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Entbindung III: Die rasende Hebamme, oder: Notstand?

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Und als dritte Entscheidung zur Entbindung dann der KG, Beschl. v. 10.01.2018 – 3 Ws (B) 252/17. Dieses mal allerdings keine „§§ 73, 74 OWiG-Problematik“, aber eine „Entbindungsproblematik“ an anderer Stelle, nämlich in Zusammenhang mit einem Fahrverbot. Die Betroffene, eine Hebamme, ist wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt worden – Überschreitung  der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nach Toleranzabzug um 41 km/h. Von einem Fahrverbot hat das AG abgesehen.

„Zwar hat das Amtsgericht nicht verkannt, dass es sich bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 41 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften grundsätzlich um eine grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers handelt, die nach Nummer 11.3.7 der Anlage zur BKatV regelmäßig neben einer zu verhängenden Geldbuße auch mit einem einmonatigen Fahrverbot zu ahnden ist. Gleichwohl hat das Amtsgericht wegen besonderer Umstände des Einzelfalles gemeint, unter Erhöhung des Bußgeldes von der Verhängung eines Fahrverbots absehen zu können.

Dazu hat es im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen: Die Betroffene ist selbständige Hebamme und betreut Patientinnen im gesamten Stadtgebiet. Daneben leitet sie ein Geburtshaus, in dem weitere Kolleginnen freiberuflich tätig sind. In dieser Funktion werde sie häufig von anderen Hebammen zur Unterstützung hinzugezogen. Am Tattag sei sie von einer Kollegin angerufen worden, da es bei einer von dieser betreuten Geburt zu einer Notfallsituation gekommen sei. Die Herztöne des Kindes seien plötzlich stark abgefallen. Zur Unterstützung der Kollegin habe sich die Betroffene daher schnellstmöglich in das Geburtshaus begeben wollen.

Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass das Amtsgericht unter diesen Umständen von einer Situation ausgegangen ist, die der eines rechtfertigenden Notstandes im Sinne von § 16 OWiG sehr nahe kam. Diese Ausführungen rechtfertigen entgegen der vom Amtsgericht vertretenen Ansicht jedoch ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots nicht. Bei einer möglichen Gefahr für Leib oder Leben von Mutter oder Kind bei der von der Kollegin der Betroffenen betreuten Geburt wäre es vielmehr angezeigt gewesen, sich um ärztliche Hilfe, ggf. auch durch einen Notarzt oder durch Verlegung in ein Krankenhaus, zu bemühen.

Ferner lassen die Urteilsausführungen zur Rechtsfolgenbemessung nicht hinreichend erkennen, warum das Amtsgericht der Ansicht gewesen ist, allein die Verhängung einer erhöhten Geldbuße werde zur Einwirkung auf die Betroffene ausreichen. Denn die Betroffene ist einschlägig vorbelastet. Nur 5 Tage vor der hiesigen Tat hat der Polizeipräsident in Berlin gegen die Betroffene ausweislich der Urteilsgründe (UA S. 2) wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 22 km/h innerorts einen Bußgeldbescheid erlassen. Zwar ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, ob der Bußgeldbescheid der Betroffenen zum Tatzeitpunkt bereits zugestellt war. Von der Einleitung Bußgeldverfahrens wegen Geschwindigkeitsüberschreitung hat die Betroffene nach Lage der Dinge jedoch Kenntnis gehabt, ohne dass dies sie von einer erneuten und noch dazu erheblich höheren Geschwindigkeitsüberschreitung abgehalten hat. Unter diesen Umständen hätte es einer eingehenden Begründung bedurft, warum das Amtsgericht gleichwohl der Auffassung war, die Betroffene werde sich auch ohne die Verhängung eines Fahrverbots allein die Verurteilung zu einer Geldbuße zur Warnung dienen lassen.“

Ich hätte es wahrscheinlich anders gemacht.

Unerlaubte Eigenbehandlung mit BtM – i.d.R. kein Notstand

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Auf der Homepage des BGH eingestellt worden ist heute der BGH, Beschl. v. 28.06.2016 – 1 StR 613/15. Die für BGHSt vorgesehene Entscheidung behandelt eine Problematik aus dem BtM-Bereich, nämlich die Frage, ob der unerlaubte Umgang mit Betäubungsmitteln zum Zweck der Eigenbehandlung eines Schmerzpatienten durch § 34 StGB – Notstand – gerechtfertigt sein kan. Der BGH sagt: I.d.R. nicht.

Es geht um die Übernahme von jeweils gut 58 g Heroin und 35 g Kokain durch die Angeklagte von einem Kontaktmann. Hintergrund was der Schmerzverlauf der Grunderkrankung der Angeklagten, einer Sarkoidose. Der BGH bejaht zwar eine „Gefahr“ für die Angeklagte, geht jedoch davon aus, dass die anders als durch das unerlaubte Sichverschaffen des Heroins und des Kokains hätte abgewendet werden können:

„…………..(2) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe war das unerlaubte Verschaffen von Heroin und Kokain durch die Angeklagte nicht erforderlich, um ihre mit dem Krankheitsschub einhergehenden Schmerzen zu lindern und ihre Arbeitsfähigkeit zu erhalten.

(a) Zwar war ausweislich der Beweiswürdigung des Landgerichts die von der Angeklagten gewählte Dosierung medizinisch nachvollziehbar und die Einnahme des Heroins wirkungsvoll, das dazu erforderliche Verschaffen war mithin zur Abwendung der Gefahr geeignet.

(b) Diese war aber anders, ohne Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, abwendbar. Dazu kam angesichts des bereits seit dem Jahr 2013 erfolgten regelmäßigen Konsums von Heroin aus Angst vor krankheitsbedingten Schmerzen (UA S. 6) entweder eine Behandlung mit für die Angeklagte aufgrund Verschreibung zugänglicher und für sie wirtschaftlich erreichbarer, ausreichend wirksamer Schmerzmittel oder – im Fall fehlenden Zugangs zu solchen Medikamenten – die Einleitung eines Genehmigungsverfahrens gemäß § 3 Abs. 2 BtMG in Frage.

Wie das Landgericht im Rahmen der Erwägungen zur Maßregel gemäß § 64 StGB ausführt, hatte die Angeklagte im September 2013 einen massiven Schub ihrer Erkrankung erlitten und war aufgrund der Schmerzen nicht mehr in der Lage gewesen, das Bett zu verlassen. Die ihr vom Arzt verordneten Medikamente hätten nicht geholfen bzw. habe sie ein morphinhaltiges Medikament nicht einnehmen wollen (UA S. 23). Bei weiterer Zunahme der Schmerzen habe sie dann angefangen, Drogen zu konsumieren. Aufgrund des Konsums sei sie in der Lage gewesen, ihrer Arbeit nachzugehen und sich um ihre Kinder zu kümmern (UA S. 23). Bis zur Begehung der gegenständlichen Tat im Dezember 2014 war damit mehr als ein Jahr vergangen, in dem keine legalen Möglichkeiten einer effektiven Schmerzbehandlung seitens der Angeklagten ergriffen worden sind. Vielmehr ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang des Urteils, dass die Angeklagte sogleich auf unerlaubte Betäubungsmittel zugegriffen hat, ohne einen Versuch zu unternehmen, mit dem sie behandelnden Arzt eine andere Schmerzmedikation umzusetzen. Auch eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 3 Abs. 2 BtMG ist nicht nachgesucht worden (vgl. insoweit BVerfG [3. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 20. Januar 2000 – 2 BvR 2382/99 u.a., NJW 2000, 3126, 3127).

Eine solche kommt aber – wie dargelegt (Rn. 14 und 15) – grundsätzlich zur Sicherstellung einer notwendigen medizinischen Versorgung eines einzelnen Patienten in Betracht. Das gilt nicht allein für Cannabisprodukte, sondern auch für Heroinprodukte, die zu therapeutischen Zwecken eingesetzt werden sollen (vgl. Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 3 Rn. 58). Bei der Entscheidung über die Erteilung einer Genehmigung muss die zuständige Behörde die Wirkungen des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und die Gewährleistung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 19. Mai 2005 – 3 C 17.04, BVerwGE 123, 352, 355 f. mwN). Der Schutzbereich des Grundrechts ist auch dann betroffen, wenn der Staat Maßnahmen ergreift, die verhindern, dass eine Krankheit geheilt oder wenigstens gelindert werden kann, und wenn dadurch körperliche Leiden ohne Not fortgesetzt oder aufrechterhalten werden (BVerwG aaO mwN). Die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Kriterien für die Entscheidung über einen Antrag auf Genehmigung für den Umgang mit Can-nabis für eine Einzelperson zu therapeutischen Zwecken wären auch für die Verbescheidung eines Antrags auf Umgang mit anderen Betäubungsmitteln maßgeblich (vgl. Patzak aaO § 3 Rn. 58). Mit dem für die Substitutionsbehand-lung unter näheren Voraussetzungen zugelassenen Diamorphin steht ein mit Diacetylmorphin (Heroin) substanzgleiches Produkt (siehe Patzak aaO Stoffe Rn. 194) mit gleichen Wirkungen zur Verfügung……………“

Das mit dem Rechtfertigungsgrund muss passen, oder: Notstand auf der BAB

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Auch im Bußgeldverfahren gilt der „Dreiklang“: Tatbestandsmäßigkeit – Rechtswidrigkeit – Schuld -, was häufig übersehen wird. Viel „vorgetragen“ wird zur Tatbestandsmäßigkeit und zur Schuld (Vorsatz/Fahrlässigkeit [?]), aber die Rechtswidrigkeit wird häufig übersehen bzw. stiefmütterlich behandelt. Und dabei steckt da doch ggf. „Verteidigungspotential“, worauf ich, wenn ich in FA-Kursen referiere, auch immer wieder hinweise. Nur: Wenn man an der Stelle vorträgt, dann muss es auch passen. Und das hat es mit dem Einwand einer notstandsähnlichen Situation gegenüber einem Abstandsverstoß auf einer BAB beim OLG Bamberg nicht. Dass es und warum es nicht passt, dazu verhält sich der OLG Bamberg, Beschl. v. 25.02.2015 – 3 Ss OWi 160/15:

„c) Soweit die Rechtsbeschwerde beanstandet, die Urteilsgründe seien lückenhaft, weil nicht näher belegt werde, weshalb – im Hinblick auf das hinter dem Betr. fahrende Fahrzeug – ein Abbremsen durch den Betr. nicht mehr gefahrlos möglich gewesen sei, ist dies für die Entscheidung ohne Bedeutung. Erkennbar soll der Vortrag, der freilich nicht näher spezifiziert ist, darauf gerichtet sein, die Unterschreitung des Mindestabstands zum Vordermann durch den Betr. sei wegen Notstands gem. § 16 OWiG gerechtfertigt. Dies wäre aber selbst dann nicht der Fall, wenn im Zeitpunkt der Abstandsmessung bei einer Reduzierung der Geschwindigkeit des Betr. die Gefahr eines Auffahrunfalles im Hinblick auf den nachfolgenden Pkw bestanden hätte. Denn auch dann hätte der Betr. in vorwerfbarer und pflichtwidriger Weise die Ursache für die Unterschreitung des Abstands zum vorausfahren Fahrzeug gesetzt, nachdem – wie dargelegt – das AG innerhalb der Beobachtungsstrecke ein Abbremsen oder ein plötzliches Einscheren durch den Vordermann ausgeschlossen hat. Sollte die Situation so gewesen sein, dass das dem Betr. nachfolgende Fahrzeug erst zu einem Zeitpunkt aufschloss, als der Betr. die Abstandsunterschreitung bereits verwirklicht hatte, lag von vornherein keine Notstandsituation vor. Denn der Tatbestand der Abstandsunterschreitung wurde bereits verwirklicht, als noch gar keine Gefahrsituation bestanden hatte. Sollte dagegen das hinter dem Betr. fahrende Fahrzeug diesem schon vorher unter Verletzung des gebotenen Abstands gefolgt sein, so hätte der Betr. nicht auf das vor ihm fahrende Fahrzeuge aufschließen dürfen, sondern durch maßvolle Verzögerung der Geschwindigkeit eine Abstandsunterschreitung verhindern oder notfalls bei passender Gelegenheit rechtzeitig einen Spurwechsel vornehmen müssen. Der nicht näher präzisierte und im Übrigen auch urteilsfremde Vortrag, ein Ausweichen auf die mittlere Fahrspur sei nicht möglich gewesen, weil sich „in dem maßgeblichen Streckenabschnitt auf der rechten Spur ebenfalls Fahrzeuge“ befunden hätten, steht dem schon deswegen nicht entgegen, weil er sich lediglich auf den „maßgeblichen Streckenabschnitt“ beschränkt, die Alternative einer umsichtigen Annäherung an das vor dem Betr. fahrende Fahrzeug deshalb gänzlich aus dem Blick lässt.“

Also: Wenn schon, denn schon….

„Gekotzt“ wird auf dem Seitenstreifen, oder: Brechtüten in die/der Taxe?

man_vomitingManchmal ist zu einer bestimmten Problematik monate-/jahrelang Ruhe. Und dann gibt es auf einmal dazu Entscheidungen. So im Moment zum rechtfertigenden Notstand bei der Geschwindigkeitsüberschreitung. Nach dem Stuhldrang beim AG Lüdinghausen  (vgl. “ein drückendes Problem” – das AG Lüdinghausen und der Stuhldrang) nun das befürchtete Erbrechen beim OLG Bamberg. Da war es ein Taxifahrer, den das AG frei gesprochen hatte. Es war der Einlassung des Taxifahrers gefolgt, wonach dieser zwei betrunkene Fahrgäste befördert und deswegen auf einer BAB die Geschwindigkeit überschritten hatte, um die nächste Ausfahrt zu erreichen. Er habe damit verhindern wollen, dass einer der Fahrgäste sich im Fahrzeug übergeben müsse und sein Fahrzeug mit Erbrochenem verunreinige. Das OLG Bamberg hebt im OLG Bamberg, Beschl. v. 04.09.2013 – 3 Ss OWi 1130/13 – erst jetzt bekannt geworden – auf:, und zwar weil:

  • das amtsgerichtliche Urteil legt nicht dar,  wieweit das Taxi von der nächsten Ausfahrt oder einem Parkplatz entfernt war. Deshalb könne nicht nachvollzogen werden, ob der Betroffene berechtigter Weise annehmen durfte, er könnte durch schnelles Fahren die bevorstehende Verunreinigung seines Fahrzeugs durch Erbrochenes verhindern.
  • dem Urteil lässt sich nicht entnehmen lässt, inwiefern – abgesehen von einem Anhalten auf dem Seitenstreifen – andere Mittel zur Verfügung gestanden hätten, um die Gefahr der Verunreinigung des Taxis abzuwehren. Es liege in jeder Hinsicht nahe, dass in Taxis sog. Brechtüten, wie dies in Flugzeugen üblich ist, mitgeführt werden.
  • es kann nicht von einem Überwiegen der Interessen des Betroffenen ausgegangen werden.

Nicht nachvollziehen kann ich das Argument mit den Brechtüten. Liegt es wirklich „in jeder Hinsicht nahe, dass in Taxis sog. Brechtüten, wie dies in Flugzeugen üblich ist, mitgeführt werden„? Da muss dich dann demnächst doch mal nachfragen.