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Richtervorbehalt: Einwilligungsfähigkeit bei über 2,0 ‰ BAK?

Aus der Rechtssprechung zu den § 81a-StPO-Fragen ist hinzuweisen auf den Beschl. des OLG Hamm v. 20.02.2011 – 3 RVs 104/10, der sich noch einmal mit der Frage der Einwilligungsfähigkeit des Beschuldigten befasst, zu der das OLG ja im vergangenen Jahr schon Stellung genommen hatte. In der Entscheidung vom 02.11.2010 – III-3 RVs 93/10 hatte das OLG darauf hingewiesen, dass eine nur mittelgradige Alkoholisierung (von 1,23 ‰) wohl nicht zu Zweifeln an der Einwilligungsfähigkeit führe.

In der Entscheidung vom 20.02.2011 führt es nun aus, dass auch bei alkoholischen Beeinflussungen oberhalb von 2,0 ‰ BAK es möglich sei, dass der Beschuldigte den Sinn und die Tragweite der Einwilligung in die Blutprobenentnahme nach § 81 a StPO erkenne. Hierzu bedürfe es jedoch einer näheren Darlegung der insoweit relevanten Umstände, etwa des Vorhandenseins von Ausfallerscheinungen, des vorangegangenen Trinkverhaltens, der Trinkgewohnheiten und ggf. weiterer Umstände, die Anhaltspunkte für die Beurteilung einer Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten des Beschuldigten aufgrund der gegebenen Alkoholisierung darstellen.

Also: Gesteigerte Anforderungen an die Feststellungen. Wenigstens etwas. Mit Hoppla hopp ist es also nicht getan. Und auch bloße Bewertungen des Tatrichters reichen nicht. Er muss schon mitteilen, auf welche Tatsachen sich die stützen.

Richtervorbehalt bei der Blutentnahme – die Diskussion ist (nicht) zu Ende…

allerdings in Sachsen-Anhalt wohl, wenn man OLG Naumburg, Urt. v. 07.02.2011 – 1 Ss 38/10 liest. Denn nach Auffassung des OLG besteht für den Geschäftsbereich des Oberlandesgerichts Naumburg aufgrund des eher geringen Fallaufkommens kein Bedürfnis für die Einrichtung eines nächtlichen richterlichen Bereitschaftsdienstes. Daher folge aus dem Fehlen eines nächtlichen richterlichen Bereitschaftsdienstes bei Anordnung der Blutprobenentnahme durch Ermittlungspersonen zu einem Zeitpunkt außerhalb der Dienstzeit des eingerichteten richterlichen Bereitschaftsdienstes kein Beweiserhebungsverbot.

Na ja, die Entscheidung beißt sich m.E. an der ein oder anderen Stelle mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Unzulässigkeit genereller Anordnungen, aber: Der Zug fährt erkennbar in die andere Richtung. Zwar leider falsch, aber: Manches kann man nicht ändern.

Karlsruhe locuta, causa finita? – BVerfG zum 4. Mal BVV bei § 81a StPO, allerdings ablehnend

Gerade erreicht mich die Pressemitteilung des BVerfG zum Beschl. v. 24.02.2011 – 2 BvR 1596/10  und  2 BvR 2346/10, mit dem das BVerfG zum vierten Mal zum Beweisverwertungsverbot bei § 81a StPO Stellung genommen hat.

Das BVerfG lehnt ein BVV ab. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass nach der strafgerichtlichen Rechtsprechung eine fehlende  Dokumentation allein nicht zu einem Verwertungsverbot führt (hatten wir schon im Sommer 2008). Gleiches gelte für das Fehlen eines nächtlichen richterlichen Bereitschaftsdienstes. In einem solchen Fall können die Strafgerichte darauf verweisen, dass die handelnden Polizeibeamten den Richtervorbehalt nicht willkürlich oder zielgerichtet umgehen.

Na ja, das kann man auch anders sehen. Aber: Karlsruhe locuta, causa finita? Zumindest wird es nicht einfacher :-(.

Endlich: Zahlen auf dem Tisch, oder: Wie besoffen muss ich sein,…

…damit eine Einwilligung in die Blutentnahme mit der Folge, dass die richterliche Anordnung (§ 81a Abs. 2 StPO) nicht erforderlich ist, nicht mehr wirksam ist. Zu der Frage hatte es bisher zwei Entscheidungen gegeben, die sich damit eingehender auseinandergesetzt hatten, nämlich OLG Bamberg und LG Saarbrücken. In beiden Entscheidungen waren aber konkrete Zahlen nicht genannt worden, so dass die Frage, ab wann denn nun erfolgversprechend die Unwirksamkeit einer Einwilligung wegen fehlender Einwilligungsfähigkeit geltend gemacht werden kann, offen war.

Dazu liegt aber jetzt die erste obergerichtliche Entscheidung vor. Das OLG Hamm hat in seinem Beschl. v. 02.11.2010 – III-3 RVs 93/10 ausgeführt, dass dann, wenn ein Beschuldigter in eine Blutprobenentnahme einwillige, es regelmäßig keiner Anordnung zu einer Entnahme derselben durch einen Richter bedürfe – insoweit nichts Neues. Auch nicht neu ist, dass die Einwilligung ausdrücklich und eindeutig und aus freiem Entschluss erklärt werden muss. Neu sind aber die Ausführungen zur Einwilligungsfähigkeit. Insoweit gilt: Liegt nur eine mittelmäßige Alkoholisierung (im entschiedenen Fall:  1,23 Promille) ohne deutliche Ausfallerscheinungen vor, sei von einer solchen auszugehen. Das OLG führt weiter aus:

„Die Grenze, bei der deutliche Beeinträchtigungen in der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit angenommen werden, liegt bei etwa 2 Promille Blutalkohol. Von diesem Wert war der Angeklagte sehr weit entfernt. Er zeigte zwar Ausfallerscheinungen, insbesondere den vom Amtsgericht festgestellten schwankenden Gang, war aber durchaus in der Lage, mit seinem PKW unfallfrei zumindest noch für einen kurzen Zeitraum am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen. Soweit die Revision auf den ärztlichen Befundbericht verweist, nach dem der Angeklagte nach außen hin deutlich unter Alkoholeinfluss gestanden haben soll, ist dieser Vortrag urteilsfremd. Insgesamt ergeben sich keine genügenden greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte trotz der im Hinblick auf eine Beeinträchtigung seiner kognitiven Fähigkeiten eher geringgradigen Alkoholisierung nicht in der Lage gewesen sein sollte, die Belehrung zu verstehen und die Tragweite seiner Einwilligung zu erkennen, zumal es sich um einen völlig einfach gelagerten Sachverhalt gehandelt hat.“

Daraus wird man den Schluss ziehen können/Müssen: Ab 2 Promille war es das mit der Wirksamkeit der Einwilligung. Das entspricht in etwa der Grenze, ab der die Obergerichte im Urteil Ausführungen zu § 21 StGB erwarten.

Mal wieder was zum Richtervorbehalt bei der Blutentnahme – so kann man m.E. nicht argumentieren…

Im Moment ist es an der Front „Richtervorbehalt bei der Blutentnahme“ verhältnismäßig ruhig; die OLG scheinen mit der Rechtsprechung dazu weitgehend durch zu sein…

Da interessiert dann vielleicht doch mal wieder eine Entscheidung zu der Problematik, und zwar das Urt. des OLG Frankfurt v. 08.09.2010 – 3 Ss 285/10. Das OLG lehnt – wie auch schon früher – ein Beweiserhebungsverbot ab und auch ein Beweisverwertungsverbot – was übrigens auf einem Verteidigerfehler beruht, da schon nicht widersprochen worden ist.

Zum Beweiserhebungsverbot heißt es:

„Zudem ist zu berücksichtigen, dass im vorliegenden Fall auch ohne Einschaltung des Richters vom Zeitpunkt der Anordnung durch die Polizeibeamtin bis zur tatsächlichen Entnahme bereits eine Stunde verstrichen ist. Eine weitere zeitliche Verzögerung war angesichts des im Grenzbereich liegenden Atemalkoholwertes deshalb zu vermeiden.“

Aber hallo: Kann/darf man so denn argumentieren? Muss man sich nicht zumindest dann auch mit der Frage auseinandersetzen, warum eigentlich in der Stunde, in der man gewartet hat, nichts unternommen hat, um eine richterliche Anordnung zu erlangen.