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StrEG I: Jahresausschlussfrist für StrEG-Entschädigung, oder: Rechtsmittel ausschließlich sofortige Beschwerde

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Im „Kessel Buntes“ heute zwei Entscheidungen zur Entschädigung nach dem StrEG.

Zunächst der für den ehemaligen Beschuldigten nicht so schöne Beschluss des LG Dresden. Der hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Betragsverfahren nach dem StrEG zur Geltendmachung einer Entschädigung wegen erlittener Untersuchungshaft beantragt. Der Kläger befand sich vom 10.08.2018 bis 03.01.2019 in Untersuchungshaft. Das AG hat ihn mit Urteil vom 22.05.2019 von dem Strafvorwurf freigesprochen und zugleich festgestellt, dass ihm dem Grunde nach eine Entschädigung für die von ihm erlittene Untersuchungshaft zusteht. Eine Belehrung zu den Fristen für das Betragsverfahren erteilte es dem Kläger nicht. Die Staatsanwaltschaft legte Berufung gegen das Urteil ein, die sie am 11.12.2019 zurücknahm. Am 09.10.2020 beantragte der Kläger dann bei der Staatsanwaltschaft eine Entschädigung für die Untersuchungshaft und die Erstattung seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten für das Betragsverfahren, zusammen 11.983,19 EUR. Die Generalstaatsanwaltschaft wies den Antrag zurück, weil der Anspruch nach § 12 StrEG ausgeschlossen sei. Maßgeblich für den Beginn der einjährigen absoluten Ausschlussfrist sei nicht, wann der Freispruch, sondern wann die Grundentscheidung über die Entschädigung rechtskräftig geworden sei. Dies sei hier am 30.05.2019 der Fall gewesen, so dass seit dem 31.05.2020 Ansprüche auf eine Entschädigung ausgeschlossen seien. Dagegen dann die Klage ein, mit der der Kläger den Entschädigungsanspruch weiter verfolgt und Prozesskostenhilfe beantragt. Das LG hat im LG Dresden, Beschl. v. 28.06.2021 – 5 O 840/21 – den PKH-Antrag zurückgewiesen:

„Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzuweisen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 114 ZPO. Der Anspruch auf Entschädigung für die Untersuchungshaft ist nach § 12 StrEG ausgeschlossen, nachdem der Kläger ihn nicht binnen Jahresfrist ab Rechtskraft der Entscheidung über die Entschädigung dem Grunde nach geltend gemacht hat.

Die Ausschlussfrist des § 12 StrEG beginnt nach dem unmissverständlichen Wortlaut dieser Vorschrift mit dem Tag, an dem die Entschädigungspflicht rechtskräftig festgestellt ist, also sobald die Rechtsbehelfsfrist gegen die Feststellungsentscheidung abgelaufen ist, ohne dass gegen sie ein Rechtsbehelf erhoben worden ist.

Gegen die Grundentscheidung findet nach § 8 Abs. 3 Satz 1 StrEG ausschließlich die sofortige Beschwerde statt. Eben diese Rechtsmittel meint auch der Bundesgerichtshof in dem vom Kläger zitierten Urteil vom 08.06.1989 (III ZR 82/88, juris, Rn. 16 und Rn. 20). Eine sofortige Beschwerde hat die Staatsanwaltschaft gegen die Entschädigungsentscheidung vom 22.05.2019 in der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO nicht eingelegt. Eine sofortige Beschwerde gegen die gerichtliche Entschädigungsentscheidung ist auch nicht stillschweigend in der Berufung gegen das freisprechende Urteil als Annex enthalten. Sondern die sofortige Beschwerde gegen die Grundentscheidung nach dem StrEG muss als das speziellere Rechtsmittel entweder isoliert oder ausdrücklich zusätzlich zur Berufung eingelegt werden (OLG Köln, Beschluss vom 26.09.2008, 83 Ss 69/08, juris, Rn. 20; OLG Hamm, Beschluss vom 31.08.1990, 4 Ws 326/90, juris, Rn. 5 f.; Kunze in: Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2018, § 8 StrEG Rn. 67 m.w.N.).

Dem StrEG lässt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht entnehmen, dass der Antrag zum Betragsverfahren erst dann gestellt werden dürfe, wenn das Hauptsacheverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist. Ohne Erfolg verweist der Kläger auch darauf, dass die Annahme einer Rechtskraft der Entschädigungsentscheidung vor Entscheidung über das Rechtsmittel zur Hauptsache gegen § 2 Abs. 1 StrEG verstoße. Vielmehr sind die Antragsvor-aussetzungen für das Betragsverfahren in §§ 10 ff. StrEG geregelt; diese Vorschriften verlangen nicht die Rechtskraft der Sachentscheidung.

Allerdings wird bei Änderung der Sachentscheidung der Annexentscheidung die Grundlage entzogen; eine Änderung der Annexentscheidung ist dann auch ohne sofortige Beschwerde geboten (OLG Hamm, Beschluss vom 31.08.1990, 4 Ws 326/90, juris, Rn. 5; vgl. BGH, Beschluss vom 03.12.1972, 2 StR 29/72 Rn. 7 zur Anfechtung der Kostenentscheidung als Annex zum Sachurteil). Das führt dann aber auch dazu, dass es zu der vom Kläger als gegen die Denkgesetze verstoßend bezeichneten Fallgestaltung nicht kommen kann, in der etwa die staatsanwaltschaftliche Berufung zu einem Schuldspruch geführt hätte und der Angeklagte trotzdem wegen Bestandskraft der Entschädigungsgrundentscheidung zu entschädigen wäre.

Der Ausschlusswirkung der Frist des § 12 StrEG steht auch nicht entgegen, dass die Staatsanwaltschaft eine Belehrung nach § 10 Abs. 1 Satz 3 StrEG nicht erteilt hat. Dies beeinflusst nur die Frist des § 10 Abs. 1 Satz 1 StrEG (vgl. Meyer, StrEG, 9. Aufl., § 12 Rn 4).“

Sollte man im Blick haben die Frist. Zur Entschädigung nach dem StrEG steht auch << Werbemodus an >> einiges in Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 10. Aufl., die im Spätherbst erscheinen wird. Zur Bestellung des Werkes oder eines der „Pakete“ geht es hier. <<Werbemodus aus>>.

HV I: Unterbrechung der Hauptverhandlung, oder: Wie berechnet sich die Unterbrechungsfrist?

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Heute dann mal ein Tag mit Entscheidungen, die mit der Hauptverhandlung zu tun haben, also StPO-Entscheidungen.

Zunächst der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.04.2021 – 1 Rv 36 Ss 217/21 –, der noch einmal zur Frist i.S. des § 229 StPO Stellung nimmt:

„Die Revision dringt mit der zulässig erhobenen Verfahrensrüge eines Verstoßes gegen § 229 Abs. 1 StPO durch.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift vom 31.03.2021 hierzu ausgeführt:

„Die Rüge, mit der ein Verstoß gegen § 229 Abs. 1 StPO geltend gemacht wird, ist zulässig erhoben und in der Sache begründet.

Die Hauptverhandlung vor der 9. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Karlsruhe fand im Zeitraum 07.08.2020 bis 19.11.2020 an insgesamt sieben Verhandlungstagen statt. Nach § 229 Abs. 1 StPO darf eine Hauptverhandlung bis zu drei Wochen unterbrochen werden. Die Fristen des § 229 StPO stellen keine Fristen im Sinne der §§ 42, 43 StPO dar. Bei der in § 229 Abs. 1 StPO normierten Unterbrechungsfrist handelt es sich um eine eigenständige „Zwischenfrist“, das heißt um einen zwischen zwei Verhandlungstagen eingeschobenen Unterbrechungszeitraum, in dessen Berechnung weder der Tag, an dem die Unterbrechung angeordnet wird, noch derjenige, an dem die Verhandlung fortgesetzt wird, einzurechnen ist (BGH, Beschluss vom 28.07.2020 – 6 StR 114/20; vgl. auch BGH, Beschluss vom 26.05.2020 – 5 StR 65/20; BGH, Beschluss vom 24.09.2019 – 2 StR 194/19; BGH, Beschluss vom 29.11.2016 – 3 StR 235/16; BGH, Beschluss vom 18.02.2016 – 1 StR 590/15; BGH, Beschluss vom 20.03.2014 – 3 StR 408/13). Die Auslegung des § 229 Abs. 1 StPO ergibt, dass der Zeitraum von drei Wochen höchstens 21 Tage umfasst (BGH, Beschluss vom 28.07.2020 – 6 StR 114/20). Zwischen den Verhandlungstagen am 14.09.2020 (Montag) und 07.10.2020 (Mittwoch) liegen mehr als 21 Tage, da die Unterbrechungsfrist des § 229 Abs. 1 StPO am Dienstag, 15.09.2020 zu laufen begann und am Montag, 05.10.2020 endete. Die Hauptverhandlung hätte daher spätestens am Dienstag, 06.10.2020 wiederaufgenommen werden müssen. Tatsächlich war die Hauptverhandlung jedoch erst nach einer mehr als dreiwöchigen Unterbrechung am Mittwoch, 07.10.2020 fortgesetzt worden.

Das Beruhen des Urteils auf einem Verstoß gegen § 229 StPO kann nur in Ausnahmefällen ausgeschlossen werden (BGH, Beschluss vom 28.07.2020 – 6 StR 114/20; BGH, Beschluss vom 26.05.2020 – 5 StR 65/20; BGH, Urteil vom 25.07.1996 – 4 StR 172/96; BGH, Urteil vom 05.02.1970 – 4 StR 272/68). Da solche besonderen Umstände vorliegend nicht ersichtlich sind, ist auf die Revision des Angeklagten die angefochtene Entscheidung mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Strafkammer des Landgerichts Karlsruhe zurückzuverweisen.“

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat mit folgender Bemerkung an:

1. Der 1. Strafsenat des BGH hat in einem Beschluss vom 18.02.2016 (1 StR 590/15, BeckRS 2016, 5667) eine Unterbrechungsfrist von 22 Tagen unbeanstandet gelassen. Sollte es sich hierbei nicht nur – wie teilweise angenommen wird (LR-StPO/Becker, 27. Aufl. 2019, § 229 Rn. 6 [dort Fn. 31]; BeckOK StPO/Cirener, 39. Ed. 1.1.2021, StPO § 42 Rn. 2) – um einen Berechnungsfehler im konkreten Einzelfall gehandelt haben, würde der Senat der zugrunde gelegten Berechnungsmethode, die auf einer (analogen) Heranziehung des § 43 Abs. 1 StPO beruht (Gräbener, a.a.O., S. 516; so für die Zwischenfrist des § 217 Abs. 1 StPO auch: LR-StPO/Jäger, 27. Aufl. 2019, § 217 Rn. 3), nicht folgen. Gegen sie spricht insbesondere, dass es sich bei der Frist des § 229 Abs. 1 StPO nach allgemeiner Auffassung nicht um eine Frist nach §§ 42, 43 StPO, sondern um eine eigenständige Zwischenfrist handelt (BGH, Beschl. v. 26.05.2020 – 5 StR 65/20, juris Rn. 3; BGH, Beschl. v. 29.11.2016 – 3 StR 235/16; BGH, Beschl. 20.03.2014 – 3 StR 408/13; LR/Becker-StPO, 27. Aufl. 2019, § 229 Rn. 6; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl. 2020, § 229 Rn. 9). Dieser eigenständige Charakter zeigt sich insbesondere an § 229 Abs. 4 Satz 2 StPO, der eine dem § 43 Abs. 2 StPO entsprechende Regelung enthält. Dieser Vorschrift bedürfte es nicht, wenn es sich bei der Zwischenfrist des § 229 Abs. 1 StPO um eine Frist im Sinne § 43 StPO handeln würde, für die § 43 Abs. 2 StPO dann unmittelbar gelten würde. Hinzu kommt, dass die § 43 Abs. 1 StPO zugrunde liegende ratio legis, wonach der Tag des Fristbeginns nicht mitgezählt wird, bei § 229 Abs. 1 StPO nicht besteht: Die Regelung des § 43 Abs. 1 StPO will verhindern, dass es zu einer faktischen Fristverkürzung für einen Verfahrensbeteiligten dadurch kommt, dass das fristauslösende Ereignis (etwa die Verkündung eines Urteils im Fall der §§ 314 Abs. 1, 341 Abs. 1 StPO) in den Lauf eines Tages fällt. Ohne die Regelung des § 43 Abs. 1 StPO würde in diesem Fall – beispielsweise – die Frist zur Einlegung der Berufung/Revision regelmäßig weniger als die vom Gesetz zugebilligte volle Woche betragen. Diese Gefahr einer faktischen Fristverkürzung besteht im Rahmen des § 229 Abs. 1 StPO schon deshalb nicht, weil bei Berechnung der Zwischenfrist bereits nach dem Wortlaut dieser Vorschrift – und deshalb auch nach einhelliger Auffassung – weder der Tag, an dem die Unterbrechung angeordnet wird, noch derjenige, an dem die Verhandlung fortgesetzt wird, einzurechnen ist (so ausdrücklich auch BGH 1 StR 590/15, BeckRS 2016, 5667; allg. Meinung). Insoweit besteht kein Grund, die in jedem Fall ungeschmälerte Zwischenfrist von 21 (vollen) Tagen auf 22 Tage zu verlängern, zumal ein Zeitraum von 22 Tagen mit dem Verständnis von „drei Wochen“ im natürlichen Sprachgebrauch nicht vereinbar ist (vgl. etwa https://de.wikipedia.org/wiki/Woche und den dortigen Hinweis auf die Definition durch die Internationale Organisation für Normung in ISO 8601: Kalenderwochen haben 7 Tage). Im Übrigen steht auch der Gesetzeszweck des § 229 Abs. 1 StPO, das Gericht an eine möglichst enge Aufeinanderfolge der Verhandlungstage zu binden, damit die zu erlassende Entscheidung unter dem lebendigen Eindrucke des zusammenhängenden Bildes des gesamten Verhandlungsstoffes ergeht (BGH NJW 1952, 1149), einer extensiven Auslegung des § 229 Abs. 1 StPO entgegen.

Auch die Mehrheit der Strafsenate des BGH hält einen Unterbrechungszeitraum von mehr als 21 Tagen für unzulässig (BGH, Beschl. vom 28.07.2020 – 6 StR 114/20, juris Rn. 4-8; BGH, Beschl. v. 24.09.2019 – 2 StR 194/19, juris Rn. 4; BGH, Beschl. v. 26.05.2020 – 5 StR 65/20, juris Rn. 2-4; BGH, Beschl. v. 29.11.2016 – 3 StR 235/16, juris; anders noch der dritte Strafsenat im Beschl. v. 20.03.2014 – 3 StR 408/13, juris, wobei in diesem Fall wiederum eine fehlerhafte Fristberechnung im konkreten Einzelfall vorgelegen haben könnte – so der damalige Vorsitzende des 3. Strafsenats Becker in LR-StPO/Becker, 27. Aufl. 2019, § 229 Rn. 6 [dort Fn. 31]). Die vorgenannten Strafsenate des Bundesgerichtshofs legen somit die auch aus Sicht des Senats zutreffende Berechnungsweise zugrunde, wonach die maximale Unterbrechungsfrist nach § 229 Abs. 1 StPO 21 und nicht 22 Tage beträgt.

2. Ein Beruhen kann ungeachtet der Überschreitung der zulässigen Höchstfrist um nur einen Tag nicht ausgeschlossen werden, zumal die gesamte Hauptverhandlung, die sich insgesamt über sieben Verhandlungstage erstreckte, auch im Übrigen nicht „verdichtet“ geführt wurde, sondern mehrfach durch Zeiträume von zwei und sogar drei Wochen unterbrochen war.

 

Vorführung vor dem zuständigen Richter, oder: Sammeltransport reicht, meint die JVA Dresden

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Auch die zweite Entscheidung des Tages, die mir der Kollege Bleicher aus Dortmund geschickt hat, ist eine „schöne“ Entscheidung. „Schön“ deshalb, weil man sich mal darüber freuen kann, dass ein Richter es mit dem Freiheitsrecht eines Beschuldigten ernst nimmt. Das AG Oberhausen hat nämlich im AG Oberhausen, Beschl.v. 18.10.2019 – 27 Gs 916/19 (132 Js 198/16) – in einem Verfahren wegen des Verdachts des versuchten Totschlags und Verstoßes gegen das Waffengesetz einen Haftbefehl aufgehoben. Grund: Der Beschuldigte ist ihm von der JVA Dresden nicht rechtzeitig zur „Vorführung vor dem zuständigen Gericht“ vorgeführt worden. Die Dresdener meinten, das sei nicht so eilig und es reiche der Sammeltransport. Anders das AG Oberhausen:

„Aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts vom 18.11.2016 wurde der Beschuldigte am 13.10.2019 dem Richter des nächsten Amtsgerichts vorgeführt. Dort beantragte der Beschuldigte, dem zuständigen Richter vorgeführt zu werden. Mit Verfügung vom 14.10.2019 bestimmte das Gericht einen Vernehmungstermin auf den heutigen Tag um 12:15 Uhr und ordnete die Vorführung des Beschuldigten an. Am 16.10.2019 teilte die Justizvollzugsanstalt Dresden mit, dass ein Einzeltransport aufgrund der Kurzfristigkeit und personellen Situation nicht realisierbar sei. Der Beschuldigte werde am 22.10.2019 in die Justizvollzugsanstalt Duisburg-Hamborn verschubt und treffe dort am 29.10.2019 ein. Mit Schreiben vom 17.10.2019, dem Vorsitzenden am 18.10.2019 vorgelegt, teilte die Justizvollzugsanstalt Dresden mit, dass eine Vorführung nicht erfolgen werde. Nach Auffassung der Justizvollzugsanstalt Dresden erfolge eine unverzügliche Vorführung, indem der Gefangene mit dem nächsten Sammeltransport verlegt werde. Auch aus organisatorischen Gründen sei ein Einzeltransport nicht umsetzbar.

Nach § 115a Abs. 1 StPO ist der Beschuldigte unverzüglich, spätestens am Tage nach der Ergreifung, dem nächsten Amtsgericht vorzuführen, wenn er nicht spätestens am Tag nach der Ergreifung dem zuständigen Gericht vorgeführt werden kann. Wird der Beschuldigte nicht freigelassen, so ist er nach § 115a Abs. 3 Satz 1 StPO auf sein Verlangen dem zuständigen Gericht zur Vernehmung nach § 115 vorzuführen. Zwar gibt es im Fall des § 115a Abs. 3 Satz 1 StPO keine gesetzliche Frist zur Vorführung vor dem zuständigen Gericht. Jedoch erfordert es das in Haftsachen grundsätzlich geltende Beschleunigungsgebot, dass dies unverzüglich geschieht, so dass in einem solchen Fall ein Einzeltransport durchgeführt werden muss (vgl. Böhm/Werner, in: Münchener Kommentar zur StPO, 2014, § 115a Rn. 21, Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl. 2019, § 115a Rn. 8 jeweils m.w.N.). Eine Sammelverschubung ist mit den Grundrechten des Beschuldigten aus Art. 104 Abs. 3 Satz 2 GG nicht vereinbar (vgl. Böhm/Werner, in: Münchener Kommentar zur StPO, § 115a Rn. 21). Der Haftbefehl ist daher aufzuheben.“

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – Hilfe vom OLG

entnommen wikidmedia.org Fotograf Faßbender, Julia

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Fotograf Faßbender, Julia

Vor einiger Zeit habe ich über den BGH, Beschl. v. 17.12.2015 – 4 StR 483/15 berichtet (siehe Eigene Revisionsbegründung des „Reichsbürgers“: Auch da ist der UdG nicht nur Schreibkraft). Gegenstand der Entscheidung war eine zu Protokoll der Geschäftsstelle begründete Revision, bei der der UdG nur als reine Schreibkraft aufgetreten war. Die Revision war unzulässig. Ich hatte in dem Posting ja schon auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hingewiesen, die dort aber aufgrund der Umstände des Einzelfalls nicht gegeben war.

Daran knüpfe ich nun mit dem OLG Braunschweig, Beschl. v. 26.02.2016 – 26.02.2016 – 1 Ss 6/16 – an. Das OLG Braunschweig hatte es ebenfalls mit einer unzulässigen Revision zu tun. Es hat zwar nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, aber einen deutlichen Hinweis gegeben, wie zu verfahren ist. Worauf es ankommt, ergibt sich aus den (amtlichen) Leitsätzen der Entscheidung, die lauten:

1. Gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) RPflG ist die Aufnahme von Erklärungen über die Einlegung und Begründung der Revision in Strafsachen zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 345 Abs. 2 StPO) allein dem Rechtspfleger übertragen, der die Belehrungs- und Fürsorgepflichten gemäß Nr. 150 Abs. 2 bis Abs. 6 RiStBV zu beachten hat.

2. Ist eine zu Protokoll der Geschäftsstelle angebrachte Revisionsbegründung deshalb unwirksam, weil die Erklärungen des Angeklagten durch einen unzuständigen Beamten aufgenommen wurden, besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen.

3. Auch im Falle einer ausschließlich auf Fehlern der Justiz beruhenden Unzulässigkeit eines Rechtsmittels kann die Wiedereinsetzung von Amts wegen nur dann gewährt werden, wenn die versäumte Handlung nachgeholt wurde, worauf der Angeklagte hinzuweisen ist.

4. Zur Nachholung der versäumten Handlung steht dem Angeklagten die Monatsfrist aus § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO (und nicht nur die Wochenfrist aus § 45 Abs. 1 S.1, Abs. 2 S. 2 StPO) zur Verfügung.

Sollte man als Verteidiger ggf. „auf dem Schirm“ haben….

Kardinalfehler des Verteidigers: Die Versäumung der Frist zur Rechtsmittelwahl beim unbestimmten Rechtsmittel

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In der vergangenen Woche hatte ich über das LG Freiburg, Urt. v. 27.10.2015 – 10 Ns 550 Js28148/14 -AK 23/15 berichtet und in Zusammenhang damit auf einige Fallgruben/Fallstricke hingewiesen, in die man als Verteidiger  in Zusammenhang mit dem „unbestimmten Rechtsmittel“ tappen kann. Zu dem Hinweis passt dann der KG, Beschl. v. 14. 10. 2015 – (4) 161 Ss 232/15 (199/15) –, in dem es um den „Kardinalfehler“ geht, den man als Verteidiger bei/nach Einlegung eines unbestimmten Rechtsmittels machen kann, die Versäumung der Frist zur Rechtsmittelwahl. Ist die nämlich versäumt, war es das. Da lässt sich dann nichts mehr reparieren. Das Verfahren wird als Berufung geführt. Dazu noch einmal das KG:

1. Das angegriffene Urteil unterlag grundsätzlich sowohl der Berufung als auch der Sprungrevision (§§ 312, 335 Abs. 1 StPO). Der Angeklagte konnte es deshalb zunächst in unbestimmter Form anfechten. Seinem Wesen nach war dieses unbestimmte form- und fristgerechte Rechtsmittel des Angeklagten (§§ 314 Abs. 1, 335 Abs. 1, 341 Abs. 1 StPO) von Anfang an eine Berufung (vgl. BGHSt 33, 183, 189). Der Angeklagte war allerdings berechtigt, zur Revision überzugehen, wobei eine solche Rechtsmittelwahl indessen nur bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist rechtswirksam ausgeübt werden kann (vgl. OLG München wistra 2009, 327 mwN; Senat, Beschluss vom 7. April 2003 – [4] 1 Ss 77/03 [37/03] –). Ist innerhalb der Revisionsbegründungsfrist keine (formgerechte) Erklärung erfolgt, verbleibt es bei der Berufung. Das Recht des Angeklagten, zwischen den beiden zunächst statthaften Anfechtungsmöglichkeiten zu wählen, geht mit dem Ablauf der Revisionsbegründungsfrist endgültig unter (vgl. OLG Naumburg StraFo 2009, 388 mwN).

So liegt es hier. Die Frist zur Begründung der Revision lief am 21. Mai 2015 ab. Die Bezeichnung des Rechtsmittels als Revision ist schon nach dem eigenen Vortrag des Angeklagten erst durch Übermittlung des anwaltlichen Schriftsatzes per Fax am 22. Mai 2015 erfolgt. Diese Übergangserklärung war verspätet und ist folglich unwirksam.

2. Da der Angeklagte keine gesetzliche Frist versäumt hat, ist sein Wiedereinsetzungsantrag gegenstandslos (vgl. KG, Beschluss vom 29. Dezember 2003 – [5] 1 Ss 255/03 [84/03] –). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit dem Ziel der Revisionswahl ist generell ausgeschlossen, denn das Unterbleiben einer fristgerechten Ausübung des Wahlrechts hat lediglich zu Folge, dass das zunächst unbenannt eingelegte, deshalb ohnehin von vornherein als Berufung anzusehende Rechtsmittel nunmehr endgültig als Berufung feststeht. Der Rechtsmittelführer hat folglich mit dem Unterlassen eines fristgerechten Rechtsmittelübergangs keine eigenständige, einer selbstständigen Frist unterliegende Prozesshandlung versäumt, gegen die allenfalls eine Wiedereinsetzung gewährt werden könnte. Für eine Wiedereinsetzung besteht auch kein Rechtsschutzbedürfnis, weil dem Angeklagten mit der Berufung (und anschließend eventuell zusätzlich der Revision) das Recht zu einer umfassenden Überprüfung des angefochtenen Urteils verbleibt (vgl. OLG Naumburg aaO mwN; KG, Beschluss vom 27. Januar 2015 – [5] 161 Ss 252/14 [8/14] –).

Also: Aufgepasst, wenn man das Rechtsmittel als Revision führen will.