Im zweiten Posting des Tages gibt es dann zwei Entscheidungen zum Fahrverbot.
Zunächst hier das AG Dortmund, Urt. v. 4.9.2020 – 729 OWi-264 Js 1158/20-104/20. Das AG hat – auf der Grundlage der h.M. in der Rechtsprechung der OLG – vom Fahrverbot nicht abgesehen:
„Hinsichtlich des Regelfahrverbotes hat der Betroffene geltend gemacht, dass er seinen Führerschein benötige, um seine geplante Selbständigkeit anschieben zu können. Auf Nachfrage hatte er keinerlei Unterlagen insoweit dabei. Er erklärte auch, dass er sich noch nicht selbständig gemacht habe, dies nur plane und Kontaktgespräche führe. Er könne insoweit auch keinerlei Unterlagen vorlegen, die derartiges belegen würden. Keiner seiner Geschäftspartner könne ihm bescheinigen, dass er Informationsgespräche über eine beabsichtigte Selbständigkeit mit ihm geführt habe. Der Angeklagte konnte auch nicht erklären, wie oft und wohin ihn die angeblichen Fahrten in Deutschland führen. Dem Angeklagten wurde die strenge Rechtsprechung zum Absehen vom Regelfahrverbot der Oberlandesgerichte vorgestellt. Der Angeklagte fand dies ebenso wie sein Verteidiger übermäßig hart. Bei anderen Gerichten sei es eine Frage von 2 Minuten, dass vom Fahrverbot abgesehen werde. Das Gericht hier erklärte, dass es schon Mittel der Glaubhaftmachung zu beruflichen Härten benötige, soweit solche geltend gemacht würden. Der Betroffene erklärte, er könne keine solche Glaubhaftmachungen vortragen.
Dementsprechend hat das Gericht das vorgesehene 1-monatige Regelfahrverbot festgesetzt.“
Und als zweite Entscheidung dann der OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.02.2021 – (1 B) 53 1 Ss-Owi 334/20 (279/20) – zur Aufhebung des Fahrverbotes wegen langer Verfahrensdauer – hier: zwei Jahr und 10 Monate:
„Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat mit der Sachrüge Erfolg. Die nach wirksamer Rechtsmittelbeschränkung einzig noch verfahrensgegenständliche Verhängung des Fahrverbotes hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, sie unterlag deshalb der Aufhebung. Der Senat entscheidet diesbezüglich in der Sache selbst (§ 79 Abs. 6 OWiG), da bei einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht keine weiteren Feststellungen, die für die Entscheidung über ein Fahrverbot wesentlich sind, zu erwarten sind.
Das Fahrverbot nach § 25 StVG hat nach der gesetzgeberischen Intention in erster Linie eine Erziehungsfunktion. Es ist als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme gedacht und ausgeformt (vgl. BVerfGE 27, 36, 42; OLG Brandenburg, Beschluss vom 26. Februar 2019, Az.: (1B) 53-Ss-Owi-608/18 -; OLG Stuttgart, Beschluss vom 19. Januar 2017, Az.: 2 Ss 762/16 -; OLG Dresden, Beschluss vom 11. März 2019 – OLG 23 Ss 80/19 (B) –). Von ihm soll eine warnende Wirkung auf den Betroffenen ausgehen und ihn anhalten, sich künftig verkehrsordnungsgemäß zu verhalten. Das Fahrverbot kann deshalb seinen Sinn verlieren, wenn die zu ahndende Tat lange zurückliegt, die für die lange Verfahrensdauer maßgeblichen Umstände auch außerhalb des Einflussbereiches des Betroffenen liegen und in der Zwischenzeit kein weiteres Fehlverhalten des Betroffenen im Straßenverkehr festgestellt worden ist (vgl. OLG Brandenburg, a.a.O.; OLG Stuttgart, a.a.O., m.w.N.; OLG Dresden m.w.N.). Wann bei langer Verfahrensdauer der Zeitablauf entweder allein oder zusammen mit anderen Umständen ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen kann, ist zwar grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls, die einen gewissen Beurteilungsspielraum eröffnet. In der obergerichtlichen Rechtsprechung, der sich der Senat angeschlossen hat, ist allerdings die Tendenz erkennbar, den Sinn eines Fahrverbotes in Frage zu stellen, wenn die zu ahndende Tat mehr als zwei Jahre zurückliegt.
Die dem Betroffenen zur Last gelegte Tat liegt hier inzwischen mehr als zwei Jahre und zehn Monate zurück, wobei es zu erheblichen Verfahrensverzögerungen kam, deren Ursachen nicht der Sphäre des Betroffenen zuzurechnen sind.
Vor diesem Hintergrund erscheint die Anordnung eines Fahrverbotes gegen den Betroffenen nicht mehr geboten, vielmehr konnte das Fahrverbot entfallen.“