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VW-Abgasskandal, oder: Wenn der Hersteller besch…./täuscht, hat der Händler damit nichts zu tun….

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Urheber User: High Contrast

Im Kessel Buntes ist heute zunächst der OLG Hamm, Beschl. v. 18.05.2017 – 2 U 39/17. Der passt ganz gut zu den Meldungen, die gestern betreffend Absprachen der Autobauer über die Ticker gelaufen sind.Wenn man es liest, meint man, es dann doch mit einer kriminellen Vereinigung zu tun zu haben 🙂 .

Im Beschluss geht es um die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen Pkw, der vom sog. Abgasskandal betroffen war. Der klagende Käufer verlangt von der beklagten selbstständigen Automobilvertragshändlerin  Rückerstattung des Kaufpreises abzüglich gezogener Nutzungen. Er hat den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten. Es ist unstreitig, dass die Händlerin im Zeitpunkt des Vertragsschlusses von Manipulationen der Abgaswerte keine Kenntnis hatte.  Der Kläger ist aber der Auffassung, dass sich die Beklagte die Täuschung über Stickoxidwerte durch den Fahrzeughersteller zurechnen lassen muss. Das LG Dortmund hatte die Klage abgewiesen. Das OLG Hamm hat im Hinweisbeschluss vom 18.05.2017 – 2 U 39/17 – auf die voraussichtliche Erfolglosigkeit der Berufung hingewiesen und diese dann im OLG Hamm, Beschl. v. 09.06.2017 – 2 U 39/17 – zurückgewiesen. Aus dem Beschluss vom 18.05.2017:

„Die im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses unstreitig gutgläubige Beklagte hat den Kläger nicht gem. § 123 I BGB getäuscht. Eine etwaige Täuschungshandlung der B AG (Herstellerin) ist der Beklagten (Verkäuferin) unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zurechenbar. Vielmehr handelt es sich bei der B AG um einen “Dritten” i.S.d. § 123 II 1 BGB, ohne dass die Beklagte die etwaige Täuschung kannte oder kennen musste.

Die Beklagte ist eine eigenständige juristische Person und bloße Vertragshändlerin. Zwischen dem Hersteller und dem Verkäufer ist in rechtlicher Hinsicht zu unterscheiden. Daher entspricht es auch der gefestigten BGH-Rechtsprechung, dass der Hersteller nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers ist (vgl. BGH NJW 2014, 2183, Tz. 31). Dementsprechend muss sich auch im Rahmen des § 123 BGB ein Automobilvertragshändler nicht das Wissen des Herstellers zurechnen lassen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 30.06.2016, 7 W 26/16, zitiert nach juris; LG Bamberg, Urteil vom 22.07.2016, 11 O 62/16, zitiert nach juris; LG Regensburg, Urteil vom 15.06.2016, 3 O 2161/15, zitiert nach juris; LG München II, Urteil vom 15.11.2016, 12 O 1482/16, zitiert nach juris; LG Hechingen, Urteil vom 10.03.2017, 1 O 165/16, zitiert nach juris; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 21.06.2016, 4 O 441/16, zitiert nach juris; LG Landau (Pfalz), Urteil vom 11.07.2016, 2 O 17/16, zitiert nach juris; LG Düsseldorf, Urteil vom 23.08.2016, 6 O 413/15, zitiert nach juris; LG Frankenthal, Urteil vom 12.05.2016, 8 O 208/15, zitiert nach juris; LG Stralsund, Urteil vom 03.03.2016, 6 O 236/15, zitiert nach juris; LG Bielefeld, Urteil vom 02.05.2016, 3 O 318/15, zitiert nach juris).

Entgegen der Ansicht der Berufung kann von einem durchschnittlichen Fahrzeugkäufer erwartet werden, dass er zwischen einem Vertragshändler und dem Hersteller unterscheiden kann. Nach den vom Kläger vorgelegten Unterlagen hat die Beklagte auch nicht den Anschein erweckt, eine Werksniederlassung bzw. Konzerntochter der B AG zu sein. Dass ein selbstständiger Automobilvertragshändler in seinen Ausstellungsräumen Fahrzeuge der von ihm vertriebenen Marke präsentiert und das Firmen-Logo des Herstellers verwendet, entspricht – wie bereits das Landgericht zutreffend dargelegt hat – der Üblichkeit. In der Rechnung vom 03.01.14 (Anlage BB 1, Bl. 83 ff. d.A) ist zwar in der Kopfzeile die Bezeichnung “B Zentrum C” aufgeführt, jedoch finden sich in der Fußzeile die genaue Firmenbezeichnung der Beklagten mit den rechtlich relevanten Angaben. Auf dem vom Kläger vorgelegten Homepage-Ausdruck (Bl. 46 d.A.) dominiert in der Kopfzeile die Firma der Beklagten (“K”). Hieraus ist auch zu ersehen, dass die Beklagte nicht nur mit Automobilen der Marke B, sondern auch mit solchen der Marken Z1, Z2, Y und X handelt. Wenn der Kläger ernsthaft behaupten will, dass er sich beim Kauf des rund 60.000 EUR teuren Autos nicht darüber im Klaren gewesen sei, wer überhaupt sein Vertragspartner ist, so kann diese Unwissenheit nicht der Beklagten angelastet werden.

Ebenso wenig kann eine Wissenszurechnung über eine analoge Anwendung des § 166 II BGB begründet werden. Die Beklagte hat den Kaufvertrag im eigenen Namen und für eigene Rechnung abgeschlossen. Sie hatte keine “vertreterähnliche” Position und war auch nicht “Verhandlungsbevollmächtigte” der B AG; eine Situation, die mit einer Stellvertretung vergleichbar wäre, lag nicht vor. Insoweit passt auch die von der Berufung zitierte, einen Grundstückskaufvertrag betreffende Entscheidung des OLG Köln (Urteil vom 24.03.1993, 2 U 160/92, zitiert nach juris) auf den vorliegenden Fall nicht. Die Argumentation der Berufung, dass sich nach dem Rechtsgedanken des § 166 II BGB der Vertretene nicht hinter der Unkenntnis seines Vertreters verstecken dürfe und dass sich dementsprechend auch die B AG nicht hinter ihrer Vertragshändlerin, der Beklagten, verstecken dürfe, geht fehl. Denn der Kläger nimmt nicht die B AG, sondern die unstreitig gutgläubige Beklagte in Anspruch. Eine Eigenhaftung des gutgläubigen Vertreters sieht § 166 II BGB aber gerade nicht vor.“

Allmählich kommen also die Verfahren bei den Obergerichten an….. Und irgendwann werden wir auch vom BGH etwas hören….

Notrufmissbrauch und Vortäuschen einer Straftat, oder: Schlampige Arbeit des AG

Die strafrechtliche Bewertung folgenden Verhaltens war Gegenstand des OLG Hamm, Beschl. v. 14.02.2017 – 4 RVs 7/17:

„Am 20.02.2016 rief der Angeklagte gegen 13:23 Uhr den Notruf der Polizei an und erklärte, dass er aus einer Wohnung an der X- Straße Nr. ## in F-X2 heraus von mehreren südländischen Personen beleidigt und bedroht werde.

Nach etwa 1,5 Minuten wählte der Angeklagte erneut den Notruf und erklärte, dass aus der Wohnung heraus nunmehr eine Person eine Schusswaffe auf ihn richten würde.

Die von dem Angeklagten mitgeteilten Taten fanden tatsächlich nicht statt. Der Angeklagte machte wissentlich falsche Angaben.

Der Angeklagte war alkoholisiert. Ein Atemalkoholtest mit Dräger 6510 ergab einen Wert von 0,82 mg/l.“

Das AG macht daraus einen Missbrauchs von Notrufen in zwei Fällen (§ 145 Abs. 1 Nr. 1 StGB), davon in einem Mal in Tateinheit mit Vortäuschen einer Straftat (§ 145d Abs. 1 Nr. 1 StGB), weil der Angeklagte die Polizei angerufen und einen Sachverhalt geschildert hat, der so nicht stimmte.

Das OLG Hamm findet im amtsgerichtlichen Urteil mehrere Haare in der „sprichwörtlichen Suppe“:

„Richtig“ ist noch die Annahme von Missbrauch von Notrufen gem. § 145 Abs. 1 Nr. 1 StGB:

„Die Generalstaatsanwaltschaft hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass der Tatbestand des § 145 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht nur überflüssige Einsätze von Helfern verhindern soll, die während dieser Zeit für tatsächlich notwendige Hilfsdienste nicht zur Verfügung stehen, sondern auch bezweckt, dass die Funktionsfähigkeit der Notrufzentrale gesichert bleibt und nicht durch missbräuchliche Inanspruchnahme beeinträchtigt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 27.01.1986, 3 StR 164/85 – juris).

So liegt der Fall hier. Durch die Anrufe des Angeklagten bei der zuständigen Polizeidienststelle war jeweils eine Leitung zumindest kurzzeitig blockiert.“

Aber dann stellt das OLG folgende Fehler fest:

„b) Die bislang getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts tragen indes keine Verurteilung wegen Vortäuschens einer Straftat gem. § 145d Abs. 1 Nr. 1 StGB. Den amtsgerichtlichen Feststellungen kann nicht entnommen werden, ob der Angeklagte durch seine Anrufe bei der Polizeinotrufzentrale bereits die Begehung einer rechtswidrigen Tat vorgetäuscht und dadurch in den Schutzbereich des § 145d StGB eingegriffen hat.

Geschütztes Rechtsgut des § 145d Abs. 1 Nr. 1 StGB ist die Strafrechtspflege, die vor unnützer Inanspruchnahme ihres Apparats und der damit verbundenen Schwächung der Verfolgungsintensität geschützt werden soll (vgl. BGH, NStZ 2015, 514; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 145d Rn. 2; Ruß, in: Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 145d Rn. 1). Für die Tatbestandsverwirklichung ist zwar bedeutungslos, ob die Vortäuschung einen konkreten Erfolg gehabt hat, insbesondere zu einer behördlichen Reaktion geführt hat und die Behörde somit unnötig tätig geworden ist (vgl. Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 145d Rn. 11), jedoch muss die von dem unwahren Begebnis gegebene Darstellung jedenfalls geeignet sein, einen erheblichen Ermittlungs(mehr)aufwand zu veranlassen (vgl. Ruß, in: Leipziger Kommentar, a.a.O., § 145d Rn. 9).

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe vermag der Senat, dem ein Rückgriff auf die Akten für die rechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils verwehrt ist, anhand der Feststellungen im angefochtenen Urteil nicht zu beurteilen, ob es bereits infolge der Notrufe des Angeklagten zu solchen unnützen Maßnahmen kommen konnte. Denn die Feststellungen lassen nicht erkennen, ob die Anrufe des offenbar angetrunkenen Angeklagten überhaupt in dem Sinne erst genommen worden sind, dass er tatsächlich Opfer einer – ohnehin nur denkbar vage geschilderten – Straftat geworden sein könnte.

c) Das Urteil leidet zudem an einem unauflösbaren Widerspruch zwischen Urteilstenor („Missbrauch von Notrufen in Tateinheit mit Vortäuschen einer Straftat in zwei Fällen“) und Urteilsgründen („Missbrauch von Notrufen in zwei Fällen, davon in einem Mal in Tateinheit mit Vortäuschen einer Straftat“). Dies begründet eine Verletzung des sachlichen Rechts im Sinne von § 337 StPO (vgl. hierzu OLG Hamm, Beschluss vom 19.03.2002, 4 Ss 1000/01 m.w.N. – juris).

Das Urteil beruht auch auf diesem Rechtsfehler, denn es kann weder festgestellt werden, dass der Urteilstenor offenkundig fehlerhaft verkündet worden ist, noch, dass es sich bei der vorgenommenen rechtlichen Würdigung um ein offensichtliches Schreibversehen handelt. Soweit das Amtsgericht in den Urteilsgründen ausführt, der Tatbestand des Missbrauchs von Notrufen sei „in einem Mal in Tateinheit mit Vortäuschen einer Straftat begangen“ worden, bleibt offen, auf welche der von dem Angeklagten begangenen Taten sich diese Annahme erstreckt. Das Urteil verhält sich hierzu nicht. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Erwägungen zur Strafzumessung. Denn den Urteilsgründen kann nicht entnommen werden, welchen Strafrahmen – ob den des § 145 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe) oder aber den des § 145d Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe) – das Tatgericht bei der Festsetzung der jeweiligen Einzelstrafe zu Grunde gelegt hat. Ausführungen zum anzuwendenden Strafrahmen fehlen gänzlich. Vor diesem Hintergrund liegt keinesfalls ein offenkundiges bzw. klar zu Tage tretendes Schreibversehen vor.

2. Außerdem leidet das Urteil an einem auf die allgemeinen Sachrüge hin zu beachtenden Erörterungsmangel. Das Amtsgericht hat es rechtsfehlerhaft unterlassen, ausreichende Feststellungen zu einer möglicherweise erheblich verminderten Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB zu treffen und sich mit einer daraus möglicherweise resultierenden Strafmilderung gemäß § 49 StGB zu befassen…..

Die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils sind insoweit lückenhaft, als dass sie lediglich ausweisen, ein „Atemalkoholtest mit Dräger 6510“ habe für den Angeklagten „einen Wert von 0,82 mg/l“ ergeben. Feststellungen zum Zeitpunkt der Messung sowie zur Trinkmenge und auch zum Trinkende fehlen. Damit ist eine Rückrechnung der im Rahmen des Atemalkoholtests festgestellten Alkoholisierung auf den Tatzeitpunkt nicht möglich. Eine solche Rückrechnung hat das Amtsgericht auch rechtsfehlerhaft unterlassen. Angesichts der aufgrund des Atemalkoholtests anzunehmenden erheblichen Alkoholisierung des Angeklagten kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich im Wege der Rückrechnung eine Alkoholisierung ergibt, die in den Anwendungsbereich von §§ 21, 49 StGB fällt. Dann liegen aber die Voraussetzungen einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten derart nahe, dass sich das Amtsgericht mit dieser Frage hätte auseinander setzen müssen.

3. Schließlich ist die Strafzumessung rechtsfehlerhaft, weil das Amtsgericht „unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände“ auf Einzelstrafen und sodann auf eine Gesamtstrafe erkannt hat, ohne auch nur einen einzigen Umstand konkret zu benennen, der gegen den Angeklagten spricht.“

Man hat den Eindruck, dass der Amtsrichter sein Urteil nur als Diskussionsgrundlage angesehen hat. Sonst kann man sich die schlampige Arbeitsweise kaum erklären.

Führungsaufsicht I: Voraussetzungen für eine sog. Abstinenzweisung

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Im Recht der Führungsaufsicht spielt die Frage der Zulässigkeit einer Abstinenzweisung und die an sie zu stellenden Anforderungen eine große Rolle. Zu den Fragen verhält sich noch einmal der OLG Hamm, Beschl v. 23.03.2017 – 5 Ws 119/17:

Grundsätzlich ist eine Abstinenzweisung nach § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB zulässig, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, der Alkohol- bzw. Rauschmittelkonsum könne zur Gefahr weiterer Straftaten beitragen. Maßgeblich ist nicht das Rückfallrisiko an sich, sondern die Wahrscheinlichkeit eines „Beitrags“ zu strafbaren Handlungen (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 68 b Rdnr. 12 a). Mit einer entsprechenden Abstinenzweisung dürfen jedoch nach § 68 b Abs. 3 StGB keine unzumutbaren Anforderungen an die Lebensführung des Verurteilten gestellt werden.

Nach Ansicht des Senats (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Januar 2013 in III-5 Ws 358 und 359/12, a. a. O.) kommt die in § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB vorgesehene Weisungsmöglichkeit vor allem für im Vollzug erfolgreich behandelte rauschmittelabhängige Probanden in Betracht. Allein der Umstand, dass es sich bei einem Probanden um einen langjährigen, nicht erfolgreich behandelten Suchtkranken handelt, macht eine Abstinenzweisung jedoch nicht von vornherein unzulässig. Entscheidend sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalles, insbesondere kommt es für die Zulässigkeit einer solchen Weisung darauf an, ob die begründete Aussicht besteht, der mit der Weisung verfolgte Zweck – die Wahrscheinlichkeit eines Beitrags zu strafbaren Handlungen zu verringern – könne erreicht werden. Ist das nicht der Fall, weil das Gericht auf der Grundlage einer fachkundigen Einschätzung, z. B. durch einen vom Gericht beauftragten Sachverständigen oder durch die Fachabteilung der Justizvollzugsanstalt, einen dann strafbewehrten Weisungsverstoß nach § 145 a StGB aufgrund fortbestehender (körperlicher) Suchtmittelabhängigkeit als überwiegend wahrscheinlich erachtet, sollte von der Abstinenzweisung abgesehen werden. Keine Bedenken bestehen aber gegen eine derartige Weisung, wenn lediglich mangelnde Willensstärke oder auch charakterliche Labilität einen Weisungsverstoß befürchten lassen (vgl. auch OLG München, Beschluss vom 9. Juli 2010 in 2 Ws 571/10; Fischer, a. a. O., § 68 b Rdnr. 12, 12 a, 12 b; BVerfG NJW 2016, 2170).

Angesichts des Vortrags des Verurteilten in seiner Beschwerdebegründung sowie des Berichtes der Leiterin der Justizvollzugsanstalt Schwerte vom 21. Dezember 2016 dürfte die Erteilung einer Abstinenzweisung i. S. d. § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB vorliegend problematisch sein. So ist zu beachten, dass beim Verurteilten eine langjährige Alkohol- und Betäubungsmittelproblematik besteht. An irgendwelchen suchttherapeutischen Maßnahmen hat der Verurteilte bisher offenbar noch nie teilgenommen. Während seiner Inhaftierung wurde er durchgehend substituiert. Auch nach seiner Haftentlassung soll weiterhin eine Substitution erfolgen. Der Verurteilte selbst gibt an, dass er sich aufgrund der bei ihm bestehenden Sucht für rückfallgefährdet hält.

Für den Fall der Erteilung einer Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht ist zudem zu beachten, dass sich für den Verurteilten aus dem Führungsaufsichtsbeschluss selbst unmissverständlich ergeben muss, ob es sich bei der jeweiligen Weisung um eine solche nach § 68 b Abs. 1 StGB handelt, die nach § 145 a S. 1 StGB strafbewehrt ist, oder eine solche nach § 68 b Abs. 2 StGB, die nicht strafbewehrt ist. Für diese unmissverständliche Klarstellung der Strafbewehrung einer Weisung ist eine ausdrückliche Bezugnahme auf § 68 b Abs. 1 StGB weder erforderlich, noch ist sie in der Regel ohne weitere Erläuterungen ausreichend. Im Beschluss zur Führungsaufsicht ist dem Verurteilten vielmehr klar und deutlich darzulegen, welcher Weisungs-verstoß eine Strafverfolgung nach § 145 a S. 1 StGB nach sich ziehen kann (vgl. BGH StraFo 2015, 471; OLG Saarbrücken NStZ-RR 2016, 243; Fischer, a. a. O., § 145 a Rdnr. 7).“

 

Mobiltelefon und SIM-Karte, oder: Auch ohne SIM-Karte ist ein Handy ein Handy

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Bevor dann die Änderungen zur Benutzung von Mobiltelefonen pp. im Straßenverkehr und die Änderung des § 23 Abs. 1a StVO kommt, will ich dann schnell noch den OLG Hamm, Beschl. v. 08.06.2017 – 4 RBs 214/17 – bringen. es geht dabei um die Frage: Benutzung des Mobiltelefons auch, wenn keine SIM-Karte eingelegt ist. Der Betroffene hatte während des Fahrens sein Mobiltelefon, in das keine SIM-Karte eingelegt war, in den Händen gehalten und mit dem Gerät Musik gehört. Das AG hat frei gesprochen, weil ein Mobiltelefon ohne SIM-Karte von der Verbotsnorm nicht erfasst werde, weil es in diesem Zustand keine Telekommunikationsfunktionen wahrnehmen könne. Die Staatsanwaltschaft beantragte die Zulassung der Rechtsbeschwerde. Das OLG hat nicht zugelassen.

„Anlass, die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des (materiellen) Rechts zuzulassen, besteht nicht. Die von der Staatsanwaltschaft aufgeworfene Frage, ob ein Mobiltelefon ohne eingelegte SIM-Karte gleichwohl unter § 23 Abs. 1a StVO zu subsumieren sei, ist obergerichtlich bereits hinreichend dahin geklärt, dass sie zu bejahen ist. Nicht nur im von der Staatsanwaltschaft selbst angeführten Beschluss des OLG Hamm vom 01.02.2012 (5 RBs 4/12) wird ausdrücklich ausgeführt, dass es auf die Frage, ob bei der Tatbegehung eine SIM-Karte in das Mobiltelefon eingelegt war, nicht ankomme, wenn eine Funktion des Mobiltelefons während des Führens eines Fahrzeugs genutzt werde. Entsprechendes hatte auch schon das OLG Jena mit Beschluss vom 31.05.2006 (1 Ss 82/06) entschieden. Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zu Grunde in dem sich die SIM-Karte ebenfalls während der Benutzung des Mobiltelefons nicht in diesem befand und dieses als Diktiergerät benutzt worden war. Weiter ist auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 23.01.2007 (2 Ss OWi 25/07) zu verweisen. Dort ist ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO angenommen worden in einem Fall, in dem die Telefonkarte hin-und hergeschoben wurde, um ein Autotelefon funktionsfähig zu machen (dieses also zu diesem  Zeitpunkt noch nicht funktionsfähig war). Dass diese Auffassung auch von anderen Oberlandesgerichten geteilt wird, zeigt sich an der Entscheidung des OLG Oldenburg vom 07.12.2015 (2 Ss OWi 290/15 = BeckRS 2016, 02115).

Dass auch ein Gerät, solange es sich um ein Mobiltelefon handelt, auch ohne SIM-Karte unter § 23 Abs. 1a StVO fallen kann, ist letztlich Ausfluss des Umstands, dass die Vorschrift nicht nur die Benutzung zur eigentlichen Telefonie inkriminiert, sondern jegliche Bedienfunktion (vgl. OLG Oldenburg a.a.O.). Dementsprechend kann es auch – anders als das Amtsgericht meint – keinen Unterschied machen, ob eine SIM-Karte (noch) gar nicht in das Mobiltelefon eingelegt ist oder ob diese noch durch weitere Bedienschritte aktiviert werden muss (für letztere Konstellation einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO bejahend: OLG Karlsruhe NJW 2007, 240 f.).

Es ist ebenfalls bereits obergerichtlich entschieden, dass es (verfassungs-)rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass der Gesetzgeber mit § 23 Abs. 1a StVO nur einen (engen) Ausschnitt gefährdender – weil ablenkender – Tätigkeiten des Fahrzeugführers bußgeldbewehrt hat (vgl. nur  OLG Hamm, Beschl. v. 23.01.2007 a.a.O.; OLG Jena a.a.O.).

Anhaltspunkte dafür, dass von der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen wäre, ergeben sich weder aus dem inzwischen (im Vergleich zu den älteren Entscheidungen) leicht veränderten Gesetzeswortlaut noch aus der Begründung des Zulassungsantrags.“

Letztlich auch eine dieser „Schweinehund-Theorie-Entscheidungen“, mit denen man Einlassungen wie: „es war keine Sim-Karte drin“ abwimmlen will. Aber demnächst ist ja alles verboten: Mobilfunkparagraf, oder: Demnächst ist im Pkw alles verboten, auch das Navi oder die Fernbedienung = Dobrindtscher Irrsinn.

Ferrari La Ferrari, oder: Ein Auto, das fast 2 Mio EUR kosten soll, und die „Tageszulassung“

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By Axion23 – LaFerrari in Beverly Hills, CC BY 2.0,

Wird in der Auftragsbestätigung zu einem Pkw-Kauf als Erstzulassung „Neu/Tageszulassung“ und als Kilometerstand „Werkskilometer“ festgehalten, so darf der Käufer davon ausgehen, dass der Wagen bis dahin nur auf einen Handelsbetrieb zugelassen war und die Zulassungsdauer bei maximal 30 Tagen lag. Ist das nicht der Fall, kann vom Kaufvertrag zurück getreten werden. Das ist das Fazit aus dem OLG Hamm. Urt. v. 18.05.2017 – 28 U 134/16. Und da ich heute nicht viel Zeit habe – es ist „Kronprinzessinnentag“ 🙂 , zitiere ich dazu – was ich sonst nur selten tue – aus der PM des OLG Hamm:

„Eine Dortmunder Firma, die mit hochwertigen Fahrzeugen handelt, muss einer Prager Handelsfirma eine Anzahlung von 40.000 Euro für einen Ferrari LaFerrari erstatten, weil sie den Ferrari zu den vereinbarten Konditionen nicht liefern konnte und die Prager Firma deswegen wirksam vom Vertrag zurückgetreten ist. Das hat der 28. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 18.05.2017 entschieden und damit die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Dortmund bestätigt.

Die beklagte Dortmunder Autohändlerin bot im Frühjahr 2015 über das Internet einen Ferrari LaFerrari zum Verkauf an. Dieses Ferrari-Modell war im März 2013 auf dem Genfer Autosalon vorgestellt worden. Die in einer kleinen Serie produzierten 499 Exemplare des Modells waren seinerzeit sofort ausverkauft. Die Klägerin, eine Handelsfirma aus Prag, war am Kauf des Ferrari interessiert und nahm mit der Beklagten Kontakt auf. Im März 2015 vereinbarten die Parteien den Verkauf des Ferrari LaFerrari für 1.950.000 Euro und hielten in der Auftragsbestätigung als Erstzulassung „Neu/Tageszulassung“ und als Kilometerstand „Werkskilometer“ fest. Vereinbarungsgemäß leistete die Klägerin sodann eine Anzahlung in Höhe von 40.000 Euro an die Beklagte. Mitte April 2015 trafen sich die Parteien zur Fahrzeugübergabe, die auf Betreiben der Beklagten in Nürnberg stattfinden sollte. Dort führte die Beklagte der Klägerin einen Ferrari LaFerrari vor, der im April 2014 erstmals zum Straßenverkehr zugelassen worden war und seitdem als Leasingfahrzeug genutzt wurde. Er hatte eine Laufleistung von 1.412 km. Da die Klägerin beanstandete, dass das Fahrzeug nicht den vereinbarten Bedingungen entspreche, verhandelten die Parteien über einen Preisnachlass. Nach Darstellung der Beklagten einigte man sich vor Ort auf einen Nachlass von 25.000 Euro. Einen kurz darauf von der Klägerin verlangten Nachlass von 100.000 Euro lehnte die Beklagte ab. Nachdem sich die Parteien in der Folgezeit nicht einigen konnten, erklärte die Klägerin u.a. den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte die Erstattung der geleisteten Anzahlung. Mit diesem Begehren nimmt sie die Beklagte gerichtlich in Anspruch.

Das Rückzahlungsbegehren der Klägerin war erfolgreich. Nach der Entscheidung des 28. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm ist die Klägerin zu Recht vom abgeschlossenen Kaufvertrag zurückgetreten, so dass die Beklagte die Anzahlung zurückzuzahlen hat.

Nach dem abgeschlossenen Kaufvertrag habe die Klägerin davon ausgehen dürfen, dass ihr die Beklagte einen Ferrari mit den in der Auftragsbestätigung vereinbarten Beschaffenheitsmerkmalen zum Erwerb vermitteln würde, so der Senat. Dabei habe es sich zwar nicht um ein Fahrzeug handeln können, welches Ferrari kurz zuvor neu produziert habe. Denn solche Fahrzeuge des verkauften Typs seien am Markt nicht mehr erhältlich gewesen und hätten von der Beklagten ohnehin nicht vertrieben werden können, weil sie keine offizielle Ferrari-Händlerin sei. Dennoch habe die Klägerin davon ausgehen können, dass der zu liefernde Ferrari aufgrund der Angabe „Tageszulassung“ bis dahin nur auf einen Handelsbetrieb zugelassen gewesen sei und die Zulassungsdauer bei maximal 30 Tagen gelegen habe. Fahrzeuge mit Tageszulassungen würden nur formal auf einen Händler zugelassen, aber nicht im Straßenverkehr bewegt, so dass sie weiter als Neuwagen angesehen werden könnten. Dafür, dass die Beklagten einen derartigen Ferrari habe anbieten wollen, spreche auch die im Kaufvertrag enthaltene Angabe „Werkskilometer“. Werkskilometer bezeichneten eine Fahrstrecke, die nach der Produktion eines Fahrzeugs üblicherweise auf dem Werksgelände zurückgelegt werde, um an dem Fahrzeug noch letzte Tests und Abstimmungen vorzunehmen. Allerdings könne diese Fahrstrecke auch einige 100 km betragen, ohne dass die Neuwageneigenschaft infrage gestellt werde.

Der von der Beklagten angebotene Ferrari sei mangelhaft gewesen, weil er die genannten, vereinbarten Beschaffenheitsmerkmale nicht aufgewiesen habe. Er sei bereits seit einem Jahr zur Nutzung im Straßenverkehr zugelassen gewesen und habe auch eine über die üblichen Werkskilometer hinausgehende Fahrstrecke im öffentlichen Straßenverkehr zurückgelegt. Deswegen habe der Kilometerzähler im April 2016 eine Laufleistung von 1.412 km ausgewiesen. Diese Abweichungen seien erheblich und berechtigten die Klägerin zum Vertragsrücktritt.

Eine Einigung der Parteien auf einen – den Rücktritt der Klägerin ausschließenden – Preisnachlass von 25.000 Euro habe die Beklagte nicht nachgewiesen. Sie sei daher verpflichtet, der Klägerin die geleistete Anzahlung zu erstatten.2