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Berufung I: (Wirksame) Berufungsbeschränkung?, oder: (Ausreichende) eigene Feststellungen?

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Heute stelle ich dann mal Entscheidungen zu Berufungsfragen vor.

Den Reigen eröffne ich zwei Entscheidungen des BayObLG zur Fragen der Berufungsbeschränkung und/oder der ausreichenden Feststellungen.

Zunächst der BayObLG, Beschl. v. 18.03.2021 – 202 StRR 19/21, der sich zur Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung bei einer Verurteilung wegen Unterhaltspflichtverletzung verhält. Worum es geht, ergibt sich aus den beiden Leitsätzen des Beschlusses, nämlich:

  1. Für die Wirksamkeit der Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch (§ 318 Satz 1 StPO) ist es u.a. erforderlich, dass das Ersturteil ausreichende Feststellungen zum Schuldumfang trifft. Diesen Anforderungen genügt es nicht, wenn bei dem Vorwurf der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 170 Abs. 1 StGB lediglich ausgeführt wird, der Angeklagte sei zur „zumindest teilweisen Unterhaltszahlung in der Lage gewesen“.

  2. Auch im Falle der wirksamen Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch hat das Berufungsgericht eigene Feststellungen zum gewerbsmäßigen Handeln im Sinne von § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 1. Alt. StGB zu treffen (Anschluss u.a. an BGH, Beschl. v. 20.06.2017 – 1 StR 458/16 = BGHSt 62, 202 = NJW 2017, 2847 = wistra 2018, 133 = StV 2018, 265 und OLG Bamberg, Beschl. v. 06.03.2018 – 3 OLG 130 Ss 19/18 = StraFo 2018, 159 = wistra 2018, 319).

Und als zweite Entscheidung dann der BayObLG, Beschl. v. 23.03.2021 – 202 StRR 30/21 zur Notwendigkeit eigener Feststellungen des Berufungsgerichts zum persönlichen Werdegang des Angeklagten auch bei wirksamer Berufungsbeschränkung, und zwar:

  1. Bei einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch (§ 318 StPO) erfasst die Bindungswirkung nach § 327 StPO nur die Feststellungen zum Tatgeschehen, nicht aber diejenigen zum persönlichen Werdegang des Angeklagten, weil diese ausschließlich für den Rechtsfolgenausspruch von Bedeutung sind.

  2. Zwar ist in solchen Fällen auch eine Bezugnahme auf die Feststellungen zum persönlichen Werdegang des Angeklagten im Ersturteil zulässig. Allerdings muss im Berufungsurteil eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden, dass die Berufungskammer zu gleichen Feststellungen wie das Amtsgericht gelangt ist.

3,4 Promille – das ist nicht mal einfach so vorsätzlicher Vollrausch

© monticellllo - Fotolia.com

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Bei der Verurteilung wegen eines Vollrausches (§ 323a StGB) ist für die Bestrafung des Angeklagten von erheblicher Bedeutung, ob Vorsatz oder nur Fahrlässigkeit vorliegt. Von den Tatgerichten wird bei einer hohen BAK gern auf Vorsatz geschlossen. So einfach geht das aber – ebenso wie bei der Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB – nicht. Dazu der OLG Hamm, Beschl. v. 28.04.2016 – 3 RVs 30/16:

„a) Nach den getroffenen Feststellungen hat das Amtsgericht zwar rechtsfehlerfrei die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des Vollrausches nach § 323a StGB bejaht. Denn durch den Genuss alkoholischer Getränke hat sich der Angeklagte in einen Zustand versetzt, in dem seine Schuldfähigkeit möglicherweise ausgeschlossen, jedenfalls aber erheblich i.S.d. § 21 StGB beeinträchtigt war. Angesichts der zum Zeitpunkt der Blutentnahmen festgestellten BAK und der beschriebenen Ausfallerscheinungen (Sturz mit dem Fahrrad, unsicheres Gangbild, aggressives Verhalten, lautes und zielloses Herumlaufen in der Wohnung) ist die Schlussfolgerung des Amtsgerichts, dass die Schuldfähigkeit bei Begehung der Tat vermindert, wenn nicht gar aufgrund der starken Alkoholisierung aufgehoben gewesen sei, nicht nur möglich, sondern naheliegend. In diesem Zustand beging der Angeklagte eine rechtswidrige Tat, nämlich eine gefährliche Körperverletzung i.S.v. § 224 Abs. 1 StGB zum Nachteil der Zeugin X.

b) Durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken begegnet jedoch die Annahme vorsätzlicher Tatbegehung. Die Feststellungen belegen nicht zweifelsfrei die Überzeugung des Amtsgerichts, dass sich der Angeklagte vorsätzlich in einen Rausch versetzt habe. Das Revisionsgericht ist zwar auch an solche Schlussfolgerungen des Tatrichters gebunden, die nicht zwingend, sondern nur möglich sind. Dies gilt jedoch nicht, wenn sich die Schlussfolgerungen so sehr von einer festen Tatsachengrundlage entfernen, dass sich das Ergebnis der Bewertung als bloße Vermutung erweist (BGH, Beschluss vom 25. März 1986 – 2 StR 115/86, NStZ 1986, S. 373, OLG Hamm, Beschluss vom 22. August 2000 – 4 Ss 615/00, juris, Rdnr. 7 und Beschluss vom 22. Januar 2007 – 2 Ss 458/06, juris, Rdnr. 23). Dies ist hier der Fall.

aa) Wegen vorsätzlichen Vollrausches kann nur bestraft werden, wer sich wissentlich und willentlich in einen rauschbedingten Zustand der (möglichen) Schuldunfähigkeit versetzt hat. Der zumindest erforderliche bedingte Vorsatz ist gegeben, wenn es der Täter bei dem Genuss von Rauschmitteln für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, dass er sich dadurch in einen Rauschzustand versetzt, der seine Einsichtsfähigkeit oder sein Hemmungsvermögen jedenfalls erheblich vermindert, wenn nicht ganz ausschließt (BGH, Beschluss vom 12. Mai 1989 – 2 StR 684/88, juris, und Urteil vom 28. Juni 2000 – 3 StR 156/00, juris, Rdnr. 8; Senat, Beschluss vom 21. August 2007 – 3 Ss 135/07, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 22. August 2000 – 4 Ss 615/00, juris, Rdnr. 8).

bb) Für vorsätzliches Handeln des Angeklagten in diesem Sinne bilden die Feststellungen keine zuverlässige Stütze. Ausführungen dazu, welche Vorstellungen der Angeklagte über die Auswirkungen seines Alkoholkonsums hatte, als er sich betrank, enthält das angefochtene Urteil nicht. Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich nicht hinreichend entnehmen, dass der Angeklagte mit dem Eintritt von Schuldunfähigkeit als Folge seines Alkoholkonsums rechnete oder dass er voraussehen konnte, dass er in einen alkoholbedingten Rausch geraten würde und dieses wollte oder jedenfalls billigend in Kauf nahm. Zwar enthält das Urteil aufgrund der Angaben zur Blutalkoholkonzentration des Angeklagten hierfür gewichtige Anhaltspunkte. Allein aus der Aufnahme der beträchtlichen Alkoholmenge, die zum Erreichen der festgestellten hohen BAK erforderlich war, können zuverlässige Schlüsse zur inneren Tatseite jedoch nicht gezogen werden. Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass bei Alkoholgenuss in einer Menge, die – wie hier – zu einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 3,4 o/oo führt, stets auf die vorsätzliche Herbeiführung eines Rauschzustandes durch den Täter geschlossen werden kann (BGH, Urteil vom 28. Juni 2000 – 3 StR 156/00, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 22. August 2000 – 4 Ss 615/00, juris; Senat, Beschluss vom 21. August 2007 – 3 Ss 135/07, juris). Vielmehr müssen weitere, auf die vorsätzliche Tatbegehung hinweisende Umstände, hinzutreten. Hierzu bedarf es weiterer Feststellungen zur maximalen BAK, zum Trinkverlauf (Beginn und Dauer des Alkoholkonsums, Art und Menge der konsumierten Getränke und ihres Alkoholgehalts), zu den Trinkgewohnheiten bzw. der Alkoholgewöhnung des Angeklagten, ggf. auch zu weiteren Straftaten, die der nach den Feststellungen nicht vorbestrafte Angeklagte bereits unter Alkoholeinfluss begangen hat.“

„…da die vom Tatrichter getroffenen Feststellungen nicht den Mindestanforderungen entsprechen..“

Das OLG Düsseldorf hat jetzt eine Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von BtM aufgehoben, „da die vom Tatrichter getroffenen Feststellungen nicht den Mindestanforderungen entsprechen, die gemäß § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO an die Urteilsgründe zu stellen sind.“ (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.08.2012 – III 2 RVs 124/12).

Die amtsgerichtlichen Feststellungen sind schon deshalb nicht geeignet, den Schuldspruch wegen unerlaubten Besitzes von. Betäubungsmitteln im genannten Sinne zu tragen, weil bereits nicht dargestellt wird, dass bei der Durchsuchung des Angeklagten im Polizeipräsidium Duisburg überhaupt Rauschgift gefunden worden ist. Vielmehr beschränken sich die Urteilsgründe auf die bloße Feststellung, dass ein „Pack mit 0,49 Gramm netto“ vorgefunden worden sei. Zwar ist sowohl dem Tenor der angefochtenen Entscheidung als auch den darin enthaltenen Ausführungen zur rechtlichen Würdigung der abgeurteilten Tat zu entnehmen, dass das Amtsgericht offenbar davon überzeugt war, dass bei der Durchsuchung des Angeklagten Betäubungsmittel gefunden worden sind. Es kann jedoch bei der Darstellung des aufgrund des Inbegriffs der Hauptverhandlung (§ 261 StPO) festgestellten Sachverhalts nicht dem Revisionsgericht überlassen bleiben, anhand eines Abgleichs der Urteilsgründe mit dem Schuldspruch die tatrichterliche Bewertung im Einzelfall zu ermitteln (BGH NStZ – RR 2008, 83, 84).

Selbst wenn jedoch mit dem Amtsgericht auch ohne nähere Feststellungen davon ausgegangen werden könnte, dass sich der Angeklagte bei seiner polizeilichen Durchsuchung am 14. Oktober 2011 im Besitz von Betäubungsmitteln befunden hat, wäre die amtsrichterliche Sachverhaltsdarstellung nicht frei von Rechtsfehlern, da es auch in diesem Fall noch an der Feststellung fehlt, welches Betäubungsmittel der Angeklagte mit sich geführt hat. Zwar hat das Amtsgericht zur Person, des Angeklagten festgestellt, dass er seit etwa zehn Jahren Heroin konsumiert; zu Recht hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 21. August 2012 jedoch darauf hingewiesen, dass dies keineswegs zwingend den Schluss zulässt, „dass es sich bei dem inkriminierten Rauschgift ebenfalls um Heroin und nicht etwa Kokain oder gar — die weiche Droge — Marihuana handelte“. Die mithin fehlenden Feststellungen zur Art des beim Angeklagten vorgefundenen Rauschgifts sind aber schon deshalb nicht entbehrlich, weil die einzelnen Betäubungsmittel wegen ihrer unterschiedlichen Wirkungen auf die jeweiligen Konsumenten auch unabhängig von ihrer Menge und ihrem Wirkstoffgehalt in ihrer Gefährlichkeit teilweise erheblich voneinander abweichen. Diese unterschiedliche Gefährlichkeit ist ein wesentliches Element von Unrecht und Schuld eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und hat daher nicht nur im Rahmen der Strafzumessung eine eigenständige Bedeutung (vgl. BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 6, 8, 12 und 19; BGH NJW 1994, 1885, 1886; BGH NStZ 1991, 591, jeweils m. w. N.), sondern ist auch für den ,Schuldspruch als solchen relevant, dem daher beim Fehlen entsprechender Feststellungen der Boden entzogen werden kann (vgl. Weber, Betäubungsmittelgesetz, 3. Auflage, Rn. 783 f. vor §§ 29 ff. BtMG).

Von der Art wird es viel Urteile geben. Eine Einladung zur Sprungrevision.