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Auf Erledigung gerichtetes Telefonat des Anwalts, oder: Terminsgebühr im Zivilrecht

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Im RVG-Teil dieser Woche dann heute zwei Entscheidungen aus dem Bereich von Teil 3 VV RVG.

Hier kommt zunächst das BGH, Urt. v. 20.06.2024 – IX ZR 80/23 – zur Terminsgebühr nach Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV RVGbei Teilnahme des Rechtsanwalts an der Erledigung des Verfahrens. Dazu der BGH, der die Frage anders als das OLG gesehen hat. Das hatte „ausgeführt, die Beklagte könne bereits auf der Grundlage ihres Sachvortrags keine Terminsgebühr beanspruchen. Das erste Telefonat am 6. August 2019 habe keine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung beinhaltet, weil bereits zehn Minuten nach dem Gespräch Berufung eingelegt worden sei, obwohl der Vergleichsvorschlag noch von der gegnerischen Rechtsanwältin an die Bank habe weitergeleitet und besprochen werden müssen. Hinsichtlich des zweiten Telefonats am 8. Oktober 2019 sei maßgeblich, dass die Rechtsanwältin der Bank darin nach dem Klägervorbringen einerseits die Weiterleitung des Vergleichsvorschlags zugesagt, andererseits aber in dem – nur zwei Minuten dauernden – Gespräch erklärt habe, dass sie nicht davon ausgehe, dass Vergleichsbereitschaft bestehe. Jedenfalls für eine solche Fallgestaltung sei die Rechtsprechung dahingehend zu verstehen, dass eine Terminsgebühr nicht allein dadurch anfalle, dass der Gegner die Weiterleitung des Vorschlags an seinen Mandanten zusage.

Dazu dann der BGH:

„Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts lässt sich ein Erstattungsanspruch der Klägerin nicht bejahen.

1. Es trifft allerdings zu, dass der Rechtsanwalt aus dem Anwaltsvertrag mindestens entsprechend §§ 675, 667 BGB verpflichtet ist, denjenigen Teil eines ihm geleisteten Vorschusses zurückzuzahlen, der die tatsächlich geschuldete Vergütung übersteigt (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2019 – IX ZR 143/18, WM 2019, 738 Rn. 6; vom 16. Dezember 2021 – IX ZR 81/21, ZIP 2022, 217 Rn. 9). Zudem ist es richtig, dass im Fall eines rechtsschutzversicherten Mandanten der Rückzahlungsanspruch wegen eines nicht verbrauchten Gebührenvorschusses gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf den Rechtsschutzversicherer übergeht, weil die Rechtsschutzversicherung eine Schadensversicherung ist und der Versicherer mit der Vorschussleistung an den Rechtsanwalt seinem Versicherungsnehmer im Sinne der Bestimmung „einen Schaden ersetzt“ (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2020 – IX ZR 90/19, ZIP 2020, 561 Rn. 10; vom 16. Dezember 2021 – IX ZR 81/21, ZIP 2022, 217 Rn. 15).

2. Hingegen kann der Anfall der Terminsgebühr mit der Begründung des Berufungsgerichts nicht verneint werden. Nach § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV RVG verdient der Rechtsanwalt die Terminsgebühr auch durch die Mitwirkung an einer auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts. Nach der Intention des Gesetzgebers sollte mit dieser Regelung der Anwendungsbereich der Terminsgebühr erweitert werden; die Gebühr soll insbesondere bereits dann verdient sein, wenn der Rechtsanwalt an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen mitwirkt, insbesondere, wenn diese auf den Abschluss des Verfahrens durch eine gütliche Einigung zielen (BT-Drucks. 15/1971, S. 148, 209).

a) Dementsprechend stellt der Bundesgerichtshof an das Merkmal der – auch telefonisch durchführbaren (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Januar 2010 – I ZB 14/09, ZfSch 2010, 286 Rn. 8) – Besprechung keine besonderen Anforderungen und sieht die Terminsgebühr als entstanden an, wenn der Gegner die auf eine Erledigung des Verfahrens gerichteten Äußerungen zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei zur Kenntnis nimmt (BGH, Beschluss vom 20. November 2006 – II ZB 9/06, NJW-RR 2007, 286 Rn. 7; vom 21. Januar 2010, aaO Rn. 7; vom 9. Mai 2017 – VIII ZB 55/16, NZM 2017, 439 Rn. 8) oder sich auch nur an Gesprächen mit dem Ziel einer Einigung interessiert zeigt (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2007 – XI ZB 38/05, NJW 2007, 2858 Rn. 10; vom 9. Mai 2017, aaO). Dagegen genügt es nicht, wenn es in dem Gespräch nur um die grundsätzliche Bereitschaft oder abstrakte Möglichkeit einer Einigung (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2007, aaO; vom 21. Januar 2010, aaO) oder um Verfahrensabsprachen wie beispielsweise um die Zustimmung zum Ruhen des Verfahrens (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2007, aaO Rn. 10; vom 6. März 2014 – VII ZB 40/13, ZfSch 2014, 286 Rn. 12) geht. Verweigert der Gegner von vornherein ein sachbezogenes Gespräch oder eine gütliche Einigung, kommt eine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung bereits im Ansatz nicht zustande (BGH, Beschluss vom 20. November 2006, aaO Rn. 8; vom 6. März 2014, aaO Rn. 15; vgl. ebenso BAG, NZA 2013, 395 Rn. 14; BVerwG, ZfSch 2018, 703 Rn. 6). Die Voraussetzungen für die Auslösung einer Terminsgebühr durch eine außergerichtliche Besprechung können auch in einem Berufungsverfahren, in dem ein Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO erteilt wird, erfüllt sein, wenn die Besprechung bereits vor Erteilung des Hinweises geführt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2011 – II ZB 4/11, MDR 2012, 376 Rn. 6 ff).

b) An diesen Grundsätzen ist auch unter Berücksichtigung einer teilweise abweichenden und von dem Berufungsgericht zugrunde gelegten instanzgerichtlichen Rechtsprechung, wonach die bloße Erklärung des anderen Prozessbevollmächtigten, das Angebot an den Mandanten zur Prüfung weiterzuleiten, nicht genügen soll (vgl. OLG Nürnberg, AnwBl. 2006, 495, 496; OVG Hamburg, AGS 2016, 62, 68 f), festzuhalten (vgl. ebenso Schneider, AGS 2016, 64 f). Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Entstehung der Terminsgebühr führt zu einer einfachen, klaren und rechtssicheren Abgrenzung.“

BVerfG II: Erledigung der Verfassungsbeschwerde, oder: Auslagenerstattung verneint

Und dann als zweite Entscheidung der BVerfG, Beschl. v. 29.12.2022 – 2 BvR 1216/21 – ebenfalls zur Problematik der Auslagenerstattung nach Erledigung der Verfassungsbeschwerde. Hier hat das BVerfG die Auslagenerstattung verneint:

„2. Der sinngemäße Antrag auf Erstattung der notwendigen Auslagen des Verfassungsbeschwerdeverfahrens ist unbegründet.

a) Nach Erledigung der Verfassungsbeschwerde ist über die Auslagenerstattung gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden. Die Erstattung der Auslagen nach dieser Vorschrift stellt im Hinblick auf die Kostenfreiheit des Verfahrens (§ 34 Abs. 1 BVerfGG), den fehlenden Anwaltszwang und das Fehlen eines bei Unterliegen des Beschwerdeführers erstattungsberechtigten Gegners die Ausnahme von dem Grundsatz des Selbstbehalts der eigenen Auslagen (vgl. BVerfGE 49, 70 <89>) dar (vgl. BVerfGE 66, 152 <154>). Im Hinblick auf die Funktion und die Tragweite der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts findet eine überschlägige Beurteilung der Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde im Rahmen der Entscheidung über die Auslagenerstattung nicht statt (vgl. BVerfGE 33, 247 <264 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Mai 2018 – 2 BvR 2767/17 -, Rn. 13). Bei der Entscheidung über die Auslagenerstattung kann insbesondere dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, wesentliche Bedeutung zukommen. So ist es billig, einem Beschwerdeführer die Erstattung seiner Auslagen zuzuerkennen, wenn die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt beseitigt oder der Beschwer auf andere Weise abhilft, weil in diesem Fall – falls keine anderweitigen Gründe ersichtlich sind – davon ausgegangen werden kann, dass sie deren Begehren selbst für berechtigt erachtet hat (vgl. BVerfGE 85, 109 <114 ff.>; 87, 394 <397 f.>).

b) Nach diesen Maßstäben entspricht es nicht der Billigkeit, der Beschwerdeführerin die Auslagenerstattung anzuordnen. Zwar hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Begehren der Beschwerdeführerin entsprochen, indem es ihr mit Bescheid vom 20. Juli 2022 eine Aufenthaltszusage erteilt hat. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass das Bundesamt der Beschwer – der vorigen Ablehnung des Antrags – deshalb abgeholfen hat, weil es das verfassungsrechtliche Vorbringen der Beschwerdeführerin für durchgreifend erachtet hätte.

Den verfahrensgegenständlichen ablehnenden Bescheid vom 25. Juli 2019 hatte das Bundesamt darauf gestützt, dass eine erneute Antragstellung im Fall der Beschwerdeführerin nicht zulässig sei und ein Wiederaufgreifen des vorherigen Antragsverfahrens nicht in Betracht komme. Ihr ursprünglicher Antrag sei im Jahr 2017 abgelehnt worden, weil der Nachweis nicht erbracht worden sei, dass die Möglichkeit zu einer Aufnahme in einer jüdischen Gemeinde im Bundesgebiet bestehe (Nr. I 2. Buchst. e der Anordnung des Bundesministeriums des Innern vom 24. Mai 2007 in der Fassung vom 21. Mai 2015 – im Folgenden: Aufnahmeanordnung). Daher sei eine erneute Antragstellung unzulässig, weil eine solche Möglichkeit nach Nr. II 7. Satz 2 Aufnahmeanordnung nur bei einer Ablehnung aufgrund fehlenden Nachweises der jüdischen Nationalität beziehungsweise Abstammung (Nr. I 2. Buchst. a Aufnahmeanordnung) bestehe.

In seinem nunmehr stattgebenden Bescheid vom 20. Juli 2022 hat das Bundesamt die Zulässigkeit des Antrags damit begründet, dass die Aufnahmeanordnung durch das Bundesministerium des Innern im März 2022 geändert worden sei und seitdem für Antragstellerinnen und Antragsteller aus der Ukraine die Möglichkeit einer einmaligen erneuten Antragstellung unabhängig vom Ergebnis des vorausgegangenen Verfahrens bestehe. Die Stattgabe des Antrags stellt sich demnach als Reaktion auf die Änderung der Aufnahmeanordnung anlässlich des Überfalls der Russischen Föderation auf die Ukraine am 24. Februar 2022 dar. Sie erlaubt nicht den Rückschluss, dass das Bundesamt das verfassungsrechtliche Vorbringen der Beschwerdeführerin gegen die restriktive Ausgestaltung der erneuten Antragstellung gemäß Nr. II 7. Aufnahmeanordnung für zutreffend hielt.“