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Landfriedensbruch, oder: Dritte Halbzeit bei/nach einem Fußballspiel oder „Dritt-Ort-Auseinandersetzung“

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Und als zweite Entscheidung zum Wochenauftakt noch eine BGH-Entscheidung. Zwar nicht ganz so hoch „aufgehängt“ wie der vorhin vorgestellte Beschluss des Großen Senats für Strafsachen (GSSt 1/17), aber immerhin auch für die amtliche Sammlung vorgesehen. Und dem Beschluss liegt ein interessanter Sachverhalt zugrunde, der in der Praxis immer wieder eine Rolle spielt. Es geht um eine sog. Dritte-Halbzeit bei/nach einem Fußballspiel oder eine „Dritt-Ort-Auseinandersetzung“.

Der BGH hat nämlich folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es am 18. Januar 2014 in der K. Innenstadt vor dem Hintergrund eines Fußballspiels zu einer „Dritt-Ort-Auseinandersetzung“ zwischen Anhängern des 1. FC K. und von B. einerseits und des FC S. andererseits. Darin wa- ren die Angeklagten und der Nichtrevident R. verstrickt.

Über den Mobilfunk-Nachrichtenversand WhatsApp war zur Teilnahme an der gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen den Anhängern der genannten Fußballclubs aufgerufen worden. Am Vormittag des Tattages trafen sich die Anhänger des 1. FC K. und von B. in einem Brau- haus in der K. Altstadt. Die Angeklagten kamen hinzu. Über WhatsApp wurde die gewalttätige Auseinandersetzung in der Innenstadt mit den Mitgliedern der gegnerischen Gruppe verabredet. Ein Beteiligter der K. -D. Gruppe gab nach zwei Stunden im Brauhaus das Kommando zum Aufbruch; die Gruppe bestand aus 60 bis 100 jungen Männern. Sie gingen geschlossen in Richtung H. und bestiegen dort die Straßenbahn, mit der sie bis zum Z. Platz fuhren. Von dort begaben sie sich zu Fuß in die R. straße und hielten über Mobiltelefon weiter Kontakt mit der noch außer Sichtweite befindlichen Gruppe der Anhänger von S.

Die K. -D. Gruppe sammelte sich in einer Feuerwehreinfahrt, die sie durch zwei Doppelposten sicherte, und verhielt sich nahezu lautlos. Einzelne Gruppenmitglieder, darunter R. und der Angeklagte W. , rüsteten sich mit Quarzsandhandschuhen und einem Mundschutz aus. Dann formierten sich alle Gruppenmitglieder in Reihen von drei Personen nebeneinander, wobei die Reihen einen Abstand von einer Armlänge einhielten. Durch die Formation war die Gruppe in der Lage, Angriffe geschlossen abzuwehren, ein Ausbrechen einzelner Mitglieder aus der Formation zu erschweren und einen militärischen Eindruck zu erwecken. Auf ein Zeichen setzte sich die Formation in zü-giger Schrittgeschwindigkeit in Bewegung und marschierte beinahe lautlos von der Feuerwehreinfahrt auf die R. straße, bog von dort auf den Gehweg des H. -Rings ab und setzte ihren Marsch in Richtung R. platz fort. Als die ersten Mitglieder aus der R. straße kommend den H. – Ring erreichten, verfiel die Formation in einen Laufschritt. Sie nahm die gesamte Breite des Gehwegs ein. Ihr ausschließlicher Zweck war die Durchführung der gewalttätigen Auseinandersetzung mit der gegnerischen Gruppe. Durch die geschlossene Marschformation vermittelten die Gruppenmitglieder einander ein Gefühl der Solidarität und Stärke; zudem wurde dadurch der Entschluss zur Teilnahme an der gewalttätigen Auseinandersetzung wechselseitig bestärkt.

Der Angeklagte W. befand sich im mittleren Bereich der Formation, R. im hinteren Bereich, ebenso der Angeklagte D. . Nach dem Einbiegen auf den H. -Ring ließ sich D. unbemerkt zurückfallen. Er wechselte die Straßenseite, bewegte sich dort weiter in dieselbe Richtung wie die Marschformation und beobachtete an der Einmündung der L. straße in den H. -Ring das nachfolgende Geschehen aus einer Entfernung von 50 bis 60 Metern.

Ein Mitglied der Gruppe rief beim Erscheinen der gegnerischen Gruppe: „Da sind sie!“. Dann rannte die K. -D. Gruppe, einschließlich des Angeklagten W. , schreiend auf die Fahrbahn in den Kreuzungsbereich, ohne auf den Fahrzeugverkehr und Passanten Rücksicht zu nehmen. Gleichzeitig rannte die aus 30 bis 50 Personen bestehende Gruppe von Anhängern des FC S. ihnen entgegen. Auf der Fahrbahn im Kreuzungsbereich stießen die Gruppen aufeinander, wobei sich zumindest zwischen den vorderen Reihen ein etwa 30 Sekunden andauernder Kampf mit wechselseiti-gen Körperverletzungen entwickelte. Die Kämpfenden schlugen und traten ei-nander; auch wurde mit Bierflaschen geworfen. Personen, die kampfunfähig am Boden lagen, wurden weiter angegriffen. Ein Mitglied der S. Gruppe wurde durch einen heftigen Schlag gegen den Kopf schwer verletzt und musste notfallmedizinisch behandelt werden. Der Fahrzeugverkehr kam wegen des Kampfes der zahlreichen Personen auf der Straßenkreuzung zum Erliegen. Passanten ergriffen die Flucht.

Der Nebenkläger versuchte zu verhindern, dass andere Passanten geschlagen und getreten wurden. Er wurde aber seinerseits angegriffen, stürzte und wurde auf dem Rücken liegend von gewalttätigen Fußballfans geschlagen und getreten. Er erlitt eine Thoraxprellung und eine Halswirbelsäulendistorsion.

Das Landgericht konnte nicht feststellen, dass auch der Angeklagte W. eigenhändig Gewalttätigkeiten begangen hat. Diese endeten abrupt, als Sirenen von Polizeifahrzeugen ertönten. Die Teilnehmer der Auseinandersetzung flüchteten. Später feierten sie in Kurznachrichten über WhatsApp das Geschehen. Re. beschrieb es als: „Maßlos geil“. D. verbreitete die Nachricht: „S. ist gefallen und gelaufen!“

Das LK Köln hat die Handlungen der Angeklagten als Landfriedensbruch gemäß § 125 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB gewertet.Bei der K. – D. Gruppe habe es sich um eine Menschenmenge gehandelt, aus der heraus in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise mit vereinten Kräften Gewalttätigkeiten gegen Menschen und Bedrohungen von Menschen mit Gewalttätigkeiten begangen worden seien. Die Angeklagten hätten sich daran beteiligt, weshalb sie Täter im Sinne von § 125 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB seien. Das gelte auch für den Angeklagten D. Durch die Eingliederung in die Formation habe auch er dazu beigetragen, dass anderen Gruppen-mitgliedern ein Gefühl der Solidarität und Stärke vermittelt worden sei. Dies sei ein ausreichender Tatbeitrag im Sinne eines „ostentativen Anschließens“. Daran habe sich auch nichts geändert, als er sich unmittelbar vor dem Aufeinandertreffen der Gegner aus der Formation entfernt habe. Dadurch habe er an der Begehung von Gewalttätigkeiten aus der Gruppe, mit der er zunächst losmarschiert war, nichts mehr ändern können.

Der BGH stimmt dem im BGH, Urt. v. 24.05.2017 – 2 StR 414/16 – zu. Die Leitsätze:

Strafbarkeit wegen Landfriedensbruchs setzt weder Täterschaft bei der Begehung von Gewalttätigkeiten noch die Zugehörigkeit des Beteiligten zur Menschenmenge zurzeit der Gewalttätigkeiten voraus.

Eine räumliche Distanzierung von der Menschenmenge nach Erbringung von Beihilfehandlungen unmittelbar vor Beginn der Gewalttätigkeiten hebt die Strafbarkeit wegen Landfriedensbruchs nicht auf.

„Hooligans als kriminelle Vereinigung“ und/oder: Die „dritte Halbzeit“

entnommen wikimedia.org Urheber Amarhgil

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So, jetzt mache ich mal das, was ich sonst selten bzw. ungern tue. Ich beziehe mich mal auf eine PM des BGH, und zwar auf die PM 11/2015 v. 22.01.2015. Grund: Das dieser PM zugrunde liegende BGH, Urt. v. 22.01.2015 – 3 StR 233/14 – ist mehr als 40 Seiten lang. Die kann man hier nicht vernünftig darstellen. Also greife ich auf die PM zurück und verweise im Übrigen auf den Volltext der BGH-Entscheidung. Überschrieben ist die PM mit: Hooligans als kriminelle Vereinigung. In der Sache ging es u.a. dann auch um die sog. „Dritte Halbzeit“. Im Einzelnen aus der PM:

„Der für Staatsschutzstrafsachen zuständige 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat heute die Verurteilung von fünf Angeklagten weitgehend bestätigt, gegen die das Landgericht Dresden wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, teilweise in Tateinheit mit schwerem Landfriedensbruch und mit gefährlicher Körperverletzung auf Freiheits- bzw. Geldstrafen erkannt hatte.

Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die Angeklagten Rädelsführer bzw. Mitglieder einer in Dresden ansässigen Gruppierung von Hooligans, die im zeitlichen und räumlichen Umfeld von Fußballspielen des Vereins Dynamo Dresden, aber auch unabhängig davon an anderen Orten, Kämpfe gegen andere Hooligans ausfocht, zu denen sich die Gruppierungen zumeist vorher verabredet hatten. Für die Kämpfe existierten ungeschriebene, aber in den einschlägigen Kreisen allgemein anerkannte Regeln. Die Auseinandersetzungen dauerten oft nur einige Sekunden, höchstens Minuten und waren beendet, wenn alle Kämpfer einer Seite am Boden lagen, flohen oder wenn sonst die Niederlage anerkannt wurde. „Kampfrichter“, die bei Regelverstößen oder Verletzungen der Beteiligten unmittelbar eingriffen, gab es nicht. Allenfalls wurden Regelverstöße anschließend diskutiert und konnten dazu führen, dass der Verursacher nicht mehr zu Kämpfen mitgenommen wurde.

In dem über zwei Jahre andauernden Tatzeitraum kam es zu mehreren solcher Auseinandersetzungen, teilweise konnten verabredete Kämpfe wegen der hohen Polizeipräsenz nicht ausgefochten werden. Das Landgericht hat nur in einem dieser Fälle angenommen, dass sich die Beteiligten wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht hätten; denn nur in diesem Fall sei wegen der Anzahl der Kämpfer auf beiden Seiten die Gefährlichkeit der gegenseitigen Angriffe so groß gewesen, dass die jeweiligen Körperverletzungshandlungen trotz der von den Beteiligten stillschweigend erklärten Einwilligung in ihre Verletzungen sittenwidrig gewesen seien. Die Einwilligungen hätten daher gemäß § 228 StGB keine rechtfertigende Wirkung entfalten können. In den anderen Auseinandersetzungen habe eine derart hohe Gefährlichkeit der gegenseitigen Tätlichkeiten nicht vorgelegen, sodass die erteilten Einwilligungen wirksam und die Körperverletzungen daher gerechtfertigt gewesen seien.

In einem weiteren Fall hat die Strafkammer in einem Angriff auf mehrere türkische Gastronomiebetriebe in der Dresdener Neustadt im Sommer 2008 ebenfalls eine Tat der Vereinigung erblickt und die daran beteiligten Angeklagten insoweit auch wegen schweren Landfriedensbruchs verurteilt.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat die Auffassung des Landgerichts, bei der Gruppierung der Angeklagten habe es sich um eine kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 1 StGB gehandelt, im Ergebnis bestätigt. Anders als das angefochtene Urteil sieht er die Tätlichkeiten im Rahmen der verabredeten Prügeleien unabhängig von einer größeren Anzahl von Kämpfern auf beiden Seiten (und der Härte des Untergrunds am „Kampfort“) als strafbare (gefährliche) Körperverletzungen an. Diese Bewertung leitet der Senat daraus ab, dass die Beteiligten rechtswidrig und schuldhaft den Straftatbestand der Teilnahme an einer Schlägerei (§ 231 StGB) verwirklichten, wofür die Einwilligung der Kämpfer in die Körperverletzungshandlungen nach der Gesetzesstruktur von vornherein keine rechtfertigende Wirkung entfalten kann. An dieser Beurteilung der Körperverletzungshandlungen ändert sich auch nichts deswegen, weil bei keiner der Prügeleien eine der in § 231 StGB als Bedingung der Strafbarkeit vorausgesetzten schweren Folgen (Tod eines Menschen oder schwere Körperverletzung im Sinne des § 226 StGB) eingetreten ist und daher eine Bestrafung nach dieser Vorschrift nicht in Betracht kam. Weil die Gruppierung der Angeklagten gerade auch auf die Ausübung von Tätlichkeiten im Rahmen von Schlägereien ausgerichtet war, bestand ihr Zweck und ihre Tätigkeit daher in der Begehung strafbarer (gefährlicher) Körperverletzungen. Da sie auch die übrigen von § 129 Abs. 1 StGB vorausgesetzten Merkmale erfüllte, hat sie das Landgericht im Ergebnis somit rechtsfehlerfrei als kriminelle Vereinigung erachtet.

Der Überfall auf die türkischen Gastronomiebetriebe kann nach Ansicht des Senats der Vereinigung hingegen nicht zugerechnet werden. Das Verfahren war deshalb hinsichtlich zweier Angeklagter mangels wirksamer Anklageerhebung einzustellen; hinsichtlich eines weiteren Angeklagten war der Schuldspruch auf Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung zu ändern. Für diese drei Angeklagten muss wegen des verbleibenden geringeren Schuldumfangs die Strafe neu zugemessen werden; im Übrigen ist das Urteil des Landgerichts Dresden rechtskräftig.“

Die Entscheidung ist zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt und wird sicherlich auch Gegenstand zahlreicher Besprechungen werden.

„Dritte Halbzeit“: „Cosa Nostra“ gegen „Schickeria“

Wir allen kennen den Begriff der „dritten Halbzeit“. Gemeint sind damit Ausschreitungen vor und/oder nach einem Fußballspiel. Damit hat sich vor einiger zeit der BGH im BGH, Beschl. v. 20.02.2013, 1 StR 585/12 (vgl. hier: “Komm lass uns kloppen” – Die ggf. strafbare “dritte Halbzeit”) befasst. Nun hat das OLG München nachlegen müssen. Bei ihm ging es um eine Auseinandersetzung im Vorfeld eines Fußballspiel zwischen den U-19-Mannschaften des FC Bayern München und des TSV 1860 München.  Aufeinander getroffen sind die dem TSV 1860 München nahestehende Fangruppierung mit dem „schönen“ Namen „Cosa Nostra“ und die dem dem FC Bayern München nahestehende Fangruppierung „Schickeria“ :-).  Wegen der dabei stattgefundenen Körperverletzungen war es zu einer Verurteilung durch das AG München wegen Körperletzung gekommen. Die hat dann das OLG beschäftigt, das auf der Grundlage der o.a. BGH-Rechtsprechung den Freispruch durch das LG München I aufgehoben und damit die AG-Verurteilung „gehalten“ hat.

Die amtlichen Leitsätze des OLG München, Urt. v. 26.o9.2013 – 4 StRR 150/13 – lauten:

1. Eine Körperverletzungshandlung kann trotz Einwilligung auf Grund der konkreten, die Tatausführung begleitenden Umstände gegen die guten Sitten verstoßen und rechtswidrig sein (§ 228 StGB).

 2. Die Sittenwidrigkeit wechselseitiger Körperverletzungen bei tätlichen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen kann sich trotz fehlender konkreter Lebensgefahr sowohl aus der ex ante zu beurteilen-den unkontrollierbaren Eskalationsgefahr des Tatgeschehens mit nicht ausschließbaren gravierenden Körperverletzungsfolgen bis hin zu einer konkreten Lebensgefahr bezüglich einzelner Teilnehmer (im Anschluss an BGH, Beschluss v. 20.2.2013, 1 StR 585/12) als auch aus einer konkret gegebenen Gefährdung von Rechtsgütern Dritter ergeben.

 3. Der Schutz des Selbstbestimmungsrechts über die eigene körperliche Integrität kann nur soweit gehen, als dadurch keine Grundrechte Dritter beeinträchtigt werden. Bei der Wahl des öffentlichen Verkehrsraums als „Austragungsort“ einer konsentierten Prügelei ist absehbar, dass unbe-teiligte Dritte in die tätlichen Auseinandersetzungen mit hineingezogen und in ihren Rechten, insbesondere in ihrer Willensentschließungsfreiheit und der körperlichen Integrität verletzt werden.