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Stelle frei, oder: „Tätigkeitsverbot“ für „Hilfssheriff“ „Knöllchen-Horst

wikimedia.org Urheber Ellin Beltz

Wer kennt ihn nicht? Den selbst ernannten „Hilfssheriff“ „Knöllchen-Horst“, der in Niedersachsen wohnt. Der war früher Maschinenbautechniker und Taxifahrer. 2004 ist er in Frührente gegangen. Und da er dann wohl nichts Besseres zu tun hatte, hat er es sich zur Aufgabe gemacht, andere Mitmenschen insbesondere wegen Verkehrsverstößen anzuzeigen. Insgesamt hat er seit 2004 rund 56.000 Anzeigen erstattet; die Stadt Osterode musste eine zusätzliche Mitarbeiterin einstellen, um diese zu bearbeiten. Dabei hat „Knöllchen-Horst“ seine jeweils an der Front- und der Heckscheibe seines Pkw montierten sogenannten Dashcams eingesetzt.

Das hat ihm dann im Jahr 2016 die niedersächsische Landesbeauftragte für Datenschutz untersagt und ihn zur Löschung sämtlicher gemachter Aufnahmen aufgefordert. Dagegen hat „Knöllchen-Horst“ Klage erhoben. Über die hat das VG Göttingen im VG Göttingen, Urt. v. 31.05.2017 – 1 A 170/16 – entschieden. Es hat die Klage abgewiesen. Die Anfertigung solcher Dashcam-Aufnahmen sei „datenschutzwidrig“. Die Verfolgung von Verkehrsverstößen sei Sache der Behörden und der Polizei. Privatpersonen dürften den öffentlichen Raum nur dann systematisch beobachten, wenn hierfür ein schützenswertes Interesse besteht. Und das hat das VG verneint:

„Die Beobachtung ist nicht gem. § 6b Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BDSG zulässig. Eine Zulässigkeit nach Nr. 1 und Nr. 2 scheidet offensichtlich aus. Die Videoüberwachung des Straßenverkehrs ist auch nicht nach Nr. 3 zur Wahrnehmung berechtigter Interessen des Klägers für konkret festgelegte Zwecke erforderlich.
Soweit der Kläger vorgetragen hat, die Kameras dienten seinen berechtigten Interessen wie Selbst- und Eigentumsschutz und einer diesbezüglichen Beweissicherung, kann dies den Einsatz der Kameras allenfalls in solchen Einzelfällen rechtfertigen, aber nicht die hier in Rede stehende anlasslose und regelmäßige Videoüberwachung des Straßenverkehrs. Soweit der Kläger behauptet hat, Zweck des Einsatzes der onboard-Kameras sei nicht die Videoüberwachung von Verkehrsteilnehmern gewesen, sondern die Aufzeichnung von Fahrstrecken für zukünftige Motorradtouren mit seiner Frau, geben die Videoaufnahmen dafür nichts her (s.o.). Der Kläger verfolgt mit seiner Praxis, andere Verkehrsteilnehmer zu beobachten und Verkehrsvorgänge aufzuzeichnen, um im Fall von Verkehrsverstößen Beweismaterial zu haben, keine schützenswerten eigenen Interessen, sondern tritt als Sachwalter öffentlicher Interessen auf. Die öffentliche Aufgabe der Gewährleistung eines gesetzeskonformen Straßenverkehrs obliegt ausschließlich den Straßenverkehrsbehörden und der Polizei, nicht aber privaten Dritten (so bereits Urteil der beschließenden Kammer vom 09.05.2012, Az. 1 A 114/11, Bl. 6 d. Urteilsabdruck, unveröffentlicht; Nds. OVG, Beschluss vom 23.09.2013 – 13 LA 144/12 –, juris, Rn. 10).
Aber selbst wenn man hier ein schutzwürdiges Interesse des Klägers nach § 6b BDSG annehmen würde, würden jedenfalls Anhaltspunkte bestehen, dass die schutzwürdigen Interessen der anderen Verkehrsteilnehmer (auch Fußgänger) mit ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung die Interessen des Klägers auf Selbst- und Eigentumsschutz ohne konkrete Gefährdung überwiegen (§ 6b Absatz 1, 2. Halbsatz BDSG, vgl. VG Ansbach, a.a.O., Rn. 59). Denn für diese besteht die Gefahr, dass sie aufgrund der Anzeigen des Klägers mit im Rahmen der Videoüberwachung gewonnenen Bildaufnahmen zu Unrecht mit Ordnungswidrigkeitenverfahren überzogen werden. Die Aufgabe der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten obliegt aber nicht dem Kläger (s.o.), sondern den hierfür zuständigen Behörden (vgl. auch § 6b Abs. 3 Satz 2 BDSG).
Ein Verstoß gegen § 6b BDSG liegt auch deshalb vor, weil der Kläger den Umstand der Beobachtung nicht gem. § 6b Abs. 2 BDSG durch geeignete Maßnahmen erkennbar gemacht hat.
Soweit der Kläger den Straßenverkehr mit seinen Dashcams nicht nur beobachtet, sondern darüber hinaus auch Aufzeichnungen verarbeitet und genutzt hat, war ihm dies nicht nach § 6b Abs. 3 Satz 1 BDSG erlaubt. Danach ist die Verarbeitung oder Nutzung von nach Absatz 1 erhobenen Daten zulässig, wenn sie zum Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Diese Vorschrift kann nur so verstanden werden, dass sie ausschließlich die Verarbeitung oder Nutzung von Daten aus einer nach Absatz 1 zulässigen Videoüberwachung regelt. Daran fehlt es hier. Der Anwendungsbereich der Norm ist deshalb gar nicht eröffnet ist.“

Wenn das rechtskräftig wird – wovon man m.E. ausgehen kann – muss sich „Knöllchen-Horst“ eine andere Beschäftigung suchen.

Akteneinsichtrecht im Strafverfahren, oder: Vorrang vor dem Datenschutz

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Heute ist zwar (Mai)Feiertag, aber da es ja der „Tag der Arbeit“ ist, mache ich „normales Programm“. Allerdings nichts Schweres, sondern nur zwei Entscheidungen zur Akteneinsicht. Und: Ich starte mit dem ersten Posting etwas später 🙂 .

Von den beiden Entscheidungen hängt die des OLG Zweibrücken schon etwas länger im Blogordner. Es ist der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11.01.2017 – 1 Ws 348/16, der sich mit dem Verhältnis des Aktensichtsrechts des Verteidigers zum Datenschutz befasst. Das OLG räumt dem Akteneinsichtsrecht des Verteidigers den Vorrang ein.

Der Voritzende hatte in einem Verfahren wegen Betruges die Übersendung je einer Kopie eines Datenträgers mit dem Inhalt einer Telefonüberwachung, die im Rahmen des Ermittlungsverfahrens durchgeführt wurde, an die Verteidiger der Angeklagten angeordnet. Dagegen das Rechtsmitte der Staatsanwaltschaft. Das OLG hat die Beschwerde als unzulässig angesehen, aber dann auch zur Frage der Begründetheit Stellung genommen:

„2. Das Rechtsmittel wäre allerdings auch unbegründet. Die Aushändigung und Mitgabe der (jeweiligen) Datenträger-Kopie an die Verteidiger begegnet vorliegend keinen rechtlichen Bedenken.

a) Rechte Dritter stehen der Herausgabe der Datenträger-Kopie nicht entgegen. § 147 Abs. 4 S. 1 StPO lässt die Aushändigung und Mitgabe von Akten und Aktenbestandteilen nur zu, wenn nicht wichtige Gründe dem entgegenstehen. Persönlichkeits- und Datenschutzrechte Dritter stellen in der Regel keine derartigen Ausschlussgründe dar (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Rn. 29 m.w.N.; a.A. OLG Hamburg, Beschluss vom 16. Februar 2016 – 3 Ws 11-12/16, juris, Rn. 12; OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 6). Dies belegt ein systematischer Vergleich zu der Vorschrift des § 147 Abs. 7 StPO: Einem nichtverteidigten Beschuldigten sind Auskünfte und Abschriften aus der Akte nur zu erteilen, wenn – u.a. – überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter nicht entgegenstehen. Diese Einschränkung dient der „Wahrung der Intimsphäre Dritter“ (BT-Dr. 14/1484, 22). Bei Gewährung von Akteneinsicht an einen Verteidiger hat der Gesetzgeber von dieser Einschränkung hingegen abgesehen. Im Übrigen wird der nur für unverteidigte Beschuldigte geltende Verweis auf den datenschutzrechtlichen Zweckbindungsgrundsatz des § 477 Abs. 2 StPO ausweislich der Gesetzesbegründung für den Verteidiger als obsolet angesehen, da sich für diesen die Zweckbindung der Akteneinsicht bereits aus der Aufgabe der Verteidigung und der besonderen Stellung des anwaltlichen Verteidigers, eines Organs der Rechtspflege, ergebe (BT-Dr. 14/1484, 22). Etwaigen Kernbereichsverletzungen – die mit Weitergabe eine Vertiefung erfahren würden – wird bereits im Rahmen der Datenerhebung durch die §§ 100a Abs. 4 S. 1-3 StPO begegnet, so dass es eines „subsidiären“ Schutzes durch eine extensive Auslegung von § 147 Abs. 4 S. 1 StPO oder gar einer analogen Anwendung des § 147 Abs. 7 StPO nicht bedarf.

b) Eine weitergehende „Eingriffsvertiefung“ ist bei Mitgabe an den Verteidiger nicht zu befürchten, da dieser lediglich an einem anderen Ort von seinem ohnehin bestehenden Einsichtsrecht Gebrauch macht. Die Gefahr einer unkontrollierten Weitergabe an Dritte besteht bei Verteidigern – als Organen der Rechtspflege – nicht (so auch KG, Beschluss vom 15. März 2015 – 2 StE 14/15, juris, Rn. 11 für dem Gericht bekannte Verteidiger); im Übrigen beugt auch das Standesrecht dem vor, vgl. §§ 19 BORA, 43, 43a BRAO. Schließlich würde sich eine etwaige Gefahr der unkontrollierten Weitergabe von Akteninhalten auch bei – unstreitig an den Verteidiger zu übersendenden – schriftlichen Aktenbestandteilen nicht verneinen lassen. Die in § 101 Abs. 8 S. 1 StPO statuierte Verpflichtung zur Löschung der gewonnenen Daten wird durch die Aushändigung an den Verteidiger ebenfalls nicht vereitelt (KG, a.a.O.; a.A. OLG Hamburg, Beschluss vom 16. Februar 2016 – 3 Ws 11-12/16, juris, Rn. 12 ff.; OLG Nürnberg, a.a.O., Rn. 14); denn dieser ist, als Organ der Rechtspflege auch ohne besonderen Hinweis oder vorheriger Verpflichtungserklärung verpflichtet, die erhaltenen Datenträger (und eventuell angefertigte Kopien) an das Gericht zurückzugeben.

c) Darüber hinaus bestünde hier, worauf die Verteidigung zu Recht hinweist, bei bloßer Zugänglichmachung der Tonaufnahmen in den Räumen der PP Südhessen in Darmstadt sowie des PP Rheinpfalz ein dem Grundsatz des fairen Verfahrens zuwiderlaufendes Defizit auf Seiten der Verteidigung bei der Möglichkeit zur Kenntnisnahme der für sie notwendigen Informationen. Diese läge nicht nur in einer räumlich und zeitlich begrenzten, sondern auch gegenüber Gericht und Staatsanwaltschaft unterlegenen Möglichkeit zur Kenntnisnahme. Das Verfahren hatte bereits am 4. Oktober 2016 begonnen. Der Datenträger mit dem „Stand: 19.10.2016“ war dem Gericht am 24. Oktober 2016 übergeben worden und das Abspielen zur Beweisaufnahme war bereits für die Hauptverhandlung vom 8. November 2016 geplant.

Mit der Entscheidung kann man übrigens nicht nur im Strafverfahren, sondern auch im Bußgelverfahren argumentieren, wenn es um die Einsicht in Messdaten, Messbilder usw. geht. Auch da berufen sich ja einige AG auf den Datenschutz.“

Akteneinsicht a la AG Kassel/in Hessen, oder: Danke bzw. es gibt in Hessen doch Gewaltenteilung

© Avanti/Ralf Poller - Fotolia.com

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In erinnere: Bei mir hat es vor einiger Zeit das Posting gegeben: Sondermeldung: Gewaltenteilung in Hessen wohl aufgehoben, oder: Hinterzimmermauschelei im Bußgeldverfahren? Da ging es um Schreiben des Regierungspräsidiums Kassel, das ein Kollege auf seine Anforderung von Messdaten von dort erhalten hatte. Kurzfassung: Messdaten gibt es nur eingeschränkt, darüber ist man sich „anlässlich einer Dienstbesprechung meiner Behörde mit Vertretern des OLG Frankfurt am Main und der hessi­schen Amtsgerichte am 23.04.2015″ einig geworden.

Nun, so einig – Gott sei Dank – nicht. Denn es gibt inzwischen den AG Kassel, Beschl. v. 23.12.2015 – 381 OWi 315/15 , der sich mit den Fragen (noch einmal) befasst; über den Beschluss hatte der Kollege vom Verkehrsrechtsblog ja auch schon berichtet hat. Die Leitsätze der Entscheidung, die noch einmal den Stand der Rechtsprechung schön zusammenfasst – einige der angeführten Entscheidungen hatte ich hier ja auch schon gebracht:

1. Im Bußgeldverfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung hat der Verteidiger das Recht auf Einsicht in die gesamte Messreihe einschließlich der entsprechenden Datensätze auch dann, wenn sich diese nicht in der Akte, sondern bei der Bußgeldbehörde befinden.
2. Datenschutzrechtliche Bedenken stehen der Einsicht in die gesamte Messreihe nicht entgegen, da das Interesse anderer abgebildeter Verkehrsteilnehmer gegenüber dem Recht des Betroffenen auf eine effektive Verteidigung zurückzustehen hat.
3. Die Einsicht in die vollständige Messreihe kann dem Verteidiger durch Übersendung einer Kopie der Datensätze auf einem von ihm zur Verfügung zu stellenden Datenträger gewährt werden. Erforderlichenfalls ist ihm der dazugehörige öffentlichen Schlüssel/Token zur Verfügung zu stellen.

Auf zwei Passagen will ich extra hinweisenn, nämlich:

…..Soweit die Verwaltungsbehörde der Auffassung ist, dass bei einem „standardisierten Messverfahren nicht ersichtlich sei, wozu die gesamte Messreihe benötigt werde“, unterliegt sie einem Zirkelschluss. Die Einsicht in den gesamten Messfilm ist erforderlich, um beispielsweise Unregelmäßigkeiten bei der Dateneinblendung, eine hohe Anzahl verworfener Messungen oder sonstige Hinweise auf eine Fehlfunktion des Geschwindigkeitsmessgerätes oder eine fehlerhafte Inbetriebnahme oder Bedienung des Gerätes durch den Messbeamten erkennen zu können. Aus den Aufzeichnungen der gesamten Messung können Schlüsse auf die Messung gezogen werden, mit der der Vorwurf gegen die Betroffene begründet wird…..

…….
In diesem Zusammenhang kann sich die Verwaltungsbehörde insbesondere auch nicht – wie zuletzt in anderen Verfahren zu beobachten war – unter pauschale Berufung auf vermeintliche datenschutzrechtliche Erwägungen aus der Verantwortung ziehen und den Betroffenen schlicht darauf zu verweisen, zunächst ein kostenträchtiges gerichtliches Verfahren anzustrengen, um dann über das Gericht Einsicht in den Messfilm zu bekommen. Eine derartige Verwaltungspraxis führt vielfach zu einer vermeidbaren Anrufung des Gerichts und ist für den Betroffenen unzumutbar. Betrachtet man die Rechtsprechung zu der Frage, ob dem Verteidiger im Bußgeldverfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung die Einsicht in den von der Geschwindigkeitsmessung vorliegenden Messfilm bzw. Messdateiserie zu gewähren ist, ist festzustellen, dass diese Frage im Sinne des Betroffenen als geklärt anzusehen ist (siehe nur OLG Oldenburg, Beschl. 06.05.2015 – 2 Ss (OWi) 65/15; AG Bergisch Gladbach, a.a.O.; AG Königs Wusterhausen, Beschl. v. 17.03.2015 – 2.4 OWi 282/14; AG Fritzlar, a.a.O.; AG Stuttgart, Beschl. v. 01.04.2014 – 11 OWi 575/14; AG Duderstadt, a.a.O.; AG Luckenwalde, Beschl. v. 07.10.2013 – 28 OWi 122/13; AG Ulm, a.a.O.; AG Schleiden, Beschl. 23.10.2012 – 13 OWi 140/12 (b); AG Cottbus, a.a.O. sowie Beschl. v. 17.06.2008 – 67 OWi 1611 Js-OWi 17966/08 (174/08); AG Stuttgart, Beschl. v. 29.12.2011 – 16 OWi 3433/11; AG Heidelberg, Beschl. v. 31.10.2011 – 3 OWi 510 Js 22198/11; AG Senftenberg, a.a.O.). Angesichts dessen grenzt die unzulässige Beschränkung der Verteidigung durch die Nichtherausgabe kompletter Messreihen durch die Verwaltungsbehörde an eine bewusste Rechtsverweigerung, die abzustellen ist.“

Danke AG Kassel, es gibt dann doch auch in Hessen die Gewaltenteilung.

Kurios I: Wer schützt in Sachsen/beim AG Pirna den Datenschutz?

entnommen wikimedia.org

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In Sachsen, zumindest im Bezirk der StA Dresden, dürfte es dann wohl keine Bußgeldverfahren wegen Ordnungswidrigkeit nach  dem Bundesdatenschutzgesetz mehr geben. Das ist die Quintessenz aus dem AG Pirna, Beschl. v. 07.04.2014 – 24 OW1151 Js 45191/13. Da war am 05.07.2013 gegen die Betroffene durch den Sächsischen Datenschutzbeauftragen ein Bußgeldbescheid erlassen worden. Nach Einspruch durch die Betroffene wurde das Verfahren vom Datenschutzbeauftragen an die Staatsanwaltschaft Dresden abgegeben und von dort aus gemäß § 69 Abs. 4 Satz 2 OWiG an das AG Pirna weitergeleitet. Im Verfahren wurde seitens des Sächsischen Datenschutzbeauftragten die Auffassung vorgetragen, dass aufgrund des Artikel 28 Absatz 1 der Richtlinie EG 95/46 und der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 09.03.2010 (Az.:C-518/07) die Prüfungs- und Vorlagekompetenz des § 69 Absatz 4 OWiG nicht mehr der Staatsanwaltschaft als weisungsgebundene Behörde obliegen dürfe, da hierdurch eine nicht zulässige Kontrolle des Datenschutzbeauftragten stattfände. Mithin müsse § 69 Abs. 4 OWiG im Wege der Auslegung auf den Datenschutzbeauftragen ausgeweitet werden.  Die Staatsanwaltschaft Dresden hat daraufhin jede weitere Tätigkeit im Zwischen- und Gerichtsverfahren für ausgeschlossen erklärt.

 Das AG stellt wegen eines Verfahrenshindernisses ein:

„Da nach Auffassung des Unterzeichners eine „einfache“ erweiternde Auslegung des § 69 Abs. 4 OWiG auf den Datenschutzbeauftragten nicht möglich ist und die Staatsanwaltschaft Dresden sich nicht mehr für zuständig erachtet, fehlt aus Sicht des Unterzeichners der nach § 69 Abs. 4 OWiG zwingend erforderliche Verfahrensbeteiligte.

Dies führt zu einem Verfahrenshindernis und demgemäß zur Einstellung.“

Tja, und nun?

 

 

 

Schweigepflicht schlägt Auskunftspflicht – Schlappe für Datenschutzbeauftragten

Was es nicht alles gibt. Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll, wenn man sich den dem Beschl. des KG v. vom 20. August 2010 – 1 Ws (B) 51/07 zugrundeleigenden Sachverhalt vergegenwärtigt. Da hatte der Betroffene, ein Rechtsanwalt, als Verteidiger in einem Strafverfahren vor dem Amtsgericht Potsdam am 23. August 2004 zwei Briefe zum Gegen­stand der Hauptverhandlung gemacht, die ein Zeuge, der mit dem Angeklagten in einem Nachbarschaftsstreit lag, an seine Hausverwaltung geschrieben hatte. Trotz mehrfacher Aufforderung durch den Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit verweigerte der Betroffene unter Berufung auf seine anwaltliche Verschwiegenheitspflicht die Auskunft, wie er in den Besitz der Briefe gekommen war. Deswegen erlässt der Datenschutzbeauftragte gegen ihn einen Bußgelbescheid über 3.000 €, gegen den der Verteidiger Einspruch einlegt. Das AG spricht frei, dagegen die Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft, die von der GStA offenbar vertreten wird. Dann die Entscheidung des KG, das die Rechtsbeschwerde verworfen hat. Dem Beschluss sind folgende Leitsätze vorangestellt:

1. Die Bestimmungen der BRAO sind keine „bereichsspezi­fi­sche Sonderregelung“ im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BDSG.

2. Die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts nach § 43a Abs. 2 Satz 1 und 2 BRAO fällt unter § 1 Abs. 3 Satz 2 BDSG.

3. Der Rechtsanwalt ist wegen § 38 Abs. 3 Satz 2 BDSG im Hinblick auf § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht verpflichtet, dem Datenschutzbeauftragten mandats­bezogene Informationen zu geben, die seiner Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Denn die Vorschrift des § 38 Abs. 3 Satz 1 BDSG enthält keine dem § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BDSG entsprechende Bestimmung, nach der sich auch bei nicht-öffent­lichen Stellen die Kontrollbefugnis des Datenschutz­beauftragten auf diejenigen personenbezogenen Daten erstreckt, die der beruflichen Geheimhaltung unterliegen.

Dem ist m.E. nichts hinzuzufügen. Außer: Es ist traurig, dass man dafür ein Obergerichte bemühen muss.