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Oh, heilige Justitia hilf….

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Heute ist in NRW Feiertag. Die katholische Kirche feiert das Fronleichnamsfest, was hier dann zugleich auch öffentlicher Feiertag ist. Und ich hoffe, dass die hl. Justitia – wenn es sie denn gibt, was ich jetzt nicht ausgegoogelt habe – diesen kirchlichen Feiertag zum Anlass nimmt, einem Kollegen zu helfen. Pfingsten hat da leider bei dem nichts genutzt.

Um was geht es?

Nun, mich erreichte gestern die Nachricht eines befreundeten Kollegen, der mich fragte, ob er bei § 317 StPO irgendwelche Änderungen übersehen habe. An den Kollegen war eine potentielle Mandantin herangetreten, die vom AG verurteilt worden war und gegen das Urteil (selbst) Berufung eingelegt hatte. Die potentiellen Mandantin hat dem anfragenden Kollegen auch den Schriftwechsel mit ihrem bisherigen Verteidiger zur Kenntnis gebracht. Darunter war eine Mail, in der der Kollege seiner Mandantin geschrieben hatte:

„….das Amtsgericht X. teilte uns mit, dass Sie Rechtsmittel gegen das Urteil vom 07.05.2015 eingelegt haben. Die Berufung sollte begründet werden. Die Frist beträgt hierfür eine Woche ab Zustellung des Urteils, endet also am nächsten Freitag, dem 05.06.2015.  Wir dürfen um Mitteilung der Gründe für Ihre Berufung bitten. Wird die Berufung nicht innerhalb dieser Frist begründet, ist es wahrscheinlich, dass diese allein wegen der Fristversäumnis abgewiesen wird.“

Also, da fehlen mir die Worte und ich hoffe auf Erleuchtung durch die hl. Justitia 🙂 – für den Kollegen . Denn seit wann muss denn im Strafverfahren die Berufung begründet werden? § 317 StPO lässt sich das gerade nicht entnehmen. Da heißt es klar und deutlich – nur – „kann“. Und wenn der Angeklagte nicht begründet – um die Sinnhaftigkeit einer Begründung kann man streiten -, dann wird eben ohne Begründung Hauptverhandlungstermin anberaumt.

Und selbst wenn die Mandantin selbst nur (ein unbestimmtes) Rechtsmittel eingelegt haben sollte (was ich mir kaum vorstellen kann), müsste dieses nicht begründet werden. Wird das unbestimmte Rechtsmittel nicht begründet bzw. – innerhalb der Frist von einem Monat nach Zustellung des begründeten Urteils – keine Wahl getroffen, dann wird das Rechtsmittel automatisch als Berufung behandelt (BGHSt 40, 395). Also auch da kein (Berufungs)Begründungszwang. Und ich komme auf die/behandele die Variante auch nur, weil es in der Mail des bisherigen Verteidigers zunächst heißt: „….dass Sie Rechtsmittel gegen das Urteil …“ eingelegt haben. Ich glaube allerdings, dass dem Kollegen die feinsinnigen Unterschiede kaum bewusst waren.

Da kann man wirklich nur hoffen, dass die h. Justitia kommt und den bisherigen Verteidiger erleuchtet. Für die Mandantin bringt das aber nichts mehr. Die hat sich nämlich, nachdem ihr die Rechtslage mit „wohl gesetzten“ Worten vom befreundeten Kollegen erläutert worden ist, für die weitere Verteidigung durch den entschieden. Wäre vielleicht besser gewesen, sie wäre gleich dorthin gegangen.

Überlange Sicherungsverwahrung – Berufung gegen Entschädigungsurteil

In einem Verfahren vor dem LG Karlsruhe ist vier ehemaligen Sicherungsverwahrten im April ein Schmerzensgeld von insgesamt 240.000 € zugesprochen worden (vgl. u.a. hier). In dem Verfahren war erstmals in Deutschland die Frage verhandelt worden, ob und wie viel Schadenersatz Straftätern zusteht, die nach ihrer verbüßten Haftstrafe zu lange in Sicherungsverwahrung waren.

Das Verfahren um die Entschädigung von ehemaligen Sicherungsverwahrten wird in eine neue Runde gehen. Wie erwartet hat das Land Baden-Württemberg Berufung zum OLG Karlsruhe eingelegt. Das gab die Generalstaatsanwaltschaft am in Karlsruhe bekannt (vgl. hier).

Berufung der StA – (doch) kein Pflichtverteidiger?

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In der Praxis wird i.d.R. dann, wenn die StA gegen ein freisprechendes Urteil mit dem Ziel der Verurteilung Berufung einlegt, dem Angeklagten ein Pflichtverteidiger nach § 140 Abs. 2 StPO beigeordnet. Man geht davon aus, dass die Sache dann i.d.R. „schwierig“ ist.

Anders sieht es jetzt das OLG Köln, Beschl. v. 02.02.2012 – 2 Ws 91/12:

Der vorliegende Fall ist jedoch so gelagert, dass eine Ausnahme vom Regelfall anzunehmen ist, weil der Angeklagte wegen der einfachen Sachlage keines juristischen Beistands bedarf. Die Staatsanwaltschaft hat das Rechtsmittel nicht eingelegt, weil sie die erhobenen Beweise anders würdigt als die erste Instanz, sondern weil sie die Auffassung vertritt, das Amtsgericht habe es versäumt, die Zeugen PK’in Ka. und K. zu vernehmen. Die Strafkammer hat zu der auf den 22.02.2012 anberaumten Hauptverhandlung neben dem erstinstanzlich vernommenen Zeugen PK M. auch die Zeugen PK’in Ka. und K. geladen. Damit wird nunmehr die alle Beweismittel erschöpfende Beweisaufnahme durchgeführt, die eigentlich bereits in erster Instanz sachgerecht und geboten gewesen wäre. Im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens war aber eine Beiordnung nach Maßgabe des § 140 Abs. 2 StPO ersichtlich nicht erforderlich – und ist im Übrigen von dem Angeklagten auch nicht beantragt worden. Eine abweichende Aussage des in erster Instanz vernommenen Zeugen PK M., der den Angeklagten als Verkäufer der Betäubungsmittel nicht identifizieren konnte, ist nicht zu erwarten, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt die Beweiswürdigung keine besondere Schwierigkeit aufweist. Schließlich ist auch nicht deshalb eine notwendige Verteidigung zu bejahen, weil die Berufungsbegründung auf das gegen den Zeugen K. geführte Strafverfahren verweist. Das Hauptverhandlungsprotokoll vom 24.05.2011 in der Strafsache gegen den Zeugen K. kann in der Berufungshauptverhandlung genauso wie das gegen den Zeugen K. ergangene Urteil verlesen werden. Ausweislich des Protokolls hat der Zeuge die ihm zur Last gelegte Straftat umfassend eingeräumt, ohne Angaben zur Person des Verkäufers der Betäubungsmittel zu machen; auch insoweit ist eine abweichende Aussage ausgeschlossen. Demnach ist auch der den Zeugen K. betreffende Sachverhalt so einfach gelagert, dass in der Hauptverhandlung Fragen dazu gestellt werden können, ohne dass eine sachgerechte Verteidigung vorherige Gewährung von Akteneinsicht erfordern würde. Der vorliegende Fall rechtfertigt somit eine andere Beurteilung als der der o.a. Senatsentscheidung vom 20.05.2003 zugrunde liegende Sachverhalt.“

Na ja, kann man auch anders sehen.

Da kann eine Menge Geld drin stecken…

Eine Konstellation, die in der Praxis sicherlich nicht jeden Tag vorkommt, aber gebührenrechtlich ganz interessant ist.

Vom AG wird Einziehung oder Verfall angeordnet. Dagegen die Berufung, die auf das Strafmaß und dort auf die Frage der Einziehung/des Verfalls beschränkt wird. Frage: Welche Gebühren entstehen in der Berufungsinstanz? Nur die Nrn. 4124, 4126 VV RVG oder daneben auch noch die Nr. 4142 VV RVG? In der Frage/Antwort kann eine Menge Geld stecken, da die Nr. 4142 VV RVG eine reine Wertgebühr ist.

Das OLG Hamm, Beschl. v. 13.12.2011 – III 3 Ws 338/11 sagt:

Die Verfahrensgebühr bei Einziehung und verwandten Maßnahmen gemäß Nr. 4142 VV RVG entsteht in der Berufungsinstanz auch dann neben der Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG, wenn die Berufung auf die Anordnung des Verfalls beschränkt wurde.

In der Berufung gleiche Strafe trotz neuer erheblicher Milderungsgründe – erhöhter Begründungsaufwand

Einen Klassiker der Fehler, die häufig bei der Strafzumessung gemacht werden, behandelt das OLG Bamberg, Beschl. v. 02.11.2011 – 3 Ss 104/11. Da genügt deshalb der Hinweis auf den Leitsatz:

„Der auf Berufung oder nach einer Urteilsaufhebung und Zurückverweisung durch das Revisionsgericht neu entscheidende Tatrichter hat, sofern er Feststellungen trifft, welche die Tat des Angeklagten abweichend vom Ersturteil in einem wesentlich milderen Licht erscheinen lassen und sogar einen wesentlich niedrigeren Strafrahmen vorschreiben als den, der nach den früheren Feststellungen geboten war, seine Entscheidung regelmäßig eingehend zu begründen, wenn er dennoch auf eine gleich hohe Strafe erkannt hat (Anschluss u.a. an BGH, Beschluss vom 20.08.1982 – 2 StR 296/82 = NJW 1983, 54 und OLG Stuttgart NStZ-RR 2001, 16).“