1. Zu Recht ist das Erstgericht allerdings zunächst davon ausgegangen, dass sowohl die Beklagten als auch die Klägerin grundsätzlich für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gemäß §§ 7, 17 Abs. 1, 2 StVG i.V.m. § 115 VVG einzustehen haben, weil die Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden sind, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und für keinen der beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG darstellte. Auf die Frage, ob der Zeuge pp. das klägerische Fahrzeug rechtzeitig zum Stehen gebracht hat und erst durch den Heckanstoß des Beklagtenfahrzeugs auf das Fahrzeug des Zeugen pp. aufgeschoben worden ist, kommt es insoweit nicht an. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Idealfahrer an Stelle des Zeugen pp. bereits im Vorfeld durch ein rechtzeitiges Herabsetzen der Geschwindigkeit oder einen größeren Abstand zu dem BMW des Zeugen pp. und dem Mercedes, die sich wechselseitig rechts überholt hatten, oder ggfl. durch einen frühzeitigen Wechsel auf die rechte Fahrspur eine Vollbremsung hätte vermeiden und dadurch den Unfall mit dem Erstbeklagten verhindern können. Diese Zweifel gehen zulasten der Klägerin (BGH, st. Rspr.; vgl. nur Urteile vom 13.05.1969 – VI ZR 270/67, VersR 1969, 827 und vom 13.12.2005 – VI ZR 68/04, VersR 2006, 369).
2. Im Rahmen der danach gebotenen Haftungsabwägung gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG ist der Erstrichter davon ausgegangen, dass der Erstbeklagte die Kollision mit dem klägerischen Fahrzeug durch einen Verstoß gegen die Pflicht zur Einhaltung eines ausreichenden Sicherheitsabstandes verursacht hat (§ 4 Abs. 1 Satz 1 StVO; zum Sicherheitsabstand auf Autobahnen vgl. nur BGH, Urteil vom 09.12.1986 – VI ZR 138/85, VersR 1987, 358). Dies steht in der Berufung nicht im Streit.
3. Auch soweit der Erstrichter aufgrund des Verkehrsverstoßes des Erstbeklagten von einer Alleinverantwortung der Beklagten hinsichtlich des Heckanstoßes und einer Alleinhaftung der Beklagten für den dadurch eingetretenen Heckschadens am klägerischen Fahrzeug ausgegangen ist, wird dies von den Parteien in der Berufung hingenommen. Allerdings wendet sich die Klägerin mit Erfolg gegen die Feststellung des Erstrichters, hinsichtlich des an ihrem Fahrzeug eingetretenen Frontschadens könne lediglich eine hälftige Haftungsverteilung vorgenommen werden.
a) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung und der herrschenden Auffassung in der Literatur, dass bei Kettenauffahrunfällen – wie hier – hinsichtlich der Verursachung des Frontschadens an dem Fahrzeug, auf das das Fahrzeug des Hintermannes aufgefahren ist, der im Übrigen zulasten des Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis einer schuldhaften Schadensverursachung keine Anwendung findet. Dies wird damit begründet, dass bei Kettenauffahrunfällen jedenfalls hinsichtlich der Verursachung des Frontschadens kein ausreichend typischer Geschehensablauf feststellbar ist (vgl. OLG Hamm, NJW 2014, 3790; OLG München, Urteil vom 12.05.2017 – 10 U 748/16, juris; OLG Düsseldorf, NZV 1995, 486 sowie Urteil vom 12.06.2006 – I-1 U 206/05, juris; Geigel/Freymann, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kap. 27 Rn. 148; Helle in: Freymann/Wellner, jurisPK-StrVerkR, 1. Aufl., § 4 StVO Rn. 46; Scholten in: Freymann/Wellner aaO § 830 BGB Rn. 43; Böhme/Biela/Tomson, Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden, 26. Aufl., Rn. 198; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Aufl., § 4 Rn. 24; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 4 StVO Rn. 36). Allerdings gewährt die Rechtsprechung dem Geschädigten in diesen Fällen eine Beweiserleichterung nach § 287 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 08.05.1973 – VI ZR 101/71, NJW 1973, 1283). Insoweit gilt:
aa) Kann der Geschädigte Tatsachen nachweisen, aus denen sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verursachung des Frontschadens durch den Hintermann ergibt, ist mithin ein Aufschieben deutlich wahrscheinlicher als die Möglichkeit, dass der Geschädigte durch sein eigenes Verhalten (Auffahren auf den Vordermann) den Frontschaden an seinem Fahrzeug selbst verursacht hat, ist der Hintermann für den gesamten (Heck- und Front-)Schaden des mittleren Fahrzeugs (mit)verantwortlich (vgl. BGH aaO; OLG Schleswig, NZV 1988, 228; OLG Düsseldorf, NZV 1995, 486; OLG Hamm, Schaden-Praxis 1999, 331; LG Köln, Urteil vom 10.11.2004 – 9 S 237/04, Schaden-Praxis 2005, 44; Lemcke, Der Verkehrsunfall mit mehreren Beteiligten, DAV-Skript, 2008, S. 88 f.).
bb) Ist die Verursachung des Frontschadens durch den Auffahrenden nicht weniger wahrscheinlich als die Entstehung des Frontschadens unabhängig vom Heckanstoß, kann der gegen den Auffahrenden begründete Schadensersatzanspruch betreffend den Heckanstoß im Totalschadensfall nach § 287 ZPO durch die quotenmäßige Aufteilung des Gesamtschadens, gemessen am Verhältnis der jeweiligen Reparaturkosten, ermittelt werden (vgl. BGH aaO; OLG Düsseldorf, NZV 1995, 486; OLG Hamm, NJW 2014, 3790).
cc) Ist demgegenüber die ursächliche Beteiligung des Hintermannes an dem Frontschaden weniger wahrscheinlich als die Entstehung des Frontschadens unabhängig vom Heckanstoß, haftet der Hintermann nur für den ihm sicher zurechenbaren Heckschaden (vgl. OLG Düsseldorf, NZV 1995, 486; OLG Hamm, Schaden-Praxis 2010, 351).
b) Hiervon ausgehend haften die Beklagten im Streitfall auch für den Frontschaden am klägerischen Fahrzeug in vollem Umfang. Denn nach den unangegriffenen Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen wäre es ohne einen zeitlich früheren Anstoß durch das Beklagtenfahrzeug nicht zu einem Auffahren des klägerischen Fahrzeugs auf das Fahrzeug des Zeugen pp. gekommen, weshalb auch der Frontschaden am Klägerfahrzeug definitiv alleine aus dieser Erstkollision zwischen Beklagtenfahrzeug und Klägerfahrzeug und aus einer hiermit einhergehenden Beschleunigung bzw. Geschwindigkeitserhöhung des klägerischen Fahrzeugs entstanden ist.“
Gut, dass ich damit nicht häufiger zu tun habe 🙂 .