Gestern bin ich auf zwei Entscheidungen aufmerksam geworden, in denen die Fragen der Verfahrensverzögerung oder Beschleunigung – aber eher negativ – eine Rolle spielen. Das ist einmal der Beschluss des BVerfG v. 08.09.2010 – 2 BvR 1113/10, mit dem das BVerfG eine Haftentscheidung des OLG Celle wegen nicht ausreichender Verfahrensförderung aufgehoben hat – U-Haft in der Sache rund 4 Jahre 6 Monate – und dazu u.a. ausführt:
„Dies ergibt sich schon daraus, dass insgesamt gesehen nach Beginn der Hauptverhandlung das Verfahren ersichtlich zu wenig gefördert wurde, indem zu wenig verhandelt wurde. Die Hauptverhandlung dauerte insgesamt über zweieinhalb Jahre, nämlich vom 31. Oktober 2005 bis zum 28. Mai 2008. In dieser Zeit wurde an 88 Tagen verhandelt; dies entspricht einer Frequenz von 0,65 Verhandlungstagen pro Woche. Das verfassungsrechtliche Beschleunigungsgebot in Haftsachen fordert aber stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlungsplanung mit mehr als nur einem durchschnittlichen Hauptverhandlungstag pro Woche (vgl. BVerfGK 7, 140 <157>). Die Hinweise im Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts zur Anzahl der monatlichen Verhandlungstage wurden nicht beachtet, ohne dass stichhaltige Rechtfertigungsgründe ersichtlich sind. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass in Bezug auf die elf noch nicht abgeurteilten Taten jedenfalls 15 Monate lang, nämlich von Anfang Juni 2008 bis etwa Ende August 2009, ein völliger Verfahrensstillstand eintrat. Nach der diesbezüglichen Abtrennung und Aussetzung des Verfahrens mit Beschluss vom 28. Mai 2008 begann das Gericht erst im August/September 2009 damit, die Fortführung der Hauptverhandlung mit Blick auf das gesamte Verfahren ab Dezember 2009 zu planen. Der Haftbefehl wurde zwar mit Beschluss vom 28. Mai 2008 in Bezug auf die elf nicht abgeurteilten Taten aufgehoben. In der Folge blieb der Beschwerdeführer jedoch bis zum 24. August 2009 in Haft. Durch die teilweise Aufhebung des Haftbefehls wurde er insoweit nicht entlastet.
Bei der zweiten Sache handelt es sich um den Beschl. des OLG Rostock vom 24.03.2010 – 1 Ss 8/10 I 11/10 – in dem das OLG das Verfahren wegen Verfahrensverzögerung nach einer Verfahrensdauer von mehr als 11 Jahren (!!) eingestellt hat.
Beides interessant. Einen Kommentar kann man sich m.E. wegen beider Entscheidung ersparen. Außer: Man versteht es manchmal wirklich nicht.