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„Akteneinsicht“ a la LG Neubrandenburg: Es gibt den ganzen Messfilm

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Über „Akteneinsichtsfragen“ in Zusammenhang mit Messdaten, Messfilmen usw. habe ich hier ja schon häufig berichtet (zum Messfilm zuletzt mit dem AG Königs Wusterhausen, Beschl. v. 17.03.2015 – 2.4 OWi 282/14; vgl. dazu Mal wieder Akteneinsicht im Bußgeldverfahren: Her mit dem gesamten Messfilm). Und zu der Frage hat sich dann jetzt auch das LG Neubrandenburg im LG Neubrandenbrug, Beschl.v. 30.09.2015 – 82 Qs 112/15 – geäußert. Endlich mal (wieder) ein LG-Beschluss zu der Problematik, was daran liegt, dass es um den „Angriff“ gegen eine amtsgerichtliche Entscheidung gegangen ist. Und der Beschluss ist in doppelter Hinsicht von Interesse.

Zunächst ist der Beschluss interessant wegen der Frage der Zulässigkeit des Rechtsmittels. Die Antwort des LG lässt sich dahin zusammenfassen: Wird Akteneinsicht nach Eingang der Akte beim zuständigen Gericht versagt, steht diese Entscheidung – so sieht es auch die inzwischen wohl h.M. – in engem inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung und ist somit in der Regel nicht beschwerdefähig i.S. des § 305 Satz 1 StPO. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn dem Betroffenen ein Rechtsmittel gegen das Urteil nicht oder wenn dem Angeklagten zwar ein Rechtsmittel gegen das Urteil zusteht, die betroffene Entscheidung aber im Rahmen dieses Rechtsmittels nicht überprüft werden kann. Die vage Möglichkeit der Zulassung der Rechtsbeschwerde im Bußgeldverfahren steht dem nicht entgegen. Fazit: In den Zulassungssachen gibt es also die Beschwerde.

Und in der Sache sagt das LG: Der Verteidiger hat ein Recht auf Einsicht in den gesamten Messfilm. Das ist nun nichts Neues, weil das auch schon einige AG zutreffend entschieden haben, nur eben noch kein LG, das (noch einmal) ausdrücklich ausführt:

Durchgreifende datenschutzrechtliche Bedenken bestehen nicht.

Aufgrund der Komplexität der Überprüfung einer Messreihe muss sich der Verteidiger auch nicht auf eine Einsichtnahme des Messfilms in den Räumen der Behörde verweisen lassen, sondern kann Einsicht durch Gewährung einer Kopie – falls technisch machbar, auf einem von ihm bereit gestellten Datenträger – verlangen.

Der Persönlichkeitsschutz anderer abgebildeter Verkehrsteilnehmer steht dem Einsichtsrecht nicht entgegen, da sich die anderen abgebildeten Personen sich durch ihre Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer und auch der Kontrolle ihres Verhaltens im Straßenverkehr durch die Polizei ausgesetzt haben. Hinzu kommt, dass der aufgezeichnete und festgehaltene Lebenssachverhalt jeweils auf einen sehr kurzen Zeitraum begrenzt ist (vgl. BVerfG NJW 2011, 2783, 2785).

„Akteneinsicht“ a la AG Duderstadt: Einsicht in den Messfilm

© Avanti/Ralf Poller

© Avanti/Ralf Poller

Da ist mal wieder eine Entscheidung aus dem Bußgeldverfahren, die sich mit „Akteneinsichtsfragen“ befasst. An der „Front“ ist es ja derzeit verhältnismäßig ruhig. Man hat den Eindruck, dass die mahnenden Worte von Cierniak in zfs 2012, 664 ff. und vor allem jetzt noch einmal im DAR 2014, 2 angekommen sind. Also alles gut? Man kann es nur hoffen.

Erfreut sein kann man dann auch über den AG Duderstadt, Beschl. v. 25.11.2013 – 3 OWi 300/13, der sich (noch einmal) mit der Frage befasst, ob der Verteidiger ein „Einsichtrecht“ auch in solches Material hat, das sich nicht in der Akte, sondern bei der Bußgeldbehörde befindet. Das AG bejaht das und: Einsicht in den vollständigen Messfilm ist dem Verteidiger durch Übersendung einer Kopie des Messfilms zu gewähren.

„Der Verteidiger des Betroffenen hat gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 147 StPO ein Recht auf Akteneinsicht, welches alle Schriftstücke sowie Bild-, Video- und Tonaufnahme umfasst, die für den Betroffenen als belastend oder entlastend von Bedeutung sein können. Der vollständige Messfilm wurde zwar nicht zu den Akten genommen, da er auch in Bußgeldverfahren gegen andere Verkehrsteilnehmer als Beweismittel dienen kann und nicht lediglich einem einzigen Bußgeldverfahren zugeordnet werden kann. Auch derartiges Material, das sich nicht in der Akte, sondern bei der Bußgeldbehörde befindet, ist dem Verteidiger des Betroffenen jedoch zugänglich zu machen.

Der Persönlichkeitsschutz anderer abgebildeter Verkehrsteilnehmer steht dem Einsichtsrecht nicht entgegen, da sich die anderen abgebildeten Personen sich durch ihre Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer und auch der Kontrolle ihres Verhaltens im Straßenverkehr durch die Polizei ausgesetzt haben. Hinzu kommt , dass der aufgezeichnete und festgehaltene Lebenssachverhalt jeweils auf einen sehr kurzen Zeitraum begrenzt ist (vgl. entsprechend BVerfG NJW 2011 , 2783, 2785).

Einsicht in den vollständigen Messfilm ist dem Verteidiger durch Übersendung einer Kopie des Messfilms zu gewähren. Den hierfür erforderlichen Datenträger hat der Verteidiger zur Verfügung zu stellen. Bei der anzufertigenden Kopie handelt es sich dann auch nicht mehr um ein amtlich verwahrtes Beweisstück.“

Akteneinsicht im Bußgeldverfahren – Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen

© roxcon – Fotolia.com

Ich habe länger nicht über amtsgerichtliche Entscheidungen im Bußgeldverfahren betreffend die Bedienungsanleitung, Lebensakte und7oder andere Unterlagen berichtet, obwohl mir eine ganze Reihe von Entscheidungen zu dieser Problematik übersandt worden sind; an der Stelle sei allen Kollegen, die mich mit Entscheidungen (nicht nur zu dem Thema) beliefern herzlich gedankt. Denn eigentlich hatte ich gedacht, dass nach dem Cierniak-Beitrag aus dem zfs-Dezember-Heft 12/2012 – zfs 2012, 664 – “Prozessuale Anforderungen an den Nachweis von Verkehrsverstößen” die Luft aus diesem Thema raus sei und die wesentlichen Fragen geklärt seien. Ist es aber, wie verschiedene Entscheidungen zeigen, dann aber doch wohl nicht. An dem ein oder anderen AG scheint man den Beitrag und die rechtlichen Ansätze daraus nicht zu kennen bzw. nicht kennen zu wollen.Nun ja, ist ärgerlich. Als Verteidiger wird man keine andere Chance haben, als darauf dann ggf. in der Hauptverhandlung zu reagieren.

Hier dann meine Zusammenstellung – nach dem Motto: Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen.

  • (noch aus der Vor-Cierniak-Zeit) AG Eutin, Beschl. v. 17.10.2012 – 36 OWi 8/12: Einsicht in die Bedienungsanleitung der Auswertesoftware ViDistA ist zu gewähren.Die Akteneinsicht ist nach Wahl der Behörde zu gewähren durch Übersendung des Originals oder einer Ablichtung zur Einsicht in die Kanzleiräume des Verteidigers. Die Behörde ist nicht verpflichtet, dem Verteidiger eine Ablichtung zum Verbleib bei ihm zu erstellen.
  • AG Ratzeburg, Beschl. v. 24.01.2013 – 8 OWi 111/13:  Zu den Unterlagen im Bußgeldverfahren, in die Akteneinsicht zu gewähren ist, gehören sämtliche verfahrensbezogenen Unterlagen der Verwaltungsbehörde, die zu den Akten genommen werden und auf die der Vorwurf in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gestützt wird. Dieses Recht umfasst auch den Einblick in die Bedienungsanleitung des Gerätes, mit dem die Geschwindigkeitsmessung erfolgte, damit die richtige Bedienung und Aufstellung des Messgerätes nachvollzogen werden kann (vgl. dazu bereits Akteneinsicht à la AG Ratzeburg – da kennt man den “Cierniak-Aufsatz”).
  • AG Soltau, Beschl. v. 04.03.2013 – 11 OWi 9202 Js 1479113 (37/13): Keine Einsicht in die Bedienungsanleitung, weil die Bestandteil der Akte ist, keine Einsicht in die Lebensakte, weil es eine solche nicht gibt; der Verteidiger hat keinen Anspruch auf Übersendung einer Kopie der Bedienungsanleitung.
  • AG Ulm, Beschl. v. 21.02.2013 – 5 OWi 45/13: Verteidiger ist auch Akteneinsicht in den vollständigen Messfilm einer Geschwindigkeitsmessung zu gewähren. Der Persönlichkeitsschutz anderer Verkehrsteilnehmer steht nicht entgegen.

Anmerkung: Beim AG Soltau scheint man den Cierniak-Beitrag nicht zu kennen. Der Hinweis auf OLG Celle und OLG Hamm zieht m.E. auch nicht, da beide Entscheidungen die angesprochenen Fragen in einem anderen Zusammenhang behandeln und zudem zeitlich vor Cierniak liegen.

Akteneinsicht a la AG Heidelberg: Bedienungsanleitung, Messfilm ja, Angaben zur Funktionsweise nein

Im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren beantragt der Verteidiger Akteneinsicht in verschiedene Unterlagen beantragt. Sein Antrag hatte beim AG Heidelberg weitgehend Erfolg: der AG Heidelberg, Beschl. v. 28.01.2013 – 3 OWi 779/12 gewährt ein Einsichtsrecht in die gültige Bedienungsanleitung des bei einer Messung verwendeten Messgeräts. Die Bedienungsanleitung ist durch Beifügung einer elektronischen- Kopie derselben zur Akte zu bringen und diese dem Verteidiger zur Einsicht zu überlassen. Dem  Verteidiger ist ebenfalls der vollständigen Messfilm der Messung in Kopie auf einem ggf. durch den Verteidiger zur Verfügung zu stellenden Datenträger zu übermitteln.

Nur bei dem vom Verteidiger geltend gemachten Anspruch auf die Übersendung konkreter schriftlicher Angaben des Herstellers über die geräteinterne Funktionsweise des Messgeräts „Poliscan Speed“ hat das AG dem Verteidiger eine Absage erteilt:

Die geräteinterne Funktionsweise ist ein Betriebsgeheimnis des Herstellers und wird von diesem nicht herausgegeben. Das Fehlen der diesbezüglichen Überprüfbarkeit verletzt auch nicht den Anspruch des Betroffenen auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör. Das Messgerät Poliscan Speed wurde durch die PTB geprüft und zugelassen. im Zulassungsverfahren muss die interne Funktionsweise des Geräts gegenüber der PTB offengelegt werden und wird von dieser geprüft. Das ist ausreichend.

Übrigens: Sehr schön, wenn von inzwischen doch von einer ganzen Reihe AG „unser“ VRR zitiert wird. Zeigt, dass man nicht mehr nur ein Newcomer ist, den keiner kennt.

Akteneinsicht in den Messfilm – Jenoptik antwortet – bemerkenswert!!!

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Ich erinnere: Das AG Schleiden hatte mit dem AG Schleiden, Beschl. v. 13.07.2012 – 13 OWi 92/12 (b) – die Einsicht in einen Messfilm bzw. die Messdatei gewährt, nachdem die Verwaltungsbehörde das abgelehnt hatte. Der Kreis Euskirchen hatte daraufhin die Datei zur Verfügung gestellt, allerdings in einem nicht mit gängigen Windows-Programmen lesbaren Zustand. Insoweit hatte es den Verteidiger letztlich an den Hersteller des Messgerätes, die Fa. Jenoptik, verwiesen. Die hatte der Verteidiger angeschrieben (vgl. hier). Sie hat nun geantwortet, und zwar wie folgt:

Sehr geehrter Herr Rößler,
wir beziehen uns auf Ihr Schreiben vom 10.8.2012 und können von hieraus nicht nachvollziehen, weshalb Ihnen seitens des Kreises Euskirchen eine komplette Messsequenz mit allen Bild- und Messinformationen zur Verfügung gestellt wurde. Schließlich enthalten die Daten auch schutzwürdige Messinformationen anderer Verkehrsteilnehmer.
Dementsprechend dürfen wir schon aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht bereit sein, Ihnen durch Überlassung unseres BiffProcess-Programms die Möglichkeit zu eröffnen, die offensichtlich vorliegenden Daten bzw. deren Integrität zu prüfen bzw. einzelne Vorgänge zu visualisieren.
Unseres Erachtens hätte es genügt, Ihnen einen JPG-Ausdruck des konkreten Falls zu überlassen.
Wenn Sie bzw. Ihre Mandantin bzw. Ihr Mandant dann noch Zweifel an der Richtigkeit des Messergebnisses hätten, könnte dieses im Gerichtsverfahren zum Ausdruck gebracht werden und das Gericht hätte die Möglichkeit, durch die Beauftragung eines vereidigten Verkehrssachverständigen eine Einzelfallprüfung zu veranlassen.
Insofern, und das bitten wir zu verstehen, sehen wir uns als Gerätehersteller beim besten Willen nicht in der Lage, Ihrem Wunsch nach Überlassung des von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, Braunschweig, zugelassenen Verifikations- und Visualisierungsprogramms BiffProcess zu entsprechen.
Wenn vereidigte Sachverständige von einem Gericht mit der Vorgangsprüfung beauftragt wurden und noch nicht über das BiffProcess-Programm verfügen, können diese das Softwaremodul gewissermaßen als Sachverständigenwerkzeug für einen Betrag in Höhe von € 2.150,00 zuz. MWST. käuflich bei uns erwerben.

M.E. – gelinde ausgedrückt – bemerkenswert. Denn ist ist nicht Aufgabe des Herstellers, etwas nachzuvollziehen, oder Verfahrenshinweise zu geben bzw. die Entscheidung des AG über den Umfang der Akteneinsicht zu bewerten. Zudem: Der Hersteller als Datenschützer? Auch der Ton des Schreibens ist schon interessant. Mit ihm wird letztlich der Beschluss des AG Schleiden auf „kaltem Wege“ unterlaufen, und zwar auch vom Kreis, wenn er das so hinnimmt. Denn was nutzt eine Datei, wenn ich sie nicht lesen kann.

Was tun: Der Verteidiger hat m.E. keine andere Möglichkeit (mehr), als mit einem weiteren Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu versuchen, an eine lesbare Version der Dateien zu kommen, wenn der Kreis das nicht noch freiwillig sicher stellt. Aber der wird sich im Zweifel hinter dem Hersteller verstecken. Eine unheilige Allianz???

Das Schreiben von Jenoptik geht im Übrigen in die Richtung, die das AG Landstuhl vor einiger Zeit nicht hingenommen und einen Betroffenen frei gesprochen hatte (vgl. hier).