Heute mache ich im „Kessel Buntes“ mal Werbung, aber nicht „mal wieder“ für meine Bücher – obwohl ich dafür auch werben könnte <<Werbemodus an>> zur Bestellseite geht es hier <<Werbemodus aus>> 🙂 , sondern ich stelle zwei Entscheidungen vor, die sich mit Werbung befassen.
Und ich beginne mit dem LG München I, Urt. v. 13.02.2023, Az. 4 HK O 14545/21. Das ist das „Focus-Siegel-Urteil“. Das ist schon etwas älter. Und es betrifft Ärzte. M.E. dürfte es aber auch für andere Berufsfruppen gelten, also auch für Rechtsanwälte.
Ich habe bewusst bisher noch nicht über das Urteil berichtet – an anderen Stellen konnte man aber schon dazu nachlesen. Ich wollte auf den gegebenen Anlass warten. Und der ist nun da und weitere werden sicherlich folgen. Derzeit liest man nämlich viel über eine „Stern-Liste“ und die nächste „Focus-Liste“ für Rechtsanwälte wird sicherlich folgen, die Liste „Deutschlands Top-Anwälte“ oder so ähnlich.. Und vorher wird es sicherlich auch wieder einen „Focus-Aufruf“ geben, der dann dazu führen wird, dass in den sozialen Netzwerken an manchen Stellen wieder das (ermüdende) Spiel „do ut des“ beginnt, also: „Meldest du mich, melde ich dich“ oder: „Meldest du mich im IT-Recht, melde ich dich im Strafrecht“. Ich kann das nicht so richtig nachvollziehen, weil ich mich immer frage, was ist eigentlich eine Bewertung wert, die ggf. unter solchen Umständen erfolgt ist bzw. zum Erfolg geführt hat, dass man nämlich auf der Liste steht? In meinen Augen zumindest nicht viel. In meinen Augen ist das weitgehende nur Geschäftemacherei vom Focus, der sich das Verwenden des „Focus-Siegels“ ja (teuer) bezahlen lässt. Früher waren das man 7.500 EUR (vgl. hier Die spinnen, die vom Focus…., oder: Was man mit 7.500 € alles machen kann). Was es heute kostet, weiß ich nicht.
Nun, langer Rede kurzer Sinn, oder: Dazu passt dann das LG München I-Urteil. Entschieden worden ist mit dem Urteil über die Unterlassungsklage eines Verbraucherschutzverbands betreffend die Verleihung und Veröffentlichung des „Ärzte-Siegel“ des Focus). Beanstandet worden ist vom Verbraucherschutzverband, dass der Focus-Verlag gegen Entgelt – an Ärzte und Ärztinnen – Siegel verleiht, die sie dafür als „Top Mediziner“ auszeichnen oder eine „Focus Empfehlung“ ausweisen. Einmal im Jahr erscheint im Focus dann eine „Ärzteliste“. Und wer ein Entgelt von rund 2.000 EUR bezahlt, erhält ein Siegel unter der Rubrik „Focus Empfehlung“, das werblich genutzt werden kann.
Nach Auffassung des LG verstößt die Vergabe dieser Siegel gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot:
„1. Die Beklagte verstößt durch die Vergabe der Siegel, die nach ihrem eigenen Vortrag von den Ärzten werblich genutzt werden sollen, gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsgebot des § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
Mit den Siegeln wird bei deren angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt, dass die betreffenden Ärzte, die als „TOP-Mediziner“ bezeichnet bzw. als … Empfehlung“ angepriesen werden, aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet wurden und dadurch eine Spitzenstellung unter den Ärzten gleicher Fachdisziplin einnehmen.
Die von der Beklagten gegen Bezahlung einer nicht unerheblichen sog. Lizenzgebühr vergebenen Siegel haben die Aufmachung eines Prüfzeichens und werden in den vorgelegten Medien auch als solche werbend verwendet (vgl. etwa die Werbung gemäß Anlage K 9, Seite 1 der Anlage K 1 und die Rückseiten der Anlagen K 1 und K 2). Dies wird letztendlich auch von der Beklagten so gesehen, die auf die als Anlage B 9 vorgelegte Pressemitteilung der Stiftung Warentest verweist. Die angesprochenen Verkehrskreise werden die Siegel, die von der Beklagten lizenziert werden, ähnlich wie Prüfsiegel der Stiftung Warentest auffassen und davon ausgehen, die betreffenden Ärzte seien aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet worden.
Nach der Lebenserfahrung hat der Hinweis auf ein Prüfzeichen für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers eine erhebliche Bedeutung. Der Verbraucher erwartet, dass ein mit einem Prüfzeichen versehenes Produkt oder eine Dienstleistung von einer neutralen und fachkundigen Stelle auf die Erfüllung von Mindestanforderungen anhand objektiver Kriterien geprüft wurde und bestimmte, von ihm für die Güte und Brauchbarkeit der Ware als wesentlich angesehener Eigenschaften aufweisen (vgl. GRUR 2016, 1398 bis 1400 – LGA tested).
Tatsächlich ist es aber selbst nach dem Vortrag der Beklagten so, dass sich die Qualität ärztlicher Dienstleistungen nicht mit Messgeräten im Testlabor ermitteln und vergleichen lässt.
Vielmehr sind von den Kriterien, die nach dem Vortrag der Beklagten bei ihren Empfehlungslisten berücksichtigt werden, Kriterien dabei, die auf ausschließlich subjektiven Elementen beruhen, wie z.B. die Kollegenempfehlung oder die Patientenzufriedenheit.
Dass Anwaltsranglisten (und gleiches muss für Ärztelisten geltend) schwerpunktmäßig Werturteile und gerade keine Tatsachenbehauptungen enthalten, war sogar der maßgebliche Grund dafür, dass das Bundesverfassungsgericht in der Juve-Handbuch-Entscheidung das Urteil des Bundesgerichtshofs, dass die entsprechenden Anwaltslisten als wettbewerbswidrig eingestuft hatte, aufgehoben hat (vgl. den ersten Leitsatz der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts GRUR 2006, 1319)
Durch die gegen ein nicht unerhebliches Entgelt gewährte Lizenzierung von Gütesiegeln, die den Anschein eines objektiven Prüfzeichens erwecken, wird jedoch gerade der Bereich der von der Meinungsfreiheit und Pressefreiheit gedeckten redaktionellen, bewertenden Beurteilung verlassen und der irreführende Eindruck erweckt, es gebe tatsächliche, objektiv nachprüfbare Kriterien, die zur Verleihung des Gütesiegels geführt haben.
Die von der Beklagten vergebenen Siegel erwecken gerade nicht den Eindruck, dass diesem eine mathematisch nicht nachvollziehbare Wertungsentscheidung zugrunde liegt. Das vermeintlich durch das Siegel objektivierte Qualitätsurteil ist in Wahrheit ein rein subjektives, das von vielen durch Ärzte und ihre Leistungen nicht beeinflussbare Faktoren abhängt. Dies gilt sowohl für das Siegel mit der Bezeichnung „TOP-Mediziner“ als auch für das regionale Siegel, das mit … Empfehlung“ galabelt ist. Auch dieses etwas weicher formulierte Siegel hat die optische Aufmachung eines Prüfzeichens und wird daher jedenfalls bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise die Erwartung wecken, die Prüfung sei anhand objektiv nachvollziehbarer Kriterien durchgeführt worden.
2. Die Beklagte kann auch nicht damit gehört werden, die Lizenzierung sogenannter Siegel sei ein unselbständiger, nachgelagerter Akt der Ärztelisten, der ebenfalls von der Pressefreiheit umfasst sei. Zwar erstreckte sich die Pressefreiheit in dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts NJW 2003, 277, Juve-Handbuch zu Grunde lag, auch auf die Refinanzierung der redaktionellen Inhalte. Diese Aussage des Bundesverfassungsgerichts bezog sich jedoch allein darauf, dass in dem dort zu entscheidenden Fall nicht festgestellt werden konnte, dass durch die Veröffentlichung von Ranglisten in sittenwidriger Weise auf die Aufgabe von Inseraten hingewirkt wurde und dass anzeigenfinanzierte Medien regelmäßig darauf angewiesen sind, zur Schaltung von Anzeigen zu motivieren.
Hiervon unterscheidet sich der vorliegende Fall jedoch grundlegend. Die Wettbewerbswidrigkeit der Prüfsiegel ergibt sich im vorliegenden Fall nicht daraus, dass irgendjemand in sittenwidriger Weise zum Erwerb dieses Prüfsiegels verleitet wurde, sondern daraus, dass in irreführender Weise der Bereich des redaktionellen, wertenden Beitrags verlassen und der Eindruck erweckt wird, es finde eine Bewertung nach objektiven Kriterien statt.
Hinzu kommt, dass Medien zwar regelmäßig darauf angewiesen sind, sich durch Anzeigen finanzieren, nicht jedoch durch die Vergabe von Prüfsiegeln gegen ein nicht unerhebliches Entgelt. Dass dies eine unübliche, nicht zwingend erforderliche Art der Finanzierung redaktioneller Beiträge ist, zeigt von der eigene Vortrag der Beklagten, wonach die Verteilung der Siegel erst eine Reaktion auf den vor etwa zehn Jahren eingetretenen sogenannten „Wildwuchs“ gewesen sei. Davor wurden die Magazine mit den Ärztelisten ganz offensichtlich anders finanziert“
Ok, ich räume ein, die Vergabe der „Ärzte-Siegel“ läuft wohl anders als bei den „Anwaltslisten“ (zur dortigen Methodik u.a. hier: So ermittelt FOCUS die Top-Rechtsanwälte). Aber auf die Anwaltsliste kommt man ja wohl auch nicht – so mein Kenntnisstand „aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung“.
Nur, damit kein falscher Eindruck entsteht. Mir ist es völlig egal, wer sich da auf den Listen tummelt und ob das nun alles „Spitzenanwälte“ oder „Top-Anwälte“ sind. M.E. trennt sich die Spreu vom Weizen eh an anderer Stelle, nämlich in der Praxis. Und ja, ich weiß auch, dass nicht alle, die auf der Liste stehen, das „do ut des“-Spiel mitmachen. Um die und deren Bewertung tut es mir dann erst recht leid. Denn. Was ist eine solche „neutrale Bewertung“ wert, wenn nebenab jemand platziert ist, der „do ut des“ gespielt hat? Die Frage stellen, heißt sie mit einem „nichts“ oder „zumindest wenig“ zu beantworten.