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Vortäuschen eine Straftat, oder: Wer gibt schon gerne zu, dass er sein Handy in einem Striplokal verloren hat

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In die 40. KW. und den Monat Oktober – ich bin immer übrigens immer noch in Indien – starte ich mit dem schon etwas älteren OLG Bamberg, Beschl. v.29.03.2018 – 2 OLG 120 Ss 119/17. Er behandelt das Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB). Das LG hatte dazu folgende Feststellungen getroffen:

a) Nach den Feststellungen des LG erstattete der Angekl. am 17.12.2015 auf der Dienststelle der Polizeiinspektion V. gegenüber Polizeihauptkommissar T. wider besseres Wissen dahingehend Anzeige, dass ihm sein Smartphone ‚HTC One M8‘ im Wert von ca. 600 € am 05.12.2015 gegen 5.00 Uhr in der Straßenbahn auf dem Weg von der Haltestelle O-Straße zur Haltestelle K-Weg in V. gestohlen worden sei. Tatsächlich war das Smartphone nicht wie von ihm angegeben entwendet worden, sondern er hatte dieses bereits am 13.11.2015 im Raucherbereich der Räumlichkeiten eines Stripclubs in der Q-Straße in V. verloren. Noch am selben Tag hatte es dort die deswegen bereits rechtskräftig verurteilte A. aufgefunden, unberechtigt an sich genommen und in der Folgezeit benutzt. Da der Angekl. selbst in der Hauptverhandlung angegeben hatte, eine Ortung seines Handys vorgenommen und daraufhin in dem Club in der Q-Straße, der letzten angezeigten Örtlichkeit, nachgefragt zu haben, ging das LG davon aus, dass der Angekl. wusste, dass seine am 17.12.2015 bei der Polizei getätigten Angaben über Zeit, Ort und Umstände des Abhandenkommens des Handys unzutreffend waren.

Dieses Verhalten des Angeklagten erfüllt nahc Auffassung des OLG Bamberg nicht den Straftatbestand des Vortäuschens einer Straftat nach § 145d Abs. 1 Nr. 1 StGB. Dazu die Leitsätze des OLG – mal wieder etwas „bombastisch“ 🙂 :

1. Für eine Strafbarkeit wegen Vortäuschens einer Straftat genügt es, wenn eine tatsächlich begangene Tat durch die Anzeige ein im Kern anderes Gepräge erhält, was aufgrund einer am geschützten Rechtsgut und dem Unrechtsgehalt orientierten Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ist. Zu diesen zählt insbesondere auch, ob aufgrund der vorgetäuschten Tat gegenüber dem wahren Sachverhalt ein nicht unwesentlicher unnützer Ermittlungsaufwand betrieben worden ist (u.a. Anschl. an BGH, Urt. v. 15.04.2015 – 1 StR 337/14 = NStZ 2015, 514 = StraFo 2015, 299 = NZWiSt 2015, 427 = MMR 2015, 800 = StV 2016, 158).

2. Die Falschanzeige eines vermeintlichen Diebstahls anstelle einer tatsächlich erfolgten Fundunterschlagung erfüllt auch dann nicht notwendig die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 145d Abs. 1 Nr. 1 StGB, wenn der von dem Berechtigten bemerkte Verlust des fraglichen Gegenstandes zeitlich deutlich vor dem angeblichen Diebstahl und auch an einem anderen als dem angegebenen Ort erfolgt ist, aber weder aus den Urteilsfeststellungen noch sonst ersichtlich ist, dass die Ermittlungsbehörden wegen der vorgetäuschten Sachdarstellung zu unnötigen und aufwändigen (Mehr-)Ermittlungen veranlasst wurden.

3. Erfolgen im Rahmen der Falschanzeige nicht nur falsche Angaben zur angezeigten Tat, sondern auch zu den persönlichen Verhältnissen und begründen diese gegen den Anzeigeerstatter den Verdacht des Missbrauchs von Berufsbezeichnungen (§ 132a Abs. 1 Nr. 2 StGB), so gebietet es die tatrichterliche Kognitionspflicht, die lediglich wegen Vortäuschens einer Straftat (§ 145d StGB) erhobene und zugelassene Anklage ohne Rücksicht auf die in Anklage und Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte rechtliche Bewertung zu erschöpfen, d.h. die den Untersuchungsgegenstand bildende angeklagte Tat im prozessualen Sinne restlos nach allen tatsächlichen und denkbaren rechtlichen Gesichtspunkten, mithin auch im Hinblick auf eine Strafbarkeit wegen Missbrauchs von Berufsbezeichnungen aufzuklären und gegebenenfalls abzuurteilen (st.Rspr.; u.a. Anschl. an BGH, Urt. v. 16.11.2017 – 3 StR 83/17 = NStZ-RR 2018, 75; 08.11.2016 – 1 StR 492/15 = NStZ-RR 2017, 352 und 12.07.2016 – 1 StR 595/15 = StV 2017, 87 = wistra 2017, 66 = NStZ 2017, 167). Denn zur Tat im prozessualen Sinne (§ 264 I StPO) gehört das gesamte Verhalten des Täters, soweit es nach der Lebensauffassung einen einheitlichen geschichtlichen Vorgang darstellt; darauf, dass bestimmte Umstände in der Anklageschrift keine ausdrückliche Erwähnung gefunden haben, kommt es deshalb nicht an.
145d I Nr. 1 StGB nicht.“

Vortäuschen einer Straftat?, oder: „Darf es etwas mehr sein?“

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Und zum Schluss dann noch den OLG Hamm, Beschl. v. 19.10.207 – 4 RVs 126/17. Der hat eine Problematik betreffend das Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB) zum Inhalt. Es geht um das Aufbauschen der Schadenshöhe. Das reicht – so das OLG – nicht für die Erfüllung des § 145d StGB:

„Soweit der Angeklagte wegen Vortäuschens einer Straftat nach § 145d Abs. 1 Nr. 1 StGB verurteilt worden ist, tragen die Feststellungen im angefochtenen Urteil diese Verurteilung nicht. Nicht unter den genannten Straftatbestand fällt es, wenn bei einer wirklich begangenen Tat nur Umstände, insbesondere die Schadenshöhe, übertrieben oder vergröbert in einer Weise dargestellt werden, die den Ermittlungsaufwand der Strafverfolgungsbehörden nicht wesentlich erhöhen (OLG Hamm NJW 1982, 60; OLG Hamm NStZ 1987, 558; OLG Karlsruhe MDR 1992, 1167, 1168; OLG Oldenburg NStZ 2011, 95). Nach den getroffenen Feststellungen bleibt unklar, ob hier vom Angeklagten nicht lediglich die Schadenshöhe eines etwaigen tatsächlich zu seinen Lasten begangenen Diebstahls übertrieben worden ist. Es heißt einerseits, er habe bei seiner am 23.08.2016 erstatteten Strafanzeige „bewusst wahrheitswidrig“ angegeben, „dass ihm am selben Tage während einer Busfahrt seine Geldbörse mit seinem Entlassungsgeld von etwa 2.400 € gestohlen worden sei“. In Wahrheit habe er „einen Teil des Geldes bereits ausgegeben“ gehabt. „Der Rest“ sei ihm „- unwiderlegt – entwendet worden“. Er habe eine Kürzung öffentlicher Leistungen bei Offenbarung des wahren Sachverhalts gegenüber dem Jobcenter befürchtet. Diese Feststellungen lassen – mangels näherer Angaben zu den Umständen der „unwiderlegt“ gebliebenen Entwendung des restlichen Geldes – auch die Deutung zu, dass dem Angeklagten während seiner Busfahrt tatsächlich ein (noch nicht zuvor ausgegebener) Teil seines Entlassungsgeldes gestohlen worden ist und er lediglich die Schadenshöhe aufgebauscht hat. Nur wenn die tatsächlichen Umstände der (als unwiderlegt vom Landgericht festgestellten) Teilentwendung des Geldes eine völlig andere Tat darstellen würden (als die Entwendung während einer Busfahrt am 23.08.2016) käme man aber zu einer Strafbarkeit nach § 145d Abs. 1 Nr. 1 StGB. Das ergeben die bisherigen Feststellungen aber nicht.“

Notrufmissbrauch und Vortäuschen einer Straftat, oder: Schlampige Arbeit des AG

Die strafrechtliche Bewertung folgenden Verhaltens war Gegenstand des OLG Hamm, Beschl. v. 14.02.2017 – 4 RVs 7/17:

„Am 20.02.2016 rief der Angeklagte gegen 13:23 Uhr den Notruf der Polizei an und erklärte, dass er aus einer Wohnung an der X- Straße Nr. ## in F-X2 heraus von mehreren südländischen Personen beleidigt und bedroht werde.

Nach etwa 1,5 Minuten wählte der Angeklagte erneut den Notruf und erklärte, dass aus der Wohnung heraus nunmehr eine Person eine Schusswaffe auf ihn richten würde.

Die von dem Angeklagten mitgeteilten Taten fanden tatsächlich nicht statt. Der Angeklagte machte wissentlich falsche Angaben.

Der Angeklagte war alkoholisiert. Ein Atemalkoholtest mit Dräger 6510 ergab einen Wert von 0,82 mg/l.“

Das AG macht daraus einen Missbrauchs von Notrufen in zwei Fällen (§ 145 Abs. 1 Nr. 1 StGB), davon in einem Mal in Tateinheit mit Vortäuschen einer Straftat (§ 145d Abs. 1 Nr. 1 StGB), weil der Angeklagte die Polizei angerufen und einen Sachverhalt geschildert hat, der so nicht stimmte.

Das OLG Hamm findet im amtsgerichtlichen Urteil mehrere Haare in der „sprichwörtlichen Suppe“:

„Richtig“ ist noch die Annahme von Missbrauch von Notrufen gem. § 145 Abs. 1 Nr. 1 StGB:

„Die Generalstaatsanwaltschaft hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass der Tatbestand des § 145 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht nur überflüssige Einsätze von Helfern verhindern soll, die während dieser Zeit für tatsächlich notwendige Hilfsdienste nicht zur Verfügung stehen, sondern auch bezweckt, dass die Funktionsfähigkeit der Notrufzentrale gesichert bleibt und nicht durch missbräuchliche Inanspruchnahme beeinträchtigt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 27.01.1986, 3 StR 164/85 – juris).

So liegt der Fall hier. Durch die Anrufe des Angeklagten bei der zuständigen Polizeidienststelle war jeweils eine Leitung zumindest kurzzeitig blockiert.“

Aber dann stellt das OLG folgende Fehler fest:

„b) Die bislang getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts tragen indes keine Verurteilung wegen Vortäuschens einer Straftat gem. § 145d Abs. 1 Nr. 1 StGB. Den amtsgerichtlichen Feststellungen kann nicht entnommen werden, ob der Angeklagte durch seine Anrufe bei der Polizeinotrufzentrale bereits die Begehung einer rechtswidrigen Tat vorgetäuscht und dadurch in den Schutzbereich des § 145d StGB eingegriffen hat.

Geschütztes Rechtsgut des § 145d Abs. 1 Nr. 1 StGB ist die Strafrechtspflege, die vor unnützer Inanspruchnahme ihres Apparats und der damit verbundenen Schwächung der Verfolgungsintensität geschützt werden soll (vgl. BGH, NStZ 2015, 514; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 145d Rn. 2; Ruß, in: Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 145d Rn. 1). Für die Tatbestandsverwirklichung ist zwar bedeutungslos, ob die Vortäuschung einen konkreten Erfolg gehabt hat, insbesondere zu einer behördlichen Reaktion geführt hat und die Behörde somit unnötig tätig geworden ist (vgl. Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 145d Rn. 11), jedoch muss die von dem unwahren Begebnis gegebene Darstellung jedenfalls geeignet sein, einen erheblichen Ermittlungs(mehr)aufwand zu veranlassen (vgl. Ruß, in: Leipziger Kommentar, a.a.O., § 145d Rn. 9).

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe vermag der Senat, dem ein Rückgriff auf die Akten für die rechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils verwehrt ist, anhand der Feststellungen im angefochtenen Urteil nicht zu beurteilen, ob es bereits infolge der Notrufe des Angeklagten zu solchen unnützen Maßnahmen kommen konnte. Denn die Feststellungen lassen nicht erkennen, ob die Anrufe des offenbar angetrunkenen Angeklagten überhaupt in dem Sinne erst genommen worden sind, dass er tatsächlich Opfer einer – ohnehin nur denkbar vage geschilderten – Straftat geworden sein könnte.

c) Das Urteil leidet zudem an einem unauflösbaren Widerspruch zwischen Urteilstenor („Missbrauch von Notrufen in Tateinheit mit Vortäuschen einer Straftat in zwei Fällen“) und Urteilsgründen („Missbrauch von Notrufen in zwei Fällen, davon in einem Mal in Tateinheit mit Vortäuschen einer Straftat“). Dies begründet eine Verletzung des sachlichen Rechts im Sinne von § 337 StPO (vgl. hierzu OLG Hamm, Beschluss vom 19.03.2002, 4 Ss 1000/01 m.w.N. – juris).

Das Urteil beruht auch auf diesem Rechtsfehler, denn es kann weder festgestellt werden, dass der Urteilstenor offenkundig fehlerhaft verkündet worden ist, noch, dass es sich bei der vorgenommenen rechtlichen Würdigung um ein offensichtliches Schreibversehen handelt. Soweit das Amtsgericht in den Urteilsgründen ausführt, der Tatbestand des Missbrauchs von Notrufen sei „in einem Mal in Tateinheit mit Vortäuschen einer Straftat begangen“ worden, bleibt offen, auf welche der von dem Angeklagten begangenen Taten sich diese Annahme erstreckt. Das Urteil verhält sich hierzu nicht. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Erwägungen zur Strafzumessung. Denn den Urteilsgründen kann nicht entnommen werden, welchen Strafrahmen – ob den des § 145 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe) oder aber den des § 145d Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe) – das Tatgericht bei der Festsetzung der jeweiligen Einzelstrafe zu Grunde gelegt hat. Ausführungen zum anzuwendenden Strafrahmen fehlen gänzlich. Vor diesem Hintergrund liegt keinesfalls ein offenkundiges bzw. klar zu Tage tretendes Schreibversehen vor.

2. Außerdem leidet das Urteil an einem auf die allgemeinen Sachrüge hin zu beachtenden Erörterungsmangel. Das Amtsgericht hat es rechtsfehlerhaft unterlassen, ausreichende Feststellungen zu einer möglicherweise erheblich verminderten Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB zu treffen und sich mit einer daraus möglicherweise resultierenden Strafmilderung gemäß § 49 StGB zu befassen…..

Die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils sind insoweit lückenhaft, als dass sie lediglich ausweisen, ein „Atemalkoholtest mit Dräger 6510“ habe für den Angeklagten „einen Wert von 0,82 mg/l“ ergeben. Feststellungen zum Zeitpunkt der Messung sowie zur Trinkmenge und auch zum Trinkende fehlen. Damit ist eine Rückrechnung der im Rahmen des Atemalkoholtests festgestellten Alkoholisierung auf den Tatzeitpunkt nicht möglich. Eine solche Rückrechnung hat das Amtsgericht auch rechtsfehlerhaft unterlassen. Angesichts der aufgrund des Atemalkoholtests anzunehmenden erheblichen Alkoholisierung des Angeklagten kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich im Wege der Rückrechnung eine Alkoholisierung ergibt, die in den Anwendungsbereich von §§ 21, 49 StGB fällt. Dann liegen aber die Voraussetzungen einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten derart nahe, dass sich das Amtsgericht mit dieser Frage hätte auseinander setzen müssen.

3. Schließlich ist die Strafzumessung rechtsfehlerhaft, weil das Amtsgericht „unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände“ auf Einzelstrafen und sodann auf eine Gesamtstrafe erkannt hat, ohne auch nur einen einzigen Umstand konkret zu benennen, der gegen den Angeklagten spricht.“

Man hat den Eindruck, dass der Amtsrichter sein Urteil nur als Diskussionsgrundlage angesehen hat. Sonst kann man sich die schlampige Arbeitsweise kaum erklären.

Vortäuschen einer Straftat nur, wenn Ermittlungsaufwand entsteht

Sicherlich in der Praxais gar nicht so selten. Nach einem versuchten Einrbuch wird daraus ein vollendeter, bei dem einiges entwendet worden ist. So auch im Fall des OLG Oldenburg im Beschl. v. 07.09.2010 – 1 Ss 124/10, in dem der Inhaber eines Ladengeschäfts, in dessen Türe eine Öffnung geschlagen wurde, bei der Polizei wahrheitswidrig angegeben hatt, durch die Öffnung sei Ware gestohlen worden. Das OLG sagt: Kein Fall des § § 145 d Abs. 1 Nr. 1 StGB, wenn für die Polizei aufgrund der Umstände bereits feststand, dass kein Diebstahl stattgefunden hatte, und die falsche Angabe deshalb zu keinen nennenswerten Ermittlungen führte.