol hat keinerlei Bedeutung für den Messvorgang, es taucht erst auf bei der Auswertung der Daten mittels einer zugelassenen Referenzsoftware („BiffProcess“ bei TraffiStar S. 350) oder eines anderen, wesentliche vorgeschriebene Funktionalitäten enthaltenden Anwender-Auswerteprogramms und belegt für die mit der Auswertung befasste Person die Authentizität und Integrität der mittels des Systems ermittelten Messdaten (signierte Falldatei). Die PTB führt in ihrer Stellungnahme vom 17. Januar 2019 aus:

„Die signierten Falldateien gelten als unveränderliche Beweismittel. Diese können vom Überwachungsgerät abgerufen werden. Mit Hilfe des von der PTB geprüften Referenz-Auswerteprogramms (z.B. BiffProcess bei TraffiStar S350) können die Falldateien auf einem PC visualisiert werden. Bevor allerdings der Inhalt der Falldatei visualisiert wird, prüft das Referenz-Auswerteprogramm zusammen mit dem öffentlichen Schlüssel des Überwachungsgerätes, ob der in der digitalen Signatur verborgene Hashwert der Falldatei mit dem aktuell vom Referenz-Auswerteprogramm berechneten Hashwert der Falldatei übereinstimmt. Wenn diese Übereinstimmung gefunden werden kann, dann ist bewiesen, dass die Falldatei vom betrachteten Überwachungsgerät stammt (Authentizität) und unverfälscht vorliegt (Integrität). Erst danach erfolgt die Visualisierung. Bei dieser Visualisierung wird vom Referenz-Auswerteprogramm ein Schlosssymbol eingeblendet. Dieses soll dem Verwender signalisieren, dass für diese Falldatei Authentizität und Integrität gewährleistet sind.“

Im Anschluss an die Auswertung folgt der Ausdruck des Messfotos, etwa in einem JPEG-Format. Dazu heißt es weiter:

„Das Referenz-Auswerteprogramm wurde von der PTB geprüft. Der Ausdruck des Digitalfotos ist nicht PTB-geprüft und gilt daher nicht als unveränderliches Beweismittel. Der Ausdruck muss daher auch kein Schlosssymbol enthalten. Selbst wenn der Ausdruck ein Schlosssymbol enthält, so kann an diesem eine Manipulation nicht gänzlich ausgeschlossen werden, weil beispielsweise das Digitalfoto vor dem Ausdruck mit einem Grafik-Bearbeitungsprogramm editiert worden ist. In Zweifelsfällen ist daher die Auswertung mit Hilfe des Referenz-Auswerteprogramms und mit Hilfe des öffentlichen Schlüssels des Überwachungsgerätes jederzeit wiederholbar.“

b) Daraus folgt im Hinblick auf die vorliegend in Rede stehende Aufklärungspflicht, dass der Tatrichter seine Überzeugung hinsichtlich des Verkehrsverstoßes – jedenfalls in der Regel – auf das bei den Akten befindliche Bildmaterial stützen darf. Er ist nicht – quasi routinemäßig – verpflichtet, einen Abgleich mit der im Referenz-Auswerteprogramm visualisierten Bilddatei vorzunehmen.

aa) Soweit in der zitierten Stellungnahme bezogen auf die signierten Falldateien von „unveränderlichen Beweismitteln“ die Rede ist, ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht zunächst klarzustellen, dass es sich bei dem ausgedruckten Messfoto um ein Augenscheinsobjekt und damit – als solches in die Hauptverhandlung eingeführt – um ein zulässiges und im Grundsatz taugliches Beweismittel handelt. Eine Hierarchie, wie sie der Verteidigung offenbar vorschwebt, dergestalt, dass „nur signierte Falldateien überhaupt Beweismittel sind“, ist der Strafprozessordnung fremd. Die als Beleg für diese Auffassung angeführte Entscheidung des OLG Oldenburg vom 06.05.2015 – 2 Ss OWI 65, 15 – (= DAR 2015, 406, 407) betrifft einen gänzlich anderen Sachverhalt, nämlich die dort als Verletzung rechtlichen Gehörs bewertete Ablehnung eines Beweisantrags des Betroffenen auf Herausgabe der Messdatei.

bb) Die Wertigkeit eines Beweismittels bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls, d.h. nach dem Maß der konkret gebotenen Aufklärung. Im Grundsatz darf der Tatrichter davon ausgehen, dass das ausgedruckte Messfoto mit der im Referenz-Auswerteprogramm visualisierten Bilddatei übereinstimmt. Das folgt zum einen daraus, dass nach der vom Senat durchgesehenen Betriebsanleitung für TraffiStar S350 das Vorhandensein des Schlosssymbols auf dem Bildausdruck schon nicht vorgesehen ist und nach den Zulassungsanforderungen der PTB auch nicht erforderlich ist. Bei Verwendung eines von der PTB zertifizierten Auswerteprogramms bestehen insoweit keine vernünftigen Zweifel. Sofern zur Auswertung ein nicht zertifiziertes Programm verwendet wird, hat dieses nach Maßgabe der Bauartzulassung u.a. sicherzustellen, dass der Export der Bilddatei im JPEG-Format mit der entsprechenden Datei aus dem Referenz-Auswerteprogramm übereinstimmt.

Es heißt dort u.a. wörtlich:

„Auch beim ggf. kundenspezifisch angepassten Anwender-Auswerteprogramm muss sichergesellt werden, dass vor der Auswertung eine erfolgreiche Prüfung der Signatur der Vorfallsdateien durchgeführt wird.“

Ein Aufklärungsbedarf könnte sich im Einzelfall allenfalls dann ergeben, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Dateien Veränderungen im Hinblick auf den eigentlichen Messvorgang erfahren haben. Denkbar wäre die Benutzung eines nicht den Herstelleranforderungen genügenden Auswerteprogramms, die Nichteinhaltung von Bedienungsvorschriften oder bewusste oder unbewusste Einflussnahme auf das Bildmaterial. Anhaltspunkte hierfür sind vorliegend aber weder dargetan noch sonstwie ersichtlich. Die Verteidigung, die lediglich allgemeine Bedenken vorträgt, überspannt insoweit die Anforderungen an die Aufklärungspflicht. Das gilt umso mehr als, wie die PTB weiter ausführt, der Vorgang jederzeit mithilfe des Referenz-Auswerteprogramms überprüft werden kann. Nach alledem resultiert allein aus dem Fehlen des Schlosssymbols kein weiterer Aufklärungsbedarf (so auch: OLG Bamberg, Beschl. v. 17.01.2017 – 3 Ss OWi 1630/16 – = NStZ-RR 2017, 93).