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StPO I: BGH zum Beweisantragsmerkmal Konnexität, oder: BGH zur Beweisbehauptung beim SV-Antrag

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Heute gibt es dann – zum letzten Mal vor Weihnachten – noch einmal StPO-Entscheidungen, und zwar einiges vom BGH und eine AG-Entscheidung.

In diesem Posting stelle ich zunächst zwei BGH-Entscheidungen zum Beweisantrag vor, und zwar:

Im BGH, Beschl. v. 01.10.2024 – 1 StR 299/24 – hat der BGH noch einmal zum Merkmal der Konnexität, das ja seit einiger Zeit „geschriebenes“ Tatbestandsemerkmal für einen Beweisantrag ist, Stellung genommen. Die (umfangreichen) Ausführungen des BGH lassen sich in folgendem Leitsatz zusammengassen:

Das Merkmal der sog. Konnexität fordert nach bisherigem wie nach neuem Recht, dass ein Beweisantrag erkennen lassen muss, weshalb ein Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema, zu dem er benannt ist, bekunden können soll, etwa weil er am Tatort war, in der Nachbarschaft wohnt oder eine Akte gelesen hat. Keiner näheren Darlegung bedarf es, wenn sich der erforderliche Zusammenhang zwischen Beweistatsache und Beweismittel von selbst versteht. Der Vortrag zur Wahrnehmungskompetenz eines in einem Beweisantrag benannten Zeugen ist auch nicht stets dann entbehrlich, wenn sich diese aus den Strafakten ergibt; das ist nur in Ausnahmen der Fall.

Und dann der BGH, Beschl. v. 30.10.2024 – 1 StR 338/24 – mit Ausführungen zur konkreten Beweisbehauptung beim Sachverständigenbeweis:

Ein Beweisantrag erfordert eine bestimmte Beweistatsache. Erforderlich ist, dass der tatsächliche Vorgang oder der Zustand bezeichnet wird, der mit dem benannten Beweismittel unmittelbar belegt werden kann. Nicht ausreichend ist die Benennung eines Beweisziels, also der Folgerung, die das Gericht nach Auffassung des Antragstellers aus von ihm nicht näher umschriebenen tatsächlichen Vorgängen oder Zuständen ziehen soll. Ob der Antragsteller eine für die Annahme eines Beweisantrages hinreichend konkrete Beweisbehauptung aufstellt, ist ggf. durch Auslegung zu ermitteln. Hierbei dürfen insbesondere für einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens keine überspannten Anforderungen gestellt werden; denn insoweit ist der Antragsteller vielfach nicht in der Lage, die seinem Beweisziel zugrundeliegenden Vorgänge oder Zustände exakt zu bezeichnen.

StPO I: „die Schilderungen … sind nicht erlebnisbasiert, oder: Das ist das Beweisziel, nicht die Behauptung

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Und in die (kurze) Restwoche geht es heute mit StPO-Entscheidungen.

Die erste Entscheidung kommt vom BGH. Der hat im BGH, Beschl. v. 02.08.2023 – 5 StR 137/23 – noch einmal zu den Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Beweisantrages Stellung genommen. Nichts Dolles, aber zur Erinnerung an die Voraussetzungen „ganz nett“:

Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:

Der Verfahrensrüge des Angeklagten, ein in der Hauptverhandlung gestellter Hilfsbeweisantrag auf Einholung eines weiteren aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens sei im Urteil zu Unrecht nach § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO abgelehnt worden, bleibt schon deshalb der Erfolg versagt, weil das zugrundeliegende Beweisersuchen nicht die Voraussetzungen eines Beweisantrages nach § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO erfüllt. Dieses teilt lediglich das Beweisziel („dass die Schilderungen … nicht erlebnisbasiert sind“) mit und enthält weder eine konkrete Tatsachenbehauptung noch die für die begehrte weitere Begutachtung erforderlichen zureichenden Anknüpfungstatsachen. Zudem zeigt das Beweisanliegen keine konkreten methodischen Mängel des Erstgutachtens auf (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 1999 – 1 StR 618/98, BGHSt 45, 164, 166), sondern erschöpft sich in dem wiederholt pauschal angeführten Vorbringen, das Gutachten sei „ungenügend“.

OWi II: Beweisbehauptung, ein anderer war Fahrer, oder: Achtung bei der Formulierung

Die zweite Entscheidung des Tages behandelt auch eine verfahrensrechtliche Problematik aus dem Owi-Verfahren, die allerdings auch in einem Strafverfahren von Bedeutung sein kann. Der BayObLG, Beschl. v. 28.05.2019 – 201 ObOWi 758/19 – nimmt nämlich (noch einmal) zu der Beweisbehauptung in einem (Beweis)Antrag Stellung, ein anderer – als der Betroffene – habe das Fahrzeug geführt.

Dazu hat das BayObLG wie folgt ausgeführt:

„Außerhalb der durch das Rechtsmittel veranlassten Sachprüfung bemerkt der Senat ergänzend:

Soweit die Verletzung des Beweisantragsrechts bzw. insoweit die Versagung rechtlichen Gehörs beanstandet wird, ist die Rüge unbeschadet ihrer am Maßstab der §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zu messenden zulässigen Erhebung unbegründet. Denn auch mit dem positiv formulierten Beweisbegehren auf Einholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens „zum Beweis der Tatsache, dass es sich bei dem Fahrer zur Tatzeit um eine andere Person als den Betroffenen […] handelt“, wird allenfalls das von der Beweiserhebung erhoffte Beweisziel ‚unter Beweis‘ gestellt. Dies genügt regelmäßig nicht den für einen förmlichen Beweisantrag notwendigen Anforderungen an eine hinreichend bestimmte Beweisbehauptung. Zwar ergibt sich aus dem Beweisbegehren die Minimalbehauptung, dass mit der Beweiserhebung unter Beweis gestellt werden soll, dass nicht der Betroffene, sondern eben „eine andere Person“ zur Tatzeit verantwortlicher Führer des Tatfahrzeugs gewesen ist. Diesen Schluss hätte und hat indes gerade nicht der beantragte (anthropologische) Sachverständige, sondern allein das Gericht auf der Grundlage der erhobenen Beweise zu ziehen. Es fehlen aber insoweit jegliche Angaben entweder dazu, welche bestimmte (‚verwechselungsgeeignete‘) Person anstelle des Betroffenen das Fahrzeug zur Tatzeit geführt hat bzw. auf dem Beweisfoto abgebildet ist oder aber wenigstens dazu, welche bestimmten morphologischen oder sonstigen Merkmale des Erscheinungsbilds, die eine Identität des Betroffenen mit der auf dem Messfoto abgebildeten Person ausschließen, durch das beantragte Gutachten ermittelt werden sollen (vgl. neben BGH, Beschl. v. 24.01.2017 – 2 StR 509/16 = NStZ 2017, 300 = StV 2017, 787 u.a. auch OLG Hamm, Beschl. v. 15.09.2009 – 3 Ss OWi 689/09 und 17.02.2009 – 4 Ss OWi 86/09 [jeweils bei juris] sowie OLG Bamberg, Beschluss v. 17.03.2017 – 3 Ss OWi 264/17 = StraFo 2017, 156 = OLGSt StPO § 244 Nr 25, jeweils m.w.N.).“

Wie man an den zitierten Entscheidungen sieht. Ein alter Hut, der aber die Praxis immer wieder beschäftigt. Also Augen auf bei diesen Beweisbehuaptungen. Dann kann/sollte nichts schief gehen.

Beweisantrag: Einmal mehr – Sorgfalt an den Tag legen

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Jeder Verteidiger weiß, dass und wie sorgfältig man einen Beweisantrag formulieren muss, will man nicht Gefahr laufen, dass er abgelehnt wird. Desto besser/klarer formuliert, desto größer ist die Chance, dass dem Beweisbegehren nachgegangen wird bzw. werden muss. Und: Widersprüchlich sollte das Beweisvorbringen auch nicht sein. Das macht auch der BGH, Beschl. v. 23.10.2012 – 1 StR 261/12 – deutlich. Da hatte der Verteidiger auf diese Dinge wohl nicht ausreichend geachtet:

„Die vom Angeklagten K. erhobene Rüge, sein Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem „Fachbereich Schlösser und Schlüssel“ sei rechtsfehlerhaft abgelehnt worden, hat keinen Erfolg. Ungeachtet der Zulässigkeit dieser Rüge durfte die Strafkammer die Beweiserhebung als ungeeignet ablehnen soweit damit unter Beweis gestellt werden sollte, der Schlüssel passte nicht in dem Sinne zu dem Schloss, als dass es sich mit ihm nicht betätigen ließ. Denn bei der unter Beweis gestellten Tatsache handelt es sich um eine von jedermann ohne besondere Sachkunde festzustellende (vgl. Becker in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 244 Rn. 238 mwN). Soweit der Antrag allerdings dahingehend zu verstehen gewesen sein sollte, es solle bewiesen werden, dass das Schloss zu stark beschädigt gewesen sei, als dass man aus dem Betätigen des Schlosses auf die Zugehörigkeit des hierzu benutzten Schlüssels schließen könne, lag in Ermangelung einer hinreichend bestimmten Beweistatsache schon kein Beweisantrag vor (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 1997 – 1 StR 627/97, NStZ 1998, 209, 210). Denn insoweit enthält der Antrag widersprüchliche Beweisbehauptungen. So wird einerseits vorgetragen, das „einfache Auf-zu-Schloss“ sei durch das vorherige Aufbrechen bereits so zerstört gewesen, dass es nicht mehr möglich sei, festzustellen, ob der Schlüssel passte, weswegen das Sachverständigengutachten erbringen werde, der Schlüssel könne dieser Kassette „nicht zweifelsfrei“ zugeordnet werden. Andererseits wird behauptet, das Gutachten werde ergeben, dass es sich nicht um den Schlüssel zu der Kassette handele. Eine Rüge mit der Angriffsrichtung, die Strafkammer habe unter Missachtung ihrer Aufklärungspflicht über diesen Beweisermittlungsantrag nicht entschieden, ist nicht erhoben. Im Übrigen wäre auch ein Beruhen des Urteils auf der Behandlung des Antrags auszuschließen. Denn die Strafkammer hat ihre Überzeugung von der Verfügungsgewalt des Angeklagten über die Geldkassette auf dessen – freilich erst im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung und nach Stellung des Antrags – erfolgten Angaben hierzu gestützt.“

 

Beweisantrag II: Die bestimmte Beweisbehauptung

Immer wieder scheitern Beweisanträge in der HV an der für die Annahme eines Beweisantrages fehlenden bestimmten Beweisbehauptung. So auch in BGH, Beschl. v. 02.08.2011 – 3 StR 237/11. Dort heißt es:

„Das Landgericht hat die Ablehnung des Antrags auf Vernehmung der Zeugin I. dazu, ihr Ehemann habe „keine Ängste vor dem Angeklagten“ gehabt und insbesondere seine Drohungen nicht ernst genommen, richtig mangels bestimmter Behauptung einer konkreten (äußeren) Beweistatsache im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO zurückgewiesen. Gegenstand des Zeugenbeweises können nur solche Umstände und Geschehnisse sein, die mit dem benannten Beweismittel unmittelbar bewiesen werden. Soll aus den Wahrnehmungen des Zeugen auf ein bestimmtes weiteres Geschehen geschlossen werden, ist nicht dieses weitere Geschehen, sondern nur die Wahrnehmung des Zeugen tauglicher Gegenstand des Zeugenbeweises. Die Schlüsse aus den Wahrnehmungen – hier auf das innere Erleben des Ehemanns der Zeugin – hat das Gericht zu ziehen (BGH, Urteil vom 6. Juli 1993 – 5 StR 279/93, – 3 – BGHSt 39, 251, 253). Das gilt auch für die im Antrag geschilderte Motivation des Ehemanns, er habe die „wahre Geschichte“ nicht mitteilen wollen, weil er dem Angeklagten versprochen habe, ihn zu schonen. Auf die weiteren Erwägungen des Generalbundesanwalts zur Konnexität von Beweistatsache und Beweismittel kommt es nicht an.“