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Gebrauchtwagenkauf: Ist ein langer Zeitablauf zwischen Herstellung und Erstzulassung ein Mangel?

buch_paragraphenzeichen_BGB_01Eine m.E. interessante Frage der Mängelhaftung beim Gebrauchtwagenkauf behandelt das OLG Braunschweig, Urt. v. 23.07.2015 – 9 U 2/15. Es geht darum, ob ein langer Zeitablauf zwischen Herstellung und Erstzulassung als Mangel beim Gebrauchtwagenkauf anzusehen ist. Der Kläger hatte im Juni 2012 von der Beklagten, einer Kraftfahrzeughändlerin, einen Gebrauchtwagen mit einer Laufleistung von 38.616 km zu einem Preis von 33.430 € gekuaft. Im Kaufvertragsformular war unter der Rubrik „Datum der Erstzulassung lt. Fzg.-Brief“ der 18. 02. 2010 eingetragen. Ein Baujahr wurde nicht genannt. Später erfuhr der Kläger, dass das Fahrzeug bereits am 01.07.2008 hergestellt worden. Nach Ansicht des Klägers begründet diese Länge der Standzeit vor Erstzulassung (19 ½ Monate) einen Sachmangel des Kraftfahrzeugs. Er ist deshalb vom Kaufvertrag zurückgetreten und verlangt die Rückzahlung des Kaufpreises. Beim LG hatte er Erfolg, das OLG hat die Klage abgewiesen. Leitsatz der OLG-Entscheidung:

„Liegt zwischen dem Zeitpunkt der Herstellung und Erstzulassung ein Zeitraum von 19 1/2 Monaten, stellt dieser Umstand beim Kauf eines in dem Zeitraum ab dem „lt. Fzg.-Brief“ mitgeteilten Erstzulassungszeitpunkt von 2 Jahren und 4 Monaten offenbar über 38.616 km als Mietfahrzeug genutzten Gebrauchtwagens kein den Käufer zum Rücktritt berechtigender Mangel dar.“

Ich empfehle die Entscheidung zum Selbststudium und stelle hier keine Auszüge ein. Denn: Das OLG hat die Revision zugelassen und die Revision ist auch beim BGH anhägig (BGH VIII ZR 191/15). Der BGH hat inzwischen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt auf den 29.06.2016. Dann wissen wir also mehr bzw., wie es richtig ist (?).

„Scheckheftgepflegt“, oder: Ich passe demnächst besser auf.

buch_paragraphenzeichen_BGB_01Na, das ist mir auch noch nicht passiert. Da frage ich beim AG München nach dem AG München, Urt. v. 23.10.2015 – 191 C 8106/15 -, weil ich nicht nur zur PM bloggen will. Das Urteil kommt dann von meinen neuen Freunden vom AG München auch blitzschnell im Volltext (vgl. „Positiv erschüttert“, oder: So dickfellig sind die gar nicht beim AG München). Und dann: Dann suche ich es jetzt auf meinem PC und finde es nicht wieder. Die Mail ist aus München ist gelöscht, das Urteil weg. Also muss dann heute doch die PM zu dem Urteil reichen; noch mal zu fragen, ist mir zu peinlich 🙂 . In der Entscheidung ging es um den Begriff „scheckheftgepflegt“ bei einem Gebrauchtwagenkauf. Dazu führt das AG aus – so zumindest die PM:

„Die 55-jährige Klägerin aus München kaufte von dem 32-jährigen Beklagten aus München am 08.11.2014 einen gebrauchten VW Polo zum Preis von 1950 Euro. Der Beklagte hatte das Fahrzeug zuvor auf einer Internetplattform angeboten. Das Inserat wies zur Beschreibung des Fahrzeugs unter anderem die Leistung des Fahrzeugs mit 55 kW und die Eigenschaft ?scheckheftgepflegt? aus. Die beiden Parteien benutzten einen vorgedruckten Kaufvertrag für den privaten Verkauf von gebrauchten Fahrzeugen. Darin findet sich der Hinweis, dass das Fahrzeug ?unter Ausschluss der Sachmängelhaftung? verkauft wird.

Am 13.01.2015 ließ die Klägerin das Fahrzeug in einer Werkstatt untersuchen. Dabei wurde festgestellt, dass die Motorleistung nur 44 kW betrug und, das Fahrzeug nicht scheckheftgepflegt ist und zudem weitere Mängel aufweist. Die Klägerin trat darauf von dem Vertrag zurück. Sie verlangt von dem Beklagten gegen Rückgabe des Fahrzeugs die von ihr bezahlten Euro 1950 zurück.

Der Beklagte weigerte sich, den Vertrag rückgängig zu machen. Deshalb erhob die Klägerin Klage zum Amtsgericht München. Die zuständige Richterin gab ihr Recht. Sie könne die Rückabwicklung verlangen, da das Fahrzeug nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweise und damit mangelhaft ist. Eine Beschaffenheitsvereinbarung liege hinsichtlich der Eigenschaft ?scheckheftgepflegt? und der Motorleistung vor.

Unter Beschaffenheit falle jede Eigenschaft und jeder der Sache anhaftende tatsächliche, wirtschaftliche oder rechtliche Umstand. Vereinbart werde die Beschaffenheit, wenn der Inhalt des Kaufvertrages die Pflicht des Verkäufers bestimmt, die gekaufte Sache in dem Zustand zu übereignen und zu übergeben, wie sie im Vertrag festgelegt ist.

Die Scheckheftpflege eines Fahrzeuges stelle eine Beschaffenheit dar, da sie ein wertbildender Faktor des Fahrzeugs sei. Die Angebotsbeschreibung im Internet habe nicht lediglich werbenden Charakter. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass im Kaufvertragsformular eine nähere Beschreibung des Fahrzeuges hinsichtlich Ausstattung und Zustand des Fahrzeugs nicht mehr im Detail erfolgt sei. Die Scheckheftpflege als Beschaffenheit des Fahrzeuges sei auch nicht bloß eine einseitige Erwartung der Klägerin gewesen, da der beklagte Verkäufer ohne Anlass darauf im Internetangebot hingewiesen habe und somit die Erwartung nicht einseitig von der Klägerin ausgegangen sei. Für die Klägerin sei die Angabe, dass das Fahrzeug scheckheftgepflegt ist, maßgebend für den Kaufentschluss gewesen. Sie habe erwarten können, dass die vorgeschriebenen Inspektionen von einer hierzu autorisierten Fachwerkstatt durchgeführt und im Scheckheft dokumentiert sind. Eine weitere Beschaffenheitsvereinbarung hätten die Parteien über die Motorstärke getroffen in Höhe von 55 kW. Obwohl im Kaufvertrag vom 08.11.2014 auf die Motorleistung nicht erneut eingegangen wurde, habe die Angabe im Angebot auch hier nicht nur werbenden Charakter, sondern bestimme die geschuldete Leistungspflicht des Beklagten.

Der beklagte Verkäufer kann sich nicht auf den Gewährleistungsausschluss berufen.

Das Gericht führt weiter aus:
?Abgesehen davon müsste sich der Beklagte bei einem Gewährleistungsausschluss den Vorwurf der Arglist gefallen lassen und könnte sich gemäß § 444 BGB wegen der vorbezeichneten Mängel nicht auf den Haftungsausschluss berufen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt ein Verkäufer arglistig, wenn er zu Fragen, deren Beantwortung erkennbar maßgebliche Bedeutung für den Kaufentschluss seines Kontrahenten hat, ohne tatsächliche Grundlagen ins Blaue hinein unrichtige Angaben macht (?)? Davon sei hierauszugehen. Der Beklagte habe das Fahrzeug als scheckheftgepflegt angeboten, ohne den Nachweis dafür zu erbringen, obwohl er wissen musste, ob die nach den Herstellerangaben erforderlichen Wartungen durch eine autorisierte Fachwerkstatt regelmäßig durchgeführt worden sind. Dass die Klägerin nicht sofort nach dem Scheckheft gefragt hat, lasse nicht den Schluss zu, dass die Scheckheftpflege für sie keine maßgebliche Bedeutung gehabt hätte. Vielmehr durfte die Klägerin sich auf die Angaben des Beklagten in dessen Angebot verlassen; ?dass sie es nicht sofort überprüft hat, hat nicht zur Folge, dass sie sich ihrer diesbezüglichen Rechte begeben hat.?“

In Zukunft passe ich dann besser auf. Versprochen.

Der Gebrauchtwagenkauf und die Nachlackierung – Mangel?

buch_paragraphenzeichen_BGB_01Im OLG Hamm, Beschl. v. 15.12.2014 – 2 U 97/14, einem sog. Hinweisbeschluss, nimmt das OLG zur Frage Stellung, ob eine  fachgerecht durchgeführte Nachlackierung einen Mangel eines gebraucht verkauften Pkw i.S. von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB darstellt. Der Käufer/Kläger hatte Rückabwicklung des PKW-Kaufvertrages begehrt und behauptet, die Beklagte/Verkäufering habe ihm einen – reparierten – Schaden arglistig verschwiegen. Die Beklagte habe um Nachlackierungen gewusst bzw. darum wissen müssen und nicht darauf hingewiesen. Aus dem Wissen der Beklagten um die Nachlackierungen habe sich deren Verpflichtung ergeben, nachzuprüfen, was für ein Schaden vorgelegen habe. Das sei nicht geschehen. Einen sich aus den Nachlackierungen ergebenden Verdacht eines Unfallschadens hätte die Beklagte mitteilen müssen. Dass sie das unterlassen habe, begründe Arglist.

Das LG hat die Klage abgewiesen und das OLG rät dem Kläger, seine Berufung zurückzunehmen:

„a) Eine Nachlackierung bedeutet, soweit sie fachgerecht durchgeführt worden ist, keinen Mangel im Sinne des § 434 I 2 Nr. 2 BGB, BGH VIII ZR 191/07. Für die Frage, ob eine Nachlackierung an sich einen Mangel bedeutet, macht es, anders als die Berufung möglicherweise meint, keinen Unterschied, ob dem Verkäufer die Nachlackierung bekannt war oder nicht. Dafür, dass die Nachlackierung nicht fachgerecht durchgeführt worden wäre, ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich.

b) Der Wagen ist auch kein Unfallwagen. Vielmehr ist es – anderes ist jedenfalls nicht feststellbar – zu einer Beschädigung durch einen Transport gekommen. Ob eine derartige – reparierte – Beschädigung ebenso, wie Unfallwageneigenschaft zur Annahme eines Mangels führt, mag dahin stehen. Ein Mangel ist – wie bei der Frage der Unfallwageneigenschaft, Reinking/Eggert, Autokauf, 12. Auflage, Rz. 3097, jedenfalls nur dann gegeben, wenn die – reparierte – Beschädigung als erheblich anzusehen ist. Davon kann bei den von der Zeugin N geschilderten, minimalen Dellen nicht die Rede sein.

c) Ein bloßer Mangelverdacht, der sich nach dem Vorbringen des Klägers im Hinblick auf einen relevanten Vorschaden aus der Nachlackierung ergeben soll, bedeutet im Grundsatz keinen Mangel, Reinking/Eggert, a.a.O. Rz. 3287. Ein Mangelverdacht vermag nur in besonderen Fällen einen Mangel begründen. Voraussetzung dafür ist jedenfalls, dass der Mangelverdacht nicht ausgeräumt werden kann. So liegt die Sache hier nicht. Der Verdacht eines relevanten Vorschadens war durch Untersuchung der Nachlackierungsbereiche auszuräumen. Entsprechend hat der Sachverständige im Beweissicherungsverfahren auch nichts gefunden, was auf einen relevanten Vorschaden hindeutet. Vielmehr hat er in seinem zweiten Ergänzungsgutachten vom 08.07.2013 im Beweissicherungsverfahren ausgeführt: Ersatz von Anbauteilen sei nicht erfolgt, Richtarbeiten seien nicht vorgenommen worden; Anhaltspunkte für den vorgetragenen Unfallschaden im Dachbereich seien den zur Verfügung stehenden Anknüpfungstatsachen nicht zu entnehmen; festzustellen sei lediglich, dass das Fahrzeug nachlackiert gewesen sei.“

Mehr als deutlich….

Vergammeltes Fahrzeuginneres = höhere Laufleistung?

entnommen wikimedia.org Autor:  Zweileben

entnommen wikimedia.org Autor: Zweileben

Beim OLG Koblenz haben die Parteien eines Gebrauchwagenkaufs um die Berechtigung zum Rücktritt vom Kaufvertrag gestritten. Verkauft worden war 2009 ein gebrauchter PKW, Marke Mercedes-Benz E220 CDI. Im Kaufvertrag war eine Gesamtfahrleistung von 113.850 Kilometer und ein vereinbarter Kaufpreis von 7.750,00 EUR angegeben. Der Käufer hat nach Übergabe eine höhere Laufleistung moniert und dies u.a. aus einem defekten Tacho geschlossen. Es ist dann im Verfahren ein Sachverständigengutachten eingeholt worden. Der Sachverständige hat u.a. festgestellt, dass das Lenkrad überdurchschnittlich abgegriffen, das Lenkradspiel überdurchschnittlich weit gewesen sei und das Fahrzeug auch überdurchschnittliche Gebrauchsspuren aufgewiesen hat. Das LG hatte daraus aber nicht auf eine höhere Laufleistung geschlossen.

Dazu dann das OLG im OLG Koblenz, Beschl. v. 07.11.2013 – 3 U 751/13:

„…Die Berufung wendet sich ohne Erfolg gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts. Das Landgericht war nicht gehalten, der Schlussfolgerung des Sachverständigen L., aus dem Zustand des Fahrzeugs sei zu schließen, dass es zum Zeitpunkt des Kaufvertrages bereits eine Laufleistung von 200.000 km und nicht 113.850 Kilometer gehabt habe, zu folgen. Die Angaben des Sachverständigen sind rein spekulativer Natur. Der Beklagte zu 2) weist in seiner Berufungserwiderung (BE 3, GA 322) zutreffend darauf hin, dass der Kläger selbst in der Sitzung vom 24.04.2013 mitgeteilt habe, das Fahrzeug habe durch seine Nutzung im Zeitpunkt der Begutachtung bereits eine Laufleistung von 173.000 km gehabt. Die Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. L., das Lenkrad sei überdurchschnittlich abgegriffen, das Lenkradspiel überdurchschnittlich weit gewesen, es seien überdurchschnittliche Gebrauchsspuren vorhanden, können möglicherweise auch mit einer übermäßigen Nutzung durch den Kläger erklärt werden. Immerhin hatte der Kläger das Fahrzeug zum Zeitpunkt der ersten Besichtigung am 01.08.2012 (Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. L. vom 15.10.2012, S. 2, GA 199/200) bereits 3 Jahre im Besitz.“

Tja, und das war es dann. Das OLG hat empfohlen, die Berufung zurückzunehmen?