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Gestern im „Bundesverweigerungsrat“ (?): Stärkung der Beschuldigtenrechte – das Gesetz ist aber durch

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Wenn man die gestrigen Meldungen aus dem Bundesrat so liest, hat man den Eindruck, dass der Bundesrat gestern teilweise die Funktion eines „Bundesverweigerungsrates“ übernommen hat, jedenfalls merkt man, dass dann doch wohl Wahlkampf ist. Denn es sind ja nicht nur das 2. KostRMoG (vgl. hier: Die Bombe ist geplatzt: Das 2. KostRMoG geht in den Vermittlungsausschuss – Und nun Frau Ministerin?) und die Punktereform (vgl. hier Das ist nicht der Tag von Peter Ramsauer: Punktereform auch in den Vermittlungsausschuss) in den Vermittlungsausschuss geschickt worden, sondern auch einige andere Gesetze, worüber die mit den Themenbereichen befassten sicherlich genau so viel klagen wie die Kosten- und Verkehrsrechtler. Dazu gehören das Altersgeld für Beamte, die freiwillig ausscheiden :-), die Neuregelung der Kostenerstattung in der Jugendhilfe, die Änderungen bei der Bankenaufsicht und die neuen Regeln zum Investmentrecht. Also schon eine ganze Menge und dann querbeet. Da kommt auf den Vermittlungsausschuss, der auch noch ein paar Altlasten hat, einiges an Arbeit zu.

Aber immerhin: 47 Gesetze haben den Bundesrat auch passiert. Und dazu gehört das „Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren“ (BT-Drucks. 17/12578), das auf eine Richtlinie der EU zurückgeht (vgl. hier Europaweite Mindeststandards für Beschuldigte in Strafverfahren). Das wird u.a. zu folgenden Änderungen führen:

  • Kernstück ist die Änderung des § 187 GVG. Nach dem neuen § 187 Abs. 1 Satz 2 GVG hat das Gericht den der deutschen Sprache nicht mächtigen oder hör- oder sprachbehinderten Beschuldigten in einer ihm verständlichen Sprache darauf hinzuweisen, dass er für das gesamte Strafverfahren die unentgeltliche Hinzuziehung eines Dolmetschers oder Übersetzers beanspruchen kann.
  • Bei sprachunkundigen Beschuldigten ist nach dem neuen Abs. 2 in der Regel die schriftliche Übersetzung von freiheitsentziehenden Anordnungen, Anklageschriften, Strafbefehlen und nicht rechtskräftigen Urteilen erforderlich und ihm unverzüglich zur Verfügung zu stellen.
  • Bei einem Beschuldigten mit Verteidiger genügt in der Regel die mündliche Übersetzung der Unterlagen oder eine mündliche Zusammenfassung deren Inhalts. Nach Abs. 3 kann auf die schriftliche Übersetzung nur wirksam verzichtet werden nach entsprechender Belehrung, wobei Belehrung und Verzicht zu dokumentieren sind.
  • § 37 Abs. 3 StPO schließt an: Muss hiernach eine schriftliche Übersetzung des Urteils zur Verfügung gestellt werden, ist das Urteil mit der Übersetzung zuzustellen.
  • Weitere Anpassungen sind insbesondere bei der Belehrungspflicht bei Bekanntgabe eines Haftbefehls nach § 114b Abs. 2 StPO, der Beschuldigtenvernehmung in § 163a Abs. 5 StPO und der Dokumentationspflichten nach § 168b StPO erfolgt.
  • Schließlich ist in einem neuen § 189 Abs. 4 GVG eine Verschwiegenheitspflicht des Dolmetschers oder Übersetzers über Umstände, die ihm bei seiner Tätigkeit zur Kenntnis gelangen, vorgesehen.

Wir werden über die Änderungen natürlich möglichst bald im StRR berichten, damit sich die Verteidiger darauf einstellen können.

Gestörte Kommunikation? Nein, dafür gibt es Dolmetscher……

Mit einer Frage, die bei der Verteidigung ausländischer Beschuldigter häufig zu Problemen führt, befasst sich der schon ein wenig ältere LG Freiburg, Beschl. v. 23.09.2011 – 6 Qs 44/11 Hw., nämlich mit der Fragen, wann ein Dolmetscher zur Verständigung zwischen Beschuldigtem und Verteidiger im Ermittlungsverfahren herangezogen werden kann.Die Rechtsprechung des BVerfG geht da verhältnismäßig weit. Sie wird vom LG Freibrug übernommen. Aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 GG folge das Recht des ausländischen Beschuldigten in einem Strafverfahren, die Unterstützung eines Dolmetschers zu erhalten und sich auch außerhalb der eigentlichen Verhandlungen und Vernehmungen bereits im Ermittlungsverfahren der Dienste eines Dolmetschers und/oder Übersetzers zu bedienen. Die Regelung erfasse dabei insbesondere auch die Kommunikation des Beschuldigten mit seinem Verteidiger, unabhängig davon, ob es sich um einen Pflicht- oder um einen Wahlverteidiger handelt.

Der Beschulidgte habe allerdings keinen Anspruch auf Übersetzung der gesamten Akte. Das LG nimmt dann eine Abwägung vor und bejaht in dem von ihm entschiedenen Fall eine Pflicht zur Übersetzung des Schriftwechsels zwischen dem Verteidiger und seinem albanischen Mandanten., der noch Heranwachsender war. In der erforderlichen Abwägung darüber, ob das Gericht für die Übersetzung der Kommunikation zwischen Beschuldigtem und seinem Verteidiger Sorge zu tragen hat, hat das LG zu Gunsten des Beschuldigten auch darauf abgestellt, dass Delikte im Raum standen, die im Erwachsenenstrafrecht eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren nach sich ziehen, und sich das Ermittlungsverfahren aufgrund des Auslandsbezugs der Taten und einer Vielzahl von daran beteiligten Personen äußerst komplex gestaltete.

Dolmetscherkosten beim „Pflichti“ und: OLG liest dem Rechtspfleger die Leviten

Beim ausländischen Beschuldigten stellt sich für den beigeordneten Rechtsanwalt immer auch die Frage der Verständigung und der Übersetzung von Aktenbestandteilen, die er kennen muss, um sie mit dem Mandanten besprechen zu können.

So auch in OLG Dresden, Beschl. v. 19.04.2011 – 2 Ws 96/11. Das OLG sagt: Der Anspruch des Beschuldigten auf ein faires Verfahren beinhaltet nicht den Anspruch auf Übersetzung der gesamten Verfahrensakte, sondern nur der Unterlagen, deren Kenntnis zur ordnungsgemäßen Verteidigung erforderlich ist – insoweit wohl h.M.

Für die Frage der Erforderlichkeit einer Übersetzung ist aber – so das OLG – maßgeblich auf die ex-ante-Sicht im Zeitpunkt der Auftragserteilung  an einen Dolmetscher abzustellen. Der Verteidiger hatte nämlich ein Urteil übersetzen lassen, das auch die StA später hatte übersetzen lassen. Das OLG sagt: Sind zu erstatten.

Und: Das OLG liest dem Rechtspfleger, der die Erstattung abgelehnt hatte, die Leviten: Sehr vornehm ausgedrückt heißt das:

„Die Ablehnungsbegründung hält sowohl in sachlicher als auch in rechtlicher Hinsicht einer beschwerderechtlichen Überprüfung nicht stand“.

Der Rechtspfleger hatte die Akten wohl nicht richtig gelesen. 🙂

 

Dolmetscher – für mündliche und schriftliche Kommunikation

Dolmetscher für den ausländischen Beschuldigten – ein unerschöpfliches Thema – trotz der Regelung in § 187 Abs. 1 GVG. Der Frage musste sich nun auch das OLG Celle, Beschl. v. 09.03.2011 – 1 Ws 102/11 annehmen. Die Leitsätze:

  1. Nach § 187 Abs. 1 GVG hat ein der deutschen Sprache nicht mächtiger Beschuldigter Anspruch auf Beiordnung eines Dolmetschers oder Übersetzers durch das Gericht sowohl für die mündliche als auch die schriftliche Kommunikation mit seinem Verteidiger außerhalb der Hauptverhandlung.
  2. Ein Antrag hierauf kann nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass sich der Anspruch auf unentgeltliche Zuziehung eines Dolmetschers und Übersetzers für das gesamte Strafverfahren bereits aus Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK und Art. 3 Abs. 3 GG ergebe und für die Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten eine vorherige Grundentscheidung im Sinne eines Feststellungsbeschlusses nicht erforderlich sei.

Dem ist m.E. nichts hinzuzufügen, außer: Richtig.

Hier hatte mal ein LG keinen Igel in der Tasche, oder: Dolmetscherkosten auch für Anbahnungsgespräch mit 2. Verteidiger

Die mit der Zuziehung eines Dolmetschers für den Beschuldigte/Angeklagten zusammenhängenden kostenrechtlichen Fragen sind weitgehend durch die obergerichtliche Rechtsprechung geklärt. Insoweit sei verwiesen auf BVerfG NJW 2004, 50; BGHSt 46, 178; vgl auch Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 5. Aufl., 2010, Rn. 2099 m.w.N. aus der obergerichtlichen Rechtsprechung). Das gilt sowohl für den Pflichtverteidiger als auch für den Wahlanwalt.
In dem Zusammenhang steht die Entscheidung des LG Dresden v. 16. 8. 2010 – 3 Qs 92/10. Dort war dem Beschuldigten war im Ermittlungsverfahren ein Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Er nahm Kontakt zu RA R auf, der ein „Anbahnungsgespräch“ mit ihm führte. Zu diesem zog R einen Dolmetscher bei, da der Beschuldigte der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig war. Die dafür von ihm verauslagten Dolmetscherkosten hat er nun ersetzt verlangt. Das AG hat das mit der Begründung abgelehnt, dass der Beschuldigte von RA H. als Pflichtverteidiger vertreten werde. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hatte Erfolg. Das LG Dresden hat die Kosten erstattet. Nach Auffassung des LG steht einem der deutschen Sprache nicht hinreichend Kundigen auch dann (noch) das Recht zu, Anbahnungs- bzw. Mandatsgespräche mit einem frei gewählten bzw. zu wählenden weiteren Verteidiger zu führen, wenn er bereits einen Pflichtverteidiger hat. Die dabei entstandenen Auslagen trage grundsätzlich die Staatskasse.

Die Entscheidung behandelt also ein Randproblem, nämlich die Frage, wie es mit den Kosten für Anbahnungsgespräche mit einem zweiten oder sogar dritten (Wahl)Verteidiger bestellt ist. Insoweit wird in der Rechtsprechung der OLG, die allerdings vor der Rechtsprechung des BVerfG und des BGH ergangen ist (vgl. OLG Hamm StraFo 1996, 90; OLG Düsseldorf StV 1992, 362), die Kostenübernahme mit dem Argument angelehnt, wenn der Beschuldigte bereits durch einen ersten Wahlverteidiger ordnungsgemäß verteidigt wird. M.E. wird man das nicht aufrecht erhalten können, zumindest dann nicht, wenn es um die Frage der Kontaktaufnahme zu einem Wahlverteidiger geht. Die Entscheidung des LG Dresden gibt eine gute Argumentationshilfe, ist allerdings hinsichtlich der Hintergründe, die zu dem Anbahnungsgespräch geführt haben, leider „dünn“.