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Mittäterschaft III: Keine gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung des „Abwesenden“

GruppeHeute sind hier im Blog schon zwei Entscheidungen zur Abgrenzung Mittäterschaft/Beihilfe gelaufen, und zwar der BGH, Beschl. v. 14.07.2016 – 3 StR 129/16 (dazu: Mittäterschaft I: Hilfe beim Ausspähen, das ist nur Beihilfe zur räuberischen Erpressung….) und der BGH, Beschl. v. 04.02.2016 – 1 StR 344/15 (und dazu Mittäterschaft II: Mittäter oder Gehilfe beim Mord?, oder: Hier passt beides nicht).  Die kleine Serie schließe ich dann ab mit dem BGH, Beschl. v. 26.06.2016 – 3 StR 165/16 – mit einer „klassischen Problematik, nämlich dem Klassiker der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, als „gemeinschaftlich“. Das ist eine Begehungsform, die den BGH immer wieder beschäftigt, so auch hier, und zwar mit einem für die Angeklagte positiven Ergebnis:

„Der Schuldspruch gegen die Angeklagte Y. wegen täterschaftlich begangenen besonders schweren Raubes weist keinen Rechtsfehler auf. Derjenige wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung hält jedoch materiellrechtlicher Prüfung nicht stand; denn die Voraussetzungen der § 224 Abs. 1 Nr. 4, § 25 Abs. 2 StGB sind – anders als bei der Angeklagten M. – durch die Feststellungen nicht belegt.

a) Danach planten die Angeklagten sowie drei männliche Mitangeklagte, den Geschädigten in die Wohnung der Zeugin M. zu locken und ihn dort „abzuziehen“. Der Zeuge sollte schnellstmöglich überwältigt werden; dabei nahmen alle Angeklagten eine körperliche Verletzung des Opfers zumindest billigend in Kauf. Die Angeklagte Y. zog sich noch vor dem Eintreffen des Geschädigten in die Küche der Wohnung zurück, um die Ausführung der Tat den übrigen Angeklagten zu überlassen. Die Angeklagte M. öffnete dem Geschädigten die Wohnungstür, ließ ihn in die Diele eintreten, sicherte die Wohnungstür mit einer Kette, gab das vereinbarte Kommando „Er kommt“ und begab sich in das Schlafzimmer. Daraufhin sprangen die männlichen Mitangeklagten aus ihren Verstecken und überwältigten das Opfer, zerrten es in das Wohnzimmer, bedrohten es u.a. mit einem Messer, fügten ihm Verletzungen zu und nahmen ihm Bargeld sowie mehrere Mobiltelefone ab. Während dieser Zeit ging die Angeklagte M. in das Treppenhaus und versuchte, durch den Lärm aufmerksam gewordene Nachbarn zu beruhigen.

b) Der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB macht sich schuldig, wer die Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begeht. Für eine gemeinschaftliche Tatbegehung ist es nicht erforderlich, dass jeder der Mittäter eigenhändig an der Körperverletzungshandlung teilnimmt; auch kann ein Mittäter (orts-)abwesend sein, vorausgesetzt, dass mindestens zwei weitere Täter dem Opfer gegen-überstehen (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 1999 – 4 StR 312/99, NStZ 2000, 194, 195). Ob ein in diesem Sinne Abwesender Tatbeteiligter der ge-meinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung anderer ist, richtet sich nach den allgemeinen Regeln der Mittäterschaft, der Anstiftung oder der Beihilfe (BGH, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 3 StR 68/12, NStZ-RR 2012, 270). Somit ist Mittäter im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kernge-schehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung för-dernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob danach Mittäterschaft anzunehmen ist, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Ge-samtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Be-treffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 17. Oktober 2002 – 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254; Beschlüsse vom 2. Juli 2008 – 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25, 26; vom 29. September 2015 – 3 StR 336/15, NStZ-RR 2016, 6, 7).

Nach diesen Maßstäben scheidet die Annahme der Mittäterschaft bei der Angeklagten Y. aus. Wenn sie auch billigend in Kauf genommen hatte, dass der Geschädigte bei dem Geschehen körperlich verletzt wird, so galt ihr Tatinteresse doch in erster Linie der Wegnahme des Geldes und sonstiger Wertgegenstände, von der sie wirtschaftlich zu profitieren hoffte, nicht aber den Körperverletzungen des Opfers. Maßgebend kommt hinzu, dass sie an den Körperverletzungshandlungen in keiner Weise beteiligt war, insoweit keine Tat-herrschaft hatte und auch ein Wille hierzu nicht festgestellt ist. Die Durchführung und der Ausgang der Tat hingen – bezogen auf die gefährliche Körperver-letzung – ebenfalls nicht von ihrem Willen ab.

Demgegenüber beteiligte sich die Angeklagte M. zwar ebenso wenig an den unmittelbaren Körperverletzungshandlungen. Sie leistete jedoch im Gegensatz zu der Angeklagten Y. wesentliche objektive Tatbeiträge auch zu der gefährlichen Körperverletzung, indem sie das Opfer in die Wohnung einließ, die Wohnungstür sicherte, den männlichen Mitangeklagten das vereinbarte Startkommando gab sowie versuchte, die Nachbarn zu beruhigen und damit die Entdeckung der Tat zu verhindern. Dies rechtfertigt bei ihr – bei im Übrigen vergleichbarer Interessenlage – auch insoweit die Annahme der Mittäterschaft.“

Mittäterschaft II: Mittäter oder Gehilfe beim Mord?, oder: Hier passt beides nicht

Hand mit MesserDas LG hatte den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten bleibt davon nur die gefährliche Körperverletzung übrig. Es ging um die Beteiligung des Angeklagten an einer Messerstecherei in Stuttgart. Die Strafkammer hatte dem Angeklagten dabei ausgeführte Messerstiche als Mittäter zugerechnet. Der BGH hat das im BGH, Beschl. v. 04.02.2016 – 1 StR 344/15 – anders gesehen:

„1. Die tödlichen Stiche können dem Angeklagten auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht als Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden.

Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Be-schlüsse vom 29. September 2015 – 3 StR 336/15, NStZ-RR 2016, 6 f. und vom 2. Juli 2008 – 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25, 26; Urteil vom 17. Oktober 2002 – 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254). Voraussetzung für die Zurechnung späteren fremden Handelns als eigenes mittäterschaftliches Tun ist ein zumindest konkludentes Einvernehmen der Mittäter.

An dieser Zurechnungsgrundlage fehlt es. Die Tathandlung des Angeklagten wurde nach den Feststellungen nicht von einem gemeinsamen Tatplan hinsichtlich des Mitführens von Waffen und der Tötung eines Gegners getragen. Sie ist auch nicht Teil einer späteren konkludenten Erweiterung des Tatplans durch bewusstes und gewolltes Zusammenwirken des Angeklagten mit dem für die tödlichen Stiche verantwortlichen Angreifer.

Der vor Beginn des Kampfgeschehens gefasste gemeinsame Tatplan sah keine Bewaffnung und keine Tötung der Gegner vor. Für den Angeklagten, der den Einsatz des Messers durch A. beobachtet, ist dessen Handeln ein Exzess. Feststellungen über eine Erweiterung des Tatplans unter Einbindung des die tödlichen Stiche setzenden Angreifers sind nicht getroffen worden. Eine mögliche einseitige Zustimmung des Angeklagten zur todbringenden Verwendung mitgeführter Messer durch andere Angreifer würde ohnehin nicht genügen. Ein zumindest konkludentes wechselseitiges Einvernehmen hätte zunächst vorausgesetzt, dass der die Tat unmittelbar Ausführende die das Kampfgeschehen eröffnende Messerattacke und eine hierauf bezogene Billigung durch den Angeklagten überhaupt wahrgenommen hat. Dies alles ist nicht festgestellt. Damit entbehrt der Schluss des Landgerichts, auch der tödliche Messerstich sei aufgrund einer konkludenten Erweiterung des ursprünglichen Tatplans dem Angeklagten zuzurechnen, einer tragfähigen Grundlage.

2. Eine Verurteilung wegen Beihilfe scheidet nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ebenfalls aus.

Als Gehilfe wird gemäß § 27 Abs. 1 StGB bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Diese Hilfeleistung muss sich auf die Begehung der Haupttat zwar nicht kausal auswirken; erforderlich ist aber, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung in irgendeiner Weise erleichtert oder fördert (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 – 2 StR 58/15, NStZ-RR 2015, 343, 344; Urteil vom 16. Januar 2008 – 2 StR 535/07, NStZ 2008, 284 mwN). Dies belegen die Feststellungen nicht.

Auch eine psychische Beihilfe scheidet aus. Die bloße Anwesenheit am Tatort in Kenntnis einer Straftat reicht selbst bei deren Billigung dazu nicht aus (vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. Oktober 2001 – 3 StR 237/01, NStZ 2002, 139, 140 mwN). Die Hilfeleistung im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB kann zwar auch in der Billigung der Tat bestehen, wenn sie gegenüber dem Täter zum Ausdruck gebracht und dieser dadurch in seinem Tatentschluss bestärkt wird und der Gehilfe sich dessen bewusst ist. Das hätte vorausgesetzt, dass der die Tat un-mittelbar Ausführende den Angeklagten und dessen Billigung eines Tötungsde-likts wahrgenommen hat und dadurch in seinem Tatentschluss bestärkt oder ihm zumindest ein erhöhtes Sicherheitsgefühl vermittelt wurde. Beides ist indes nicht festgestellt. Nach der umfassenden und besonders sorgfältigen Beweiswürdigung ist auszuschließen, dass das Landgericht noch weitere Feststellungen treffen könnte.“

Mittäterschaft I: Hilfe beim Ausspähen, das ist nur Beihilfe zur räuberischen Erpressung….

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Heute dann drei (ruhigere) Berichte zu Fragen der Mittäterschaft. Zunächst der BGH, Beschl. v. 14.07.2016 – 3 StR 129/16. Ausgangspunkt ist folgender Sachverhalt:

a) Die Angeklagte und der Mitangeklagte waren übereingekommen, ihren gemeinsamen Lebensunterhalt künftig durch Überfälle auf Tankstellen zu bestreiten. Gegenstand des Urteils sind zwei von mehreren in Umsetzung die-ses Entschlusses begangene Taten:

– Auf der Suche nach einem geeigneten Tatobjekt stießen die Angeklagte und der Mitangeklagte am Abend des 20. März 2014 auf eine Tankstelle in H. . Beim langsamen Vorbeifahren stellten sie fest, dass sich dort nur eine Angestellte aufhielt. Sie hielten die Gelegenheit deshalb für günstig und parkten in der Nähe. Die Angeklagte wartete wie vereinbart im Pkw; der Mitangeklagte begab sich, ausgestattet mit einem Schreckschussrevolver und mit Pfefferspray, in den Verkaufsraum und verlangte von der Angestellten unter Vorzeigen des Revolvers die Herausgabe des Kasseninhalts. Aus Angst packte die Angestellte diesen in eine vom Mitangeklagten mitgebrachte Plastiktüte. Damit kehrte der Mitangeklagte zum Pkw zurück und fuhr zusammen mit der Angeklagten weg.

– Gleichermaßen kamen sie am Abend des 22. März 2014 zu einer Tankstelle in B. , konnten aber beim Vorbeifahren nicht erken-nen, wie viele Personen sich dort aufhielten. Sie stellten ihren Pkw auf dem  Parkplatz eines nahe gelegenen Supermarkts ab; während die Angeklagte wie-derum im Fahrzeug blieb, beobachtete der Mitangeklagte die Tankstelle zunächst von einem Nachbargrundstück aus. Wegen des Publikumsverkehrs verzichtete er auf die Mitnahme von Revolver und Pfefferspray. Als ihm die Situation günstig erschien, ging der Mitangeklagte in den Verkaufsraum der Tank-stelle und forderte von der dort anwesenden Angestellten die Herausgabe von Bargeld. Dabei täuschte er vor, im Besitz einer Schusswaffe zu sein. Aus Angst packte die Angestellte den Kasseninhalt in die ihr hingehaltene Plastiktüte. Wie zuvor begab sich der Mitangeklagte mit der Beute zurück zur Angeklagten und fuhr zusammen mit dieser weg.

Die benutzten Fahrzeuge hatte die Angeklagte jeweils auf ihren Namen angemietet. Ob sie diese bei den Taten auch steuerte, konnte das Landgericht nicht feststellen.“

Das reichte dem BGH nicht für eine Verurteilung wegen Mittäterschaft:

b) Dies trägt nicht die Annahme von Mittäterschaft der Angeklagten (§ 25 Abs. 2 StGB); ihre Tatbeiträge sind vielmehr in beiden Fällen als Beihilfe zu den Taten des Mitangeklagten zu werten (§ 27 Abs. 1 StGB).

aa) Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB, wer einen eigenen Tatbeitrag leistet und diesen so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst und auch keine Anwesenheit am Tatort; ausreichen kann vielmehr auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich die objektiv aus einem  wesentlichen Tatbeitrag bestehende Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob danach Mittäterschaft oder Beihilfe anzunehmen ist, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 17. Oktober 2002 – 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254; Beschluss vom 2. Juli 2008 – 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25, 26).

bb) Daran gemessen stellt sich die Tätigkeit der Angeklagten nach dem äußeren Erscheinungsbild in Bezug zu den Tatbeiträgen des Mitangeklagten nur als Beihilfe zu dessen Erpressungstaten dar. Die Angeklagte war zwar in die Auswahl und in die Auskundschaftung der Tatobjekte eingebunden, ebenso mietete sie die Tatfahrzeuge in eigenem Namen an. Darin liegen aus objektiver Sicht aber keine Tatbeiträge von einem Gewicht, das den Schluss auf eine Tatherrschaft der Angeklagten oder wenigstens auf ihren Willen dazu tragen könnte. Die Ausführung der Taten oblag allein dem Mitangeklagten und war ebenso wie der Eintritt des Taterfolgs dem Einfluss und dem Willen der Angeklagten in jeder Hinsicht entzogen. Der gemeinsame Tatentschluss und das auch aus dem Bestreiten des gemeinsamen Lebensbedarfs folgende Interesse der Angeklagten am Gelingen der Überfälle vermag eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen.“

Der BGH hat dann in Beihilfe abgeändert.

Manchmal sind StGB-AT-Kenntnisse ganz angebracht, oder: Back to the roots

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In Strafverfahren richtet sich der Focus häufig nur/schnell auf verfahrensrechtliche Fragen, das materielle Recht, insbesondere die Fragen des StGB-AT, werden häufig vernachlässigt. Das zeigt sich am BGH, Beschl. v.12.06.2012 – 3 StR 166/12, in dem es um die Abgrenzung Mittäterschaft/Teilnahme ging. Das LG war von folgenden Feststellungen ausgegangen:

„a) Nach den Feststellungen nahm die Angeklagte in Umsetzung des Tatplanes unter einem falschen Namen telefonisch mit dem Geschädigten Kontakt auf, traf sich mit ihm und brachte ihn schließlich am späten Abend mit ihrem Fahrzeug zu dem abgelegenen Tatort. Dort stieg der Geschädigte aus. Nach ihrer unwiderlegt gebliebenen Einlassung fuhr die Angeklagte weiter, stellte ihr Fahrzeug in einiger Entfernung ab und blieb in diesem sitzen. Nach dem Aussteigen des Geschädigten nötigten die Mitangeklagten diesen unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für dessen Leib und Leben zur Übergabe von 9.000 €, ohne hierauf einen Anspruch gehabt zu haben.“

und hatte den Angeklagten wegen mittäterschaftlicher räuberischer Erpressung (§ 253 Abs. 1 und 2, §§ 255, 25 Abs. 2 StGB) verurteilt.

Das hatr dem BGH nicht geapsst:

Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, handelt mittäterschaftlich, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint (Fischer, StGB, 59. Aufl., § 25 Rn. 12 mwN). Ob danach Mittäterschaft anzunehmen ist, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2008 – 3 StR 243/08, StV 2008, 575; Urteile vom 12. Februar 1998 – 4 StR 428/97, NJW 1998, 2149, 2150; vom 15. Januar 1991 – 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 291). Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2002 – 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254; Beschluss vom 2. Juli 2008 – 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25). Erschöpft sich demgegenüber die Mitwirkung nach seiner Vorstellung in einer bloßen Förderung fremden Handelns, so stellt seine Tatbeteiligung Beihilfe dar (§ 27 Abs. 1 StGB; vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2012 – 3 StR 63/12, StraFo 2012, 194).

c) Daran gemessen kann der Schuldspruch nicht bestehen bleiben. Das Urteil lässt nicht nur die hier zur Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe gebotene wertende Gesamtbetrachtung vermissen, sondern bereits Feststellungen dazu, ob und in welcher Ausprägung die Angeklagte ein eigenes Interesse an der Tat sowie – über ihren eigenen Tatbeitrag hinaus – Tatherrschaft oder wenigstens den Willen dazu hatte. Die Annahme der Jugendkammer, die Angeklagte sei Mittäterin, weil sie sich „wissentlich und willentlich an der Drohkulisse“ beteiligt habe, machte die mit Blick auf den festgestellten untergeord-neten Tatbeitrag der Angeklagten gebotene wertende Gesamtbetrachtung so-wie die erforderliche Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme nicht entbehrlich.“

Also: Back to the roots

Erst Mittäter, dann Alleintäter – darauf hinweisen muss das Gericht…

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Die Anklage  legte dem Angeklagten zur Last, gemeinschaftlich mit einem Mitangeklagten ein Gebäude, das der Wohnung von Menschen dient, in Brand gesetzt zu haben. Am letzten Tag der Hauptverhandlung wurden beide Angeklagte darauf hingewiesen, dass eine Verurteilung wegen Brandstiftung nach § 306 StGB und der Angeklagte R. , dass eine Verurteilung wegen Anstiftung zur Brandstiftung nach § 306 StGB in Betracht kommt. Anschließend verurteilte die Jugendkammer den Angeklagten wegen in Alleintäterschaft begangener Brandstiftung, während sie den Mitangeklagten insoweit freisprach. Das hat der Angeklagte mit der Revision angegriffen. Und er hatte Erfolg.

Der BGH, Beschl. v. 22.03.2012 – 4 StR 651/11 sieht einen Verstoß gegen § 265 Abs. 1 StPO:

Diese Verfahrensweise verletzt § 265 Abs. 1 StPO. Will das Gericht im Urteil von einer anderen Teilnahmeform ausgehen als die unverändert zugelassene Anklage, muss es den Angeklagten nach § 265 Abs. 1 StPO zuvor darauf hinweisen und ihm Gelegenheit geben, seine Verteidigung darauf einzurichten. Das gilt auch bei einer Verurteilung wegen Alleintäterschaft statt Mittäterschaft (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 1989 – 1 StR 24/89, BGHR StPO § 265 Abs. 1 Hinweispflicht 5; Beschluss vom 17. Mai 1990 – 1 StR 157/90, NStZ 1990, 449; Urteil vom 24. Oktober 1995 – 1 StR 474/95, StV 1997, 64; Beschluss vom 17. Januar 2001 – 2 StR 438/00, StV 2002, 236; Beschluss vom 14. Oktober 2008 – 4 StR 260/08, NStZ 2009, 105). Gegenüber dem Vorwurf der Alleintäterschaft ist regelmäßig eine andere Verteidigung geboten als gegenüber dem der Mittäterschaft.“

Nichts Neues, wie die Zitate zeigen, aber immer wieder übersehen…