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Einsicht II: Einsicht in Messung im OWi – Verfahren, oder: Messreihe, Falldatei, Token, Passwort

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Im zweiten Posting dann einige AG-Entscheidungen, die sich mit der Frage der (Akten)Einsicht im Bußgeldverfahren befassen, und zwar geht es – mal wieder oder – leider – immer noch – um die Einsicht in die Messreihe um Token, Passwörter usw. Die damit zusammenhängenden Fragen sind, wie man sieht, noch (immer) nicht erledigt.

Dazu dann folgende Entscheidungen mit den jeweiligen Leitsätzen:

Dem Verteidiger ist auf Antrag auch bei einem standardisierten Messverfahren die vollständige Messreihe zur Verfügung zu stellen. Ohne die Herausgabe der entsprechenden Daten wird der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Wird ein standardisiertes Messverfahren eingesetzt, muss der Betroffene zur Verteidigung konkrete Einwendungen gegen die Messung vorbringen.

Das Gericht muss auf der Grundlage einer Interessenabwägung eine Einzelfallentscheidung darüber treffen, ob der Betroffene einen Anspruch auf die Übermittlung von bestimmten Unterlagen über die Richtigkeit der Messung hat, oder nicht. Dabei sind unter Berücksichtigung aller Umstände die Interessen des Betroffenen an einer Übermittlung eher dann überwiegend, wenn dem Betroffenen entweder ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen zu vieler Punkte, also wenn er bereits sieben Punkte hat, ernsthaft droht.

Dem Verteidiger des Betroffenen ist auf seinen Antrag Einsicht in die Original-Messreihe nebst Passwort und Token zu gewähren, indem die entsprechenden Dateien auf einen vom Verteidiger zur Verfügung gestellten Datenträger übertragen werden. Wird kein Speichermedium zur Verfügung gestellt, ist dem Verteidiger die Möglichkeit der Einsichtnahme in den Räumlichkeiten einer Verwaltungsbehörde in unmittelbarer Nähe zum Kanzleisitz des Verteidigers einzuräumen.

Dem Verteidiger ist die vollständige Falldatei des Messgerätes samt Token und Passwort zur Verfügung zu stellen.

Insbesondere die „Messdatenreihe“ ist dem Betroffenen unter dem Gesichtspunkt „faires Verfahrens“ zur Verfügung zu stellen.

OLG Frankfurt: Der Betroffene hat „selbstverständlich“ ein Einsichtsrecht in die digitalisierte Falldatei, oder: Na, bitte

© ProMotion - Fotolia.com

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Der Streit in der Rechtsprechung um das Einsichtsrecht des Verteidigers in Messunterlagen nach einer (Geschwindigkeits)Messung nimmt kein Ende. Dazu hat sich dann jetzt auch das OLG Frankfurt im Beschl. v. 11.08.2016 – 2 Ss OWi 562/16 – zu Wort gemeldet (vgl. dazu auch vorhin den OLG Bamberg, Beschl. v. 05.09.2016 – 3 Ss OWi 1050/16 und dazu: Zement aus Bamberg, oder: Mia san mia). In dem dem OLG Frankfurt, Beschl. zugrunde liegenden Verfahren hatte das AG hat den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde hatte der Betroffene auf die Verfahrensrüge gestützt, mit der die Zurückweisung von Beweisanträgen beanstandet worden war. Sie hatte keinen Erfolg.

Aber mit den Leitsätzen und den Ausführungen des OLG dazu kann man m.E. schon etwas anfangen. Hier die Leitsätze:

  1.  Die Verwaltungsbehörde ist „Herrin der Falldatei“.
  2. Beweismittel für einen Geschwindigkeitsverstoß ist das Messbild in der Gerichtsakte.
  3. Die Verwaltungsbehörde hat die Authentizität der Falldatei mit dem Messbild sicherzustellen.
  4. Die Auswertung (Umwandlung der Falldatei in das Messbild und Bewertung) ist von der nach § 47 Abs. 1 OWiG i. v. m. § 26 Abs. 1 StVG zuständigen Behörde vorzunehmen. Ist das nicht sichergestellt, kann das Tatgericht nach § 69 Abs. 5 OWiG verfahren.
  5. Der Betroffene hat ein Recht auf Einsicht in „seine Falldatei“ bei der Verwaltungsbehörde.
  6. Das Gericht ist grundsätzlich nicht verpflichtet die „Falldatei“ im Gerichtsverfahren beizuziehen.

Und dazu das OLG dann u.a. näher:

„Die Behauptung fehlender Prüfbarkeit durch die Verteidigung und damit der fehlenden Möglichkeit die verlangten „Tatsachen“ vortragen zu können, ist unrichtig.

Der Betroffene hat nach ständiger Rechtsprechung des Senats selbstverständlich ein Einsichtsrecht in die „nur“ ihn betreffende digitalisierte Falldatei, auch wenn sie nicht Aktenbestandteil ist. Das ist aber keine Frage der Akteneinsicht bei Gericht, oder des Prüfungsumfangs des Gerichts in der Hauptverhandlung, sondern es handelt sich um ein im Vorfeld der Hauptverhandlung an die Verwaltungsbehörde zu richtendes Gesuch.

Die Verwaltungsbehörde ist gem. § 47 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 26 Abs. 1 StVG Herrin der digitalisierten „Falldatei“. Die Verwaltungsbehörde hat einem Einsichtsgesuch in die digitalisierte „Falldatei“ nachzukommen, da die „Falldatei“ die Messdaten enthält, die das Messgerät zum Tatzeitpunkt erzeugt hat und auf denen der Tatnachweis beruhen soll. Dem Betroffenen muss von der Verwaltungsbehörde grundsätzlich die Möglichkeit eingeräumt werden, die „Falldatei“ zumindest auf Übereinstimmung mit dem in der Bußgeldakte befindlichen „Messbild“ zu überprüfen. Sollte die Verteidigung „unspezifische“ Bedenken gegen die Richtigkeit der Messung haben, kann sie diese anhand der Falldatei überprüfen und dann die notwendigen Tatsachen vorbringen, mit denen die Zulassung der PTB und die Eichung durch die Eichämter, mit denen die Messrichtigkeit und Messbeständigkeit des Geräts bestätigt worden sind, erschüttert werden können. Erst wenn sich aus der vom Betroffenen vorzunehmenden Prüfung konkrete tatsachenbegründete Anhaltspunkte für Messfehler ergeben, muss sich das Gericht damit beschäftigen. Da die Messrichtigkeit und Messbeständigkeit bei Messungen in einem standardisierten Messverfahren von der PTB und den Eichämter bereits grundsätzlich garantiert ist, führt diese Darlegungslast beim Betroffenen auch nicht zur Umkehrung der Unschuldsvermutung. Der Betroffene greift vielmehr die gegen ihn streitende eindeutige Beweislage an. Dafür ist er konkret darlegungspflichtig, wenn er damit vor Gericht Gehör finden will.

Wird der Antrag auf Beiziehung der „Falldatei“ erst in der Hauptverhandlung gestellt, fehlt es an diesem notwendigen tatsachenfundierten Vortrag und das Gericht kann weiterhin von der Messrichtigkeit und Messbeständigkeit des Geräts ausgehen, da die sachverständige Begutachtung durch PTB und Eichämter nicht erschüttert ist.

Da die „Falldatei“ verschlüsselt ist und zur Auswertung ein bestimmtes Auswerteprogramm benötigt, obliegt es der Verwaltungsbehörde, die im Besitz der „Falldatei“ ist, zu entscheiden wie sie dem Anspruch auf Einsicht nachkommt. Sie ist zumindest verpflichtet, in den Räumen der Verwaltungsbehörde die Einsicht in die vom Messgerät erzeugten digitalisierten Falldatei des Betroffenen zu gewähren und dort das Auswerteprogramm, mit dem die Auswertung vorgenommen wird zur Verfügung zu stellen. Gibt es Uneinigkeit über den Umfang oder die Art und Weise der Einsicht, ist der Rechtsbehelf nach § 62 OWiG in Anspruch zu nehmen. Die Entscheidung des nach § 68 OWiG zuständigen Gericht ist nach § 62 Abs. 2 S. 3 OWiG unanfechtbar.

Macht die Verteidigung von ihren Möglichkeiten – wie vorliegend – keinen Gebrauch und kann sie deswegen auch keine tatsachenbegründeten Zweifel anbringen, sondern erschöpft sich in unsubstantiierten Behauptungen, die teilweise auch urteilsfremd sind, stellt dies keinen „Verstoß gegen das faire Verfahren“ dar, wie behauptet wird, sondern ein Versäumnis der Verteidigung, dass ggf. einen Anwaltsverschulden begründen kann.“

M.E. von Bedeutung und damit kann man argumentieren. Aber bitte schön nicht erst in der Hauptverhandlung, sondern schon bei der Verwaltungsbehörde, die die entsprechenden Daten – „natürlich“  zur Verfügung stellen muss. Dass der Antrag in der Hauptverhandlung ggf. zu spät ist, hatte schon übrigens schon das OLG Düsseldorf im OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.07.2015 – IV-2 RBs 63/15 (dazu:Geschwindigkeitsüberschreitung: Geschwindigkeitsüberschreitung: Die „vollständige Messreihe des Tattages“ bekommst du von mir nicht) ausgeführt. Jetzt lassen wir die Frage der Richtigkeit mal dahingestellt. Wenn e solche Entscheidungen gibt, muss man die beherzigen bzw. entgegensteuern. Und das heißt: Antrag so früh wie möglich.