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OWi II: Fahrt nach Mischkonsum von Cannabis/Kokain, oder: Wann entfällt die sog. „Medikamentenklausel“?

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In der zweiten Entscheidung des Tagesn, dem OLG Koblenz, Beschl. v. 13.04.2022 – 3 OWi 31 SsBs 49/22, den mir der Kollege Wandt aus Wuppertal vor ein paar Tagen geschickt hat, geht es ua. auch um die Anforderungen an die Urteilsgründe. Der Betroffene ist wegen eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 2 StVG – also Drogenfahrt – verurteilt worden.

Nach den amtsgerichtlichen Feststellungen fuhr der Betroffene am 23.06.2020 gegen 2:17 Uhr mit einem PKW, obwohl eine um 2:45 Uhr entnommene Blutprobe Werte von 13 ng/ml THC und 5 ng/ml Benzoylecgonin – ein Abbauprodukt von Kokain – aufwies. Der Betroffene hat sich dahingehend eingelassen, dass ihm bewusst gewesen sei, dass er das Kraftfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis geführt habe, da ihm – wie vom AG auch festgestellt – von seinem behandelnden Arzt die Einnahme von bis zu 2g THC haltigen Produkten (Cannabisblüten) verordnet worden ist.

Auf der Grundlage dieser Beweisergebnisse hat das AG wegen des festgestellten Abbauprodukts Benzoylecgonin auf einen Beikonsum von Kokain geschlossen und daraus eine nicht bestimmungsgemäße Einnahme i.S.v. § 24a Abs. 2 Satz 3 des verordneten Medizinalcannabis hergeleitet und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass hierdurch das Privileg der Medikamentenklausel insgesamt entfalle und er damit durch den nachgewiesenen Wert von 13 ng/ml THC ordnungswidrig gehandelt habe.

Die Rechtsbeschwerde hatte Erfolg, auch die GStA hatte übrigens Aufhebung beantragt:

„Das Urteil leidet an einem Darstellungsmangel; die Feststellungen zum Arzneimittelprivileg des Betroffenen sind – worauf das Amtsgericht in den Urteilsgründen selbst hinweist – lückenhaft und tragen den Schuldspruch daher nicht.

Nach § 24a Abs. 2 StVG handelt derjenige, der unter der Wirkung berauschender Mittel am Straßenverkehr teilnimmt, ordnungswidrig. Nicht ordnungswidrig ist das Verhalten des Betroffenen nach § 24a Abs. 2 Satz 1, 2 StVG dann, wenn die festgestellte Substanz ausschließlich durch die bestimmungsgemäße Einnahme eines Arzneimittels in das Blut gelangt ist, vorausgesetzt, die Einnahme wurde für einen konkreten Krankheitsfall ärztlich verordnet (sog. Medikamentenklausel).

Der Unterschied zwischen bestimmungsgemäß eingenommenen Medikamenten und Drogen liegt in der unterschiedlichen Wirkung der Substanzen als Therapeutikum bei der Einnahme nach ärztlicher Verordnung und bei missbräuchlichem Konsum. Während ein Drogenkonsument eine Substanz zu sich nimmt, um berauscht zu sein, nimmt ein Patient eine Substanz zu sich um seine Leiden zu lindern (BT-Drucks 17/9868 v. 05.06.2012). Bei bestimmungsgemäßer Einnahme fahren die ein Medikament einnehmenden Patienten gerade nicht in einem berauschten Zustand. Erst durch die Einnahme des Arzneimittels sind sie überhaupt in der Lage, sicher am Straßenverkehr teilzunehmen (Rebel, ZfSch 2020, 133ff – juris; Maatz in Blutalkohol 1999, S. 36ff.). Da die Dosis jeweils individuell ist, gibt es auch keine Grenzwerte für die Einnahme von Medikamenten. Stattdessen gilt der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit. Danach muss ein Kraftfahrer ärztliche Anweisungen befolgen und die Gebrauchsanweisung des eingenommenen Medikaments beachten. Hält sich ein Kraftfahrer an diese Vorgaben, begeht er nach § 24a Abs. 2 Satz 2 StVG auch keine Ordnungswidrigkeit, da die Substanz dann aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt (BayVGH, Beschl. 11 B 18.2482 v. 29.04.2019 – juris). Eine bestimmungsgemäße Anwendung ist aber nur dann gegeben, wenn die Anwendung auf einer eindeutigen Verschreibung für eine symptombezogene Indikation beruht und das Arzneimittel nicht missbräuchlich oder überdosiert verwendet wird (OLG Bamberg, Beschl. 2 Ss Owi 1607/18 v. 02.01.2019 – Rn. 7 n. juris). Dazu bedarf es zunächst der Feststellung, ob und wann das Medikament durch einen Arzt verordnet, zur Behandlung einer konkreten Krankheit eingenommen und die Dosierungsanweisung beachtet worden ist (KG Berlin, Beschl. 3 Ws (B) 368/15 v. 30.07.2015 – Rn. 8 n. juris).

Ob die sog. Medikamentenklausel nach § 24a Abs. 2 Satz 3 StVG vorliegend eingreift oder nicht, vermag der Einzelrichter des Senats auf der Grundlage der im Urteil getroffenen Feststellungen nicht zu überprüfen. Um dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung zu ermöglichen, ob das Tatgericht den Begriff der bestimmungsgemäßen Einnahme richtig angewendet und der Betroffene sich an die Einnahme- und Dosierungsanweisungen gehalten hat, ist der entsprechende Inhalt des hierfür maßgeblichen Cannabinoidausweises (BayVGH, aaO. – n. juris Rn. 40) – sofern keine zulässige Bezugnahme erfolgt – im Wortlaut in den Urteilsgründen wiederzugeben. Aus diesem können sich über die aufzunehmende Menge hinaus noch weitere Angaben darüber ergeben, zu welchen Tageszeiten zu welchem Zweck sowie in welchem zeitlichen Abstand zum Führen eines Kraftfahrzeuges die Einnahme zu erfolgen hat oder welche Stoffe nicht zusammen mit der verordneten Substanz eingenommen werden dürfen. Daran fehlt es hier.“

Interessant dann die Segelanweisung des Einzelrichters des Senats:

„Liegen die Voraussetzungen des § 24a Abs. 2 Satz 3 StVG vor, lässt sich nach der Rechtsprechung des Kammergerichts die Einnahme von Medikamenten vom Konsum illegaler Drogen – etwa bei gleichem Wirkstoff im Blut – mit sachverständiger Hilfe unterscheiden (vgl. KG Berlin, Beschl. 3 Ws (B) 368/15 v. 30.07.2015). Im Umkehrschluss bedeutet dies für den vorliegenden Fall, dass der Konsum von illegalen Drogen neben Medizinalcannabis die Anwendung der Medikamentenklausel grundsätzlich nicht entfallen lässt. Ein ordnungswidriges Verhalten des Betroffenen läge jedenfalls dann vor, wenn nachzuweisen wäre, dass auch ohne die Einnahme der verordneten Menge des Medikaments der analytische Grenzwert überschritten worden wäre (vgl. KG Berlin aaO.; Rebel, aaO.) und die Medikation über dem verordneten Bereich läge.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrem Votum darüber hinaus ausgeführt, dass Feststellungen zu den Einnahme- und Dosierungsanweisungen auch bei dem vom Tatgericht angenommen Mischkonsum nicht entbehrlich sind:

„Diese Darstellung ist auch dann nicht entbehrlich, wenn weitere Substanzen, die selbst nicht in einer die Fahrtauglichkeit beeinträchtigen Konzentration vorliegen, im Blut des Betroffenen festgestellt wurden. Ob ein nicht bestimmungsgemäßer Gebrauch vorliegt, kann naturgemäß nur beantwortet werden, wenn der bestimmungsgemäße Gebrauch hinreichend beschrieben ist. Die Frage inwieweit durch den Beikonsum weiterer – auch illegaler Substanzen – die bestimmungsgemäße Wirkung des Cannabis beeinträchtigt wird (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 29. April 2019 – 11 B 18.2482 – Rdnr. 38, juris), kann zudem nur bezogen auf das konkrete Krankheitsbild und die dem Betroffenen gemachten Einnahmevorgaben beantwortet werden.“

Habe ich so auch noch nicht gelesen.

„….es war ärztlich verordnetes Cannabis..“, oder: Welche Feststellungen bei der „Medikamentenklausel“?

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Und als dritte Entscheidung kommt dann hier der OLG Bamberg, Beschl. v. 02.01.2019 – 2 Ss OWi 1607/18 – zur Bedeutung und Erheblichkeit der sog. Medikamentenklausel nach § 24a Abs. 2 Satz 3 StVG. Er behandelt die Verurteilung eines Betroffenen wegen einer Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG, die am OLG keinen Bestand hat:

„1. Nach den Feststellungen des AG im Rahmen der Beweiswürdigung hat sich der Betr. „letztlich mit einem Geständnis eingelassen“, jedoch geltend gemacht, es habe sich um medizinisch verordnetes Cannabis gehandelt, weshalb er glaube, dass er insoweit berechtigt Auto gefahren sei. Ausweislich der Angaben der polizeilichen Kontrollbeamtin hatte der Betr. nach Belehrung und auf Anfrage angegeben, er habe das Cannabis wegen körperlicher Beschwerden eingenommen, da er eine Beinprothese am rechten Bein trage. Nach den Ausführungen der gerichtlich beauftragten Sachverständigen, denen das AG folgte, mache es „für die Drogenintoxikation aufgrund Cannabis mit entsprechenden Ausfallerscheinungen keinen Unterschied […], ob es sich um illegal erworbenes Marihuana oder zu medizinischen Zwecken verordnetes handle, da es sich um den gleichen Wirkstoff handle“. Der Betr. habe den „Grenzwert im Anhang zu § 24a StVG“ […] um mehr als das 10-fache des zulässigen Wertes überschritten. Auf der Grundlage dieser Beweisergebnisse hat es das AG „für vollkommen unbedeutend“ gehalten, „ob der Betr. Marihuana sich auf dem Schwarzmarkt besorgt hat oder ob er medizinisch verordnetes Marihuana konsumiert“ hat.

2. Diese Erwägungen sind lückenhaft und tragen eine Verurteilung des Betr. wegen eines fahrlässig begangenen Verstoßes gegen § 24a II i.V.m. III StVG nicht.

a) Zwar ist es allein Aufgabe des Tatrichters, den Sachverhalt festzustellen und die Ergebnisse der Beweisaufnahme zu würdigen. Er hat insoweit ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen verantwortlich zu überprüfen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Tathergang überzeugen kann oder nicht (vgl. BGH NJW 1979, 2318). Allein in seinen Verantwortungsbereich fällt, mögliche, wenn auch nicht zwingende Folgerungen aus bestimmten Tatsachen zu ziehen und zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen er zu einer bestimmten Überzeugung kommt. Die Überprüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung im Rahmen der Rechtsbeschwerde ist demnach auf die Frage beschränkt, ob dem Tatrichter dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung in sich widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gegen gesicherte Erfahrungssätze verstößt.

b) Soweit der Tatrichter gemeint hat, sich mit dem Vorbringen des Betr., wonach es sich bei dem von ihm eingenommenen Cannabis um „medizinisch verordnetes“ gehandelt habe, nicht weiter befassen zu müssen, weil es nicht von Bedeutung sei, ob der Betr. „auf dem Schwarzmarkt“ besorgtes oder „medizinisch verordnetes Marihuana“ konsumiert habe, da er in keinem Fall ein Kfz habe führen dürfen, wenn in seinem Blut eine Wirkstoffkonzentration von THC „über dem gesetzlich zulässigen Grenzwert“ erreicht sei, offenbart dies ein rechtsfehlerhaftes Verständnis der sog. Medikamentenklausel nach § 24a II 3 StVG. Die Vorschrift des § 24a II 1 StVG gilt nach § 24a II 3 StVG nämlich dann nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt, wobei die Einnahme des Arzneimittels auf einer ärztlichen Verordnung beruhen muss und das Arzneimittel nicht missbräuchlich oder überdosiert verwendet worden sein darf (jurisPK/Niehaus Straßenverkehrsrecht § 24a StVG Rn. 29; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 24a StVG Rn. 22; Hühnermann , in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Aufl. § 24a StVG Rn. 5d; vgl. auch KG, Beschl. v. 30.07.2015 – 162 Ss 64/15 = BA 53 [2016], 188 = VRS 129 [2015], 220 und Maatz, BA 36 [1999], 146, 148). Wenn somit bei dem Betr. die gesetzlichen Voraussetzungen des § 24a II 3 StVG vorgelegen hätten, d.h. die in seinem Blut nachgewiesene Substanz (hier THC) aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührte, so wäre das Verhalten des Betr. nicht ordnungswidrig nach § 24a II 1 StVG. Aus dem Erfordernis der bestimmungsgemäßen Einnahme folgt allerdings zugleich, dass es bei der Ahndung als Ordnungswidrigkeit bleibt, wenn der Einfluss der nachgewiesenen Substanz auf einem nicht der Verordnung bzw. der darin vorgegebenen Dosierungsanleitung entsprechenden Konsum oder auf sonstigem Missbrauch der Substanz beruht (Königa.O. m.w.N.). Nachdem der Betr. sich ausdrücklich darauf berufen hatte, ärztlich verordnetes Cannabis konsumiert zu haben, und der Tatrichter diese Einlassung ersichtlich auch nicht als Schutzbehauptung bewertet hat, hätte sich das amtsgerichtliche Urteil mit der behaupteten Einnahme von Cannabis als Medikament jedenfalls näher befassen müssen.

c) Ob die sog. Medikamentenklausel nach § 24a II 3 StVG vorliegend eingreift oder nicht, vermag der Senat auf der Grundlage der im Urteil getroffenen Feststellungen nicht zu überprüfen. So schweigt das Urteil schon zur Form des verfahrensgegenständlich konsumierten Cannabis/Marihuana. Cannabis kann aber auch in Form von Medizinal-Cannabisblüten zu Therapiezwecken anwendbar sein und unter bestimmten Umständen auch ärztlich verordnet werden (vgl. zum Ganzen Graw/Mußhoff, BA 2016, 289 ff.). Darüber hinaus lässt das angefochtene Urteil jegliche Feststellungen dazu vermissen, ob die eingenommene Substanz durch einen Arzt verordnet, zur Behandlung einer konkreten Krankheit eingenommen und die Dosierungsanweisung beachtet worden ist (KG a.a.O. unter Hinweis auf Maatza.O.). Beachtet der Betr. sie nicht und nimmt er am Straßenverkehr teil, kann er sich nach § 24a II 1 StVG ordnungswidrig verhalten (KG a.a.O.). “