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OWi I: Leivtex XV 3 ist (derzeit) nicht standardisiert, oder: Das ist aber nicht „Schuld“ des Betroffenen

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Heute dann ein OWi-Tag.

Und den eröffne ich mit zwei Entscheidungen zu Leivtec XV3. Zunächst stelle ich den OLG Celle, Beschl. v. 18.06.2021 – 2 Ss (OWi) 69/21 – vor. Es geht (noch einmal) um die Frage der Verwertbarkeit von Leivtec XV3 Messungen. Das OLG sagt nach Darstellung der Erkenntnisse der PTB: Derzeit kein standardisiertes Messverfahren und daher reichten die Feststellungen nicht aus:

„b) Der Senat erachtet unter Berücksichtigung der dargelegten Erkenntnisse der PTB beim Messgerät Leivtec XV3 die Richtigkeit des ermittelten Geschwindigkeitswertes derzeit ins-gesamt nicht mehr für garantiert. Eine Differenzierung danach, ob das sog. Messung-Start-Foto – wie vorliegend – die in der am 14. Dezember 2020 geänderten Gebrauchsanweisung genannten Anforderungen erfüllt (vgl. hierzu: OLG Oldenburg (Oldenburg), Be-schluss vom 20. April 2021 – 2 Ss (OWi) 92/21 –, juris; OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 16. März 2021 – 2 Ss (OWi) 67/21 –, juris; OLG Braunschweig, Beschluss vom 3. Juni 2021, 1 Ss (OWi) 218/20) erachtet der Senat insoweit nicht für geboten. Viel-mehr bieten Geschwindigkeitsmessungen mit dem Messgerät Leivtec XV3 auch unabhängig davon, ob es sich um eine Rechts-, Links- oder Geradeausmessung handelt, derzeit keine hinreichende Gewähr mehr für die Annahme, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung zuverlässig ausgewiesen wurde.

c) Der Senat hat bei der Beurteilung dieser Frage in die Bewertung eingestellt, dass die Messwertabweichungen lediglich vereinzelt auftraten und nach Angabe der PTB zudem jeweils gemein hatten, dass die Länge der Messstrecke weniger als 12,2 m betrug. Ausweislich der abschließenden Mitteilung der PTB traten Messwertabweichungen zu Ungunsten des Betroffenen zudem ausschließlich bei Rechtsmessungen auf.

Es bleibt indes festzuhalten, dass lange Versuchsreihen der PTB jedenfalls in Einzelfällen unzulässige Messwertabweichungen sowohl zu Gunsten, als auch zu Lasten Betroffener zu Tage förderten, die außerhalb des Toleranzbereiches liegen. Bereits dieser Umstand stellt das Vorliegen eines standardisierten Messverfahrens in Frage.

Maßgebliche Bedeutung kommt zudem dem Umstand zu, dass gegenwärtig selbst bei Einhaltung der Maßgaben der ergänzten Gebrauchsanweisung vom 14.12.2020 über der Toleranzgrenze liegende Messwertabweichungen nicht auszuschließen sind, denn diese regelt zur Verwertbarkeit der Beweisbilder zwar ergänzende Bedingungen und Anforderungen für das sog. Messung-Start-Bild, lässt aber Rechtsmessungen, bei denen auch in den Versuchen der PTB außerhalb des Toleranzbereiches liegende Messwertabweichungen zu Ungunsten Betroffener zu beobachten waren, explizit zu. Zudem enthält die Bedienungsanleitung keine Vorgaben bzgl. der Einhaltung einer Mindestlänge der Messtrecke.

Auch in Fällen, bei denen die Anforderungen der am 14. Dezember 2020 geänderten Gebrauchsanweisung eingehalten wurden und das sog. Messung-Start-Foto das komplette Kennzeichen innerhalb des Messfeldrahmens ausweist, waren zudem bereits im Zeitpunkt der Erstellung des Zwischenstandes durch die PTB am 27. Mai 2021 – wie dargelegt – unzulässige Messwertabweichungen, wenn auch ausschließlich zu Gunsten Betroffener, zu beobachten.

Der Senat kann die Frage offenlassen, ob bei ausschließlich zu Gunsten des Betroffenen zu beobachtenden Messwertabweichungen noch von einem standardisierten Messverfahren ausgegangen werden kann (diesbezüglich verneinend: OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 20. April 2021 – 2 Ss (OWi) 92/21 –, juris), denn nach dem Abschlussbericht der PTB bleibt zu konstatieren, dass auch Messwertabweichungen zu Ungunsten Betroffener auftraten, die außerhalb des vorgegebenen Toleranzwertes lagen.

Der Senat hat aufgrund der Tatsache, dass die PTB unzulässige Abweichungen zu Ungunsten Betroffener nur bei Rechtsmessungen beobachten konnte, erwogen, eine Differenzierung dahingehend vorzunehmen, ob im jeweiligen Einzelfall eine Links-, Rechts oder Geradeausmessung vorlag. Allerdings lässt die derzeitige Gebrauchsanweisung des Messgerätes – wie dargelegt – auch Rechtsmessungen explizit zu. Zudem erschöpft sich der Abschlussbericht der PTB in der Mitteilung, alle Fälle unzulässiger Abweichungen, die zu Ungunsten des Betroffenen ausgefallen wären, seien bei einer Rechtsmessung aufgetreten, ohne indes eine eindeutige Aussage dahingehend zu treffen, dass unzulässige Messwertabweichungen zu Ungunsten Betroffener in Fällen von Links- und Geradeaus-messungen kategorisch ausgeschlossen wären. Der abschließenden PTB-Stellungnahme sind auch keine statistischen Daten zu entnehmen, die einen Rückschluss des Senates auf eine solche Einschätzung zulassen würden. Sie enthält keine Angaben darüber, in wie vielen Fällen von Links- und Geradeausmessungen keine Messwertabweichungen zu Ungunsten Betroffener zu beobachten waren und ab welcher Anzahl unauffälliger Messungen eine derartige Aussage zulässig ist.

Nach alledem liegt jedenfalls derzeit bei sämtlichen Geschwindigkeitsmessungen mit dem Messgerät Leivtec XV3 kein vereinheitlichtes (technisches) Verfahren mehr vor, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob eine andere Bewertung dieser Frage für Links- und Geradeausmessungen geboten wäre, wenn unzulässige Messwertabweichungen zu Ungunsten Betroffener in diesen Fällen nach den üblichen Maßstäben der PTB mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit auszuschließen wären.

Da es sich im vorliegenden Fall nach alledem nicht um eine Geschwindigkeitsmessung im standardisierten Messverfahren handelt, wird die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung durch die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils nicht tragfähig belegt. Diese erweist sich vielmehr als lücken- und somit rechtsfehlerhaft. Auf diesem Rechtsfehler beruht das angefochtene Urteil.“

Aber: Anders als die OLG, die sich bislang mit der Frage befasst haben, stellt das OLG Celle das Verfahren nicht ein, sondern hat an das AG zurückverwiesen mit folgendem „Auftrag“ an das AG:

„Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgende Umstände hin:

1. Das Amtsgericht wird mithilfe eines Sachverständigen zu prüfen haben, ob es bei der vorliegenden Geschwindigkeitsmessung zu unzulässigen Messwertabweichungen gekommen sein könnte. Der Sachverständige wird sich, ggf. nach Rücksprache mit der PTB bzw. den von der PTB zitierten Sachverständigen, mit möglichen Fehlerquellen bei der Messung auseinanderzusetzen haben, die sich zulasten des Betroffenen ausgewirkt haben könnten.

2. Für den Fall, dass die weitere Sachaufklärung erneut eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 37 km/h ergeben und das Amtsgericht erneut die Verhängung eines Fahrverbotes für geboten erachten sollte, wird das Amtsgericht in den Blick zu nehmen haben, dass nach der ständigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte ein Absehen vom Fahrverbot gem. § 25 StVG erst in Betracht kommt, wenn seit dem Verkehrsverstoß eine Verfahrensdauer von zwei Jahren oder mehr gegeben ist und der Betroffene sich zwischen-zeitlich verkehrsgerecht verhalten hat (vgl. nur OLG Celle, Beschluss vom 23. Dezember 2004 – 211 Ss 145/04 (OWi) –, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 02. Juli 2007 – 3 Ss OWi 360/07 –, juris; KG Berlin, Beschluss vom 05. September 2007 – 2 Ss 193/073 Ws (B) 459/07 –, juris). Selbst wenn der erforderliche 2-Jahres-Zeitraum überschritten sein sollte, wird das Amtsgericht in die Bewertung einzustellen haben, dass die Ursache für die Verfahrensverzögerung jedenfalls teilweise allein auf das Verhalten des Betroffenen zurückzuführen war (OLG Celle a.a.O.).“

So weit, so gut, oder auch nicht. Nachvollziehen kann ich ja noch die Aufhebung, obwohl die Einstellung sicherlich angebrachter gewesen wäre. Nicht nachvollziehen kann ich aber die Auffassung des OLG zum 2-Jahres-Zeitraum beim Fahrverbot. Abgesehen davon, dass der noch lange nicht erreicht ist, erschließt sich mir nicht, warum denn eine ggf. eingetretene Verfahrensverzögerung „allein auf das Verhalten des Betroffenes zurückzuführen“ sein soll.  Grund für die Verzögerung ist das miese Messverfahren. Dessen Verwendung kann man doch nicht dem Betroffenen anlasten; andere Umstände, die der Betroffene zu „vertreten“ hätte, ergeben sich aus dem Beschluss nicht. Das OLG Celle ist schon manchmal „komisch“.

Zur Abrundung dann noch der OLG Oldenburg, Beschl. v. 20.04.2021 – 2 Ss (OWi) 92/2. Das hat – entsprechend seiner bisherigen Rechtsprechung – ein Verfahren mit einer Leictex XV3 Messung eingestellt, was m.E. auch verhältnismäßig ist.

Schadensminderungspflicht, oder: Hat sich der Geschädigte genug um eine Arbeitsstelle bemüht?

In der zweiten Entscheidung  zu § 254 BGB, dem OLG Celle, Urt. v. 07.04.2021 – 14 U 134/20 -, geht es um die Schadensminderungspflicht nach einem Verkekrsunfall. Gegenstand des Verfahens ist ein Verkehrunfall aus dem Jahr 2001. Gestritten worden ist in dem Verfahren um die Frage, ob die geschädigte Beklagte ihre Schadensminderungspflicht im Bemühen um eine Arbeitsstelle und ggf. auch Schulungsmaßnahmen verletzt hat. Die Klägerin hatte geltend gemacht, dass sie in ihrer Erwerbsfähigkeit erheblich beeinträchtigt gewesen sei. Die beklagte Versicherung hatte bestritten, dass die Geschädigte aufgrund der Folgen des Verkehrsunfalls vom 27.9.2001 bis zum 31.8.2018 keinen leidensgerechten Arbeitsplatz hätte finden können. Sie hat außerdem die Verletzung der der Geschädigten obliegenden Schadensminderungspflicht gerügt, weil diese sich nicht bemüht habe, einen neuen Arbeitsplatz zu finden.

Das LG hatte der Geschädigten Recht gegeben. Das OLG hat das Urteil aufgehoben und die Klage weitgehend abgewiesen. Hier die Leitsätze:

  1. Es obliegt dem in seiner Arbeitskraft Geschädigten, seine verbliebene Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt – im Rahmen seiner Möglichkeiten und in den Grenzen des Zumutbaren – gewinnbringend einzusetzen.Ggf. muss sich der Geschädigte um Schulungen bzw. Umschulungen bemühen.

  2. Für den Vortrag, dass ein solches Bemühen von vorne herein erfolglos gewesen wäre, ist der Geschädigte darlegungs- und beweisbelastet.

  3. Ein Verstoß gegen diese Schadensminderungspflicht führt dazu, dass ein eventueller Anspruch nicht bezifferbar ist.

  4. Alleinige Zahlungen der Versicherung stellen kein Anerkenntnis dar und führen nicht dazu, das Berufen auf einen Obliegenheitsverstoß als treuwidrig erscheinen zu lassen.

Mitverschulden, oder: Mitverschulden eines 11-Jährigen beim Überqueren der Straße „als Letzter“

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Im Kessel Buntes dann heute zwei Entscheidungen zu § 254 BGB.

Zunächst jetzt das OLG Celle, Urt. v. 19.05.2021 – 14 U 129/20. Der Entscheidung liegt ein Verkehrsunfall zugrunde, bei dem ein 11-jähriges Kind beim Überqueren der Straße von einem zu schnell fahrenden Kfz-Führer angefahren wird. Nach Auffassung des OLG haftet der Kfz-Führer allein:

Hier die (amtlichen) Leitsätze:

Einem elfjährigen Kind kann kein Mitverschuldensvorwurf gemacht werden, wenn es beim Überqueren einer Straße, zusammen mit einer bereits auf der Fahrbahn befindlichen Kindergruppe, als letztes Kind von einem Fahrzeug erfasst wird, dessen Fahrer die Kinder wahrgenommen hat und den Unfall hätte verhindern können.

Neben der Einsichtsfähigkeit gem. § 828 Abs. 3 BGB, deren Fehlen das Kind zu beweisen hat, ist im Rahmen des Verschuldens gem. § 276 Abs. 2 BGB ein objektiver Maßstab anzulegen und zu prüfen, ob das Kind die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Dabei sind an ein Kind, gestaffelt nach dem Alter, andere Maßstäbe als an einen Jugendlichen oder einen Erwachsenen anzulegen. Neben dem Alter des Kindes ist dabei auch die konkrete Unfallsituation zu bewerten und zu prüfen, ob Kinder gleichen Alters und gleicher Entwicklungsstufe in der konkreten Situation hätten voraussehen müssen, dass ihr Tun verletzungsträchtig ist und es ihnen möglich und zumutbar gewesen wäre, sich dieser Erkenntnis gemäß zu verhalten.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes muss ein junger Mensch, der einen schweren Schaden erlitten hat, wegen seines Alters im Verhältnis zu einem älteren Menschen mehr Schmerzensgeld bekommen, weil ersterer noch lange an seinen Verletzungsfolgen zu tragen hat.

Einziehung II: Einbeziehung nach Absehen vom Verfall nach altem Recht, oder: Entfallen des Auffangerwerbs

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Die zweite Entscheidung in Zusammenhang mit Einziehung kommt mit dem OLG Celle, Beschl. v. 20.02.2021 – 3 ws 32/20 – vom OLG Celle.

In dem Verfahren wendet sich die StA sich gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Feststellung des staatlichen Auffangrechtserwerbs an gesichertem Vermögen des Verurteilten (§ 111i Abs. 5, Abs. 6 StPO a.F.). Dem liegt folgender Verfahrensgang zu Grunde:

„1. Die 13. große Strafkammer des Landgerichts Stade als Jugendkammer sprach den Verurteilten als Heranwachsenden am 26. Mai 2016 wegen Computerbetrugs u.a. schuldig und verhängte unter Anwendung von Jugendrecht Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel gegen ihn. Von der Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 8.745,03 Euro sah das Landgericht ab, weil Ansprüche Verletzter entgegenstanden. Mit Beschluss vom selben Tag hielt das Landgericht den mit Beschluss des Amtsgerichts Stade vom 8. Mai 2015 zur Rückgewinnungshilfe angeordneten dinglichen Arrest für die Dauer von drei Jahren ab Rechtskraft des Urteils aufrecht. Das Urteil ist seit dem 3. Juni 2016 rechtskräftig.

2. Am 27. Juli 2017 verhängte das Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Stade gegen den Verurteilten wegen weiterer Taten eine Jugendstrafe von zwei Jahren und ordnete die Einziehung des Wertes des aus diesen Taten Erlangten in Höhe von 4.873,50 Euro an. Von der Einbeziehung des noch nicht vollständig vollstreckten Urteils des Landgerichts Stade vom 26. Mai 2016 sah das Amtsgericht aus erzieherischen Gründen ab. Auf die Berufung des Angeklagten änderte die 2. große Jugendkammer des Landgerichts Stade am 16. November 2017 das Urteil des Amtsgerichts in der Rechtsfolge dahin ab, dass der Angeklagte unter Einbeziehung des Urteils des Landgerichts Stade vom 26. Mai 2016 zu einer JugeVorschau (öffnet in neuem Tab)ndstrafe von zwei Jahren verurteilt wurde. Zugleich ordnete das Landgericht die Einziehung des Wertes des Erlangten in Höhe von 4.873,50 Euro an. Zu der Verfallsentscheidung aus dem einbezogenen Urteil verhält sich dieses Urteil, das seit dem 24. November 2017 rechtskräftig ist, nicht.

3. Unter dem 30. September 2019 hat die Staatsanwaltschaft beantragt, das Landgericht Stade möge durch Beschluss feststellen, dass das Land Niedersachsen mit Ablauf des 2. Juni 2016 bis zu einem Betrag von 7.681,43 Euro das Eigentum an den bei dem Verurteilten gesicherten Vermögenswerten erworben hat. Grundlage hierfür sei das Urteil des Landgerichts Stade vom 26. Mai 2016. Die spätere Einbeziehung dieses Urteils in das Urteil des Landgerichts Stade vom 16. November 2017 stehe dem nicht entgegen, weil das Absehen von der Verfallsanordnung keinen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweise, sodass bei Einbeziehung des Urteils nicht über die Aufrechterhaltung einer materiell-rechtlichen Rechtsfolge nach dem Strafgesetzbuch zu befinden gewesen sei.

4. Mit Beschluss vom 27. Dezember 2019 hat die 13. große Strafkammer des Landgerichts Stade als Jugendkammer den Antrag der Staatsanwaltschaft abgelehnt, weil durch die Einbeziehung ihres Urteils vom 26. Mai 2016 in das Berufungsurteil vom 16. November 2017 die Grundlage für die beantragte Feststellung des Auffangrechtserwerbs weggefallen sei.“

Das Rechtsmittel hatte beim OLG keinen Erfolg. Hier der Leitsatz zu der Entscheidung:

Wird ein Urteil, in dem gemäß § 111i Abs. 2 StPO a.F. von der Anordnung des Verfalls von Wertersatz wegen entgegenstehender Ansprüche Verletzter abgesehen worden ist, nach § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG einbezogen, ist die Entscheidung über das Absehen von der Verfallsanordnung neu zu treffen. Unterbleibt dies, entfällt auch der Auffangrechtserwerb des Staates mangels materiell-rechtlicher Grundlage.

Pflichti III: Wiederaufnahme nach Einstellung, oder: Fortgeltung der „alten“ Pflichtverteidigerbestellung?

Und zur Abrundung dann noch der OLG Celle, Beschl. v. 31.05.2021 – 5 StS 2/21.

Hintergrund dieser Entscheidung ist ein Umfangsverfahren, in dem der Kollege bereits vor Inkrafttreten des KostRÄG Pflichtverteidiger war. Das Verfahren ist dann von der GStA nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Nach dem 01.01.2021, also nach Inkrafttreten des KostRÄG 2021, wird das Verfahren wieder aufgenommen.

Da stellt sich dann die Frage, ob die ursprüngliche Pflichtverteidigerbestellung wieder auflebt oder ob sie geendet hat und beendet bleibt mit der Folge, dass neu bestellt werden muss. Die gebührenrechtliche Folge wäre dann: Geltung des KostRÄG 2021 und damit Geltung der erhöhten RVG-Sätze.

Ich hatte mit dem betroffenen Kollegen Dr. Elobied zusammen mit einigen anderen Kollegen die Frage diskutiert. Empfehlung war dann – trotz der an sich recht klaren Regelung in § 143 Abs. 1 StPO -, beim OLG Klarstellung zu erbitten. Das hat der Kollege getan und das OLG hat entschieden:

„Rechtsanwalt pp. wird dem Angeklagten als Verteidiger beigeordnet.

Gründe:

Es handelt sich gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO um einen Fall der notwendigen Verteidigung. Die Hauptverhandlung soll im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht stattfinden. Nachdem das Verfahren durch die Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden war, endete gemäß § 143 Abs. 1 StPO die bisherige Beiordnung von Rechtsanwalt pp. kraft Gesetzes. Sie war daher nach Wiederaufnahme des Verfahrens und Erhebung der öffentlichen Klage erneut anzuordnen.“

Damit ist jetzt sicher gestellt, dass nun nach neuem Recht abgerechnet werden muss/kann.