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Der Verteidiger im Hamsterrad, oder: Doch Ping-Pong für den Verteidiger

© J.J.Brown - Fotolia.com

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Regelmäßige Leser des Blogs werden sich erinnern, dass ich vor einiger Zeit über die Frage eines Kollegen aus dem LG-Bezirk Aurich berichtet habe, in der es um die Problematik der Erstreckung ging. Es ging im Kern darum, wer für die Erstreckungsentscheidung i.S. des § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG (alt § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG) zuständig ist, wenn die Verbindung der Verfahren durch die Staatsanwaltschaft erfolgt, die Beiordnung des Rechtsanwalts dann aber erst durch das Gericht ausgesprochen wird. Und es ging auch um den Zeitpunkt der erforderlichen Erstreckungsentscheidung (vgl. dazu das erste Posting:  Ich habe da mal eine Frage: Kein Ping-Pong bei der Erstreckungsentscheidung).  Zu der Problematik haben sich dann das AG und das LG Aurich geäußert (vgl. hier: So geht es m.E. nicht, verehrte Frau Kollegin… und Das LG Aurich kann es auch nicht, oder: Auricher Ping-Pong. Beide m.E. falsch. Das LG Aurich aber dann im LG Aurich, Beschl. v. 25.11.2013 –  13 Qs 35/13 –zumindest insofern noch mit dem hoffnungsfroh stimmenden Satz: “Über den Erstreckungsantrag ist erst im Gebührenfestsetzungsverfahren zu entscheiden.”  Ah, eine Entscheidung soll es also geben. Nur, wer und wann?

Inzwischen ist das Verfahren beendet und der Kollege hat seinen Vergütungsfestsetzungsantrag gestellt. Und natürlich gehofft, dass über seinen „Erstreckungsantrag“ entschieden wird. Und die Entscheidung hat er bekommen, und zwar den den AG Aurich, Beschl. v.  21.01.2014 – 5 Ls 210 Js 8603/12 (27/13). Der ist so kurz, dass ich ihn hier im Volltext einstelle:

„In der Strafsache gegen
wegen
wird die dem Rechtsanwalt X. aus der Landeskasse zu erstattende Vergütung festgesetzt auf 862,39 EUR.
Begründung der Absetzungen:
Ein Gebührenanspruch für die vor Anklageerhebung hinzuverbundenen Verfahren besteht nicht. Die Beiordnung erfolgte gem. Beschluß vom 23.09.2013 nach Verbindung. Die Beiordnung erstreckt sich nicht automatisch auch auf die vorherige Tätigkeit des Rechtsanwalts in den verbundenen Verfahren. § 48 Abs. 5 S. 3 RVG.
Die Pauschale für Post und Telekommunikation gem. Nr. 7002 VV RVG beträgt 20,00 €.“

Kurz und m.E. falsch, wobei ich den Hinweis auf den § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG als einen Flüchtigkeitsfehler ansehe; die Erstreckungsregelung befindet sich jetzt in § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG. Falsch m.E. deshalb, weil die Entscheidung keine Entscheidung zur Erstreckung enthält, es sei denn, man wollte die Ablehnung der Festsetzung der in den verbundenen Verfahren entstandenen Gebühren als eine konkludente Erstreckungsentscheidung ansehen. Für die wäre m.E. aber der Rechtspfleger nicht zuständig. Er hätte m.E. die Akten dem Gericht vorlegen müssen, das dann über die Erstreckung hätte entscheiden müssen (s. den Beschluss des LG Aurich). So geht es jedenfalls nicht.

Der Kollege hat natürlich Erinnerung eingelegt. Der Irrsinn Das Ping-Pong-Spiel geht also weiter. Ich bin gespannt, ob der Irrsinn das Verfahren dann jetzt ein Ende hat und das AG über die Erstreckung entscheidet, oder wieder sagt: Ich nicht, denn ich habe nicht verbunden. Dann wird der Kollege sicherlich Beschwerde einlegen und die Sache landet da, wo sie schon einmal war, nämlich beim LG. Das muss dann über die Erstreckung entscheiden, wenn es mit seinem Beschluss ernst macht. Für den Kollegen misslich. Abgesehen von Zeitverlust: Ihm ist dann auch eine Instanz verloren gegangen.

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2014 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft…

Ich habe da mal eine Gebührenfrage: Alles neu, alles alt oder gesplittet?

FragezeichenAus meinem gebührenrechtlichen Forum auf meiner HP Burhoff-online eine m.E. ganz interessante Frage zur Erstreckung (ein Dauerbrenner), allerdings dieses Mal kombiniert mit einer Übergangsproblematik in Zusammenhang mit dem 2. KostRMoG.

Es wird gefragt:

„Die Pflichtverteidigerbeiordnung erfolgte im Juni 2013. Nach dem 01.08.2013 wurden mehrere Verfahren hinzuverbunden, die Beiordnung auch auf diese Verfahren erstreckt.

Wird jetzt gesplittet, also das führende Verfahren nach „altem“ Gebührenrecht abgerechnet und die hinzu verbundenen Verfahren nach „neuem“ Recht ab dem 01.08.2013?

Ich habe dann geantwortet:

Ich bin der Auffassung, dass es insgesamt auf den Zeitpunkt der Bestellung ankommt und der lag vor dem Stichtag, also alles altes Recht. Anderenfalls käme man ja auch dazu, dass für Tätigkeiten, die vor dem 01.08.2013 erbracht worden sind, neues Recht gelten würde. 

Sorry, aber man kann nicht immer gewinnen :-), oder?

Denn ein Kollege hat dazu gepostet, und zwar wie folgt:

„Hallo Herr Burhoff,
in einem Fall wie oben geschildert habe ich vom AG Braunschweig für die nach dem 01.08.2013 hinzuverbundenen Sachen die Gebühren und Auslagen nach neuem RVG bekommen.
Ich würde mal sagen: Ausprobieren und damit argumentieren, dass die Erstreckung für die hinzuverbundenen Verfahren wie eine „Beauftragung“ ist. Vielleicht klappt es ja. :-)“

Also Fazit dann doch: Nur ein Versuch macht klug.

Das LG Aurich kann es auch nicht, oder: Auricher Ping-Pong

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Ich hatte länger überlegt, welche Überschrift ich für dieses Posting wählen soll, da m.E. mehrere zur Auswahl standen – anfangen von“Quatsch vom LG Aurich“ bis eben hin zu: „Das LG Aurich kann es auch nicht..“, wofür ich mich dann letztlich entschieden habe. Es geht um eine gebührenrechtliche Porblematik, über die ich hier schon mehrfach berichtet habe, und zwar um die Frage: Wer muss wann über einen Erstreckungsantrag (§ 48 Abs. 6 Satz 3 RVG) entscheiden, wenn der Rechtsanwalt in mehreren eigenständigen Verfahren, die von der Staatsanwaltschaft geführt und dann vor Anklageerhebung verbunden worden sind, über die Erstreckung entscheiden, wenn der Verteidiger dann von Gericht als Pflichtverteidiger beigeordnet wird. Daran hatte sich bereits das AG Aurich versucht (vgl. dazu So geht es m.E. nicht, verehrte Frau Kollegin…)  und war in meinen Augen mit dem AG Aurich, Beschl. v. 21.10.2013 – 5 Ls 210 Js 8603/12 (27/13) – gescheitert, als es die nachträgliche Erstreckung abgelehnt hatte. Dagegen hatte der Verteidiger Beschwerde eingelegt, über die nun das LG Aurich entschieden hat.

M.E. ist die Strafkammer genauso gescheitert, denn der LG Aurich, Beschl. v. 25.11.2013 –  13 Qs 35/13 – ist in meinen Augen schlicht falsch, wenn es dort „zur Begründung“ einfach heißt: „Über den Erstreckungsantrag ist erst im Gebührenfestsetzungsverfahren zu entscheiden.“ Damit passiert nämlich genau das, was nicht passieren darf: Es setzt ein Ping-Pong ein. Liebe Kammer, wer soll denn bitte schön über den Erstreckungsantrag entscheiden? Etwa der Rechtspfleger? Das kann doch nicht richtig sein, da es um die grundsätzliche Frage geht, ob überhaupt ein Grund für die beantragte Festsetzung vorliegt. Wir befinden uns also noch auf der Ebene des „Ob-überhaupt-Gebühren?“ und nicht bereits auf der Ebene „Welche und wie hoch?“ Über das „Ob“ entscheidet aber nicht der Rechtspfleger, sondern eine gerichtliche Kostengrundentscheidung, die er umsetzen muss. Daran hätte die Kammer vielleicht mal einen Satz verschwenden und denken sollen. Ihre o.a. „Begründung“ ist keine, sondern nichts anderes als eine (falsche) Behauptung, da der Rechtspfleger zur Entscheidung der Frage: Hätte erstreckt werden müssen?, gar nicht zuständig ist.

Im Übrigen: Vorbei drücken können sich AG und LG an der Entscheidung über die Erstreckung letztlich nicht. Denn nun muss der Rechtspfleger entscheiden, soll das Ganze nicht zu einer „Auricher Farce“ werden. Lehnt er ab, kann der Verteidiger dagegen in Erinnerung und Beschwerde gehen, über die dann – man ist erstaunt, oder doch nicht? – AG und LG entscheiden. Also doch „Auricher Ping-Pong“?

So geht es m.E. nicht, verehrte Frau Kollegin…

© Gina Sanders - Fotolia.com

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Ich hatte vor gut zwei Wochen über eine Frage berichtet, die in einem FA-Kurs vor einiger Zeit diskutiert worden ist (vgl. hier: Ich habe da mal eine Frage: Kein Ping-Pong bei der Erstreckungsentscheidung). Nämlich die Frage, wie mit der Erstreckung nach § 48 Abs. 6 RVG umzugehen ist, wenn Verfahren, in denen der Verteidiger als Wahlanwalt tätig gewesen ist, noch bei der Staatsanwaltschaft verbunden werden. die Bestellung als Plfichtverteidiger dann aber erst durch das Gericht erfolgt. Muss dieses dann in seine Bestellungsentscheidung zugleich auch eine Erstreckungsentscheidung aufnehmen oder nicht. Wenn nicht, wer muss dann erstrecken? Ich war und bin der Meinung, dass das Gericht, das beiordnet, zugleich auch über die Erstreckung entscheiden muss, wenn man davon ausgeht, dass das Überhaupt ein Fall für die Erstreckung ist und er sich nicht nach § 48 Abs. 6 Satz 1 RVG löst, was umstritten ist.

Um eine solche Entscheidung kämpft derzeit ein Kollege in Aurich. Die Amtsrichterin dort hat jetzt im AG Aurich, Beschl. v. 21.10.2013 – 5 Ls 210 Js 8603/12 (27/13) – die nachträgliche Erstreckung abgelehnt. Begründung:

„Mit Beschluss vom 23.09.2013 ist Herr Rechtsanwalt Saathoff in diesem Verfahren als Pflichtverteidiger bestellt worden. Da es sich um ein jedenfalls für das Amtsgericht Aurich einheitliches Verfahren handelt und hier keine Verbindungen erfolgt sind, ist eine Erstreckung weder zulässig noch notwendig. Die in dem zitierten Urteil des OLG Oldenburgs in diesen Fällen zu treffende Ermessensentscheidung ist erst im Gebührenverfahren zu treffen.“

M.E. falsch, so geht es nicht Frau Kollegin. M.E. ist der Beschluss falsch. Denn bei der Erstreckung handelt es sich um eine Annexentscheidung zur Bestellungsentscheidung, mit der die gebührenrechtlichen Auswirkungen der Pflichtverteidigung – gesetzliche Gebühren für den Rechtsanwalt – auch auf andere Verfahren erstreckt werden. Die Entscheidung kann nicht erst im Gebührenverfahren getroffen werden. Wer soll sie denn dort treffen? Der Kostenbeamte? Wohl kaum, denn der hat  zunächst mal ur die ergangene Kostengrundentscheidung umzusetzen. Der Verteidiger wird sich, wenn keine Erstreckungsentscheidung vorliegt, eine „blaue Nase“, wenn er für alle Verfahren, in denen er tätig geworden ist und die von der Staatsanwaltschaft verbunden worden sind, gesetzliche Gebühren geltend macht.

Der Kollege wird also nun wohl Beschwerde einlegen und das LG Aurich mit der Frage befassen. Entscheidet das auch „falsch“, wird im nichts anderes übrig bleiben, sich noch einmal an die Staatsanwaltschaft zu wenden. Denn dann muss die nachträglich über die Erstreckung entscheiden. Und: Er wird/muss es durchfechten. Denn es kann um beträchtliche gesetzliche Gebühren gehen.

Ich habe da mal eine Frage: Kein Ping-Pong bei der Erstreckungsentscheidung

© Africa Studio - Fotolia.com

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Bei meinem „letzten Auftritt“ in einem FA-Kurs für Strafrecht war vor einigen Wochen folgender Fall Gegenstand der Diskussion:

Bei der StA sind mehrere selbständige Strafverfahren anhängig, in denen der Rechtsanwalt tätig. Die Verfahren werden dann von der StA verbunden. Die erhebt Anklage zu AG. Dort wird der Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger bestellt. Er stellt sich die Frage: Erstreckung nach § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG? Und wer muss darüber beschließen?

Der Kollege hatte bereits mit der Amtsrichterin gesprochen, die sagt: Ich nicht, da das Verfahren bei mir schon verbunden war.

Stand der Diskussion/Lösung:

Zunächst mal stellt sich die Frage, ob überhaupt eine Erstreckung erforderlich ist, da hier ja die Pflichtverteidigerbestellung nach der Verbindung erfolgte. Dazu wird von der wohl h.M. in der Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten – zutreffend -, dass das kein Fall des § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG ist. Das wird aber z.T. in der Rechtsprechung anders gesehen, so z.B. auch von dem „für den Kollegen zuständigen OLG“ Oldenburg. Also kommt man wahrscheinlich um einen Erstreckungsbeschluss nicht herum

Was aber machen wir nun mit der Zuständigkeit für den Erlass des Beschlusses? Die StA kann nicht mehr, bei ihr sind die Akten nicht mehr und sie hat auch nicht bestellt. Also bleibt nur die Amtsrichterin, die nicht will. Aber m.E. muss sie, da sie erste und einzige ist, die über die Pflichtverteidigung entschieden hat Wer sonst? Zudem handelt es sich bei der Erstreckungsentscheidung um eine Annex-Entscheidung zu Pflichtverteidigerbestellung und die muss m.E. nun die Amtsrichterin nachholen.

Wenn sie nicht will, muss sie einen entsprechenden Antrag zumindest zurückweisen. Dann kann die Frage im Rechtsmittel geklärt werden.

Alles in allem: Interessante Frage. Über den Ausgang wird der Kollege mir und ich dann hier berichten. M.E. kann es ein „Ping-Pong“ bei der Erstreckungsentscheidung nicht geben.

Nachtrag: Ich hatte den Beitrag wegen eines Kurzurlaubs 🙂 vorbereitet. Und dann kommt es natürlich. Die Ereignisse überholen sich :-). Ich hatte übersehen: In dem Forum auf meiner HP war die Frage auch schon mal diskutiert worden. Und da hat der Kollege heute (16.10.2013) mitgeteilt:

„….die Angelegenheit ist nunmehr auf meine Erinnerung hin durch das AG Hannover entschieden worden. Der Kostenbeamte hat nach Rücksprache mit der Bezirksrevision ausgeführt, dass eine Erstreckungserklärung durch das Gericht auch dann möglich und notwendig ist, wenn der RA vor Verbindung der Angelegenheiten durch die StA vorher Tätigkeit entfaltet hat. Die Richterin hat die Erstreckung nachgeholt; ich meine weiteren Gebühren anstandslos bekommen.

zum Zitieren: AG Hannover, Beschluss vom 10.09.2013; Az: 316 Ls 3513 Js 10095/13 ( 94/13 ) u.a. mit Verweis des Kostenbeamten in seinen zunächst ablehnenden, aber auf die Notwendigkeit der unterbliebenen Erstreckung hinweisenden Beschluss vom 31.07.2013 auf LG Magdeburg vom 20.05.2003, StV 2005, 84; AG Hannover vom 23.09.2009 – 237 Ds 248/09.