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BtM II: Nur geringe Überschreitung des Grenzwertes, oder: Minder schwerer Fall?

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Als zweite BtM-Entscheidung stelle ich dann den BayObLG, Beschl. v. 14.09.2021 – 207 StRR 371/21 – vor. Problematik: Die Annahme eines minder schweren Falles bei § 29a BtMG. Das BayObLG meint das: Eine nur geringe Grenzwertüberschreitung ist ein Kriterium für die Annahme eines minder schweren Falles, während eine ganz erhebliche Überschreitung gegen die Annahme eines solchen spricht:

„b) Die Nachprüfung des Strafausspruches hat Erörterungsmängel des Amtsgerichts ergeben, die sich als sachlich-rechtliche Fehler des Urteils erweisen und verhindern, dass das Urteil sich insoweit auf tragfähige Grundlagen stützt.

aa) Die Rechtsfolgenbemessung ist zwar ureigene Aufgabe des Tatrichters und unterliegt einer nur eingeschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Die tatrichterlichen Erwägungen hat das Revisionsgericht bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen, solange und soweit der Rechtsfolgenausspruch einen angemessenen Schuldausgleich darstellt. Indessen prüft das Revisionsgericht nach, ob die tatrichterliche Rechtsfolgenentscheidung auf tragfähige Grundlagen gestützt ist und sich von rechtlich anerkannten Strafzumessungserwägungen hat leiten lassen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 337 Rdn. 34f.).

bb) Wie die Revision zutreffend ausführt, ist die Verneinung eines minder schweren Falles nach § 29a Abs. 2 BtMG durch den Tatrichter von Rechtsirrtum beeinflusst.

Denn das Amtsgericht hat hierfür nur angeführt, „dass die Grenze zur nicht geringen Menge um ca. 40 % überschritten war (UA S. 5). Nach ständiger neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist jedoch eine nur geringe Grenzwertüberschreitung ein Kriterium für die Annahme eines minder schweren Falles, während eine ganz erhebliche Überschreitung gegen die Annahme eines solchen spricht (vgl. BGH, Beschluss vom 11.09.2019, 2 StR 68/19, zitiert nach juris, dort Rdn. 5, sowie Urteil vom 20.08.2019, 1 StR 209/19, zitiert nach juris, dort Rdn. 14). Eine geringe Grenzwertüberschreitung ist hier anzunehmen (vgl. BGH vom 11.09.2019 aaO Rdn. 6: 2,5fache Überschreitung des Grenzwertes). Nicht tragfähig sind demgegenüber die Überlegungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 24. August 2021 (dort S. 3, 2. Absatz): die bloß abstrakte Möglichkeit der Weitergabe der Drogen an Dritte darf gerade nicht strafschärfend herangezogen (vgl. Körner(Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 29a Rdn. 130 m. w. N.) und somit auch nicht zur Verneinung eines minder schweren Falles verwertet werden.

Da das angefochtene Urteil keine weiteren Gründe zur Ablehnung der Voraussetzungen des § 29a Abs. 2 BtMG anführt und auch die weitere Strafzumessung (UA S. 5) im wesentlichen Umstände zugunsten des Angeklagten anführt, fehlt es insoweit an einer schlüssigen Begründung.

cc) Darüber hinaus leidet auch die Anordnung des Fahrverbotes von einem Monat an einem Begründungsmangel. Das Amtsgericht hat insoweit lediglich auf §§ 24a, 25 StVG verwiesen (UA S. 5). Da ein Schuldspruch hinsichtlich einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG nicht erfolgt ist und dies auch nicht nachgeholt werden kann (s. o.), konnte ein Fahrverbot nicht auf § 25 StVG gestützt werden. Mit den Voraussetzungen des § 44 StGB, nach dem ein Fahrverbot nach dem Ermessen des Tatrichters angeordnet werden kann und in dessen Rahmen auch das festgestellte Führen eines Kraftfahrzeuges unter Drogeneinfluss (UA S. 3) hätte gewürdigt werden können, hat sich der Erstrichter (aus seiner Sicht folgerichtig) nicht befasst….“

BtM I: Nicht geringe Menge bei synthetischen Drogen, oder: Neue psychoaktive Stoffe

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Ich habe seit längerem keinen BtM-Tag mehr gemacht. Heute hole ich das mit drei Entscheidungen nach.

An der Spitze steht der BGH, Beschl. v. v. 08.02.2022 – 3 StR 136/21. In der Entscheidung hat der BGH für eine Reihe synthetischer Drogen die Grenze für eine „nicht geringe Menge“ festgelegt, und zwar – so der Leitsatz der Entscheidung – wie folgt

„Es beginnt die nicht geringe Menge

1. der synthetischen Cathinone
– α-Pyrrolidinovalerophenon und
– 3,4-Methylendioxypyrovaleron jeweils bei fünf Gramm,
– Buphedron und
– Pentylon jeweils bei 15 Gramm,
– Clephedron und
– 4-Methylethcathinon jeweils bei 25 Gramm,
– Methylon bei 30 Gramm,
2. der psychostimulierenden Phenethylamine
– Ethylphenidat bei 15 Gramm,
– 4-Fluoramfetamin bei 20 Gramm,
3. der synthetischen Cannabinoide
– AM-2201,
– JWH-122 und
– JWH-210 jeweils bei einem Gramm sowie
4. der Benzodiazepine
– Etizolam bei 240 Milligramm,
– Flubromazepam bei 600 Milligram.“

Den Volltext der umfangreich begründeten Entscheidung – immerhin 25 Seiten – dann bitte selbst lesen.

BtM I: Nicht geringe Menge für 5F-ADB/AMB-FUBINACA, oder: BGH meint, bei synthetischen Cannabinoiden 1 g

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Heute stelle ich dann mal wieder drei Entscheidungen aus Verfahren betreffend das BtMG vor.

Ich beginne mit dem BGH, Beschluss vom 27.01.2022 – 3 StR 155/2. Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer (Gesamt)Freiheitsstrafe verurteilt. Das LG ist von folgenden Feststellungen und Wertungen ausgegangen:

Am 04.06.2018 bewahrte der Angeklagte in einem von ihm genutzten Zimmer synthetische Cannabinoide der Arten 5F-ADB und AMB-FUBINACA mit einer Gesamtwirkstoffmenge von 117,68 Gramm (bezogen auf eine Gesamtmenge von 201,18 Gramm) zum gewinnbringenden Weiterverkauf auf.

Die Strafkammer hat das Verhalten des Angeklagten als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gewürdigt. Ihre Feststellungen zur Wirkung der Substanzen 5F-ADB und AMB-FUBINACA und die darauf beruhende Bestimmung der jeweiligen nicht geringen Menge im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG hat sie auf das Gutachten eines Sachverständigen des BKA gestützt. Dieser hat für die Cannabimimetika 5F-ADB und AMB-FUBINACA, welche strukturell ähnlich und in den pharmakologisch-toxikologischen Eigenschaften (Wirkungsweisen) vergleichbar seien, einen Grenzwert von einem Gramm Wirkstoffmenge vorgeschlagen.

Unter Zugrundelegung der Ausführungen des Sachverständigen ist das Landgericht zugunsten des Angeklagten von einer nicht geringen Menge ab zwei Gramm Wirkstoffmenge ausgegangen. Es hat dabei von dem durch den Sachverständigen vorgeschlagenen Wert einen Sicherheitsabschlag von einem Gramm vorgenommen, ohne dies näher zu begründen.

Der BGH hat die Revision verworfen.Er geht allerdings – anders als von der Strafkammer angenommen – von einem Grenzwert der nicht geringen Menge für 5F-ADB und AMB-FUBINACA bei einer Wirkstoffmenge von einem Gramm aus.

So lautet dann auch der Leitsatz zu dem für eine Veröffentlichung in BGHSt besteimmten Beschluss:

Die nicht geringe Menge der synthetischen Cannabinoide 5F-ADB und AMB-FUBINACA beginnt bei einem Gramm Wirkstoffmenge.

Rest dann bitte selbst lesen.

BtM II: Eigenverbrauch zusammen mit Handel mit BtM, oder: Die Handelsmenge muss nicht gering sein

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In der zweiten Entscheidung, dem OLG Hamm, Beschl. v. 20.01.2022 – 2 RVs 60/21 – geht um  unerlaubtes Handeltreiben in nicht geringer Menge. Das AG hatte den Angeklagten deswegen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Dagegen die (Sprung)Revision, die beim OLG Hamm erfolgreich war:

„Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG nicht.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu in ihrer Antragsschrift vom 21.12.2021 folgendes ausgeführt:

„1. Das Amtsgericht hat – soweit hier relevant – folgende Feststelllungen getroffen: Der Angeklagte bewahrte spätestens ab dem 13.05.2019 in seinem Zimmer in der Wohnung pp. in pp. 300 Gramm Marihuana, 10 Ecstasy-Tabletten, 0,5 Gramm netto Haschisch sowie weitere 9,1 Gramm netto Marihuana auf. Von den zum Preis von 3.000 Euro auf Kommission erworbenen 300 Gramm Marihuana waren 250 Gramm zum gewinnbringenden Weiterverkauf durch den Angeklagten vorgesehen, um aus den Erlösen dessen Eigenkonsum zu finanzieren. Die weiteren aufbewahrten Betäubungsmittel – „mit Ausnahme der Ecstasy-Tabletten“ – waren zum Eigenkonsum des Angeklagten bestimmt.

Zum Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel hat das Amtsgericht festgestellt, dass die 300 Gramm Marihuana „mindestens einen Wirkstoffanteil im Bereich oberhalb der nicht geringen Menge besaßen, bei 5% Wirkstoff 15 Gramm THC und bei 10% 30 Gramm THC“.

2. Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht. Verfügt ein Angeklagter – wie vorliegend ¬über verschiedene Einzelmengen von Betäubungsmitteln, die teilweise dem Eigenverbrauch und teilweise dem gewinnbringenden Weiterverkauf zu dienen bestimmt sind, kommt eine Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nur dann in Betracht, wenn die Handelsmenge den Grenzwert der nicht geringen Menge übersteigt (zu vgl. Patzak in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Auflage, § 29a Rdnr. 159 ff.). Wird der Grenzwert der nicht geringen Menge erst durch die Gesamtmenge aus Handelsmenge und Eigenverbrauchsmenge erreicht, die ihrerseits jeweils unter dem Grenzwert liegen, liegt nur Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben gem. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG vor. Dass die vom Angeklagten allein für den Weiterverkauf vorgesehene Menge von 250 Gramm Marihuana – weitere 50 Gramm Marihuana sowie die Kleinmenge Haschisch dienten zum Eigenverbrauch, der Verwendungszweck der Ecstasy-Tabletten wurde nicht festgestellt – jedoch eine für die Annahme einer nicht geringen Menge bei Cannabisprodukten erforderliche Wirkstoffmenge von 7,5 Gramm THC enthielt, hat das Amtsgericht nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Zwar durfte das Amtsgericht den Wirkstoffgehalt des nach den weiteren Feststellungen später an den Verkäufer zurückgegebenen und daher für eine Untersuchung nicht mehr zur Verfügung stehenden Betäubungsmittels grundsätzlich durch Schätzung bestimmen und war dazu auch zur Bestimmung des Schuldgehalts der Tat rechtlich gehalten. Das Amtsgericht hat jedoch nicht in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise dargelegt, auf welcher tatsächlichen Grundlage seine Schätzung beruht. Insbesondere hat es keine weitergehenden Feststellungen zur Qualität des Betäubungsmittels – ggf. unter Berücksichtigung von Kaufpreis, Herkunft oder Beurteilung durch Tatbeteiligte – getroffen oder seine Annahme, das Marihuana habe einen Wirkstoffanteil „im Bereich oberhalb der nicht geringen Menge“ besessen, sonst tragfähig begründet.

Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Schuldspruch nicht auf diesem Rechtsfehler beruht. Insbesondere kann nicht aufgrund der bloßen Menge des Betäubungsmittels sicher davon ausgegangen werden, dass die Grenze zur nicht geringen Menge betreffend die Handelsmenge in jedem Fall überschritten war. Dies wäre – bezogen auf die Handelsmenge von 250 Gramm – zwar noch bei einem Wirkstoffgehalt von 3 Prozent, nicht mehr aber bei einem niedrigeren Wirkstoffgehalt der Fall gewesen. Da der mittlere THC-Gehalt von Marihuana im Jahr 2019 2,6 Prozent betrug (zu vgl. BT-Drs. 19/32520, S. 3) und auch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine durchschnittliche Qualität bei Marihuana bereits ab einem Wirkstoffgehalt von 2 Prozent angenommen werden kann (Patzak, aaO, Vor §§ 29ff. Rdnr. 339 ff.), bedarf die Sache insoweit weiterer Aufklärung.“

Dieser Rechtsfehler dürfte gemäß § 357 StPO zur Erstreckung der Aufhebung auch auf den nichtrevidierenden Mitangeklagten pp1. führen, der vom Amtsgericht wegen „gemeinschaftlicher unerlaubter Abgabe“ derjenigen Betäubungsmittelmenge verurteilt worden ist, deren Bewertung als nicht geringe Menge nach dem Vorgesagten nicht frei von Rechtsfehlern ist.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an. …“

BtM II: Grenzwert zur nicht geringen Menge bei „Opium“, oder: 4,5 g Morphinhydrochlorid sind zu viel g

Und als zweite Entscheidung aus dem BtM-Bereich

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der BGH, Beschl. v. 06.10.2020 – 2 StR 311/20. In ihm hat der BGH zur sog. „nicht geringen Menge“ von „Opium“ Stellung genommen.

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit verurteilt. Nach den Feststellungen transportierten die drei Angeklagten im Auftrag eines im Iran ansässigen Hintermannes gemeinschaftlich 18.940 g „Opium“ mit einem Wirkstoffgehalt von 1.345,72 g Morphinhydrochlorid in drei LKWs aus dem Iran nach Deutschland, wo sie dieses im Auftrag des Hintermannes an dessen Abnehmer übergeben und die Kaufpreise entgegennehmen sollten. Sie wurden nach erfolgter Einreise bei der Übergabe einer Teilmenge in L. festgenommen. Das Rauschgift war fast ausschließlich für hier lebende „iranischstämmige“ Personen bestimmt, die das „Opium“ als ein Kulturgut ansehen.

Für die Bemessung des Schuldumfangs ist die Strafkammer von einer 299-fachen Überschreitung des Grenzwertes zur nicht geringen Menge im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG ausgegangen, wobei sie ihrer Wertung einen Grenzwert von 4,5 g Morphinhydrochlorid für das transportierte und gehandelte „Opium“ zugrunde gelegt hat.

Der BGH sieht das etwas anders:

„2. Während die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Schuldspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, hält der Strafausspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach den Urteilsgründen bleibt offen, auf welcher Grundlage die Strafkammer festgelegt hat, dass 4,5 g Morphinhydrochlorid bei den sichergestellten Betäubungsmitteln eine nicht geringe Menge im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG darstellen.

a) Nach der in ständiger Rechtsprechung vom Bundesgerichtshof angewandten Methode zur Bestimmung des Grenzwertes eines Betäubungsmittels ist dieser stets in Abhängigkeit von der konkreten Wirkungsweise und Wirkungsintensität des Betäubungsmittels festzulegen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juni 2018 – 1 StR 233/18, StV 2019, 338; Urteile vom 8. November 2016 – 1 StR 492/15, NStZ-RR 2017, 45; vom 5. November 2015 – 4 StR 124/14, StraFo 2016, 37, 38; vom 17. November 2011 – 3 StR 315/10; BGHSt 57, 60, 63 f.; Senat, Urteil vom 3. Dezember 2008 – 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89, 95 f.). Bei Opium besteht die Besonderheit, dass es nicht nur als Rohstoff ein Betäubungsmittel darstellt. Es dient auch als Ausgangsmaterial zur Herstellung von Opium-Alkaloiden, wie zum Beispiel Morphin, Kodein oder Papaverin (vgl. Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., Stoffe, Teil 1. Betäubungsmittel Rn. 160). Dementsprechend gilt die Festlegung des Bundesgerichtshofs, dass bei einer überwiegend intravenös injizierten Morphinzubereitung ein Grenzwert von 4,5 g Morphinhydrochlorid für die Annahme einer nicht geringen Menge im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zugrunde zu legen ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. Dezember 1987 – 1 StR 612/87, BGHSt 35, 179 ff.), aufgrund der divergierenden Applikationsformen nicht für alle Opiumprodukte (vgl. Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, aaO, § 29a Rn. 99). Denn die Bioverfügbarkeit unterscheidet sich etwa bei einem oralen Konsum signifikant von einer intravenösen Zuführung (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2016 – 1 StR 492/15, aaO, 46).

Für die Festlegung eines Grenzwerts ist daher maßgeblich, ob Rohopium, das auch gegessen, getrunken oder geraucht werden kann (vgl. zu den Konsumformen des Opiums Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, aaO, Stoffe Teil 1. Betäubungsmittel Rn. 172; Weber, BtMG, 5. Aufl., § 1 Rn. 615; Möllers, Wörterbuch der Polizei, 3. Aufl., Opium), oder eine gefährlichere Verarbeitungsform wie beispielsweise Rauchopium (vgl. Patzak, in Körner/Patzak/Volkmer, aaO, Rn. 168) oder Rohmorphin (vgl. Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, aaO, Rn. 179) Gegenstand des Handelns war. Denn für die Gefährlichkeit der Dosis kommt es auf die Wirkmenge an, die bei der regelmäßig zu erwartenden Darreichungsform auf den Konsumenten einwirkt (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2016 – 1 StR 492/15, aaO, 45; Urteil vom 22. Dezember 1987 – 1 StR 612/87, aaO, 180).

b) Hieran gemessen ist der von der Strafkammer zur Ermittlung des Schuldgehalts zugrunde gelegte Grenzwert von 4,5 g Morphinhydrochlorid für die Annahme einer nicht geringen Menge im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG nicht belegt. Die Urteilsgründe lassen offen, welches Opiumprodukt dem festgestellten Tatgeschehen zugrunde lag. Der Inhalt des Gutachtens des Hessischen Landeskriminalamts, das neben der Menge und dem Wirkstoffgehalt auch die Art der sichergestellten Betäubungsmittel zum Gegenstand hat, wird nicht mitgeteilt. Ob dem Gutachten auch Ausführungen zur Festlegung eines Grenzwertes für die sichergestellten Betäubungsmittel zu entnehmen sind, bleibt offen (vgl. . bezogen auf die Festlegung des Grenzwertes . zum Darstellungserfordernis bei nicht standardisierten Sachverständigengutachten Senat, Beschluss vom 6. Mai 2020 – 2 StR 391/19, juris Rn. 10; BGH, Beschluss vom 25. April 2019 – 1 StR 427/18, NStZ 2020, 294, 297; Urteil vom 27. Oktober 1999 – 3 StR 241/99, NStZ 2000, 106, 107, jeweils mwN; vgl. auch KK-StPO/Kuckein/Bartel, 8. Aufl., § 267 Rn. 16; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 267 Rn. 13, jeweils mwN). Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass die Strafkammer der Verurteilung des Angeklagten einen zu großen Schuldgehalt zugrunde gelegt hat.“

Aber:

„c) Der Rechtsfehler lässt den Schuldspruch unberührt. Angesichts der sichergestellten Betäubungsmittel mit einer Gesamtmenge von 1.345,72 g Morphinhydrochlorid ist, unabhängig von der exakten Bemessung des Grenzwerts für die hier eingeführten und gehandelten Betäubungsmittel, eine nicht geringe Menge im Sinne der § 30 Abs. 1 Nr. 4, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zweifelsfrei belegt (vgl. zum Grenzwert der nicht geringen Menge von Morphinhydrochlorid in Schlafmohnkapseln BGH, Urteil vom 8. November 2016 – 1 StR 492/15, aaO, 45 f.).“

Und für die neue Hauptverhandlung gibt es dann gleich noch den Hinweis auf (alte) Rechtssprechung aus Köln. Der BGH weist darauf hin, dass die Bestimmung des Grenzwertes für Roh- oder Rauchopium mit 6 g Morphinhydrochlorid nicht unbedenklich ist. Dann weist die „neue“ Strafkammer schon mal, wo die Grenzen liegen 🙂 .