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Unerlaubte Veranstaltung eines Glückspiels, oder: Kein Glück mit der Erlaubnis

entnommen wikimedia.org
Urheber Oliver abels (SBT)

Heute dann: Bunte Mischung, und zwar zunächst mit dem OLG Celle, Beschl. v. 16.01.2019 – 2 Ws 485/18. Er behandelt ein etwas abgelegeneres Thema, nämlich unerlaubte Veranstaltung eines Glückspiels (§ 284 StGB). Das OLG geht von Folgendem aus:

Die Staatsanwaltschaft Hannover hat gegen den Angeschuldigten wegen unerlaubter Veranstaltung eines Glücksspiels am 30. April 2018 Anklage erhoben.

Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeschuldigten zur Last, im Zeitraum vom 1. Juli bis zum 18. September 2017 in der D.straße .. in H. als Geschäftsführer der Firma M. S. GmbH ohne behördliche Erlaubnis eine Spielhalle betrieben zu haben.

Zwar sei der M. S. GmbH eine gewerberechtliche Erlaubnis zur Betreibung der streitgegenständlichen Spielhalle erteilt worden; durch den am 01. Juli 2012 in Kraft getretenen Glücksspieländerungsstaatsvertrag (GlüStV) vom 15. November 2011 sei jedoch eine weitere glücksspielrechtliche Erlaubnis zum Betreiben der Spielhalle erforderlich gewesen, die der M. S. GmbH nicht erteilt worden sei.

Da die Firma durch den unerlaubten Betrieb der Spielhalle im Tatzeitraum einen Erlös von 90.000 € erzielt habe, begehrt die Staatsanwaltschaft zudem gemäß § 73b StGB gegenüber der als Einziehungsbeteiligte benannten M. S. GmbH die Einziehung des Wertes des Taterlangten.

Am 02. Oktober 2018 hat die Staatsanwaltschaft darüber hinaus auch im selbstständigen Einziehungsverfahren beantragt festzustellen, dass die Einziehungsbeteiligte durch die dem Angeschuldigten W. zur Last gelegte Tat einen Betrag in Höhe von 90.000 € erlangt hat. Zugleich hat sie die Anordnung der Einziehung des Wertes des Taterlangten in Höhe dieses Betrages beantragt.   

Der Glücksspieländerungsstaatsvertrag vom 15.11.2011 regelte u.a. folgendes:

  • Trotz einer vorhandenen gewerberechtlichen Erlaubnis wurde nunmehr gemäß § 24 GlüStV zusätzlich eine landesrechtliche, glücksspielrechtliche Erlaubnis zur Betreibung einer Spielhalle erforderlich.
  • Zwei Spielhallen in „echter Konkurrenz“ mussten nunmehr mindestens 100 m Luftlinie voneinander entfernt sein (sog. Abstandsgebot; § 25 GlüStV iVm § 10 Abs. 2 NGlüSpG).
  • Mehrere Spielhallen in einem Komplex durften nicht mehr verbunden miteinander betrieben werden (sogenanntes Verbundverbot, § 25 Abs. 2 GlüStV)
  • Bisher erteilte Genehmigungen galten aufgrund der Übergangsvorschrift gem. § 29 Abs. 4 GlüStV bis zum 1. Juli 2017 fort.
  • Gem. § 29 Abs. 4 GlüStV wurden die für die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis zuständigen Behörden ermächtigt, nach Ablauf des in Satz 2 bestimmten Zeitraums eine Befreiung von der Erfüllung einzelner Anforderungen des § 24 Abs. 2 sowie § 25 für einen angemessenen Zeitraum zuzulassen, wenn dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich war (sog. Härtefallregelung).

Die beiden von der M. S. GmbH ursprünglich mit einer gewerberechtlichen Erlaubnis betriebenen Spielhallen in der D.str. in H. befinden sich in einem Gebäudekomplex. Zudem befanden sich in einem Abstand von weniger als 100 m zahlreiche andere Spielhallen (Verstoß gegen Abstands- und Verbundverbot).

Der Angeschuldigte hat sich zu dem Tatvorwurf nicht eingelassen. Er vertritt die Rechtsauffassung, § 284 StGB sei bei schwebenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren und zudem aufgrund mangelnder verfassungskonformer Gesetzesgrundlage des Verfahrens bzgl. der Auswahl konkurrierender Spielhallenbetreiber nicht anwendbar. Im Übrigen habe sich der Angeschuldigte auch in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden.“

Das LG Hannover hat das Hauptverfahren nicht eröffnet. Dagegen die Beschwerde der Staatsanwaltschaft, die Erfolg hat. Das OLG eröffnet.

Ich stelle hier heute nur den Leitsatz der Entscheidung ein. Rest des umfangreichen Beschlusses bitte selbst lesen. Der Leitsatz lautet:

„Der objektive Tatbestand des § 284 StGB ist bereits erfüllt, wenn ein Spielhallenbetreiber nach dem 01. Juli 2017 eine Spielhalle ohne die erforderliche glücksspielrechtliche Erlaubnis betreibt. Es ist ohne Bedeutung, ob ihm eine vorläufige glücksspielrechtliche Erlaubnis hätte erteilt werden müssen.“

OWi I: Mobiltelefon nur halten reicht (auch jetzt) nicht, oder: Habe ich doch schon immer gesagt

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So, heute OWi-Tag. Und den eröffne ich mit zwei Entscheidungen zu § 23 Abs. 1a StVO – Elekktronisches Gerät im Straßenverkehr.

Und da weise ich zunächst auf den OLG Celle, Beschl. v. 07.02.2019 – 3 Ss (OWi) 8/19 – hin. Der ist taufrisch – nämlich von gestern. Ich könnte ihn auch überschreiben mit: Habe ich doch immer gesagt. Denn das OLG Celle bestätigt die Auffassung, die davon ausgeht, dass auch nach der Neufassung des § 23 Abs. 1a StVO ein Verstoß nur dann vorliegt, wenn über das bloße Aufnehmen oder Halten des elektronischen Geräts hinaus ein Zusammenhang mit der Verwendung einer Bedienfunktion des Geräts besteht:

„Nach den Feststellungen führte der Betroffene am 10. November 2017 auf dem H. Weg in H. einen Personenkraftwagen und „benutzte“ während der Fahrt ein Mobiltelefon, „indem er dieses in seiner Hand hielt“. Weitere Feststellungen hat das Amtsgericht nicht getroffen. Im Rahmen der Beweiswürdigung hat es ausgeführt, dass die Zeugin nicht habe bekunden können, ob der Betroffene Sprechbewegungen gemacht habe. Das Amtsgericht ist der Auffassung, dass nach § 23 Abs. 1a StVO n.F. bereits das bloße Halten des Mobiltelefons den Tatbestand erfülle…..

II.

Das Rechtsmittel hat (zumindest vorläufig) Erfolg.

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Die Frage, ob nach der Neufassung des § 23 Abs. 1a StVO bereits das bloße Halten eines elektronischen Gerätes ausreicht, um den Bußgeldtatbestand zu verwirklichen, ist in der Fachliteratur umstritten und wurde bislang – soweit ersichtlich – obergerichtlich noch nicht tragend entschieden.

2. Aus den vorgenannten Gründen ist die Sache gemäß § 80 a Abs. 3 OWiG vom Einzelrichter auf den Senat übertragen worden.

3. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

Das angefochtene Urteil hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand, weil die getroffenen Feststellungen den Schuldspruch nicht tragen.

a) Allein durch das Aufnehmen oder Halten eines elektronischen Gerätes, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, während der Fahrt begeht der Führer eines Kraftfahrzeuges keinen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO in der Fassung der Dreiundfünfzigsten Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 6. Oktober 2017 (BGBL. I 2017, 3549). Es muss vielmehr auch weiterhin über das bloße Halten hinaus eine Benutzung des elektronischen Geräts hinzukommen (so auch König, in Hentschel/König/Dauer, StVO 45. Aufl. § 23 Rn. 32; Ternig VD 2018, 300; ders. SVR 2018, 434; Krenberger, jurisPR-VerkR 18/2018 Anm. 6).

b) Der Auffassung, die einen Verstoß bereits dann annimmt, wenn das elektronische Gerät in der Hand gehalten wird (OLG Oldenburg, Beschluss vom 25. Juli 2018 – 2 Ss (OWi) 201/18 –, DAR 2018, 577; Fromm, MMR 2018, 68, 69; Eggert in Freymann/Wellner, juris PK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 23 StVO 1. Überarbeitung Rn. 28.1), vermag der Senat nicht zu folgen. Sie ist nicht mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbar. Danach darf, wer ein Fahrzeug führt, ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, „nur benutzen, wenn (…) hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird (…)“. Die Vorschrift regelt also, unter welchen Bedingungen die Benutzung eines elektronischen Geräts während der Fahrt erlaubt ist, und verbietet das Aufnehmen oder Halten des Geräts zu diesem Zweck („hierfür“). Fehlt es hingegen am Element der Benutzung, so unterfällt auch das Aufnehmen oder Halten nicht dem Verbot. Deshalb kann nicht allein das Aufnehmen oder Halten des Geräts ein Benutzen im Sinne der Vorschrift ausmachen. Hinzukommen muss vielmehr irgendein Zusammenhang des Aufnehmens oder Haltens mit einer der Bedienfunktionen des Gerätes, also mit seiner Bestimmung zur Kommunikation, Information oder Organisation (vgl. König aaO; Ternig aaO).

c) In der Rechtsprechung zur alten Fassung der Vorschrift war anerkannt, dass den Tatbestand nicht erfüllt, wer das Mobiltelefon lediglich aufnimmt, um es andernorts wieder abzulegen (OLG Köln NJW 2015, 361; OLG Düsseldorf NZV 2007, 95; OLG Bamberg VM 2007 Nr. 62; OLG Hamm NJW 2006, 2870). Hieran hat sich durch die Neufassung der Vorschrift nichts geändert (so auch Eggert aaO). Der mögliche Wortsinn des gesetzlichen Tatbestands bildet die Grenze der Auslegung (vgl. KK/OWiG-Rogall 5. Aufl. § 3 Rn. 53 mwN). Vom möglichen Wortsinn des Begriffs „Benutzen“ ist aber die bloße Ortsveränderung des elektronischen Geräts nicht mehr gedeckt, weil eine solche Handlung keinen Bezug zur Funktionalität des Geräts aufweist (OLG Köln aaO). Es kann dann nicht mehr die Rede davon sein, dass es bestimmungsgemäß verwendet wird.

Abgesehen davon dürfen mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG einzelne Tatbestandsmerkmale auch innerhalb ihres möglichen Wortsinns nicht so weit ausgelegt werden, dass sie vollständig in anderen Tatbestandsmerkmalen aufgehen, also zwangsläufig mit diesen mitverwirklicht werden (Verschleifung oder Entgrenzung von Tatbestandsmerkmalen; vgl. BVerfGE 87, 209, 229; 92, 1, 16 f., 126, 170, 233). Hierauf würde es aber hinauslaufen, wenn man jegliches Aufnehmen oder Halten eines elektronischen Geräts mit dessen Benutzung gleichsetzte (vgl. Bertlings, jurisPR-StrafR 20/2018 Anm. 5). Es wäre auch nicht einsichtig, eine funktionsneutrale Tätigkeit wie das Umlagern bei einem elektronischen Gerät anders zu bewerten als bei sonstigen im Fahrzeug mitgeführten Gegenständen (vgl. Ternig aaO).

d) Die hier vertretene Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Nach der Begründung des Änderungsentwurfs enthält der neue Absatz 1a „statt dem bisherigen Verbot nunmehr ein Gebot, unter welchen Voraussetzungen eine Gerätenutzung zulässig ist“ (BR-Drucks. 556/17, S. 25). Die in § 23 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 StVO n.F. zusätzlich normierten Nutzungsvoraussetzungen wurden eingefügt, „um die auch bei Einhaltung des hand-held-Verbots mit der Benutzung einhergehenden verkehrssicherheitsgefährdenden Tätigkeiten weiter zu minimieren“ (BR-Drucks. aaO S. 26). Hieran zeigt sich, dass aus Sicht des Verordnungsgebers dem Tatbestandsmerkmal der „Benutzung“ weiterhin ein eigener Regelungsgehalt zukommt, der an die mit der Benutzung „einhergehenden verkehrssicherheitsgefährdenden Tätigkeiten“ – auch ohne Aufnehmen oder Halten des Geräts – anknüpft. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Teil der Entwurfsbegründung, auf den das Oberlandesgericht Oldenburg maßgeblich abgestellt hat. Dort heißt es:

„Unter Berücksichtigung der Empfehlungen des 55. Deutschen Verkehrsgerichtstages wird klargestellt, dass es für das Verbot der Gerätenutzung nicht nur darauf ankommt, ob das Gerät für die Benutzung grundsätzlich in der Hand gehalten werden muss, sondern ob es tatsächlich in der Hand gehalten wird. Hiermit soll eine Regelungslücke geschlossen werden für Fälle, in denen das Gerät in der Hand gehalten wird, obwohl dies nicht erforderlich wäre (vgl. auch OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.4.2016 – 4 Ss 212/16).“

In dieser Passage wird – wie auch im Verordnungstext selbst – das Halten des Geräts im Zusammenhang mit der Benutzung genannt. Einziger Unterschied zur alten Fassung der Vorschrift ist, dass das Halten des Geräts nun nicht mehr für die Benutzung erforderlich sein muss, sondern es ausreicht, dass Benutzung und Halten rein tatsächlich zusammentreffen. Zu dieser Änderung sah sich der Verordnungsgeber veranlasst, weil in dem vom Oberlandesgericht Stuttgart entschiedenen Fall der Betroffene ein Telefongespräch über eine Freisprechanlage geführt und dennoch das Mobiltelefon in der Hand gehalten hatte, obwohl dies für das Telefonieren unnötig war. Allein diese Regelungslücke sollte geschlossen werden. Die Absicht, ein generelles Verbot des Aufnehmens oder Haltens elektronischer Geräte ohne Zusammenhang mit einer der Bedienfunktionen einzuführen, ist dem nicht zu entnehmen. Hätte der Verordnungsgeber zum Ziel gehabt, die Hände des Fahrzeugführers vollständig von fahrfremden Tätigkeiten freizuhalten oder etwaige Beweisschwierigkeiten mit Blick auf die immer wieder neu auftauchenden Schutzbehauptungen Betroffener auszuräumen, so wäre zudem nicht erklärlich, warum das Verbot auf elektronische Geräte beschränkt worden ist, die der Kommunikation, Information oder Organisation dienen oder zu dienen bestimmt sind. Aus der Entwurfsbegründung ergibt sich vielmehr, dass der Verordnungsgeber gerade in der Kombination von Halten des elektronischen Geräts und Nutzung einer Bedienfunktion eine erhöhte Gefährdung der Verkehrssicherheit sieht, die mit Blick auf das Übermaßverbot die Beschränkung – im Gegensatz zu anderen, als sozialadäquat angesehenen fahrfremden Tätigkeiten (z.B. essen) – rechtfertigt (BR-Drucks. 556/17, S. 25 f.).

e) Die Voraussetzungen für eine Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 121 Abs. 2 GVG i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG sind nicht erfüllt. Zwar gilt die Vorlagepflicht auch im Zulassungsverfahren nach § 80 OWiG (vgl. BGHSt 23, 365, 366; 24, 208, 209). Sie besteht aber nur, wenn die Rechtsauffassung, von der abgewichen werden soll, tragende Grundlage der früheren Entscheidung des anderen Oberlandesgerichts war (vgl. BGHSt 30, 160; KK/StPO-Hannich 7. Aufl. § 121 GVG Rn. 38 mwN). Das ist vorliegend nicht der Fall. In der vom Oberlandesgericht Oldenburg entschiedenen Sache hatte das Amtsgericht nämlich festgestellt, dass der Betroffene während der Fahrt ein Mobiltelefon in der Hand hielt und mehrere Sekunden auf das Display schaute. Damit lag über das bloße Halten hinaus ein Zusammenhang mit einer Bedienfunktion des Mobiltelefons, mithin ein Benutzen vor (so auch Ternig aaO). Denn eine Benutzung setzt nicht das Zustandekommen einer Verbindung zum Internet oder Mobilfunknetz voraus; bereits das Ablesen der Uhrzeit, Prüfen des Ladezustands o.ä. reicht aus (vgl. König aaO). Auch nach der hier vertretenen Auffassung ist darin ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO n.F. zu sehen, ohne dass es weiterer Feststellungen bedarf, welche Bedienfunktion konkret verwendet wurde. Auf der Ansicht, dass auch das Halten allein für den Verstoß ausgereicht hätte, beruht die frühere Entscheidung also nicht.

III.

Das angefochtene Urteil kann somit keinen Bestand haben. Eine eigene Sachentscheidung des Senats kommt nicht in Betracht. Denn es ist nicht auszuschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden können, die eine rechtsfehlerfreie Verurteilung des Betroffenen tragen. Die Wahrnehmung von Sprechbewegungen ist hierfür nicht zwingend erforderlich. Bereits aus der Art und Weise, wie das Mobiltelefon gehalten wurde, können Rückschlüsse auf die Nutzung einer Bedienfunktion gezogen werden.“

Wie gesagt: habe ich doch schon immer gesagt (vgl. dazu auch Elektronische Geräte/Mobiltelefon im Straßenverkehr).

Erstreckung, die zweite, oder: Beim Nebenklägervertreter gilt die Rückwirkung nicht

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Schon etwas länger hängt in meinem Blogordner der OLG Celle, Beschl. v. 13.11.2018 – 2 Ws 426/18. Auch er behandelt eine Erstreckungsproblematik, nämlich die Erstreckung der Beiordnung beim Nebenklägervertreter.

Grundlage war folgender Sachverhalt: Das AG hatte die Nebenklage zugelassen. In der Hauptverhandlung ist der Rechtsanwalt dann als Vertreter des Nebenklägers aufgetreten. Die Hauptverhandlung erstreckte sich über 14 Termine im Zeitraum vom 23.08.2017 bis zum 26.02.2018. Mit Schreiben vom 6.12.2017 beantragte der Nebenkläger für die Hinzuziehung seines RechtsanwaltsProzesskostenhilfe nach § 397a Abs. 2 StPO. Das AG hat Prozesskostenhilfe im Hauptverhandlungstermin vom 8.12.2017 ohne Ratenzahlung bewilligt.

Der Nebenklagevertreter beantragt dann später die die Festsetzung und Erstattung seiner Gebühren. Dieser Antrag umfasst auch den Zeitraum vor der Antragstellung nach § 397a Abs. 2 StPO. Abweichend davon hat die Kostenbeamtin des AG die beantragte Erstattung unter Hinweis darauf gekürzt, dass eine Rückwirkung der Prozesskostenhilfe auf einen Zeitpunkt vor der Antragstellung ausgeschlossen sei. Abgesetzt worden sind die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren Nr. 4104 VV RVG und fünf Terminsgebühren Nr. 4108 VV RVG sowie Kopierkosten. Auf die Erinnerung des Nebenklagevertreters hat das AG die abgesetzten Beträge zugesprochen und entsprechend festgesetzt. Das LG hat auf die Beschwerde der Staatskasse den Beschluss des AG aufgehoben. Die zugelassene weitere Beschwerde des Nebenklagevertreter hatte keinen Erfolg.

Das OLG meint: § 48 Abs. 6 RVG gilt nicht für den Nebenklagevertreter, und zwar auch nicht entsprechend, was m.E. nicht zutreffend ist.

Hier dann die Leitsätze des OLG – Rest bitte selbst im Volltext lesen:

  1. Der Nebenklagevertreter hat keinen Anspruch auf Festsetzung und Erstattung seiner Gebühren und Auslagen gegen die Staatskasse nach § 55 RVG, soweit diese vor Beantragung der Prozesskostenhilfe nach § 397a Abs. 2 StPO entstanden beziehungsweise angefallen sind.
  2. § 48 Abs. 6 Satz 1 RVG ist für einen Rechtsanwalt, der als Nebenklagevertreter unter Bewilligung von Prozesskostenhilfe hinzugezogen wird, nicht anwendbar.
  3. Bereits die Auslegung des Wortlautes der für die vorliegende rechtliche Konstellation geltenden Vorschriften des § 397a Abs. 2 und 3 StPO sowie der Prozesskostenhilfe (§§ 114 bis 127 ZPO) spricht gegen eine Anwendbarkeit des § 48 Abs. 6 Satz 1 RVG.

Strafvollzug II: Sehbehinderter Strafgefangener, oder: Nutzung eines Lese-/Schreibcomputers

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Die zweite Entscheidung mit vollzugsrechtlicher Problematik kommt vom OLG Celle. Es handelt sich um den OLG Celle, Beschl. v. 07.01.2019 – 3 Ws 321/18 (StrVollz). In der Sache geht es um den Zugang eines Strafgefangenen, der eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßt zu einem Lese-und Schreibcomputer. Den benötigt der Strafgefangenen infolge seiner erheblichen Einschränkung der Sehfähigkeit – ihm wurde insoweit eine Schwerbehinderung von 100 % zuerkannt. Vor seiner Verlegung auf die Sozialtherapeutischen Abteilung der JVA, in der sich der Gefangene derzeit befindet, war ihm in einer  JVA während der Zeiten des Aufschlusses mit Ausnahme einer einstündigen Mittagspause grundsätzlich unbeschränkt der Zugang zu einem in einem gesonderten Haftraum befindlichen Lese- und Schreibcomputer gewährt worden, ohne welchen der Antragsteller nicht in der Lage ist, zu lesen oder Schriftstücke zu fertigen. Der Antragsteller nutzte diesen für eine ausgesprochen umfangreiche Korrespondenz sowie zum Fertigen zahlreicher Anträge auf ge-richtliche Entscheidung sowie sonstiger Eingaben.

Nach Verlegung in die neue Justizvollzugsanstalt wurde ihm dort der Zugang zu dem ebenfalls in einem gesonderten Haftraum befindlichen Lese- und Schreibcomputer zunächst ohne nähere Begründung in der Zeit von montags bis donnerstags von 16:30 bis 19:30 Uhr sowie freitags und an Wochenenden von 8:00 bis 11:00 Uhr gewährt. Auf seinen hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit dem Ziel einer wie bislang während der Aufschlusszeiten uneingeschränkten Nutzung hat die JVA ab dem 12.09.2018 den Zugang zu dem Lese- und Schreibraum täglich in der Zeit von 12:00 bis 18:00 Uhr gewährt und erklärt, sie betrachte den Rechtsstreit hiernach für erledigt.

In der Sache selbst wurde ausgeführt, das Nutzen des Lese- und Schreibcomputers in dem dem Antragsteller bislang gewährten Umfang stehe dem therapeutischen Konzept der integrativen Sozialtherapie in der sozialtherapeutischen Anstalt entgegen, in dessen Rahmen der Antragsteller, bei dem eine dissoziale und narzisstische Persönlichkeitsstörung sowie Merkmale einer Psychopathie festgestellt worden seien, sich neben Gruppen- und Einzelgesprächssitzungen im täglichen Kontakt mit anderen Therapieteilnehmern und dem Stationsdienst mit seiner Person auseinandersetzen müsse, um überhaupt erst einen Zugang zu seinen Persönlichkeitsstörungen erreichen zu können. Die voll-ständige Ablenkung des Antragstellers durch seine private Korrespondenz mit Zugangszeiten von 60 Stunden zum Lese- und Schreibraum lasse für die therapeutische Intervention und Auseinandersetzung mit seinen Persönlichkeitsstörungen keinen ausreichenden Raum mehr.

Das OLG sagt in seinem (umfangreich begründeten) Beschluss:

„Der Zugang zu einem erforderlichen Lese-und Schreibcomputer kann für einen Strafgefangenen mit Sehbehinderung nicht mit einem dem entgegenstehenden therapeutischen Konzept in der Sozialtherapie eingeschränkt werden.

Dies gilt umso mehr, wenn die Nutzung in einer vorherigen Vollzugsanstalt grundsätzlich uneingeschränkt möglich war.W

OWi II: Geschwindigkeitsbeschränkung durch Gefahrenzeichen, oder: Wann endet sie?

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Die zweite Entscheidung kommt heute mit dem OLG Celle, Beschl. v. 08.11.2018 – 3 Ss (OWi) 190/18 – aus Celle. Es geht um die Frage, wann eine Geschwindigkeitsbeschränkung durch Zeichen 274 mit Gefahrzeichen 101 endet. Dazu das OLG:

„c) Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, das durch Zeichen 274 angeordnete Streckenverbot habe bereits bei Kilometer 124,500 – und damit vor der bei Kilometer 124,750 eingerichteten Messstelle – geendet, kann ihr ebenfalls nicht gefolgt werden.

Maßgeblich für das Ende einer streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkung ist die Erläuterung Lfd. Nr. 55 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 5. Juli 2017 – IIII-1 RBs 144/17 -, DAR 2017, 647; Hentschel/König/Dauer aaO § 3 Rn. 45b). Danach gilt der Grundsatz, dass das Ende einer streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkung gekennzeichnet ist durch die Zeichen 278 bis 282. Eine Kennzeichnung erfolgt nicht, wenn auf einem Zusatzzeichen die Länge des Verbots angegeben ist. Schließlich ist das Ende des Streckenverbots auch dann nicht gekennzeichnet, wenn das Verbotszeichen zusammen mit einem Gefahrzeichen angebracht ist und sich aus der Örtlichkeit zweifelsfrei ergibt, von wo an die angezeigte Gefahr nicht mehr besteht. Keine der Ausnahmen greift hier.

Zwar ergibt sich aus den Akten, dass auf der Verkehrsbeeinflussungsanlage – anders als bei der neben der Strecke zusätzlich angebrachten Blechbeschilderung – das Zeichen 274 zusammen mit dem Gefahrzeichen 101 angezeigt wurde. Es fehlt aber an der weiteren Voraussetzung, dass sich aus der Örtlichkeit zweifelsfrei ergab, von wo an die angezeigte Gefahr nicht mehr bestand. Denn das Zeichen 101 bezeichnet eine Gefahrstelle nur allgemein, ohne die Gefahrquelle näher zu spezifizieren. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Akten, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung wegen des schlechten Erhaltungszustands der Fahrbahn in diesem Streckenabschnitt angeordnet worden ist. Anders als etwa bei einer Kombination des Zeichens 274 mit dem Gefahrzeichen 103, welches eine Kurve als Gefahr bezeichnet (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Oktober 2016 – IV-2 RBs 140/16 –, juris), oder mit dem Gefahrzeichen 123 für eine Baustelle (vgl. dazu OLG Köln aaO) ergibt sich bei Gefahrzeichen 101 wegen Fahrbahnschäden aus der Örtlichkeit nicht zweifelsfrei, von wo an die angezeigte Gefahr nicht mehr besteht. Das Streckenverbot endete dementsprechend erst mit der Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung, welche nach den Feststellungen des Amtsgerichts und ausweislich der Akte (Bl. 69 d.A.) erst bei Kilometer 125,280 angezeigt wurde.“