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Pflichti II: Und nochmals „konsensuale Umbeiordnung, oder: Das ist zulässig

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Im zweiten Posting dann mal wieder etwas zur (kostenneutralen) Umbeiordung, und zwar der LG Mühlhausen, Beschl. v. 19.06.2023 – 3 Qs 92/23.

Das AG hatte die Umbeiordnung abgelehnt und sich dabei auf § 143 a Abs. 1 S. 2 StPO gestützt. Das hat das LG – zutreffend – anders gesehen.

„Zu Recht nimmt das Amtsgericht an, dass die Voraussetzungen von § 143 a Abs. 2 StPO nicht vorliegen. Richtigerweise führt das Amtsgericht des Weiteren die Vorschrift des § 143 a Abs. 1 S. 2 StPO an, wonach die Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht aufzuheben ist, wenn zu besorgen ist, dass der neue Verteidiger das Mandat demnächst niederlegen und seine Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragen wird. Eine derartige Übernahme der Pflichtverteidigung ist damit von Gesetzes wegen ausdrücklich unerwünscht. Mithin soll ein Herausdrängen des bisherigen Pflichtverteidigers über den Weg einer Wahlverteidigung verhindert werden. Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich in vorliegender Sache um einen sogenannten konsensualen Verteidigerwechsel, der gerade nicht durch die Vorschrift des § 143 a StPO ausgeschlossen werden sollte (so etwa BGH, Beschluss vom 13.07.2021 – 2 StR 81/21).

Die Voraussetzungen für einen konsensualen Verteidigerwechsel sind vorliegend auch gegeben. Ein solcher Wechsel setzt voraus, dass der Beschuldigte und beide Verteidiger mit einem Verteidigerwechsel einverstanden sind, dadurch keine Verfahrensverzögerung eintritt und auch keine Mehrkosten für die Staatskasse entstehen (vgl. etwa BGH a.a.O.). Der Beschwerdeführer und beide Verteidiger haben jeweils ein entsprechendes Einverständnis erteilt, wie es den Schriftsätzen vom 02.03.2023, 29.03.2023 sowie 20.04.2023 zu entnehmen ist. Anhaltspunkte für eine Verfahrensverzögerung durch den Verteidigerwechsel liegen ebenso nicht vor. Insbesondere ist noch kein Termin zur Hauptverhandlung anberaumt. Schließlich hat Rechtsanwalt F. in seinem Schriftsatz vom 29.03.2023 erklärt, dass durch die Umbeiordnung für die Landeskasse keine Mehrkosten entstehen würden. Letzteres hat er darüber hinaus mit Schriftsatz vorn 09.05.2023 abermals bekräftigt und erklärt, dass er die in der Person des bisherigen Pflichtverteidigers entstandenen Gebühren nicht erneut geltend machen werde. Im Übrigen ist zu bemerken, dass aus dem Schriftsatz des bisherigen Pflichtverteidigers, Rechtsanwalt B., vom 02.03.2023 hervorgeht, dass dieser Kenntnis davon hatte, dass es sich um einen Pflichtverteidigerwechsel handeln soll. Mithin hat Rechtsanwalt B. sein Einverständnis auch nicht lediglich vor dem Hintergrund der Vorschrift des § 143 a Abs. 1 S. 1 StPO erklärt, weil er davon ausging, es habe sich ein Wahlverteidiger gemeldet und demgemäß sei er von Gesetzes wegen ohnehin zu entpflichten (vgl. zu dieser abweichenden Situation KG, Beschluss vom 28.10.2021 – 3 Ws 276/21).“

Wie gesagt: Zutreffend.

Pflichti II: Die kostenneutrale Umbeiordnung, oder: OLG Frankfurt/Main kann es mal wieder nicht

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Und als zweite Entscheidung dann der OLG Frankfurt am Main, Beschl.  v. 05.11.2021 – 2 Ws 84/21 -, den mir der Kollege Peter aus Frankfurt geschickt. Die Entscheidung ist – das schon mal vorab – leider falsch.

Das OLG geht von folgendem Sachverhalt aus:

Der Kollege, der zuvor als Wahlverteidiger mandatiert war, wurde dem zwischenzeitlich Verurteilten auf dessen Antrag hin durch Beschluss des AG vom 13.3.2019 als Pflicht-verteidiger beigeordnet. Im gleichen Beschluss wurde die bisherige Pflichtverteidigerin Rechtsanwältin D. entpflichtet. Das AG ist in seinem Beschluss vom 13.3.2019 von einer nachhaltigen Störung des Vertrauensverhältnisses des späteren Verurteilten zu seiner bisherigen Pflichtverteidigerin ausgegangen. Die bisherige Pflichtverteidigerin hatte im Schriftsatz vom 8.3.2019 angegeben, dass das Vertrauensverhältnis zwischen ihr und dem späteren Verurteilten aus ihrer Sicht im vollem Umfang bestehe und die Aufrechterhaltung ihrer Pflichtverteidigerbestellung beantragt.

In einem an das AG gerichteten Schriftsatz des Kollegen vom 12.2.2019 hatte sich dieser zuvor wie folgt geäußert: „Weiterhin wird dem Wunsch des Beschuldigten entsprochen und ein Antrag auf Pflichtverteidigerwechsel gestellt. Herr PP. möchte sich nicht mehr von Frau D. verteidigen lassen. Im Fall eines Wechsels wird der Unterzeichner sein Wahlmandat niederlegen und auf bereits entstandene Gebühren verzichten.“ Die Staatsanwaltschaft hatte dazu dahingehend Stellung genommen, dass zwar „die (hohen) Voraussetzungen für einen Widerruf der Beiordnung der Pflichtverteidigerin nach § 143 StPO … nach den bisherigen Darstellungen …. nicht vor[liegen]. Eine Stellungnahme der Pflichtverteidigerin hat die Staatsanwaltschaft bisher nicht erreicht. Sollte Einverständnis mit dem Widerruf der Beiordnung bei ihr bestehen, würde sich die Staatsanwaltschaft einem Pflichtverteidigerwechsel nicht entgegenstellen, da der neue Verteidiger einen Verzicht für die bereits bei der Pflichtverteidigerin entstandenen Gebühren (Grund- und Verfahrensgebühr) erklärt hat, sodass keine nennenswerten Mehrkosten zu erwarten sind.

Die frühere Pflichtverteidigerin hat am 21.3.2019 ihre Tätigkeit mit 443,87 EUR gegenüber dem AG abgerechnet. Dabei sind die Gebühren Nr. 4101, 4104 VV RVG mit netto 192,00 EUR abgerechnet worden. Mit Schriftsatz vom 26.11.2020 hat er Kollege nach Verurteilung des Angeklagten seine Pflichtverteidigertätigkeit gegenüber dem LG abgerechnet. Der Rechtspfleger hat diese Gebühren abgesetzt, da sie bereits für Rechtsanwältin D. entstanden seien und mit Schreiben vom 12.2.2019 auf die bereits entstandenen Gebühren verzichtet worden sei. Auf die sofortige Beschwerde des Kollegen hat das LG diese Gebühren dann aber festgesetzt. Auf das dagegen gerichtete Rechtsmittel der Bezirksrevisorin hat das OLG die Gebührenfestsetzung des Rechtspflegers wieder hergestellt.

Begründung:

„Der Beschwerdegegner hat in seinem Schriftsatz vom 12. Februar 2019, in dem er für den inzwischen Verurteilten, den Antrag auf Pflichtverteidigerwechsel gestellt hat, erklärt, im Falle eines Wechsels sein Wahlmandat niederzulegen und auf bereits entstandene Gebühren zu verzichten. Im Hinblick hierauf hat die Staatsanwaltschaft erklärt, sich einem Pflichtverteidigerwechsel nicht entgegenzustellen. Nachdem das Amtsgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 13. März 2019 die vormalige Pflichtverteidigerin entpflichtet und den Beschwerdegegner zum Pflichtverteidiger bestellt hat, ist die Bedingung, unter der der Beschwerdegegner seinen Gebührenverzicht erklärt hat, eingetreten. Aufgrund dieses Verzichts, der nicht lediglich hilfsweise, sondern eindeutig erklärt worden ist, hat der Beschwerdegegner keinen Anspruch auf die vom Rechtspfleger abgesetzten Gebühren, die bereits bei der vormaligen Pflichtverteidigerin entstanden sind. Der Umstand, dass das Amtsgericht die Voraussetzungen für eine Entpflichtung der vormaligen Pflichtverteidigerin wegen einer Störung des Vertrauensverhältnisses zum inzwischen Verurteilten später entpflichtet hat, ist insoweit ohne Belang. Auch ist es nicht unbillig, dem Beschwerdeführer die Gebühren, auf die er zuvor wirksam verzichtet hat, gleichwohl zuzuerkennen.“

Wie gesagt: Leider – wie so vieles aus Frankfurt – falsch. Das OLG übersieht m.E., dass für einen Pflichtverteidigerwechsel unterschiedliche Gründe vorliegen können. Es kann sich um einen sog. einvernehmlichen und kostenneutralen Wechsel handeln oder um eine Entpflichtung und Umbeiordnung wegen Störung des Vertrauensverhältnisses. Legt man diese zutreffende Sicht zugrunde, hätte hier nicht auf den Verzicht des neuen Pflichtverteidigers abgestellt werden dürfen. Denn „umbeigeordnet“ worden ist wegen einer Störung des Vertrauensverhältnisses und zwar in vollem Umfang. Der Beiordnungsbeschluss des AG v. 13.03.2019 enthielt zudem auch keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der beim neuen Pflichtverteidiger entstehenden Gebühren, so dass sich auch schon von daher die Frage stellt, ob die Gebühren Nr. 4101, 4104 VV RVG zur Recht nicht festgesetzt worden sind. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Verzicht im Antrag vom 12.02.2019. Denn der war erkennbar auf einen „einvernehmlichen“ Wechsel im Hinblick auf eine kostenneutrale Umbeiordnung erklärt und ist im Übrigen auch von der Staatsanwaltschaft, wie deren Stellungnahme zu dem Antrag vom 12.02.2019 zeigt, so verstanden worden. Alles andere macht auch keinen Sinn. Zumindest stand dieser Verzicht unter dem Vorbehalt eines „einvernehmlichen Wechsels“, zu dem es aber nicht gekommen ist. Für einen Verzicht auch für den Fall eines „gestörten Vertrauensverhältnisses“ hatte der Kollege überhaupt keinen Anlass. Die Entscheidung des OLG geht – mal wieder zu Lasten eines Verteidigers – an der Interessen- und Rechtslage vorbei.

Pflichti I: So einfach ist das nicht mit der kostenneutralen Umbeiordnung, oder: Das ist die Entscheidung Nr. 5.000

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Und dann mache ich heute einen weiteren Pflichtverteidigungstag, den der LG Stendal, Beschl. v. 13.03.2019 – 501 Qs (172 Js 13906/15) 16/19 – eröffnet. Eine besondere Entscheidung. Allerdings nicht wegen der Thematik – es geht um die Voraussetzungen der kostenneutralen Umbeiordnung – sondern: Es ist der 5.000 Beschluss, den ich auf meiner Homepage in der Rubrik „Entscheidungen anderer Gerichte“ online stelle. Zusammen mit den 4.598 Beschlüssen des OLG Hamm und den 2.000 RVG-Entscheidungen eine dann recht beachtliche Zahl von 11.598 Beschlüssen. Herzlichen Dank allen Einsendern von Entscheidungen.

Nun aber zum LG Stendal, Beschl. v. 13.03.2019 – 501 Qs (172 Js 13906/15) 16/19 – Wie gesagt: Kostenneutrale Umbeiordnung. Das AG hatte „umbeigeordnet“ mit der Maßgabe, dass „durch die Umbestellung keine Mehrkosten entstehen dürfen.“ Dagegen die Beschwerde des Pflichtverteidigers, die beim LG Erfolg hatte:

„Die nach § 304 StPO statthafte und ansonsten zulässige Beschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung der Bestimmung, dass durch die Beiordnung keine Mehrkosten entstehen dürften. Diese hat das Amtsgericht zu Unrecht angeordnet. Für die vom Amtsgericht getroffene Anordnung, dem Pflichtverteidiger Gebührenansprüche abzusprechen, fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage.

Der Wechsel des Pflichtverteidigers ist gesetzlich derzeit (vgl. zur angedachten Neuregelung: Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, S. 8 und 9) nicht geregelt. Es ist jedoch in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei schwerer Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Mandant und Pflichtverteidiger ein solcher Wechsel vorzunehmen ist. Dieses fehlende Vertrauensverhältnis ist jedoch substantiiert darzulegen (vgl. insoweit: Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 56. Auflage, Rdn. 5, m.w.N.). Einer Darlegung des besonderen Grundes für einen Wechsel bedarf es jedoch dann nicht, wenn beide Verteidiger mit dem Wechsel einverstanden sind, eine Verfahrensverzögerung nicht stattfindet und durch den Wechsel keine Mehrkosten entstehen (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., Rdn. 5a m.w.N.). Soweit die Umbestellung nicht kostenfrei erfolgen kann. wird es in der Rechtsprechung teilweise als zulässig erachtet, dass der Verteidiger auf die entstehenden Mehrkosten verzichten kann, um so eine Umbestellung zu erreichen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 25. Oktober 2017, Az.: 2 Ws 277/17, Leitsatz, zitiert nach juris: dagegen jedoch: OLG Naumburg, Beschluss vom 14. April 2010, Az.: 2 Ws 52/10, 2. Leitsatz. zitiert nach juris).

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben, da dem Amtsgericht eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage fehlt. dem Pflichtverteidiger seine entstandenen Gebühren abzusprechen. Vorliegend bestand seitens des Amtsgerichts die Möglichkeit, den Antrag auf Umbestellung abzulehnen, da eine Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Angeklagten und Rechtsanwalt P. nicht ansatzweise dargelegt wurde. Soweit es aufgrund des Einvernehmens der Verteidiger eine kostenneutrale Umbestellung vornehmen wollte, hätte es nach der dargestellten Rechtsprechung des OLG Stuttgart eine entsprechende Erklärung des Verteidigers einholen müssen, was nach Aktenlage unterblieben ist. Für die vom Amtsgericht vorgenommene einseitige Bestimmung der Kostenneutralität gibt es jedoch schlechthin keine gesetzliche Grundlage.“

Und erneut: Kostenneutrale Umbeiordnung, oder: Vielleicht gibt der Bezirksrevisor ja jetzt Ruhe

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Ich komme dann heute noch einmal auf die „kostenneutrale“ Umbeiordnung des Pflichtverteidigers zurück. Darüber hatte ich neulich schon in zwei Postings berichtet, und zwar über den LG Osnabrück, Beschl. v. 20.o1.2017 – 6 Ks – 720 Js 38063/16 – 10/16 (vgl. Kostenneutrale Umbeiordnung, oder: Wie ist das dann mit Fahrtkosten usw.?)  und den OLG Oldenburg, Beschl. v. 23.04.2015 – 1 Ws 170/15 (Nochmals kostenneutrale Umbeiordung, oder: Wie ist das mit den Mehrkosten?). Inzwischen liegt die Beschwerdeentscheidung des OLG Oldenburg zu dem LG Osnbarück-Beschluss vor, die mir der Kollege Pagels aus Menden übersandt hat. Der Vollständigkeit halber stelle ich den OLG Oldenburg, Beschl. v. 21.03.2017 – 1 Ws 122/17 – dann hier auch noch vor, schon um zu zeigen, dass dass OLG an seiner (zutreffenden) Rechtsauffassung festhält:

„Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 23. April 2015 (1 Ws 170/15) ausgeführt hat, soll durch die – wie hier – einvernehmliche Auswechselung des bestellten Verteidigers dem Wunsch des Beschuldigten Rechnung getragen werden, durch einen Verteidiger seines Vertrauens verteidigt zu werden, ohne dass es auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes für einen Wechsel ankommt. Mit dem Erfordernis, dass keine Mehrkosten entstehen dürfen, werden zwar die Fiskalinteressen des Staates geschützt. Diese können aber nicht weiterreichen, als wenn der Beschuldigte den jetzt gewählten Verteidiger von vornherein bezeichnet hätte und dieser hätte beigeordnet werden können. Mit anderen Worten: Eine Umbeiordnung ist aus fiskalischen Gründen lediglich dann ausgeschlossen, wenn schon eine anfängliche Bestellung nicht möglich gewesen wäre.

Gemessen daran ist hier nicht ersichtlich oder mit der Beschwerde vorgetragen worden, dass der Ermittlungsrichter eine anfängliche Bestellung des jetzigen Verteidigers, unterstellt der Beschuldigte hätte eine solche von Beginn an gewünscht, hätte versagen können. Daher sind die hier im Vergleich zur früheren Pflichtverteidigerin höher angefallenen Reisekosten und Abwesenheitsgelder zu erstatten.“

Vielleicht gibt die Landeskasse ja jetzt Ruhe.

Nochmals kostenneutrale Umbeiordung, oder: Wie ist das mit den Mehrkosten?

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Ich hatte neulich über den LG Osnabrück, Beschl. v. 20.01.2017 – 6 Ks – 720 Js 38063/16 – 10/16 – berichtet. Da ging es um die kostenneutrale Umbeiordnung (vgl. Kostenneutrale Umbeiordnung, oder: Wie ist das dann mit Fahrtkosten usw.?). In dem Beschluss hatte das LG den OLG Oldenburg, Beschl. v. 23.04.2015 – 1 Ws 170/15 – zitiert und als Beleg für seine Auffassung angeführt. Den Beschluss habe ich mir besorgt und stelle ihn hier dann heute vor, obwohl er schon ein wenig älter ist.

Das OLG macht in seiner Entscheidung ganz interessante Ausführungen zur Umbeiordnung und den ggf. entstehenden Mehrkosten, auf die man sich als Verteidiger in vergleichbaren Fällen berufen sollte/kann:

„Mit dem Verzicht von Rechtsanwältin B. auf die Mehrkosten ist zunächst klargestellt, dass die bei Rechtsanwalt D. angefallenen Gebühren nicht nochmals von ihr geltend gemacht werden sollen und sie auf diese verzichtet. Dass im Falle ihrer Beiordnung Mehrkosten dadurch entstehen, dass sie ihren Kanzleisitz in Hannover unterhält und daher – im Vergleich zu dem in Osnabrück ansässigen Rechtsanwalt D. – insbesondere höhere Reisekosten zur JVA in Vechta und zu späteren Hauptverhandlungsterminen in Os­nabrück anfallen, steht der Auswechselung des Verteidigers nicht entgegen, auch wenn Rechtsanwältin B. auf diese Mehrkosten nicht explizit verzichtet hat.

Denn durch die einvernehmliche Auswechselung des beigeordneten Verteidigers soll dem Wunsch des Beschuldigten Rechnung getragen werden, durch einen Verteidiger seines Vertrauens verteidigt zu werden, ohne dass es auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes für einen Wechsel ankommt. Mit dem Erfordernis, dass keine Mehrkosten entstehen dürfen, werden die Fiskalinteressen geschützt: Der Fiskus soll durch den Sinneswandel des Beschuldigten nicht belastet werden. Die so zu schützenden Fiskalinteressen reichen aber nicht weiter, als wenn der Beschuldigte den jetzt gewählten Verteidiger von vornherein bezeichnet hätte und dieser hätte beigeordnet werden können.

Letzteres ist hier der Fall.

Nach der Neufassung des § 142 Abs. 1 StPO durch das 2. Opferrechtsreformgesetz ist der zu bestellende Verteidiger nicht mehr möglichst aus der Zahl der im Gerichtsbezirk niedergelassenen Rechtsanwälte auszuwählen. Nach der Gesetzesbegründung stellt die Überschreitung der Grenzen eines Gerichtsbezirks wegen der allgemein erhöhten Mobilität keinen tauglichen Anhaltspunkt mehr für zu erwartende Verfahrensverzögerungen dar und es sind bei der Auswahl des Verteidigers andere Faktoren mit zu berücksichtigen, die dem Kriterium der Gerichtsnähe mindestens gleichwertig erscheinen wie etwa ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem Verteidiger, die Möglichkeit der Verständigung in der Muttersprache oder eine besondere Qualifikation; nur daneben sind auch die durch die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts entstehenden Mehrkosten bei der Auswahlentscheidung zu berücksichtigen (BT-Drucksache 16/12098, S. 20).

Gemessen an diesen Maßstäben hätte Rechtsanwältin B. anstelle von Rechtsanwalt D. von vornherein beigeordnet werden können. Die Angeschuldigte legt ein Vertrauensverhältnis zu ihr dar und die Entfernungen von Hannover nach Osnabrück bzw. Vechta sind nicht größer als die, die auch innerhalb des Landgerichtsbezirks Osnabrück – etwa zwischen Papenburg und Osnabrück – möglich sind. Die mit einer Anreise innerhalb des Gerichtsbezirks verbundenen Verzögerungen müssen hingenommen werden, darüber hinausgehende Verfahrensverzögerungen sind bei einer Anreise vom Kanzleisitz in Hannover nicht zu besorgen. Für die zu erwartenden Reisekosten gilt entsprechendes; auch sie bewegen sich in einer Größenordnung, wie sie auch im Falle einer Beiordnung eines im Gerichtsbezirk ansässigen Verteidigers entstanden wären.

Bei dieser Sachlage bedarf es daher keiner Entscheidung, welche Anforderungen an das zwischen Beschuldigtem und Verteidiger bestehende Vertrauensverhältnis und dessen Darlegung gegenüber dem Gericht zu stellen sind (siehe etwa die Zusammenstellung bei Lehmann, NStZ 2012, 188) und welches Gewicht den durch die Beiordnung eines auswärtigen Verteidigers entstehenden Mehrkosten im Rahmen der dem Gericht eröffneten Ermessensentscheidung beizulegen ist (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 21.9.2010 – 2 Ws 594/10, juris; OLG Köln, Beschluss vom 29.6.2012 – 2 Ws 485/12, juris; gegen jedwede Relevanz von Kostengesichtspunkten nach der Neufassung: KMR/Haizmann, § 142 Rn 22; SK-StPO/Wohlers, 4. Aufl., § 142 Rn. 27).“

So ein OLG-Beschluss macht dann doch vielleicht noch ein wenig mehr her als „nur“ ein LG-Beschluss 🙂 .