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Rechtsmittel per Email? – Finger weg!!!!

© Spencer - Fotolia.com

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Die technische Entwicklung der Kommunikationsmöglichkeiten schreitet rapide voran. Für den Rechtsanwalt stehtstand am 01.01.2016 das besondere elektronische Anwaltspostfach vor der Tür. Aber dennoch ist noch immer davon abzuraten, ein Rechmittel durch E-Mail einzulegen. Das ist das Fazit aus dem LG Münster, Beschl. v. 12.10. 2015 – 2 Qs 89 Js 1834/15 – 76/15. Da hatte der Betroffene in NRW bei der Verwaltungsbehörde gegen einen von dieser erlassenen Bußgeldbescheid ohne qualifizierte Signatur elektronisch Einspruch eingelegt. Das AG hatte den Einspruch nach § 70 Absatz 1 OWiG als unzulässig verworfen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Betroffenen hatte keinen Erfolg.

„Gemäß § 67 Absatz 1 OWG muss ein Einspruch schriftlich oder zur Niederschrift bei der Verwaltungsbehörde, die den Bußgeldbescheid erlassen hat, erklärt werden.

110a Absatz 1 Satz 1 OWiG erweitert den Anwendungsbereich des § 67 Absatz 1 OWiG nur für solche elektronischen Dokumente, die eine qualifizierte elektronische Signatur nach dem Signaturgesetz aufweisen.

Eine E-Mail ohne Signatur nach dem Signaturgesetz wahrt auch nicht nach § 110a Absatz 1 Satz 2, .Absatz 2 OWiG die Form des § 67 OWiG, da in Nordrhein-Westfalen von der Verordnungsermächtigung gemäß § 110a Absatz 2 OWG für .den Bereich der Ordnungswidrigkeitenverfahren bisher kein Gebrauch gemacht worden ist.

Eine analoge Anwendung des § 110 a OWiG auf E-Mails ohne Signatur scheidet aus, da insoweit keine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Wie aus der Gesetzesbegründung zur vergleidhbaren Vorschrift des § 130a ZPO (Seite 44 der Gesetzesbegründung, Bundeitagsdrucksache 15/4067) ersichtlich ist, wollte es nämlich der Gesetzgeber der Rechtsprechung überlassen, ob eine Email ohne Signatur die Form wahrt.

Eine unbewusste Regelungslücke ergibt sich für den Bereich des Ordnungswidrigkeitertrechts auch nicht aus dem Umstand, daSs nach herrschender Meinung der Einspruch anders als Schriftsätze in anderen Verfahrensordnungen nicht unterzeichnet werden muss (Krenberger, Anmerkungen zu LG Fulda, Az. 2 Qs 65112, Beschluss vom 02. Juli 2012, veröffentlicht bei juris). Denn aus der Gesebesbegründung zu § 110a OWiG (Bundestagsdrucksache 15/4067, Seite 45) folgt, dass der Gesetzgeber sich auch dieses Umstandes bewusst war.

Allerdings wird in der Literatur eine richterliche Rechtsfortbildung dahin befürwortet, die Einlegung eines Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid per E-Mail ohne Signatur nach dem Signaturgesetz als zulässig anzusehen (Seitz in: Göhler, OWiG, 16. Auflage, § 67 OWiG Rz. 22a m.w.N.; Krenberger, a.a.O.); die hierzu bisher ergangene Rechtsprechung hat sich aber dieser Ansicht zu Recht nicht .angeschlossen (LG Fulda, Az. 2 Qs 65/12, Beschluss vom 02. Juli 2012, veröffentlicht bei juris; zur Rechtsbeschwerde entsprechend: OLG Oldenburg, Beschluss vom 03.04.2011, Az.: 2 SsRs 294/11, juris-Rz. 7f.).

Einer entsprechenden richterlichen Rechtsfortbildung stehen sowohl Sinn und Zweck des Schriftformerfordernisses, wie er durch den Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (Beschluss vom 05.04.2000, Az.: Gms-OGB 1/98, NZA 2000, 959 (960)) formuliert ist und auf den die Gesetzesbegründung zur vergleichbaren Regelung des § 130a Absatz 2 ZPO ausdrücklich Bezug nimmt, als auch die Gesetzessystematik entgegen.

E-Mails genügen der Schriftform nicht, da sie weder ein beim Absender erstelltes Originalschriftstück voraussetzen noch zwingend eine urkundliche Verkörperung am Empfangsort erfahren (OLG Oldenburg, Beschluss vom 03.04.2011, Az.: 2 SsRs 294111, juris-Rz. 7).“

Die Entscheidung entspricht der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur in dieser Frage. Die stellt sich im Übrigen ja nicht nur im Bußgelddverfahren für den Einspruch, sondern auch für anderer Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, wie z.B. Berufung oder Rechtsbeschwerde. Die (obergerichtliche) Rechtsprechung lehnt Email an der Stelle jedoch ab. Sie geht (auch) davon aus  dass die Einlegung eines Rechtsmittels durch E-Mail so lange unzulässig ist, wie das Einreichen von „elektronischen Dokumenten“ nicht durch eine Verordnung i.S.d. § 41a Abs. 2 StPO geregelt ist. Das ist aber bisher nur in Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Saarland und Thüringen (teilweise) der Fall. Weitere Bundesländer haben zunächst nur Ermächtigungen erlassen (vgl. dazu § 41a Abs. 2 Satz 2 StPO). Also: Finger weg!

Steht übrigens auch so im „Handbuch Ermittlungsverfahren“ und im „Handbuch Hauptverhandlung„.

Das Verhalten des „Idealfahrers“ an Kreuzungen

entnommen wikimedia.org Urheber Mediatus.

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Das LG Münster, Urt . v. 08.08.2014 – 11 O 279/11 – ist in zweierlei Hinsicht interessant: Einmal macht das LG Ausführungen zum manipulierten/“getürkten“ Unfall und zum anderen dann aber auch zum Idelaverhalten des Kraftfahrzeugführers an Kreuzungen. Zum manipulierten Unfall verweise ich auf das Urteil – dazu habe ich in der letzten Zeit schon einiges gepostet, so dass ich mir das heute hier schenken will (vgl. dazu zuletzt Indizien gegen einen fingierten Unfall/Unfallmanipulation mit weiteren Verweisen). Ich will heute die Ausführungen des LG zum „Idealfahrer“ an Kreuzungen aufgreifen: Dazu:

Die Beklagten haben auch nicht bewiesen, dass der Unfall für sie unabwendbar im Sinne von § 17 Abs. 3 StGB war. Der Begriff „unabwendbares Ereignis“ meint ein schadenstiftendes Ereignis, das selbst bei der äußersten möglichen Sorgfalt – d.h. einem sachgemäßen, geistesgegenwärtigen Verhalten, das erheblich über die im Verkehr nach § 276 BGB üblicherweise geforderte Sorgfalt hinausgeht – nicht abgewendet werden kann. Der Fahrer, der mit Erfolg die Unabwendbarkeit des Unfalls geltend machen will, muss sich wie ein „Idealfahrer“ verhalten haben (std. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 17.03.1992, VI ZR 63/91 – juris). Vorliegend gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Beklagte zu 2) wie in Idealfahrer verhalten hat. Im Gegenteil: Der Sachverständige Dr. C2 hat in seinem schriftlichen Gutachten überzeugend dargelegt, dass der Beklagte zu 2) – selbst wenn er am Stoppschild im T1 angehalten hat – die Kollision mit dem Kläger in jedem Fall hätte vermeiden können, wenn er sich langsam in die Kreuzung vorgetastet, den rechts liegenden Verkehrsraum aufmerksam beobachtet und gegebenenfalls seine Anfahrbewegung zurückgestellt hätte.

Offener Brief an das LG Münster: So nicht!

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Dann schreibe ich heute doch mal einen offenen Brief an das LG Münster, und zwar an dessen 7. Wirtschaftsstrafkammer. Hintergrund ist deren LG Münster, Beschl. v. 21. 6. 2013 – 7 Qs 14/13, den mir ein Kollege vor ein paar Tage übersandt hat. Also:

Liebe 7. Wirtschaftsstrafkammer des LG Münster,

der Kollege, der beim AG Tecklenburg im Verfahren 10 Ds 216/11 -Wh. als Zeugenbeistand beigeordnet war, hat mir den vom LG erlassenen Beschluss, mit dem die Kammer über seine Kosten und Auslagen entschieden hat, übersandt. Auf den Beschluss kann ich nur den Satz anwenden, den Rainer Barzel als Oppositionsführer Ende der 60-ziger Jahre des vorigen Jahrhunderts in der Diskussion über die „Ostverträge“ im Bundestag gesprochen hat: So nicht.

Der Kollege war einer Zeugin durch Beschluss des AG gem. § 68b StPO für die Dauer deren Vernehmung als Zeugenbeistand beigeordnet. Nach Abschluss des Verfahrens beantragt er die Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen. Er geht von einer Abrechnung nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG aus. Außerdem ist die Erstattung von von ihm aus der Akten gefertigter Kopien beantragt worden. Das AG hat Gebühren nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG festgesetzt. Die Kopien sind dem Kollegen nicht erstattet worden. Und, was mich erstaunt: Das Rechtsmittel des Kollegen hatte insgesamt (!!!) keinen Erfolg.

Nun, ich kann noch damit leben, dass die Kammer die Tätigkeit des Zeugenbeistandes nur als Einzeltätigkeit mit einer Verfahrensgebühr Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG honoriert, schließt sie sich damit doch der insoweit unzutreffenden, allerdings wohl überwiegenden, Auffassung in der Rechtsprechung an. Dazu ist inzwischen viel geschrieben worden, was ich hier nicht alles wiederholen möchte, außer: Solche Formulierungen, wie sie der Beschluss der Kammer enthält: „Dass dabei die gesetzliche Vergütung im Einzelfall nicht auskömmlich sein mag, ist hinzunehmen.“ braucht der Rechtsanwalt nicht. Die sind im Grunde ein Schlag ins Gesicht.

 Völlig daneben liegt m.E. die Entscheidung der Kammer, soweit sie die Erstattung der vom Zeugenbeistand gefertigten Ablichtungen nach Nr. 7000 Abs. 1 VV RVG verweigert. Das ergibt sich im Grunde schon aus den Beschlussgründen selbst, in denen die Kammer ausführt: „Die Kammer verkennt bei all dem nicht, dass hier die Gewährung von Akteneinsicht zur Vorbereitung der Zeugenvernehmung zweckmäßig gewesen sein mag. Insbesondere mag vorliegend der Grund für den Ausschluss des Akteneinsichtsrechts, nämlich den Schutz des Beweiswertes der Zeugenaussage (BGH, Beschluss vom 4. März 2013, Az.: StB 46/09 — juris Rn. 8), nicht durchgegriffen haben. Vielmehr spricht umgekehrt vieles dafür, dass die Begleitung der Zeugenaussage durch den Beschwerdeführer in Kenntnis des Akteninhalts eine geordnete Aussage der Zeugin aufgrund deren intellektuellen Konstitution überhaupt erst ermöglicht, jedenfalls aber dem erkennenden Gericht die Vernehmung erheblich erleichtert hat. All dies ändert aber nichts daran, dass es für die Entscheidung, dem Zeugenbeistand als solchem die beantragte Akteneinsicht zu gewähren, keine Rechtsgrundlage gab. Für Zweckmäßigkeitserwägungen bleibt dann aber (s.o.) kein Raum.“ Das ist m.E. falsch. Denn für die Frage der Erstattung der Kosten für die Kopien kommt es nach Nr. 7000 Abs. 1 VV RVG bzw. nach § 46 RVG darauf an, ob der Zeugenbeistand „sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit für erforderlich halten durfte“. Das waren sie aber, wie die Kammer selbst attestiert. Warum sie dann nicht ersetzt werden, bleibt das Geheimnis der Kammer. Dass dem Zeugenbeistand ggf. kein Akteneinsichtsrecht zusteht bzw. ihm dieses von der Rechtsprechung nicht gewährt wird – darüber kann man trefflich streiten – und dass die Kammer ihm Akteneinsicht offenbar auch nicht gewährt hätte, kann nicht Grundlage für die Erstattung von nach gewährter Akteneinsicht gefertigter Kopien sein. Hat der Zeugenbeistand Akteneinsicht erhalten, dann ist Folge davon, dass er auch Kopien aus der Akten anfertigen darf. Im Übrigen: Wie soll der Zeugenbeistand eine ordnungsgemäße Beistandsleistung sicher stellen, wenn er sich nicht ggf. Kopien aus den Akten anfertigen darf? Soll er den Inhalt der Akten auswendig lernen? Und: Das LG speist den Zeugenbeistand hier mit einer  Verfahrensgebühr Nr. 4301 VV RVG in Höhe von 168 € ab. Darin sind dann auch noch die Kopien enthalten, die der Zeugenbeistand sich gefertigt hat? Dass das nicht richtig sein kann, liegt m.E. auf der Hand.

Also: So nicht.