Schlagwort-Archive: Hinreichender Tatverdacht

StPO I: Voraussetzung für den Erlass eines Strafbefehls, oder: Hinreichender Tatverdacht gegeben?

© artefacti – Fotolia.com

Und heute dann mal wieder drei StPO-Entscheidungen. Alle drei stammen von Landgerichten.

Die erste Entscheidung, den LG Karlsruhe, Beschl. v. 04.01.2023 – 16 Qs 98/22 – hatte ich bereits wegen einer der vom LG behandelten materiellen Fragen vorgestellt (vgl. hier StGB III: Sind die Audioaufnahmen „unbefugt“ erstellt?, oder: Restriktive Auslegung bei Beweisnot ). Ich komme heute dann auf den Beschluss zurück, und zwar wegen der Problematik in Zusammenhang mit der Problematik der Ablehnung des Strafbefehlserlasses durch das AG.

Dazu führt das LG aus:

„Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Amtsgerichts Maulbronn ist gem. §§ 311 Abs. 1, 408 Abs. 2 Satz 2, 210 Abs. 2 StPO statthaft und gem. §§ 311 Abs. 2, 35 Abs. 2 Satz 1 StPO form- und fristgerecht erhoben.

II.

Die sofortige Beschwerde ist indes unbegründet. Das Amtsgericht Maulbronn hat den Erlass des Strafbefehls nach § 408 Abs. 2 Satz 1 StPO zu Recht abgelehnt. Es fehlt vorliegend an dem für den Erlass eines Strafbefehls erforderlichen hinreichenden Tatverdacht gegen den Angeschuldigten wegen der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gem. § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB.

Ein hinreichender Tatverdacht ist nur zu bejahen, wenn nach praktischer Erfahrung bei vorläufiger Tatbewertung auf Grundlage des Ermittlungsergebnisses die Verurteilung in einer Hauptverhandlung mit vollgültigen Beweismitteln wahrscheinlich ist (vgl. BGH, Beschl. v. 22.04.2003 – StB 3/03, juris, dort Rn. 9; BGH, Urt. v. 18.06.1970 – III ZR 95/68, juris, dort Rn. 15). Ein hinreichender Tatverdacht besteht dagegen nicht, wenn (i) nach Aktenlage offensichtlich ist, dass tatsächliche Zweifel am Schuldnachweis nicht zu überwinden sind oder (ii) ein nicht behebbares Verfahrenshindernis besteht oder (iii) der aufgrund der Ermittlungen wahrscheinliche Tatvorgang aus Rechtsgründen nicht strafbar ist (vgl. Maur in KK-StPO, 9. Aufl. 2023, § 408 Rn. 17; Szesny in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, 2017, Wirtschaftsstrafrecht, § 408 StPO Rn. 4).

1. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe – Zweigstelle Pforzheim – weist zunächst zu Recht darauf hin, dass unüberwindbare tatsächliche Zweifel am Schuldnachweis nicht offensichtlich sind. Verbleibende tatsächliche Zweifel am Tatnachweis berechtigen den Tatrichter lediglich dazu, analog § 202 Satz 1 StPO Nachermittlungen anzuordnen oder die Hauptverhandlung gem. § 408 Abs. 3 Satz 2 StPO anzuberaumen (vgl. BeckOK StPO/Temming, 45. Ed. 01.10.2022, StPO § 408 Rn. 5; Szesny in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, 2017, § 408 StPO Rn. 4; a.A. AG Meiningen Beschl. v. 02.04.2009 – 340 Js 3972/08 – 8Cs, BeckRS 2010, 22265; KK-StPO/Maur, StPO, 9. Aufl. 2023, § 408 Rn. 9). Der Tatrichter darf den Strafbefehl in diesen Fällen aber nicht gem. § 408 Abs. 2 Satz 1 StPO ablehnen (vgl. MüKoStPO/Eckstein, 1. Aufl. 2019, StPO § 408 Rn. 8). Weder kommt dem Tatrichter insoweit ein Ermessen zu noch greift der Grundsatz „in dubio pro reo“ bei der anzustellenden Wahrscheinlichkeitsprognose über den hinreichenden Tatverdacht (vgl. BGH, Urt. v. 18.06.1970 – III ZR 95/68, juris, dort Rn. 15 f.; Schmitt/Meyer-Goßner, StPO, 65. Aufl. 2022, § 408 Rn. 7 unter Verweis auf § 203 Rn. 2).“

Aber: Der Strafbefehl war aber auch aus anderen Gründen nicht zu erlassen.

OWi III: Die Betroffene ist Ehefrau des Halters, oder: Das reicht nicht für einen hinreichenden Tatverdacht

Und als dritte Entscheidung dann noch ein kleines Schmankerl, nämlich der AG Vaihingen/Enz, Beschl. v. 01.12.2022 – 2 OWi 25 Js 36850/22.

Das AG hat das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft wegen offensichtlich ungenügender Sachverhaltsaufklärung gemäß § 69 Abs. 5 OWiG an die Stadt Vaihingen/Enz zurückverwiesen. Denn:

„Ein hinreichender Tatverdacht ergibt sich aus der Verfahrensakte offensichtlich nicht. Aus der Verfahrensakte ergibt sich nicht, warum die Bußgeldbehörde davon ausgeht, dass es sich bei der Fahrerin auf dem Beweisfoto (BI. 1) um die Betroffene handelt. Ein Lichtbild der Betroffenen befindet sich nicht in der Verfahrensakte. Alleine der Umstand, dass die Betroffene offensichtlich die Ehefrau des Fahrzeughalters ist, reicht für einen hinreichenden Tatverdacht sicherlich nicht aus.“

Eröffnung des Hauptverfahrens, oder: Welche Zeugenaussagen begründen den hinreichenden Tatverdacht

© sharpi1980 – Fotolia.com

Und als zweite Entscheidung dann der LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 03.03.2021 – 12 KLs 504 Js 1658/18 – zum Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts, wenn die Staatsanwaltschaft den Anklagevorwurf – teils auch – auf aus anderen Ermittlungsverfahren stammende Zeugenaussagen stützt, die im gegenständlichen Strafverfahren nur auszugsweise und teils geschwärzt präsentiert werden und bei denen die Zeugenpersonalien nur rudimentär angegeben sind.

Dazudas LG:

„(2) Die vorstehend genannten Zeugenaussagen sind beweistechnisch wertlos. Es handelt sich hierbei um teils collageartig zusammengestellte Aussageschnipsel, die aus Vernehmungen in anderen Verfahren stammen, teils nur wenige Zeilen lang und teils – darüber hinaus – geschwärzt. Der (jeweils mutmaßlich vorhandene) Rest der jeweiligen Aussagen ist nicht Aktenbestandteil, sodass die Kammer den Kontext und den weiteren Gehalt der jeweiligen Aussagen und teils auch die jeweilige Fragestellung, die zu den Aussagen geführt hat, nicht beurteilen kann, auf den es – siehe oben unter cc – aber entscheidend ankommen kann. Es liegen entgegen § 200 Abs. 1 Satz 3 StPO nicht einmal, jenseits von Name, Vorname und teils Beruf, die jeweiligen vollständigen Zeugenpersonalien vor, sodass das Gericht, wenn es denn darauf ankäme, die Zeugen nicht laden könnte. Was soll die Kammer mit derartigen „Beweismitteln“ anfangen?“ OLG Saarbrücken, Beschluss vom 17. Juli 2008 – 1 Ws 131/08, juris Rn. 13; pointiert AG Gummersbach, Beschluss vom 15. Oktober 2014 – 81 Ds 922 Js 2198/14 – 326/14, juris Rn. 7 ff.). Letztere wären allerdings erforderlich, wollte man das Jahr 2011 für die Strafverfolgung noch retten…..“

 

Bestellung von BtM im Darknet, oder: Hinreichender Tatverdacht?

© Paul – Fotolia.com

Ich habe ja schon häufiger über Darknet-Entscheidungen berichtet bzw. über Entscheidungen von AG, in denen bei bestellungen von BtM über das Internet die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt worden ist. Heute hier dann zum Wochenanfang zwei weitere Entscheidungen zu der Problematik. Beide kommen vom AG Dillingen. Ich stelle hier die aktuellere Entscheidung, nämlich den AG Dillingen a.d. Donau, Beschl. v. 18.02.2019 – 307 Ls 302 Js 122579/18 – vor- Das AG hat die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt:

„Mit der Anklageschrift vom 20.12.2018 (Bl. 102/105 d.A.) legt die Staatsanwaltschaft Augsburg dem Angeschuldigten zwei Taten zur Last. Unter Ziffer 1. die Bestellung von 64,40 Gramm Amphetamin und 10,16 Gramm MDMA zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt vor dem 02.03.2018 über das sogenannte Darknet, in der Absicht, durch den späteren Verkauf dieser Betäubungsmittel Gewinn zu erzielen.

Unter Ziffer 2. der Anklageschrift wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeschuldigten vor, im Rahmen einer Durchsuchung seiner Wohnung am 20.07.2018 diverse Kleinmengen verschiedener Betäubungsmittel (Haschisch, Marihuana, Amphetamin, Ecstasy und LSD) unerlaubt besessen zu haben – ebenfalls in der Absicht, durch den späteren Verkauf Gewinn zu erzielen.

II.

Hinsichtlich des ersten der beiden Tatvorwürfe war die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen, da insoweit ein hinreichender Tatverdacht nicht besteht.

1. Die Eröffnung des Hauptverfahrens richtet sich nach § 203 StPO. Das Gericht eröffnet das Hauptverfahren, wenn der Angeschuldigte der ihm zur Last gelegten Tat „hinreichend verdächtig“ ist. Der Grad an Wahrscheinlichkeit entspricht hierbei nicht einer „Sicherheit“ oder „weit überwiegenden Wahrscheinlichkeit“, sondern lediglich einer „überwiegenden Wahrscheinlichkeit“ der Verurteilung – im Sinne von „51% oder mehr“ (streitig, so wohl aber herrschende Meinung; zum Sachstand KK-StPO, § 203, Rn. 4 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Im Rahmen der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens hat das Gericht eine „konstante Beweislage“ zu unterstellen, also zu prüfen, wie eine mutmaßliche Hauptverhandlung ausgehen würde, wenn die in der Akte befindlichen Beweismittel (insbesondere Zeugen, sofern vorhanden) sich nicht weiter verändern.

2. An diesen Maßstäben orientiert besteht kein hinreichender Tatverdacht, dass der Angeschuldigte die ihm unter Ziffer 1. der Anklageschrift vom 20.12.2018 zur Last gelegte Tat tatsächlich selbst begangen hat. Er selbst bestreitet dies.

a) Der Nachweis eines persönlichen Kontakts zwischen dem Angeschuldigten und dem Versender der abgefangenen Postsendung ergibt sich aus der Akte nicht. Dies ist Betäubungsmittelgeschäften via Darknet in der Regel immanent, ändert jedoch nichts daran, dass insoweit keine Beweismittel aufgefunden wurden. Insbesondere die Auswertung des Telefons des Angeschuldigten ergab keinerlei Hinweise auf den Besuch des Darknets – ja nicht einmal über das Vorhandensein der hierfür notwendigen Software (z.B. TOR-Browser).

Im kriminellen Milieu allgemein und im Rahmen von Betäubungsmitteldelikten im Speziellen ist die Verwendung vom Fremd- und Aliaspersonalien und hierzu gehöriger Adressen keinesfalls unüblich. Auf die Idee, Paketsendungen entsprechend zu bestellen und dann „abzufangen“ kommen entsprechende „Kunden“ häufiger.

b) Im Rahmen der Durchsuchung bei dem Angeschuldigten wurden auch keinerlei sonstige Dokumente oder Anhaltspunkte dafür aufgefunden, die eine entsprechende Bestellung belegen könnten. Soweit in seiner Wohnung eine „Auflistung mit Bitcoinwährungen“ entdeckt worden sein soll, ist auf zweierlei hinzuweisen:

Zum einen hätte es sich wohl angeboten, diese Auflistung auch sicherzustellen, wenn man sie denn aus ermittlungstaktischer Sicht schon für erwähnenswert hält. Bei der Akte befindet sie sich weder im Original noch in Kopie.

Zum anderen legt die Existenz einer entsprechenden Auflistung keinesfalls Betäubungsmittelgeschäfte nahe. Es sind zahlreiche andere mögliche – legale – Verwendungen denkbar.

Kryptowährungen – zu denen z.B. auch „Bitcoin“ gehört – unterlagen im fraglichen Zeitraum einem regelrechten „Boom“ oder „Goldrausch“. Die Kurse entsprechender Währungen überboten sich binnen kürzester Zeit regelmäßig selbst in immer fantastischere (unrealistische) Höhen, bis es Ende 2018 zum „Crash“ entsprechender Kurse kam. Kryptowährungen können wie Aktien gehandelt werden, aber auch selbst durch Betreiben entsprechender „Mining-Programme“ mittels komplexer Rechenaufgaben, zu deren Lösung man „Arbeitszeit“ eigener Computer zur Verfügung stellen konnte, generiert werden

(vergleiche hierzu etwa: https://www.heise.de/newsticker/meldung/Wertverlust-bei-Kryptowaehrungen-Bitcoin-Absturz-se tzt-sich-fort-4225809.html)

Viele Online-Dienstleister vom Versandhandel bis zum Softwaremarkt akzeptieren und akzeptierten diverse Kryptowährungen als legales Zahlungsmittel.

c) Auch die Vorahndungen des Angeschuldigten sprechen für sich genommen nicht für eine Tatbeteiligung. Der Angeschuldigte hat zuletzt wegen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz eine Bewährungsstrafe erhalten. Die Bewährungszeit hat er allerdings durchstanden, die Strafe wurde erlassen. Allein der Umstand, in der Vergangenheit entsprechende Taten begangen zu haben, lässt nicht den Schluss zu, dass er dies auch erneut tun würde.

d) Auch der ausgewertete Chatverkehr mit der Zeugin G. u.a. lässt nicht den Schluss zu, dass der Angeschuldigte die entsprechende Bestellung getätigt hat.

Insoweit ist zwar zu sehen, dass zwischen dem 27.02.2018 und dem Datum des Abfangs der Betäubungsmittellieferung durch die Kreispolizei Borken ein gewisser zeitlicher Zusammenhang besteht.

Allerdings ist zu beachten, dass der Angeschuldigte (oder jedenfalls irgendjemand über das von ihm genutzte Mobiltelefon) am 02.03.2018 seinerseits an die Zeugin G. schrieb: „Wie ist der Stand eigentlich? Bei mir wird´s langsam janzschön dünne“. Diese Formulierung legt eher nah, dass – wenn überhaupt – der Angeschuldigte seinerseits „etwas“ benötigt haben könnte; auf seine Qualität als potentieller Verkäufer – von was auch immer – lässt der Chatverkehr eher nicht schließen.

Die Zeugin wurde vernommen und bestritt irgendeinen Zusammenhang mit Betäubungsmittelgeschäften. Sie verweist darauf, dass der Angeschuldigte ihr ab und an Aquaristikbedarf aus dem Internet bestellt habe und sie deshalb in Kontakt standen. Das mag man für eine Schutzbehauptung halten, jedenfalls wurden aber im Rahmen der Durchsuchung in der Wohnung des Angeschuldigten diverse Aquarien nebst Zubehör aufgefunden (siehe Lichtbilder). Dass die Zeugin die Lichtbilder kannte und ihre Aussage hieran ausgerichtet haben könnte, ist nicht ersichtlich. Ihre Angaben insoweit sind daher schwerlich zu widerlegen.

e) Die Eröffnung des Hauptverfahrens bezüglich Ziffer 1. der Anklageschrift war daher gemäß § 204 Abs. 1 StPO aus tatsächlichen Gründen abzulehnen, da nicht zu erwarten steht, dass insoweit im Rahmen der Hauptverhandlung eine Verurteilung erfolgen würde.“

 

AG II: Betäubungsmittel aus dem Darknet, oder: Auch der TOR-Browser reicht nicht für einen hinreichenden Tatverdacht

© Paul – Fotolia.com

Bei der zweiten AG-Entscheidung handelt es sich um den AG Mannheim, Beschl. v. 25.04.2018 – 1 Ls 805 Js 21014/15. Problematik: Mal wieder die Frage des hinreichenden Tatverdachts bei Bestellungen von Betäubungsmitteln im Darknet. Dazu gibt es ja bei mir inzwischen eine ganze Sammlung.

Auch das AG Mannheim hat die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt, und zwar mit folgender Begründung:

„Die Eröffnung war abzulehnen, da ein hinreichender Tatverdacht nicht besteht.

Ein hinreichender Tatverdacht ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass es in einer Hauptverhandlung zu einer Verurteilung des Angeschuldigten kommen wird.

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Eine Täterschaft des Angeschuldigten wird nicht nachgewiesen werden können.

Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens des ZFA Berlin-Brandenburg konnte der gesondert Verfolgte pp. als Inhaber des silk-road-Accounts pp. ermittelt werden, Er überließ den Ermittlern eine Aufstellung von angeblichen Betäubungsmittelerwerbern.

In dieser Aufstellung ist folgender Datensatz enthalten:

pp.

Straße

0,5 Gramm Koks

verschickt am 13.05.

per Standardbrief

Einen persönlichen Kontakt zwischen dem gesondert verfolgten pp. und dem Erwerber pp.  gab es nicht. Damit kann nicht nachgewiesen werden, dass es sich bei dem Besteller der 0,5 Gramm Kokain tatsächlich um den Angeschuldigten pp. handelte. Im Betäubungsmittelbereich ist es durchaus üblich Fremdpersonalien, mit oder ohne Wissen des Betroffenen, zu verwenden.

Die angebliche Lieferung von 0,5 Gramm Kokain wurde per Standardbrief verschickt. Damit ist nicht nachvollziehbar, wer die Sendung in Empfang genommen hat und ob diese überhaupt abgeschickt wurde.

Wie sich aus einem Lichtbild des Anwesens pp.Straße auf google-streetview ergibt, handelt es sich hierbei um einen Gebäudekomplex mit mehreren Wohneinheiten. Die Briefkastenanlage befindet sich im Eingangsbereich vor der Abschlusstür und ist insoweit frei zugänglich. Es handelt sich insgesamt um mindestens 30 Briefkästen.

Vor diesem Hintergrund wird nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden können, dass der Angeschuldigte als Benutzer MP 0,5 Gramm Kokain von dem gesondert verfolgten pp. bezogen hat. Mithin fehlt es an einem hinreichenden Tatverdacht hinsichtlich der Tat Ziffer 8.

Aus dem Ausgeführten ergibt sich jedoch, dass auch hinsichtlich der Taten 1 bis 7 eine Verurteilung des Angeschuldigten nicht zu erwarten ist. Der Nachweis, dass er die Person war, die als Nutzer pp. die Betäubungsmittel erworben und erhalten hat, wird nicht geführt werden können.

Die elektronischen Endgeräte des Angeschuldigten wurden seitens der Polizei ausgewertet. Auf keinem der Geräte befanden sich relevante Dateien (Schuldnerlisten oder ähnliches). Soweit auf dem noch sichergestellten PC des Angeschuldigten ein TOR-Browser installiert ist, vermag dies ebenfalls einen Tatverdacht nicht zu begründen.

Zwar ist der TOR-Browser erforderlich, um sich in das sogenannte Darknet einzuwählen.

Allerdings ist es mittlerweile so, dass dieser Browser sogar über seriöse Webseiten (z.B. Chip.de) zum download angeboten wird, damit der interessierte Nutzer sich einen Einblick in das Darknet verschaffen kann. Hieraus den Schluss zu ziehen, dass beabsichtigt ist, rechtswidrige Taten zu begehen, ist nicht statthaft.

Mithin wird in einer Hauptverhandlung der Nachweis nicht geführt werden können, dass der Angeschuldigte als pp. bei den Verkäufern pp. und pp. Betäubungsmittel bestellt und erhalten hat.“

Dank an den Kollegen T.Abel aus Mannheim für die Übersendung der Entscheidung.