Schlagwort-Archive: OLG Frankfurt am Main

Staatschutzverfahren mit 244 Aktenbänden und mehr, oder: Pauschgebühr gibt es bei uns nicht

Smiley

Als zweite Entscheidung dann ein Beschluss des OLG Frankfurt am Main zur Pauschgebühr. Ja leider, muss sein, auch wenn man weiß, dass vom OLG Frankfurt dazu nichts Gutes kommen kann.

Hier dann also der OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 07.03.2024 – 2 ARs 10/22, mit dem das OLG die Bewilligung einer Pauschgebühr in einem Staatsschutzverfahren abgelehnt hat.

Folgender Sachverhalt: Der Rechtsanwalt war dem Angeklagten neben einer anderen Rechtsanwältin pp. als weiterer Pflichtverteidiger beigeordnet. Die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten hat vom 16.06.2020 bis zum 28.01.2021 vor dem OLG Frankfurt am Main an 45 Hauptverhandlungstagen stattgefunden. Das Urteil, mit dem der Angeklagte verurteilt worden ist, ist seit dem 25.08.2022 rechtskräftig.

Für seine Tätigkeit hat der Pflichtverteidiger aus der Staatskasse „an Gebühren und Auslagen“ rund 41.000 EUR erhalten. Es ist der Auffassung, ihm stünde insgesamt ein Betrag in Höhe von rund 100.000 EUR incl. Umsatzsteuer an Pauschvergütung unter Anrechnung der gesetzlichen Gebühren zu. Hierzu hat er mit Schriftsatz vom 20. Januar 2022 vorgetragen, dass das Verfahren besonders umfangreich gewesen sei. Der Aktenbestand habe 244 Bände an Akten umfasst und sei während des Verfahrens weiter angewachsen. Das Verfahren sei umfangreicher gewesen als übliche Staatsschutzverfahren, was sich schon daraus ergebe, dass es anstatt der ursprünglich prognostizierten 32 Verhandlungstage schließlich 45 Verhandlungstage bis zur Urteilsfindung gedauert habe.

Auch inhaltlich sei das Verfahren schwierig gewesen, weil es um den Tatvorwurf der psychischen Beihilfe gegangen sei. Ferner sei es im vorliegenden Verfahren um den ersten rechtsradikalen Mord seit dem Anschlag auf Reichsaußenminister Rathenau im Jahr 1922 gegangen, daher sei er gezwungen gewesen, das diesen betreffend Urteil des Reichsgerichts in Leipzig, das in keinem gängigen Archiv aufbewahrt worden sei, auszuwerten. Er habe es nach mehreren Tagen Arbeitsaufwand dann aufgefunden.

Darüber hinaus seien viele Presseanfragen an den Antragsteller gerichtet worden. Auch sei es erforderlich gewesen, in zahlreichen Gerichtsverfahren gegen die aus Sicht des Antragstellers unfaire Berichterstattung durch Presse und die Veröffentlichungspraxis des BGH vorzugehen. Zudem habe er zwei Haftbesuche unternommen und eine „umfangreiche“ Haftbeschwerde nebst Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Zudem habe es Schwierigkeiten/Probleme im privaten und beruflichen Umfeld gegeben, was der Kollege näher ausgeführt hat.

Die „Bezirksrevisorin“ hat mit Zuschrift vom 15.06.2023 zu dem Pauschantrag Stellung genommen. Sie ist der Ansicht gewesen, dem Pflichtverteidiger stünde wegen des Farbanschlags auf die Kanzleiräume und des damit verbundenen Aufwands umzuziehen eine Pauschvergütung in Höhe von 5.000 EUR zu.

Das OLG hat den Antrag abgelehnt. Ich beschränke mich hier auf die Ausführungen des OLG zum konkreten Fall, die allgemeinen Ausführungen des OLG zu § 51 RVG braucht man nicht. Das haben wir alles schon zig-mal gelesen. Das ist keine eigene geistige Leistung des OLG, sondern abgeschrieben bzw. lang zitiert. Zum konkreten Fall führt das OLG aus:

„Gemessen an diesen Vorgaben hat der Antrag auf Bewilligung einer Pauschvergütung in dem vorliegenden Fall keinen Erfolg.

Wie der Bezirksrevisor zutreffend in seiner Stellungnahme ausführt, liegen insbesondere angesichts der festgesetzten Vergütung in Höhe von rund € 41.000 die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr nicht vor.

Regelmäßig fanden die 45 Hauptverhandlungstermine an maximal zwei Sitzungstagen pro Woche statt, die durchschnittliche Dauer betrug lediglich 4 Stunden 53 Minuten, wobei in den meisten Fällen noch eine Mittagspause von einer Stunde und länger in Abzug zu bringen ist. Dabei gab es auch sitzungsfreie Zeiten (6. Juli bis 20. Juli, 23. September bis 19. Oktober nur ein Verhandlungstag, und 23. Dezember bis 11. Januar).

Auch ergibt sich weder aus dem Vortrag noch aus den sonstigen Umständen, dass das vorliegende Verfahren ein außergewöhnlich schwieriges Staatsschutzverfahren gewesen ist. Ein besonderer Einarbeitungsaufwand, die Komplexität der Beweisaufnahme und des Verfahrens sowie der Umfang der Akten schlägt sich regelmäßig in der Anzahl und Dauer der Hauptverhandlungstage nieder. Hierbei wird jeder Hauptverhandlungstag gesondert vergütet. Angesichts der durchschnittlichen Verhandlungsdauer von knapp fünf Stunden (in den meisten Fällen noch abzüglich einer Mittagspause von einer Stunde und mehr) unterscheidet sich das vorliegende Verfahren nicht von anderen Staatsschutzverfahren. Darüber hinaus sind die Akten im vorliegenden Verfahren besonders gut geordnet, die Anklageschrift verweist in Fußnoten auf Fundstellen in den Akten, diese lagen auch in elektronischer Form vor, sodass der große Umfang der Akten besonders leicht erschlossen werden konnte.

Hinsichtlich der von dem Antragsteller geltend gemachten rechtlichen Schwierigkeiten im Hinblick auf die seinem Mandanten vorgeworfene psychische Beihilfe sowie das Ermitteln eines Urteils aus dem Jahr 1922 – hinsichtlich letzterem macht die ebenfalls dem Angeklagten beigeordnete andere Verteidigerin auch geltend, sie habe es nach mehreren Tagen Arbeitsaufwand aufgefunden – ist lediglich zu bemerken, dass eine intensive und sorgfältige Vor- und Nachbereitung der Hauptverhandlung und das Erarbeiten des Prozessstoffs zu den selbstverständlichen Pflichten des Verteidigers gehört. Soweit der Antragsteller auch eine Beratung des Angeklagten im Hinblick auf die Pressearbeit vorgenommen hat, ist dies kein Umstand, der von der Bestellung als Pflichtverteidiger umfasst ist. Bezüglich der geführten weiteren Verfahren im Hinblick auf Veröffentlichungen und Pressearbeit richtet sich die Kostenerstattung der dort geleisteten Aufwendungen nach den dortigen Regelungen; sie können nicht gesondert noch einmal im hiesigen Verfahren geltend gemacht werden.

Die Erhöhung von Sicherungsmaßnahmen – in welchem Umfang bleibt im Dunkeln -auch wegen eines Farbanschlags auf die Kanzlei begründen ebenfalls kein gebührenrechtlich zu berücksichtigendes Sonderopfer. Die ordentliche Kündigung von Kanzleiräumen und die damit verbundene Notwendigkeit des Umzuges ist das allgemeine Geschäftsrisiko des Antragstellers. Sie führt nicht zu einer – letztlich vom verurteilten Angeklagten zu tragenden – auf das hiesige Verfahren zurückzuführenden Kompensation.

Dass der Antragsteller Tätigkeiten erbracht hat, die – auch in der Gesamtschau und unter Berücksichtigung der bereits festgesetzten Gebühren und Auslagen über insgesamt € 41.000 – die Annahme eines Sonderopfers begründen könnten, ist nicht ersichtlich, weshalb sein Antrag zurückzuweisen war.“

Ja, richtig gelesen. Es gibt nichts. Und das mit einer Begründung, die vorne und hinten nicht hält, weil sie lückenhaft und widersprüchlich ist. Ich habe dazu gestern eine längere Anmerkungen für die AGS geschrieben, wo man das demnächst in allen Einzelheiten nachlesen kann. Ich will mich hier aus Platzgründen auf Stichpunkte beschränken:

  • Es stellt sich zunächst die Frage, ob es sich bei dem an den Pflichtverteidiger gezahlten Betrag von 41.000 EUR tatsächlich um „Gebühren und Auslagen“ gehandelt hat oder um die „Vergütung“. Das OLG verwendet beide Begriffe, was falsch ist/wäre,. Denn nach § 51 RVG Abs. 1 S. 1 RVG ist dem Pflichtverteidiger „eine Pauschgebühr zu bewilligen, die über die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis hinausgeht.“ Auf „Auslagen“ wird eine Pauschgebühr nicht gezahlt. Dass das RVG zwischen „Vergütung“, „Gebühren“ und „Auslagen“ unterscheidet, folgt unschwer aus § 1 Abs. 1 S. 1 RVG, der einem OLG-Senat, der über Pauschgebühren entscheidet, bekannt sein sollte.
  • Nicht ganz eindeutig ist auch, wie denn die Staatskasse – hat es sich nun eigentlich um eine „Bezirksrevisorin“ gehandelt oder um einen „Bezirksrevisor“ – votiert hat. Hat der/die die Gewährung einer Pauschgebühr in Höhe von 5.000 EUR befürwortet oder ist er/sie davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 51 RVG nicht vorgelegen haben. Das eine schließt das andere aus.
  • Der Aktenumfang mit 244 Bänden Akten wird bei der Beurteilung des Umfangs des Verfahrens offenbar völlig ignoriert. Geht man mal davon aus, dass jeder Band nur etwa 200 Blatt gehabt hat, so haben wir es mit fast 50.000 Blatt Akten zu tun. Der Umfang soll für die Pauschgebühr ohne Belang sein?  das haben andere OLG in der Vergangenheit zu Recht anders gesehen (s. z.B. zuletzt OLG Stuttgart, Beschl. v. 01.02.2024 – 5 – 2 StE 7/20, AGS 2024, 117 mit weiteren Nachweisen zu früheren Entscheidungen).
  • Die Ausführungen des OLG zur Hauptverhandlungsdauer sind ebenfalls lückenhaft. Warum wird die Dauer der Mittagspausen abgezogen von der durchschnittlichen Dauer der Die Frage, ob und wie Mittagspausen zu berücksichtigen sind, war nach dem hier geltenden alten Recht vor Inkrafttreten des KostRÄndG mit der Vorbem. 4.1 Abs. 3 VV RVG höchst streitig. Den Streit erledigt das OLG mit einem Federstrich, m.E. zudem falsch.
  • Bei Beurteilung der „Schwierigkeit“ scheint das OLG einen falschen Maßstab anzulegen. Es muss sich nicht um ein „außergewöhnlich schwieriges Staatsschutzverfahren“ handeln, sondern es muss – nur – „besonders schwierig“ gewesen. Warum dieses Verfahren nicht im Hinblick auf die vom Pflichtverteidiger geltend gemachten rechtlichen Probleme und des Ermittelns der alten Rechtsprechung „besonders schwierig“ gewesen sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Der in dem Zusammenhang angeführte Hinweis des OLG darauf, dass eine intensive und sorgfältige Vor- und Nachbereitung der Hauptverhandlung und das Erarbeiten des Prozessstoffs zu den selbstverständlichen Pflichten des Verteidigers gehört“, ist mehr als überflüssig.
  • Was man in dem Beschluss vollständig vermisst, ist eine Betrachtung des Gesamtgepräges des Verfahrens. Dazu hätte bei den vorliegenden Umständen, insbesondere auch der vom Pflichtverteidiger geltend gemachten persönlichen Einschränkungen, sicherlich Anlass bestanden. Es trifft im Übrigen nicht zu, dass die ggf. nicht zu berücksichtigen sind.
  • Und mal wieder: Das Verfahren hat ein Aktenzeichen aus dem Jahr 2022, der Pauschgebührantrag ist offenbar am „ 20. Januar 2022“ gestellt worden. Selbst wenn man berücksichtigt, dass das Sachurteil (erst) am 25.8.2022 rechtskräftig geworden ist, ist kein Grund erkennbar, warum das OLG von Januar 2022 bis März 2024, also mehr als zwei Jahre gebraucht hat, um über den Antrag zu entscheiden. An Umfang und Schwierigkeit des Verfahrens kann es nicht gelegen haben, denn das Verfahren war ja – nach Auffassung des OLG – nicht umfangreich oder schwierig. Das Abwarten der Rechtskraft und die Rückkehr der Akten erklären die lange Dauer auch nicht, da man Kostenbände anlegen kann und das (Abwarten des) Revisionsverfahrens auf das Pauschgebührverfahren keinen Einfluss hat. Also bleibt nur eine verzögerte Sachbehandlung, die mit mehr als zwei Jahren aber nicht hinnehmbar ist. Man kann Pflichtverteidigern nur raten, in solchen Fällen zu versuchen, das Verfahren mit einer Verzögerungsrüge (§ 198 GVG) zu beschleunigen.

Wie gesagt: Nicht nachvollziehbar und auch schludrig. Dazu kann ich nur anmerken. Wenn man als OLG-Richter keine Lust an Pauschgebühren hat, dann soll man es lassen, den Strafsenat verlassen und in einen Zivilsenat gehen.

Und sorry, dass es dann doch so viel geworden ist. Aber der Ärger über die Entscheidung musste raus.

Zustellung I: Hauptverhandlungsprotokoll fertig?, oder: Zustellung vor Fertigstellung?

Bild von Capri23auto auf Pixabay

eute am Donnerstag gibt es dann drei Entscheidungen zu Zustellungsfragen, also StPO. Die Entscheidungen stammen aus dem Straf- und dem Bußgeldverfahren.

Den Opener macht der OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 18.10.2023 – 7 ORs 37/23. Es geht um die Auslegung eines Rechtsmittels und eben um die Frage der Wirksamkeit einer Zustellung.

Das AG hat einen Strafbefehl gegen den Angeklagten erlassen. Zu der auf Einspruch des Angeklagten anberaumten Hauptverhandlung erschien der Angeklagte nicht. Das AG hat den Einspruch gegen den Strafbefehl verworfen. Das Verwerfungsurteil vom 24.04.2023 wurde dem Angeklagten am 17.062023 zugestellt.

Hiergegen legte der Angeklagte mit am 22.06.2023 eingegangenen Schreiben „der Ordnung halber, um Ihre rechtlichen Voraussetzungen zu erfüllen und gleichsam keine Fristen zu versäumen […] Revision“ ein. Das AG hat das Rechtsmittel als Sprungrevision gemäß § 335 Abs. 1 StPO gewertet und nach Anhörung des Angeklagten die Revision nach Ablauf der in § 345 Abs. 1 StPO vorgesehenen Revisionsbegründungsfrist mit Beschluss vom 09.082023 als unzulässig verworfen. Gegen den Beschluss legte der Angeklagte nach Zustellung „Widerspruch/Einspruch oder dergleichen“ ein. Das Rechtsmittel hatte Erfolg.

Das OLG sieht den vom Angeklagten eingelegten „Widerspruch/Einspruch oder dergleichen“ gemäß § 300 StPO als Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 346 Abs. 2 StPO an. Der sei zulässig und auch begründet.

Zu dem Rechtsmittel des Angeklagten führt das OLG aus, dass es nicht als Revision, sondern als Berufung anzusehen sei. Insoweit bitte im Volltext lesen. Dazu hier nur der Leitsatz:

Der Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 346 Abs. 2 S. 1 StPO ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Das gemäß § 346 Abs. 2 S. 1 StPO angerufene Revisionsgericht hat auch zu prüfen, ob das Rechtsmittel überhaupt als Revision anzusehen ist. Eine Auslegung der Rechtsmittelerklärung ist veranlasst, wenn mehrere Rechtsmittel zulässig sind und unklar bleibt, welches eingelegt werden soll. Das Rechtsmittel ist so zu deuten, dass der erstrebte Erfolg möglichst erreichbar ist; im Zweifel gilt das Rechtsmittel als eingelegt, das die umfassendere Nachprüfung erlaubt.

Und zur Wirksamkeit der Zustellung heißt es:

„2. Das als Berufung zu qualifizierende Rechtsmittel gegen das Verwerfungsurteil des Amtsgerichts Hanau vom 24. April 2023 ist auch bereits wirksam eingelegt, obschon dieses Urteil bislang nicht wirksam zugestellt und damit die Rechtsmittelfrist noch nicht in Gang gesetzt wurde.

Eine wirksame Zustellung eines Urteils setzt gemäß der zwingenden Verfahrensvorschrift des § 273 Abs. 4 StPO die vorherige Fertigstellung des Protokolls voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2013 – 4 StR 246/12 = NStZ 2014, 420, 41; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O., § 273 Rn 34). Die Fertigstellung des Protokolls erfolgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu dem Zeitpunkt, zu dem die letzte der für die Beurkundung des gesamten Protokollinhalts erforderlichen Unterschriften geleistet wurde (BGH Beschluss vom 13. Februar 2013 – 4 StR 246/12, a.a.O., m.w.N.). Der Tag der Fertigstellung muss nach § 271 Abs. 1 S. 2 StPO im Protokoll vermerkt oder auf sonstige Weise aktenkundig gemacht werden. Das in der Praxis übliche Vorgehen, den Fertigstellungstag unter dem Protokoll anzubringen, war ausweislich des in dem Protokoll enthaltenen Passus „Das Protokoll wurde fertiggestellt am:“, auch im vorliegenden Fall angelegt. Allerdings fehlt es an dieser Stelle an einer Eintragung des maßgeblichen Datums, das sich auch nicht aus anderen Umständen ergibt, wie etwa dem ausdrücklich in § 271 Abs. 1 S. 2 StPO vorgesehenen Vermerk oder auch der Übersendung des Protokolls an den Angeklagten (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 15. September 1969 – AnwSt (B) 2/69 = NJW 1970, 105 f.). Eine Anfertigung eines Vermerks betreffend den Zeitpunkt der Fertigstellung im Wege einer dienstlichen Stellungnahme der Vorsitzenden und der Protokollführerin ist aus Gründen der Rechtssicherheit nach der bereits tatsächlich erfolgten Zustellung nicht mehr möglich, um Unsicherheiten über die Wirksamkeit der Zustellung des Urteils und den hiervon abhängigen Fristenlauf zu verhindern; in diesem Fall muss die Zustellung – nachdem die Fertigstellung aktenkundig gemacht wurde – erneut veranlasst werden.

Die bislang fehlende Zustellung des Urteils steht der Zulässigkeit des Rechtsmittels indes nicht entgegen. Ein Rechtsmittel kann eingelegt werden, wenn und sobald die angefochtene Entscheidung ergangen ist; nicht erforderlich ist, dass der Rechtsmittelführer Kenntnis von dem Erlass der Entscheidung hatte (vgl. BeckOK-Cirener StPO, 49. Edition, Stand: 1. Oktober 2023, § 296 Rn 5). Allerdings steht es dem Angeklagten frei, nach der wirksamen Zustellung des Verwerfungsurteils vom 24. April 2023 und der damit (erstmals) in Gang gesetzten Rechtsmittelfrist, einen Wechsel von dem Rechtsmittel der Berufung hin zu dem Rechtsmittel der Revision zu erklären (vgl. LG Freiburg, Beschluss vom 3. März 2021 – 2/20 7 Ns 680 Js 39626/15). Hiervon wäre – aus den oben dargelegten Gründen – indes nur im Falle einer zweifelsfreien Erklärung auszugehen, wobei dem Angeklagten bewusst sein muss, dass – anders als im Falle der Berufung – eine Revision binnen Monatsfrist nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels zu begründen ist und dies nur durch eigene Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle bzw. einen von einem Rechtsanwalt einzureichenden Schriftsatz geschehen kann (vgl. § 345 Abs. 1 StPO).“

StGB III: Freiwillig ./. erhöhtes Selbstgefährdungsrisiko, oder: Tätige Reue bei der Geldautomatensprengung?

Geldautomat, Gewinn

Nun aber wirklich außerhalb des Mainstreams, nämlich der OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 16.10.2023 – 3 ORs 29/23 – und zwar – Achtung! – zur tätigen Reue bei der Geldautomatensprengung.

Das AG die Angeklagten wegen Vorbereitung zu einem Explosions- oder Strahlungsverbrechen schuldig gesprochen. Das LG hat auf die Berufung der Angeklagten das angefochtene Urteil u.a. im Strafausspruch aufgehoben. Die weitergehende Berufung der Angeklagten hat das LG verworfen. Hiergegen richten sich Revisionen der Angeklagten. Die Angeklagten rügen die Verletzung materiellen Rechts. Die Revisionnen hatten keinen Erfolg:

„Die auf die Sachrüge der Angeklagten erfolgte Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

a) Insbesondere ist es frei von Rechtsfehlern, dass das Landgericht – auf Grundlage seiner beanstandungsfreien Beweiswürdigung – nicht den persönlichen Strafaufhebungsgrund (vgl. nur Schönke/Schröder/Heine/Bosch, StGB, 30. Aufl. 2019, § 314a Rn. 1) der tätigen Reue gem. § 310 Abs. 1 Nr. 2 StGB i.V.m. § 314a Abs. 3 Nr. 2 StGB angenommen hat.

Materiell-rechtlich ist, wie beim Rücktritt gem. § 24 StGB, die Freiwilligkeit dann ausgeschlossen, wenn sich durch vom Täter unvorhergesehene Umstände das mit der Tatbegehung verbundene Risiko beträchtlich erhöht (BGH, Beschl. v. 16.03.2011 – 2 StR 22/11, juris Tz. 9; gegen die Unvorhersehbarkeit als notwendige Bedingung NK-StGB/Engländer, 6. Aufl. 2023, § 24 Rn. 60). Risikoerhöhend bedeutet indes noch nicht, dass die Tatausführung dem Täter durch den Auftritt des unvorhergesehenen Umstands unmöglich gemacht werden muss; insoweit läge bereits ein im Ganzen nicht mehr rücktritts- oder reuefähiger Fehlschlag vor. Das Risiko kann darin liegen, dass der Täter glaubt, durch die weitere Tatausführung Gefahr zu laufen, „geschnappt zu werden“ (BGH, Urt. v. 01.09.1992 – 1 StR 484/92, NStZ 1993, 76) bzw. seine Flucht zu vereiteln (BGH, Beschl. v. 20.11.2013 – 3 StR 325/13, NStZ 2014, 202). Neben dem Risiko, angezeigt und bestraft zu werden, sind auch Fälle umfasst, in denen sich das durch die Tatausführung eingegangene Risiko auf andere Rechtsgüter des Täters wie sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit bezieht, er die Tat also nicht mehr wie ursprünglich vorgesehen ohne erhebliche Eigengefährdung ausführen kann (vgl. BGH, Urt. v. 15.09.2005 – 4 StR 216/05, NStZ-RR 2006, 168, 169; Schönke/Schröder/Eser/Bosch, 30. Aufl. 2019, § 24 Rn. 49; NK-StGB/Engländer aaO., § 24 Rn. 60).

b) Der risikoerhöhende Umstand lag nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Vorderrichters in der die Angeklagten überkommenden großen Müdigkeit. Dadurch bestand aus der maßgeblichen Sicht der Angeklagten bei der nach der Sprengung vorgesehenen Flucht mit dem PKW eine von ihnen nachvollziehbar befürchtete, signifikant erhöhte Gefahr, zu verunglücken. Es genügt, dass die Angeklagten die Tat nach § 308 Abs. 1 StGB ihrer Vorstellung nach nicht mehr ohne erhebliche Selbstgefährdung durchführen konnten (so auch BGH, Urt. v. 15.9.2005 – 4 StR 216/05, NStZ-RR 2006, 168, 169). Ihr Entschluss zur Tataufgabe erfolgte daher nicht freiwillig i.S.d. § 314a Abs. 3 Nr. 2 StGB.

Dass die Selbstgefährdung nicht durch die Tatausführung selbst, sondern die sich anschließende Flucht begründet worden wäre, steht der Unfreiwilligkeit nicht entgegen, weil dieses Risiko unmittelbar durch die Tatausführung gesetzt wurde. Nicht anders ist es in Fällen des durch unvorhergesehene Umstände erhöhten Entdeckungs- bzw. Bestrafungsrisiko, da die dem Täter unerwünschten Folgen, Festnahme, (Freiheits-)Strafe etc., ihn naturgemäß erst nach der Tatausführung treffen (vgl. nochmals BGH, Beschl. v. 16.03.2011 – 2 StR 22/11, juris Tz. 10).

c) Es kann deshalb auch offenbleiben, ob tätige Reue gem. § 310 Abs. 1 Nr. 2 StGB i.V.m. § 314a Abs. 3 Nr. 2 StGB auch vorausgesetzt hätte, dass es die Angeklagten auch aufgegeben hätten, ihren Hinterleuten den Sprengstoff für künftige ähnliche Taten zu überlassen.

2. Das Landgericht war auch nicht gehalten, den unfreiwilligen Abbruch der Tatausführungen in seinen – auch im Übrigen rechtsfehlerfreien – Strafzumessungserwägungen darzulegen (§ 267 Abs. 3 S.1 StPO). Ob es bei einem Vorbereitungsdelikt denknotwendig ausgeschlossen ist, das Ausbleiben der vorbereiteten Tat als Strafmilderungsgrund zu berücksichtigen, wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift ausführt, kann dahinstehen. Jedenfalls handelt es sich nicht um einen Strafmilderungsgrund, der sich dem Landgericht bei der nach § 46 StGB gebotenen Abwägung nach Lage des Falles hätte aufdrängen müssen. Eine erschöpfende Aufzählung aller in Betracht kommenden Erwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 02.08.2012 – 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337).“

beA II: Anwendungsbereich der Formvorschriften, oder: Kostenfestsetzungsantrag „in eigener Sache“

Bild von StartupStockPhotos auf Pixabay

Und als zweite Entscheidung kommt dann der OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 18.01.2024 – 18 W 120/23, der sich zum Kostenfestsetzungsantrag des Rechtsanwalts äußert, wenn der in eigenen Sachen tätig wird. Die Entscheidung hätte auch an einem RVG-Tag „gepasst“, aber sie „passt“ wegen des Sachzusammenhangs auch heute.

Gestritten worden ist nach einem zivilgerichtlichen Verfahren im Rahmen einer sofortigen Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss über das Erfordernis der Einreichung des Kostenantrags als elektronisches Dokument nach § 130d ZPO. Der Kläger ist Rechtsanwalt und Notar a.D. Er hat sich im Verfahren zuletzt selbst vertreten. Er hat darauf hingewiesen, kein elektronisches Postfach zu besitzen, weil er nur noch zwei Verfahren bearbeiten müsse. Nach mehrfachem Hinweis des LG auf § 130d ZPO hat er sich zwecks Zustimmung zum schriftlichen Verfahren durch Rechtsanwalt B vertreten lassen.

Nach Beendigung des Berufungsverfahrens hat der Kläger unter Verwendung seines Briefbogens als Rechtsanwalt und Notar a.D. einen als Rechtsanwalt unterzeichneten Kostenausgleichsantrag, den Rechtsanwalt B im Auftrag des Klägers per beA an das Gericht übermittelte. Der Beklagte rügte den Antrag wegen Verstoßes gegen § 130a Abs. 3 ZPO als formunwirksam. Auf eine inhaltliche Rüge des Rechtspflegers hin korrigierte der Kläger seinen Kostenausgleichsantrag mit einem erneut durch Rechtsanwalt B per beA übermittelten Antrag. Nach einem Hinweis des Rechtspflegers darauf, dass die Anträge nicht mit dem signierenden Rechtsanwalt übereinstimmten, wiederholte der Kläger seinen zuletzt gestellten Antrag auf seinem Anwaltsbriefpapier per Fax, wobei er bei der Namensangabe unter der Unterschrift die Bezeichnung „Rechtsanwalt“ wegließ.

Das LG hat die vom Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten festgesetzt. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner sofortigen Beschwerde, mit der er rügt, der Kläger könne nicht zur Umgehung des gesetzlichen Formerfordernisses seinen Kostenfestsetzungsantrag formfrei als Partei stellen. Solange er als Rechtsanwalt tätig sei, habe er sich des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs zu bedienen. Die sofortige Beschwerde hatte beim OLG Erfolg:

„Sie hat auch in der Sache Erfolg. Der Rechtspfleger hätte den Kostenfestsetzungsbeschluss nicht erlassen dürfen, weil der Kostenfestsetzungsantrag entgegen § 130d ZPO nicht als elektronisches Dokument übermittelt wurde.

Nach § 130d S. 1 ZPO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt (..) eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Die Übermittlung als elektronisches Dokument ist eine von Amts wegen zu prüfende Wirksamkeitsvoraussetzung. Daher ist ein per Fax eingereichter Antrag – vom Sonderfall der technischen Störung nach § 130d S. 2 ZPO abgesehen – als unzulässig abzuweisen (Zöller/Greger, 35. A., § 130d ZPO Rn. 1).

Ein solcher Fall der unzulässigen Einreichung eines Antrags per Fax liegt hier vor.

1. Der sachliche Anwendungsbereich des § 130d S. 1 ZPO ist bei Einreichung eines Kostenfestsetzungsantrags durch einen Rechtsanwalt eröffnet.

a) § 130d S. 1 ZPO kommt allerdings nicht bereits deshalb zur Anwendung, weil ein Antrag nach § 103 ZPO nur durch einen Rechtsanwalt gestellt werden könnte. Für einen Antrag nach § 103 ZPO besteht kein Anwaltszwang, da § 78 Abs. 1 ZPO gemäß §§ 13, 21 Nr. 1 und Nr. 2 RPflG keine Anwendung findet (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 – III ZB 63/05, Rn. 14, juris).

b) § 130d S. 1 ZPO ist aber deshalb anwendbar, weil es sich bei dem Kostenfestsetzungsantrag um einen „schriftlich einzureichenden Antrag“ im Sinne des § 130d S. 1 ZPO handelt. Zwar besteht für einen Antrag auf Kostenfestsetzung kein zwingendes Schriftformerfordernis; vielmehr kann er nach allgemeiner Meinung auch zu Protokoll der Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts erklärt werden (MüKoZPO/Schulz, 6. Aufl. 2020, ZPO § 103 Rn. 38). Dies ändert aber nichts daran, dass ein „schriftlich einzureichender Antrag“ vorliegt.

aa) Bei der Auslegung und Ermittlung des § 130d ZPO tragenden gesetzgeberischen Willens ist die Entwicklung des § 14b Abs. 1 S. 1 FamFG, der sich mit § 130d ZPO deckt, aufschlussreich.

Die durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 eingeführte Vorschrift des § 14b Abs. 1 S. 1 FamFG sah eine Nutzungspflicht für „Anträge und Erklärungen durch einen Rechtsanwalt“ vor. Noch vor Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Januar 2022 wurde die Pflicht zur elektronischen Übermittlung durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften vom 5. Oktober 2021 auf „schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen“ beschränkt. In der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 19/28399 S. 39 f.) ist zu dieser Beschränkung ausgeführt, dass es sich um eine klarstellende Änderung handele, die erfolge, weil das FamFG im Unterschied zur Zivilprozessordnung kein allgemeines Schriftformerfordernis für Anträge und Erklärungen enthalte. Um den Besonderheiten des FamFG Rechnung zu tragen und Rechtssicherheit zu gewährleisten, werde entsprechend § 130d ZPO die Pflicht zur elektronischen Übermittlung ausdrücklich auf schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen beschränkt. Dabei ist in der Gesetzesbegründung § 64 Abs. 2 FamFG als Beispiel für eine Vorschrift genannt, die ein ausdrückliches Schriftformerfordernis vorsehe. Nach dieser Vorschrift wird eine Beschwerde durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt.

Daraus lässt sich schließen, dass der Gesetzgeber mit der Formulierung „schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen“ eine Abgrenzung zu – im FamFG möglichen – mündlichen Anträgen und Erklärungen vornehmen und sowohl schriftlich als auch zur Niederschrift abgegebene Erklärungen erfassen wollte. Dafür spricht auch, dass die Gesetzesbegründung zur Einführung des § 130d ZPO überhaupt nicht auf eine bestimmte Form abstellt, sondern lediglich ausführt „Um den elektronischen Rechtsverkehr zu etablieren, sieht Satz 1 eine Pflicht für alle Rechtsanwälte und Behörden vor, Schriftsätze, Anträge und Erklärungen den Gerichten nur noch in elektronischer Form zu übermitteln.“ (BT-Drs. 17/12634, S. 27). Nach dem Willen des Gesetzgebers soll § 130d S. 1 ZPO umfassend für alle anwaltlichen schriftlichen Anträge und Erklärungen nach der ZPO gelten (BGH, Beschluss vom 24. November 2022 – IX ZB 11/22, Rn. 8, juris).

bb) Auch der Umstand, dass es sich bei dem Kostenfestsetzungsantrag nicht um ein Rechtsmittel, sondern um einen das Kostenfestsetzungsverfahren einleitenden Antrag handelt, führt nach Auffassung des Senats nicht dazu, die Anwendbarkeit des § 130d S. 1 ZPO zu verneinen.

Der Bundesgerichtshof hat sich bislang in mehreren Entscheidungen dazu geäußert, dass zumindest Rechtsmittel/Beschwerden dem Anwendungsbereich des § 130d S. 1 ZPO, § 14b Abs. 1 S. 1 FamFG unterfallen (BGH, Beschluss vom 24. November 2022 – IX ZB 11/22 [Rechtsmittel des Insolvenzverwalters im Insolvenzverfahren]; Beschluss vom 7. Dezember 2022 – VII ZB 200/22 [Einreichung einer Beschwerde nach § 64 Abs. 2 S. 1 FamFG durch Rechtsanwalt]; Beschluss vom 31. Januar 2023 – VIII ZB 90/22 [Einreichung einer Beschwerde nach § 64 Abs. 2 S. 1 FamFG durch anwaltlichen Verfahrenspfleger]; BGH, Beschluss vom 31. Mai 2023 – XII ZB 428/22 [Einreichung einer Beschwerde nach § 64 Abs. 2 S. 1 FamFG durch einen Berufsbetreuer]). Allerdings hat der Bundesgerichtshof in der zuletzt zitierten Entscheidung colorandi causa ausgeführt, der Vergütungsantrag des anwaltlichen Betreuers müsse nicht als elektronisches Dokument eingereicht werden. Dazu heißt es (Rn. 18, juris):

„Der Vergütungsantrag des Betreuers nach § 292 Abs. 1 FamFG unterliegt, auch wenn mit ihm das Vergütungsfestsetzungsverfahren eingeleitet wird, vorbehaltlich (bislang nicht bestehender) abweichender landesrechtlichen Bestimmungen über die Verpflichtung zur Benutzung von Vordrucken (§ 292 Abs. 6 FamFG) keinem zwingenden Schriftformerfordernis. Nach § 25 Abs. 1 FamFG können Anträge und Erklärungen gegenüber dem zuständigen Gericht schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle abgegeben werden, soweit eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht notwendig ist. Werden verfahrenseinleitende Anträge nicht zur Niederschrift der Geschäftsstelle, sondern schriftlich abgegeben, hängt deren Wirksamkeit – anders als nach § 64 Abs. 2 Satz 3 und 4 FamFG bei bestimmenden Schriftsätzen im Beschwerdeverfahren – nicht von der Beachtung zwingender Formvorschriften ab (vgl. § 23 FamFG), zu denen § 14 b Abs. 1 FamFG für Rechtsanwälte hinzutreten könnte. Auch die Gesetzesmaterialien gehen davon aus, dass für den Großteil von Anträgen und Erklärungen in Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit kein Schriftformerfordernis besteht und diese deshalb dem § 14 b Abs. 2 FamFG unterfallen (BT-Drucks. 19/28399 S. 40). Der Betreuer darf seinen Vergütungsantrag deshalb auch dann in gewöhnlicher Schriftform stellen, wenn er als Rechtsanwalt zugelassen ist. Er ist in diesem Fall allerdings verpflichtet, auf Anforderung des Gerichts ein elektronisches Dokument nachzureichen (§ 14 b Abs. 2 Satz 2 FamFG).“

Aus dieser Entscheidung könnte zu folgern sein, dass es für die sachliche Anwendbarkeit des § 130d ZPO darauf ankommt, ob es für den Antrag bzw. die Erklärung bestimmte – über die Schriftlichkeit als solche hinausgehende – Formerfordernisse (wie z.B. bei einer Beschwerde, vgl. § 569 Abs. 2 S. 2 ZPO, § 64 Abs. 2 S. 3 und 4 FamFG) gibt, und § 130d S. 1 ZPO nicht zur Anwendung kommt, wenn ein Antrag ohne jegliche Formerfordernisse auch zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden kann. Dagegen spricht nach Auffassung des Senats jedoch die oben angeführte Gesetzesbegründung zu § 130d ZPO, die ein weites Verständnis hinsichtlich der der Vorschrift unterfallenden Anträge und Erklärungen aufzeigt. Hinzu kommt ein Unterschied zwischen § 130d ZPO und § 14b FamFG. Da das FamFG im Gegensatz zur ZPO kein allgemeines Schriftformerfordernis vorsieht, besteht nach § 14b Abs. 2 FamFG für nicht schriftlich einzureichende Anträge die Möglichkeit der Einreichung eines Antrags in gewöhnlicher Form. Zugleich sieht § 14b Abs. 2 S. 2 FamFG die Verpflichtung vor, auf Anforderung des Gerichts ein elektronisches Dokument nachzureichen. Eine § 14b Abs. 2 FamFG entsprechende Vorschrift enthält die ZPO nicht, was deutlich macht, dass dort grundsätzlich alle (stets) schriftlich einzureichenden Erklärungen und Anträge der Vorschrift des § 130d ZPO unterfallen.

Zudem ist vorliegend zu berücksichtigen, dass es sich bei einem Kostenfestsetzungsverfahren um einen Teil des Rechtsstreits handelt (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2011 – V ZB 237/10, Rn. 7, juris), was ebenso dafür spricht, den Kostenfestsetzungsantrag wie sonstige Anträge und Erklärungen zu behandeln und § 130d S. 1 ZPO unterfallen zu lassen.

Danach ist der sachliche Anwendungsbereich des § 130d S. 1 ZPO für einen durch einen Rechtsanwalt eingereichten Kostenfestsetzungsantrag eröffnet.

2. Auch der persönliche Anwendungsbereich des § 130d S. 1 ZPO ist eröffnet.

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist mittlerweile geklärt, dass für Rechtsanwälte die Pflicht zur elektronischen Übermittlung nach § 130d S. 1 ZPO und § 14b Abs. 1 S. 1 FamFG nicht nur dann besteht, wenn sie einen Beteiligten vertreten, sondern auch dann, wenn sie – z.B. als Verfahrenspfleger (BGH, Beschluss vom 31. Januar 2023, aaO.), Insolvenzverwalter (BGH, Beschluss vom 24. November 2022, aaO.) oder anwaltlicher Berufsbetreuer (BGH, Beschluss vom 31. Mai 2023, aaO.) – berufsmäßig im eigenen Namen auftreten. Der Bundesgerichtshof begründet die generelle Nutzungspflicht für Rechtsanwälte unabhängig von ihrer Rolle im Verfahren mit der auf eine „Nutzungspflicht für Rechtsanwälte“ abstellenden amtlichen Überschrift der Vorschriften, ihrem weit gefassten Wortlaut, der Gesetzesbegründung und dem Zweck der Normen, der für ein statusbezogenes Verständnis der Nutzungspflicht spreche (BGH, Beschluss vom 31. Mai 2023, aaO., Rn. 11 ff.).

Nach dieser Rechtsprechung, der der Senat folgt, war dem Antrag des Klägers vom 20. Juni 2023 entgegen der Auffassung des Landgerichts mangels Übermittlung als elektronisches Dokument und wegen Verstoßes gegen § 130d S. 1 ZPO nicht zu entsprechen. Dabei kann dahinstehen – was der Bundesgerichtshof offen gelassen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Mai 2023, aaO., Rn. 16, juris) -, ob § 130d S. 1 ZPO auch dann zur Anwendung kommt, wenn ein Rechtsanwalt bewusst als Privatperson in eigener Sache auftritt, wofür sprechen könnte, dass ein Rechtsanwalt ohnehin über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach verfügen muss und jenseits eines Auftretens in eigener Sache als Privatperson einem Zwang zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten unterliegt (BGH, Beschluss vom 31. Mai 2023, aaO., Rn. 14). Vorliegend hat der Kläger nämlich keine deutliche Trennung von seiner Stellung und seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt vorgenommen. Zwar hat er bei seinem Antrag unter seiner Unterschrift lediglich seinen Namen wiedergegeben und dabei den zunächst vorhandenen Zusatz „Rechtsanwalt“ weggelassen. Er ist aber in der Gesamtschau weiterhin als Rechtsanwalt im eigenen Namen aufgetreten. Denn er hat weiterhin sein Anwaltsbriefpapier verwendet, das im Briefkopf die Bezeichnung „Anwaltskanzlei Vorname1 Nachname1“ enthält und ihn als „Rechtsanwalt Nachname1“ bzw. „Rechtsanwalt und Notar a.D.“ bezeichnet. Zudem macht er neben den Kosten der 1. Instanz entsprechend einer vorgelegten Kostennote seines damaligen Prozessbevollmächtigten bezüglich der Kosten der 2. Instanz eigene Anwaltsgebühren in Form einer Verfahrens- und Terminsgebühr nebst einer Pauschale für Post und Telekommunikation geltend. Damit betrifft sein Antrag gerade seine eigene Stellung und sein Kosteninteresse als Rechtsanwalt. Vor diesem Hintergrund war er gehalten, als Rechtsanwalt die Form des § 130d S. 1 ZPO einzuhalten. Da dies nicht geschehen ist, war der Kostenfestsetzungsantrag unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses als unzulässig abzuweisen.“

Das OLG hat die Rechtsbeschwerde zum BGH – leider – nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung habe noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BGH erfordere (§ 574 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 ZPO). Abweichende obergerichtliche Entscheidungen seien nicht ersichtlich und der sachliche und persönliche Anwendungsbereich des § 130d ZPO sei hinreichend geklärt. Nun ja: Nachdem der BGH im Beschl. v. 31.01.2023 (VIII ZB 90/22) auch, wenn auch „colorandi causa“. etwas zum Kostenfestsetzungsantrag gesagt hat, hätte man dann vielleicht doch gern etwas „Tragendes“ vom BGH gehört.

U-Haft III: Dauerbesuchs- und Telefonerlaubnis, oder: Verdunkelungsgefahr bei der Ehefrau?

© scusi – Fotolia.com

Und als dritte und letzte Entscheidung des Tages dann hier noch der OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 16.11.2023 – 7 Ws 207/23 – zur Versagung einer Dauerbesuchs- und Telefonerlaubnis in der Untersuchungshaft.

Der Angeklagte befindet sich seit dem 05.10.2022 in Untersuchungshaft. Das AG hat  verschiedene Beschränkungen nach § 119 Abs. 1 StPO angeordnet, und zwar u.a. dass Besuche und die Telekommunikation der ausdrücklichen Erlaubnis bedürfen.

Vom AG ist der Angeklagte dann am 23.02.2023 wegen Betrugs in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Ferner wurde ein Betrag in Höhe von 229.087,41 EUR eingezogen. Der Haftbefehl wurde aufrechterhalten. Der Angeklagte hat Berufung eingelegt.

Die Staatsanwaltschaft hat nach der erstinstanzlichen Hauptverhandlung wegen des dem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalts ein Ermittlungsverfahren gegen die Ehefrau des Angeklagten wegen Betrugs bzw. wegen Beihilfe zum Betrug eingeleitet.

Die Ehefrau des Angeklagten hat dann für Besuche und Telefonate bei bzw. mit ihrem Ehemann bei der nach der Einlegung der Berufung zuständigen Strafkammer mit Schreiben vom 08.05.2023 eine Dauerbesuchserlaubnis und eine Telefonerlaubnis beantragt. Diesen Antrag hat die Strafkammer wegen einer bestehenden Verdunkelungsgefahr abgelehnt. Zur Begründung hat die Kammer darauf abgestellt, dass eine Unterbrechung des Kontakts zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau – mit Ausnahme eines überwachten postalischen Kontakts – angezeigt sei, da eine Gesprächsüberwachung bei Telefonaten und Besuchen nicht ausreichend sei.

Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte keinen Erfolg:

„Die mit dem angegriffenen Beschluss erfolgte Versagung der Dauerbesuchs- und Telefonerlaubnis für die Ehefrau des Angeklagten ist nach Ausübung des dem Senat gemäß § 309 Abs. 2 StPO zukommenden eigenen Ermessens zur Abwehr der Verdunkelungsgefahr im Sinne von § 119 Abs. 1 S. 1 StPO erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juli 1964 – AnwSt (B) 4/64 = NJW 1964, 2119; KK-Zabeck StPO, 9. Auflage 2023, § 309 Rn 6; MüKo-Neuheuser StPO, 2016, § 309 Rn 26 ff.).

Gemäß § 119 Abs. 1 S. 1 StPO können einem inhaftierten Beschuldigten Beschränkungen auferlegt werden, wenn dies zur Abwehr einer Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr erforderlich ist. Die Beschränkungen zu Lasten eines Untersuchungsgefangenen können dabei nicht nur auf die im Haftbefehl ausdrücklich genannten Haftgründe gestützt werden, sondern sie kommen auch zur Abwehr aller übrigen in § 119 Abs. 1 S. 1 StPO aufgeführten Gefahren in Betracht. Das heißt, es kann – so wie hier geschehen – auch auf im Haftbefehl nicht genannte weitere Haftgründe zur Begründung einer Beschränkungsanordnung zurückgegriffen werden (OLG Frankfurt am Main, Beschlüsse vom 3. November 2022 – 3 Ws 391/22, vom 16. Februar 2023 – 3 Ws 25/23 sowie vom 11. Februar 2016 – 3 Ws 57/16 = BeckRS 2016, 11581 Rn 2; Meyer-Goßner/Schmitt StPO, 66. Auflage § 119 Rn 5). Für die Annahme einer solchen Gefahr genügt nicht die bloße Möglichkeit der Gefährdung eines Haftzwecks; hierfür sind konkrete Anhaltspunkte erforderlich (allg. Meinung, vgl. z. B. BVerfG, Beschluss vom 30. Oktober 2014 – 2 BvR 1513/14 = NStZ-RR 2015, 79).

Das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte im vorgenannten Sinne erfordert allerdings keine konkreten Vertuschungs- oder Verdunkelungshandlungen (BeckOK-Krauß StPO, Stand: 1. Oktober 2023, § 119 Rn 12). Vielmehr ist angesichts der geringeren Eingriffsintensität solcher Beschränkungen gegenüber der Haft nicht dieselbe tatsächliche Verdichtung im Sinne eines dringenden Tatverdachts nötig (OLG Frankfurt am Main, Beschlüsse vom 3. November 2022 – 3 Ws 391/22 und vom 16. Februar 2023 – 3 Ws 25/23). Zur Beurteilung der einem Haftzweck zuwiderlaufenden Gefahr kann daher auch auf allgemeine kriminalistische Erfahrungen abgestellt werden (KG, Beschluss vom 7. August 2014 – 1 Ws 52/14 = NStZ-RR 2014, 377 m.w.N.). Insbesondere gilt der Erfahrungssatz, dass Absprachen unter Tatbeteiligten jedenfalls dann naheliegen, wenn diese nicht geständig sind (KG, Beschluss vom 20. Oktober 2022 – 5 Ws 41/22121 AR 50/22 = BeckRS 2022, 38740; OLG Frankfurt am Main, Beschlüsse vom 3. November 2022 – 3 Ws 391/22 und vom 16. Februar 2023 – 3 Ws 25/23). Dies gilt umso mehr, wenn Angehörige und Freunde involviert sind, da hier nicht nur ein gesteigertes Vertrauensverhältnis besteht, sondern diese sich zudem regelmäßig dem Angeklagten besonders emotional verpflichtet fühlen (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 16. Februar 2023 – 3 Ws 25/23). Schließlich kann eine entsprechende Gefahr auch konkret-typisierend durch die Art der zu Last gelegten Taten und deren Begehung begründet sein (OLG Frankfurt am Main, Beschlüsse vom 3. November 2022 – 3 Ws 391/22 und vom 16. Februar 2023 – 3 Ws 25/23; BeckOK-Krauß StPO, a.a.O., § 119 Rn 12).

Daran gemessen liegen konkrete Anhaltspunkte für eine Verdunkelungsgefahr für den Fall eines persönlichen oder telefonischen Austauschs zwischen den Eheleuten W vor. Bereits die dem Angeklagten vorgeworfenen Straftaten des Betrugs durch das Einmieten in Hotels – im X gar über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren – sprechen für ein manipulatives Geschick des Angeklagten und damit für dessen grundsätzliche Bereitschaft zu aktiven Vertuschungshandlung. Entgegen der Auffassung des (vormaligen) Verteidigers in der Beschwerdeschrift spricht die Tatsache, dass der Angeklagte erstinstanzlich aufgrund von Zeugenaussagen und Urkunden verurteilt wurde, nicht gegen, sondern gerade für das Vorliegen der Verdunkelungsgefahr. Es ist davon auszugehen, dass die Motivation zu Verdunkelungshandlungen des in erster Instanz die Taten auf subjektiver Ebene in Abrede stellenden Angeklagten mit der erstinstanzlichen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten zugenommen hat, muss er doch bei unveränderter Beweislage mit der Verwerfung seiner Berufung rechnen. Dabei spricht auch die Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen die Ehefrau für ein gesteigertes Interesse sowohl des Angeklagten als auch seiner Ehefrau, einen Freispruch des Angeklagten im vorliegenden Verfahren zu erreichen, da beide anderenfalls nun mit einer Verurteilung auch von ihr wegen Betrugs bzw. Beihilfe zum Betrug rechnen müssen. Es kommt – abermals entgegen der Beschwerdeschrift – nicht darauf an, ob die Ehefrau des Angeklagten auf die bereits in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen einwirkt. Zu befürchten ist vielmehr eine Absprache zwischen den Eheleuten im Hinblick auf die ursprüngliche Zahlungsbereitschaft und die Zahlungsfähigkeit und nachfolgend eine entsprechend abgestimmte Aussage der – erstinstanzlich nicht vernommenen – Ehefrau als Zeugin in der noch bevorstehenden Berufungshauptverhandlung.

Die Versagung der Dauerbesuchs- und Telefonerlaubnis ist auch nicht unverhältnismäßig. Der Senat verkennt nicht, dass mit Blick auf den verfassungsrechtlich gewährten Schutz der Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) Besuchsanträge und Telefonerlaubnisse von Familienangehörigen nur aus schwerwiegenden Gründen abgelehnt werden dürfen und vorrangig mildere Maßnahmen der Überwachung, namentlich eine akustische Überwachung der Gespräche, zu prüfen sind (vgl. KK-Gericke StPO, 9. Auflage 2023, § 119 Rn 17). Bestehen allerdings – wie hier – konkrete Anhaltspunkte für eine Verdunkelungsgefahr, genügt eine akustische Überwachung in der Regel nicht, besteht bei einem unlauteren Informationsaustausch doch allenfalls die Möglichkeit, das Gespräch abzubrechen, während die einmal gesprochene und wahrgenommene Mitteilung nicht mehr ungeschehen gemacht werden kann (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 24. November 2009 – 2 Ws 246/09 = NStZ-RR 2010, 159, 160; KK-Gericke, a.a.O., § 119 Rn 17). Außerdem ist zu bedenken, dass es aufgrund der langjährigen Ehe der Eheleute naheliegend ist, dass bloße Andeutungen oder vermeintlich unverbindliche Gesprächsinhalte genügen, um tatsächlich wichtige Informationen auszutauschen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 24. November 2009 – 2 Ws 246/09, a.a.O.; KK-Gericke, a.a.O., § 119 Rn 17), zumal für den im Raum stehenden Betrugsvorwurf sowie die Einziehungsentscheidung der weite Bereich der Lebensverhältnisse der Eheleute in der Vergangenheit, welche Aufschluss über die wirtschaftliche Situation geben könnten, betroffen ist. Schließlich wird – anders als dies im Rahmen der Beschwerdeschrift vorgetragen wurde – dem Angeklagten nicht der einzige soziale Kontakt in die Freiheit genommen. Die Eheleute haben weiterhin die Möglichkeit des schriftlichen Austauschs, wobei hier die Briefkontrolle durch den mit dem Verfahren vertrauten Vorsitzenden gewährleistet ist.“