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Urteilsunterschrift II: „Handschriftliches Gebilde“, oder: Inviduelle Züge erkennbar?

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Die zweite Entscheidung zu den Anforderungen an die richterliche Urteilsunterschrift kommt mit dem KG, Beschl. v. 23.03.2020 – 3 Ws (B) 53/20 – aus Berlin. Auch hier war die nicht ausreichende Unterschrift der Amtsrichterin gerügt worden. Ohne Erfolg:

„a) Die Rüge der Verletzung des §§ 71 Abs. 1 OWiG, 275 Abs. 2 StPO, das Urteil sei durch die Richterin nicht ordnungsgemäß unterzeichnet worden, bleibt erfolglos.

Der vorliegende Schriftzug genügt entgegen der Rechtsauffassung des Betroffenen noch den gesetzlichen und insbesondere den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die ordnungsgemäße Unterschrift eines Richters unter die Urteilsgründe.

Nach § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO hat die erkennende Richterin das von ihm verfasste schriftliche Urteil zu unterschreiben. Weitere Anforderungen an das Schriftbild der Unterschrift sieht das Gesetz nicht vor. Was unter einer Unterschrift zu verstehen ist, ergibt sich demnach aus dem Sprachgebrauch und dem Zweck der Formvorschrift. Mit der Unterschrift beurkundet der Berufsrichter die Übereinstimmung der Urteilsgründe mit dem Beratungsergebnis (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 61. Aufl., § 275 Rn. 19). Entsprechend diesem Normzweck kommt es maßgeblich darauf an, dass der Unterschrift auch die Urheberschaft zu entnehmen ist. Auch wenn die Unterschrift, die aus dem Familiennamen des Unterzeichnenden zu bestehen hat, nicht lesbar sein muss, so muss sie ihren Urheber erkennen lassen. Steht dies – wie im vorliegenden Fall – außer Frage, ist zur Akzeptanz der unleserlichen Unterschrift ein großzügiger Maßstab – so der BGH (vgl. BGH NJW 1997, 3380, 3381; ebenso BGH NJW 2000, 607) –  anzuwenden und zwar auch wegen der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein und derselben Person aufweisen. So ist es ausreichend, dass jemand, der den Namen des Unterzeichnenden und dessen Unterschrift kennt, den Namen aus dem Schriftbild herauslesen kann (ständige Rspr. des Senats vgl. Beschlüsse vom 2. April 2019 – 3 Ws (B) 81/19 -, 2. Februar 2016 –  3 Ws (B) 60/16 jeweils juris m.w.N.; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschlüsse vom 27. Dezember 2019 – (1 B) 53 Ss-OWi 675/19 (398/19) –, 16. Februar 2019 – (1 B) 53 Ss-OWi 608/18 (320/18) -, beide juris; OLG Köln, Beschluss vom 19. Juli 2011 – III-1 RVs 166/11 –, Rn. 6, juris m.w.N.; OLG Düsseldorf JMinBl. NW 2002, 54 [55]). Das setzt allerdings voraus, dass mindestens einzelne Buchstaben zu erkennen sind, weil es sonst am Merkmal einer Schrift überhaupt fehlt (BGH NJW 1985, 1227; Senat aaO, OLG Köln aaO; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. Einleitung Rdnr. 129 bezogen auf die Unterschrift eines Rechtsanwaltes bei bestimmenden Schriftsätzen m. w. N.). Diese Grenze individueller Charakteristik ist insbesondere bei der Verwendung bloßer geometrischer Formen oder einfacher (gerader oder nahezu gerader) Linien eindeutig überschritten (Senat aaO, BayObLG  NStZ-RR 2003, 305).

Unter Zugrundelegung des von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten großzügigen Maßstabes, der auch Anwendung auf die Unterzeichnung eines Urteils durch den Bußgeldrichter findet, sind die Voraussetzungen einer wirksamen Unterzeichnung gegeben.

Das handschriftliche Gebilde, mit dem die erkennende Richterin das Urteil unterschrieben hat, steht für ihren Namen. Die Unterschriftsleistung trägt individuelle Züge und zeigt charakteristische Merkmale auf, die für jemanden, der den Namen der Unterzeichnenden und deren Unterschrift kennt, ihren Namen aus dem Schriftbild herauslesen kann. Die ersten beiden geschwungenen Linien lassen sich als Anfangsbuchstaben „T“ und die weiteren nach oben geschwungenen Auf- sowie die kürzeren schräg nach unten verlaufenden Abstriche als die weiteren Buchstaben für den Rest des Familiennamens deuten. Auch ergeben sich bei der Zusammenschau der Umstände keine belastbaren Hinweise darauf, dass die Richterin die Urschrift der Urteilsgründe nur mit einem Kürzel für den inneren Betrieb unterzeichnen wollte.

Dies gilt umso mehr, als auch nicht unberücksichtigt gelassen werden darf, dass unter dem geschwungenen Schriftzug der Name der erkennenden Richterin in Druckbuchstaben eingefügt war (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 1991 – XI ZB 6/91 –; BGH, Urteil vom 10. Juli 1997 – IX ZR 24/97 -, jeweils juris, beide für die Unterschrift eines Rechtsanwaltes in bestimmenden Schriftsätzen).“

Nun ja…. 🙂 . Bisschen mehr als eine gerade Linie scheint es gewesen zu sein 🙂 .

Urteilsunterschrift I: Lesbarkeit der Unterschrift, oder: Namenszug muss erkennbar sein

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Heute starten wir in die 20. KW.; es ist, wenn ich richtig gerechnet habe, der 49. Tag des Kontaktverbots und einiger weiterere Beschränkungen. Heute treten dann auch die nächsten Lockerungen in Kraft. Mal sehen, wo wir am Ende der Woche und/oder in zwei Wochen stehen. Hoffentlich nicht am Anfang des nächsten Lockdown. Ausgeschlossen ist das m.E. nicht, wenn man die Unvernunft, die an vielen Stellen herrscht, sieht. Ich frage mich, warum ich eigentlich ohne Maske gegen die angebliche Beschränkung meiner Grundrechte demonstrieren muss? Will man erreichen, dass die Grundrechte wirklich beschränkt werden? Dann nur zu.

So aber genug davon und zu den Entscheidungen des Tages. Heute stelle ich zwei OLG-Beschlüsse vor, die sich mit den Anforderungen an die richterliche Unterschrift unter dem Urteil befassen. Beide Beschlüsse stammen aus Bußgeldverfahren, die Problematik gilt aber natürlich auch für das Strafverfahren.

Ich starte mit dem OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.12.2019 – (1 B) 53 Ss-OWi 675/19 (398/19) -; ergangen ist er in einem Bußgeldverfahren, in dem der Betroffene wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt worden ist. Der Betroffene hatte mit seiner Rechtsbeschwerde u.a. geltend gemacht, dass die Unterschrift des Amtsrichters nicht den Anforderungen an die Erkennbarkeit/Lesbarkeit entspricht. Dem war die GStA beigetreten, hatte also auch für die Aufhebung des Urteils plädiert. Das OLG sieht das – fast hätte ich geschrieben: natürlich – anders:

a) Entgegen der Rechtsauffassung des Betroffenen und der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg genügt die richterliche Unterschrift unter dem angefochtenen Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 4. September 2019 noch den gesetzlichen Anforderungen. Die Unterzeichnung des Urteils genügt insbesondere den Anforderungen, die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung an eine ordnungsgemäße Unterschrift gestellt werden. Die entsprechende Rüge der Verletzung des § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO iVm. § 71 OWiG ist nicht begründet.

Es entspricht – wie die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg in ihrer Stellungnahme vom 14. November 2019 zutreffend dargelegt hat – ständiger höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung, dass eine Unterschrift der handschriftlich angebrachte bürgerliche Name ist, wobei der Schriftzug zwar nicht lesbar sein aber doch noch als „Schriftzug“ – als ein aus Buchstaben bestehendes Gebilde – erkennbar sein muss. Bloße Striche oder geometrische Figuren genügen nicht. Es muss ein Mindestmaß an Ähnlichkeit mit dem ausgeschriebenen Namen jedenfalls in der Weise vorhanden sein, dass ein Dritter, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, dessen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann (vgl. BGHSt 12, 317; OLG Oldenburg MDR 1988, 253; Brandenburgisches Oberlandesgericht, 2. Strafsenat, Beschluss vom 27. März 2012, (2 B) 53 Ss-OWi 37/12 (30/12); ständige Senatsrechtsprechung, vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 16. Februar 2019, (1 B) 53 Ss-OWi 608/18 (320/18)).

Was unter einer Unterschrift zu verstehen ist, ergibt sich zudem aus dem Sprachgebrauch und dem Zweck der Formvorschrift. Die Unterschrift soll gewährleisten, dass das Schriftstück auch tatsächlich vom Unterzeichner herrührt. Deshalb reicht es aus, dass ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender, individuell gestalteter Namenszug vorliegt, der die Absicht erkennen lässt, eine volle Unterschrift zu leisten, das Schriftstück also nicht nur mit einem abgekürzten Handzeichen zu versehen (vgl. statt vieler: BGH NJW 1985, 1227; BGH NJW 1997, 3380, 3381; OLG Köln NStZ-RR 2011, 348, 349; BayObLG NStZ-RR 2003, 305, 306; OLG Oldenburg NStZ 1988, 145). Der Bundesgerichtshof hat ergänzend – im Zusammenhang mit einer Unterschrift unter einem bestimmenden anwaltlichen Schriftsatz – darauf hingewiesen, dass zumindest in Fällen, in denen kein Zweifel an der Urheberschaft bestünde, ein „großzügiger Maßstab“ anzulegen sei (BGH NJW 1997, 3380, 3381; ebenso BGH NJW 2000, 607). Diese Grundsätze gelten auch für die Unterzeichnung eines Urteils durch den Bußgeldrichter.

Die hier zu beurteilende Unterschrift ist jedenfalls in einer Gesamtschau ausreichend, um von einer wirksamen Unterzeichnung gemäß § 275 Abs. 2 Satz 1 auszugehen:

Der Schriftzug ist hinreichend individuell gestaltet und geht über die Verwendung bloßer geometrischer Formen oder einfacher (gerader) bzw. geschlängelter Linien, die in keinem erkennbaren Bezug zu den Buchstaben des Namens stehen und daher für eine wirksame Unterzeichnung nicht genügen (vgl. nur OLG Köln, a.a.O.), hinaus. Der Anfangsbuchstabe ist als „G“ ebenso noch hinreichend zu erkennen wie der Folgebuchstabe „o“. Ohne Zweifel stammt das Urteil von der Richterin, die die Hauptverhandlung geleitet hat. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4. September 2019, alle während des Verfahrens gefassten Beschlüsse sowie die Ladungs- und Zustellungsverfügungen sind in ähnlicher Weise unterzeichnet, auch die von dem Betroffenen im Anwaltsschriftsatz vom 17. Dezember 2019 zitierte Terminsverfügung, Entbindungsverfügung, Umladung usw. Der Schriftzug der Unterzeichnenden ist dem Senat darüber hinaus auch aus zahlreichen anderen Straf- und Bußgeldverfahren bekannt und kann eindeutig der erkennenden Tatrichterin – Richterin am Amtsgericht Gpp. – zugeordnet werden. Auch spricht nichts dafür, sie habe das Urteil nur für den inneren Betrieb mit einer Abkürzung ihres Namens abzeichnen („paraphieren“) wollen.

Unter Zugrundelegung des von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten großzügigen Maßstabes sind insgesamt die Voraussetzungen einer wirksamen Unterzeichnung gegeben.“

Eben: Sehr großzügiger Maßstab, den das OLG hier anwendet. Und wenn man schon liest: „Gesamtschau“ und/oder „noch ausreichend“, dann weiß man wie großzügig….

 

Formgültige Unterschrift?, oder: Ist der Name vollständig wiedergegeben?

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Im „Kessel Buntes“ stelle ich dann heute zunächst den BGH, Beschl. v. 22.10.2019 – VI ZB 51/18 – vor, der (noch einmal) zur formgültigen Unterschrift einer Berufungsbegründung Stellung nimmt.

Folgender Sachverhalt: Beim Berufungsgericht war ein als Berufungsbegründung bezeichneter Schriftsatz der Rechtsanwaltskanzlei „G./S.“ für die Klägerin eingegangen. Der Schriftsatz war über einer maschinenschriftlichen Namenswiedergabe „E.G. Rechtsanwalt“ mit dem Zusatz „i.V.“ handschriftlich unterzeichnet. In der Berufungserwiderung sind Zweifel an der Formgültigkeit der Unterzeichnung der Berufungsbegründungsschrift geäußert worden. Die Klägerin erklärte dazu, die Unterschrift der Berufungsbegründung stamme von Rechtsanwalt H., der – wie sich aus dem verwendeten Briefbogen ergebe – Mitglied der Bürogemeinschaft „G./S.“ sei und den Schriftsatz in Vertretung für Rechtsanwalt G. unterzeichnet habe. Rechtsanwalt H. sei bereits bei der Besprechung der Berufungsbegründung anwesend gewesen, wobei die Klägerin auch ihm vorsorglich Vollmacht erteilt habe.

Das OLG Karlsruhe hat als Berufungsgericht die Berufung der Klägerin durch Beschluss mangels fristgerechter Begründung als unzulässig verworfen, weil die Berufungsbegründungsschrift keine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Unterschrift aufgewiesen habe. Für das Berufungsgericht sei bei Eingang der Berufungsbegründung am letzten Tag der Begründungsfrist schon nicht erkennbar gewesen, ob überhaupt ein – sei es im Briefkopf aufgeführter oder anderer – zugelassener Rechtsanwalt die Berufungsbegründung unterzeichnet habe. Denn der unter dem Schriftsatz befindliche „Schriftzug“ lasse eine Identifikation des Urhebers – auch unter Berücksichtigung der auf dem Briefkopf aufgeführten Namen – mangels auch nur ansatzweise erkennbarer Buchstaben nicht zu. Dass es sich nicht um den Rechtsanwalt der Bürogemeinschaft gehandelt habe, dessen Namenszug unter dem „Schriftzug“ maschinenschriftlich wiedergegeben gewesen sei, ergebe sich schon daraus, dass sich vor dem – unleserlichen – „Schriftzug“ der Zusatz „i.V.“ befunden habe.

Dagegen dann die Rechtsbeschwerde der Klägerin, die beim BGH Erfolg hatte. Hier zunächst das, was der BGH (noch einmal) zur Lesbarkeit des Namens ausführt, das spielt ja auch immer wieder iin anderem Zusammenhang (Stichwort u.a.: Urteilsunterschrift) eine Rolle:

„bb) Die Berufungsbegründung ist – was auch das Berufungsgericht nicht in Frage stellt – handschriftlich mit einem Schriftzug unterzeichnet, der individuelle und entsprechend charakteristische Merkmale aufweist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 29. November 2016 – VI ZB 16/16, VersR 2017, 506 Rn. 7 und vom 3. März 2015 – VI ZB 71/14, VersR 2015, 1045 Rn. 8 mwN; BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2015 – V ZB 203/14, NJW 2015, 3104 Rn. 7 und vom 16. Juli 2013 – VIII ZB 62/12, NJW-RR 2013, 1395 Rn. 11, jeweils mwN). Er ist zwar nicht lesbar. Für die Frage, ob eine formgültige Unterschrift vorliegt, ist aber nicht die Lesbarkeit oder die Ähnlichkeit des handschriftlichen Gebildes mit den Namensbuchstaben entscheidend, sondern es kommt darauf an, ob der Name vollständig, wenn auch nicht unbedingt lesbar, wiedergegeben wird (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 29. November 2016 – VI ZB 16/16, VersR 2017, 506, Rn. 12; vom 3. März 2015 – VI ZB 71/14, VersR 2015, 1045 Rn. 11; BGH, Beschluss vom 9. Februar 2010 – VIII ZB 67/09, juris Rn. 11; jeweils mwN). Dies ist hier entgegen der Ansicht der Beschwerdeerwiderung der Fall und wird auch vom Berufungsgericht nicht bezweifelt. Schon die Komplexität des Schriftzuges spricht für die Absicht einer vollen Unterschrift. Im Übrigen steht hier die Beifügung des Zusatzes „i.V.“ der Annahme einer – in dieser Kombination völlig unüblichen – bewussten und gewollten Namensabkürzung entgegen.2

Und zur Hinzufügung des Zusatzes „i.V.“:

„cc) Zu Unrecht meint das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats (Senatsbeschluss vom 22. November 2005 – VI ZB 75/04, VersR 2006, 387), die Berufungsbegründung sei gleichwohl nicht formgerecht, weil es im Zeitpunkt ihrer Einreichung nicht habe erkennen können, ob sie von einem zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet worden sei…..“

(1) Richtig ist zwar der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Beurteilung der Frage, ob die Berufungsbegründungsschrift eine Unterschrift im Sinne des § 130 Nr. 6 ZPO aufweist, grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Begründungsfrist und die bis dahin bekannten Umstände abzustellen. Eine Klärung der Identität und Postulationsfähigkeit zu einem späteren Zeitpunkt ist nur zulässig, wenn bis zum Fristablauf klar ist, dass eine Unterschrift vorliegt, die von einem Rechtsanwalt stammt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Juni 2016 – KVZ 53/15, MDR 2017, 53 Rn. 6; vom 26. Oktober 2011 – IV ZB 9/11, juris Rn. 6; vom 26. April 2012 – VII ZB 83/10, NJW-RR 2012, 1139 Rn. 9 und 11; vom 25. September 2012 – VIII ZB 22/12, NJW 2013, 237 Rn. 14; vgl. auch BGH, Urteil vom 11. November 2005 – XI ZR 398/04, MDR 2006, 283, juris Rn. 17 und 19)

(2) Dies war hier jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts der Fall. Denn durch die Hinzufügung des Zusatzes „i.V.“ gibt der Unterzeichnende regelmäßig zu erkennen, dass er als Unterbevollmächtigter des Prozessvertreters der Partei die Verantwortung für den Inhalt der Berufungsbegründung übernimmt. Das setzt voraus, dass es sich beim Unterzeichnenden um einen postulationsfähigen Rechtsanwalt handelt. Nur in diesem Sinne ist die mit dem Zusatz „i.V.“ versehene Unterschrift zu verstehen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2012 – VII ZB 83/10, MDR 2012, 796 Rn. 9 und 12; Urteil vom 11. November 2005 – XI ZR 398/04, juris Rn. 18). Sollte sich dem Beschluss des erkennenden Senats vom 22. November 2005 (VI ZB 75/04, VersR 2006, 387) etwas anderes entnehmen lassen, wird daran nicht festgehalten.

(3) Der Schriftzug unter der Berufungsbegründung war auch geeignet, die Identifizierung von Rechtsanwalt H., an dessen Zulassung und Bevollmächtigung durch die Klägerin auch das Berufungsgericht keine Zweifel geäußert hat, als Urheber der schriftlichen Prozesshandlung zu ermöglichen. Dem Berufungsgericht kann insoweit schon nicht in seiner Annahme gefolgt werden, der am Ende der Berufungsbegründung befindliche Schriftzug lasse eine Identifikation des Urhebers – auch unter Berücksichtigung der auf dem Briefkopf aufgeführten Namen – mangels auch nur ansatzweise erkennbarer Buchstaben nicht zu. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts lässt sich am Anfang ein „H“ erkennen (so auch die Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 9. September 2018); ein „g“ ist zumindest angedeutet. Damit ließ sich der Schriftzug unter Berücksichtigung des Zusatzes „i.V.“ bereits zum Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist dem im Briefkopf als Mitglied der Bürogemeinschaft aufgeführten Rechtsanwalt H., dessen Nachname mit einem „g“ endet, zuordnen. Von den im Briefkopf aufgeführten Rechtsanwälten kam nur Rechtsanwalt H. als Urheber des Schriftzuges in Betracht, da die Namen der übrigen dort genannten Mitglieder der Bürogemeinschaft nicht mit einem „H“ beginnen. Etwaige verbliebene Zweifel an der Identität des Unterzeichners hat die Klägerin jedenfalls mit ihrer Erklärung, die zwar nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, aber noch vor dem Erlass des Verwerfungsbeschlusses erfolgte (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2012 – VII ZB 83/10, MDR 2012, 796 Rn. 11), ausgeräumt. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die die Autorenschaft des Rechtsanwalt H. in Frage stellen würden.“