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Zusätzliche VG nach Absehen von der Einziehung?, oder: Das OLG Nürnberg kann es auch nicht

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Ich hatte vor einiger Zeit über den (falschen)  LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 20.1.2022 – 12 Qs 1/22 berichtet (Und schon wieder zusätzliche Gebühr nach Einziehung, oder: Und schon wieder falsch). Zu der Entscheidung liegt inzwischen der auf die weitere Beschwerde hin ergangene OLG Nürnberg, Beschl. v. 11.04.2022 –  Ws 250/22 – vor.

Hier noch einmal der Sachverhalt: Die Staatsanwaltschaft hat am 09.06.2020 Anklage wegen Steuerhinterziehung und wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gegen den Angeklagten beim AG – Schöffengericht für Wirtschaftsstrafsachen – erhoben. Darin führte sie aus: „Von der Einziehung der Taterträge wird gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO abgesehen. Soweit die Verfolgung der Taten vorläufig gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt wurde, wird gemäß § 435 StPO von der selbständigen Einziehung abgesehen.“ Die entsprechende Verfügung der Staatsanwaltschaft datiert vom 03.06.2020. Nach Zustellung der Anklageschrift wurde mit Beschluss vom 08.07.2020 der bis dahin nicht mandatierte Rechtsanwalt zum Pflichtverteidiger des Angeklagten bestellt.

Nach unveränderter Zulassung der Anklage fand am 28.10.2020 die Hauptverhandlung statt. Die die Einziehung betreffende Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 03.06.2020 wurde verlesen. In seinem Plädoyer beantragte der Beschwerdeführer u.a., gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO von einer Einziehung von Wertersatz abzusehen. Der Angeklagte wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Eine Einziehungsentscheidung traf das AG nicht, außerdem war die Einziehung nicht Gegenstand sonstiger Erklärungen.

Der Rechtsanwalt hat die Festsetzung einer Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG beantragt. Er habe seinen Mandanten ausführlich über die Möglichkeit einer Einziehung beraten. Das reiche für die Entstehung der Gebühr aus. Das sehen AG, LG und auch OLG anders:

„… Aus den zutreffenden Gründen der Vorinstanzen, insbesondere des Landgerichts Nürnberg-Fürth in dessen Beschluss vom 20.01.2022 und in der Nichtabhilfeverfügung vom 08.02.2022, denen sich der Senat anschließt, hat der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf die beantragte Gebühr Nr. 4142 VV RVG. Es liegt keine diese Verfahrensgebühr auslösende Tätigkeit des Verteidigers vor.

1. Voraussetzung für das Entstehen einer solchen Verfahrensgebühr ist eine Tätigkeit für den Beschuldigten, die sich auf die Einziehung, dieser gleichstehender Rechtsfolgen (§ 439 StPO), die Abführung des Mehrerlöses oder auf eine diesen Zwecken dienende Beschlagnahme dient. Sinn der Einführung dieser Gebühr war, im Hinblick auf die Zunahme von Verfahren mit Einziehungs- oder Verfallerklärung und im Hinblick auf die erhebliche wirtschaftliche Bedeutung, die die Anordnung dieser Maßnahmen für den Beschuldigten haben kann, eine Aufgabe der Regelungen in §§ 83 ff. BRAGO und eine Vereinfachung der Gebührenberechnung (BT-Drs. 15/1971, 228).

2. Die Verfahrensgebühr wird auch durch eine bloß beratende Tätigkeit des Rechtsanwaltes ausgelöst (Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., zu Nr. 4142 VV Rn. 23 m.w.N.). Mit der Gebühr nach Nr. 4142 VV hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, dass zu den im Strafprozess unumgänglichen Überlegungen zur Schuld- und Straffrage eine weitere, die Eigentums- und Vermögenslage des Mandanten berührende Thematik hinzugetreten ist, die in der Regel Mehrarbeit verursacht. Erforderlich, aber auch ausreichend ist eine nach Aktenlage gebotene Beratung des Mandanten (Burhoff/Volpert, ebenda, m.w.N.).

Davon ist aber – ausgehend von der Gesetzesbegründung – nur auszugehen, wenn die Frage der Einziehung naheliegt, entweder weil aufgrund der Aktenlage mit einem Einziehungsantrag in der Hauptverhandlung zu rechnen ist oder weil in der Anklage die Einziehung beantragt wurde. Hat die Staatsanwaltschaft gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StPO das Verfahren auf die anderen Rechtsfolgen beschränkt und besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass das Gericht die Wiedereinbeziehung der Einziehung anordnen könnte, ist eine Beratung des Angeklagten über die theoretische Möglichkeit der Einziehung durch seinen Verteidiger nicht geboten, so dass die Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG nicht anfällt.

3. Vorliegend bestand während des gerichtlichen Verfahrens für den Beschwerdeführer keine Veranlassung für eine Beratung; diese war nicht geboten.

a) Im Hinblick auf die angeklagten Taten hat die Staatsanwaltschaft gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StPO von der Einziehung abgesehen. Soweit die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung weiterer Taten (Betrug/Solidaritätszuschlag) vorläufig nach § 154 Abs. 1 Nr. 1 StPO abgesehen hat, hat sie gemäß § 435 StPO von der selbständigen Einziehung abgesehen. In der Anklageschrift wurde die Einziehung von Wertersatz von der Staatsanwaltschaft nicht beantragt.

b) Damit war eine Einziehung oder eine dieser vergleichbaren Maßnahme nicht mehr Gegenstand des Strafverfahrens. Zwar hätte das Gericht gemäß § 421 Abs. 2 Satz 1 StPO die Wiedereinbeziehung der Einziehung in jeder Lage des Verfahrens, somit auch erst im weiteren Instanzenzug, anordnen können. Dies hätte aber eine entsprechende Anordnung des Gerichts vorausgesetzt.

c) Somit bestand unter keinem Gesichtspunkt Veranlassung, den Beschuldigten über die Möglichkeit der Einziehung zu beraten. Es ist auch nicht ersichtlich, woraus sich bei einer nicht im Raum stehenden Einziehung ein Haftungsrisiko des Verteidigers ergeben könnte.

4. Auch der Antrag des Beschwerdeführers im Rahmen seines Schlussvortrags, von der Einziehung von Wertersatz abzusehen, kann die Gebühr nicht auslösen, da er nicht veranlasst war. ….“

Dazu: Das OLG referiert zwar zutreffend, was bei „Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., zu Nr. 4142 VV Rn. 23 m.w.N.“ u.a. steht, es zieht daraus m.E. aber nicht die zutreffenden Schlüsse, die dem vorliegenden Sachverhalt gerecht werden. Das hängt u.a. auch damit zusammen, dass mal wieder die Frage des Entstehens der/einer Gebühr mit der Frage der Erstattung/Festsetzung einer Gebühr vermengt wird. Die Problematik kennen wir bei der Verfahrensgebühr im Rechtsmittelverfahren in den Fällen der Beratung des Mandanten vor der Begründung des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, wenn das anschließend zurückgenommen wird.

Im Übrigen: Die Gebühr ist hier auf jeden Fall durch die Beratung des Mandanten über die (verbliebenen) Möglichkeiten der Einziehung entstanden, unabhängig davon, dass die Einziehung nach § 435 StPO (zunächst) aus dem Verfahren ausgeschieden war, aber, worauf das OLG auch hinweist, jederzeit wieder hätte aufgenommen werden können. Dabei ist hier zu berücksichtigen, dass der Angeklagte bis zur Pflichtverteidigerbestellung offenbar keinen anwaltlichen Beistand hatte. Es lag also, als der Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger bestellt wurde, auch eine anwaltliche Beratung nahe. Insoweit ist auf die Sicht des Angeklagten abzustellen und nicht auf die des AG, LG oder OLG, die den Beratungsbedarf im Zweifel verneinen. Dass AG, LG oder OLG – hoffentlich – insoweit keinen Beratungsbedarf haben, ändert daran nichts und hätte der Festsetzung der Gebühr nicht entgegengestanden. Alles in allem m.E. mal wieder eine Entscheidung, der man anmerkt, dass dem Verteidiger die Gebühr Nr. 4142 VV RVG nicht „gegönnt“ wird.

Einziehung II: Fehlinformation des Mandanten, oder: Keine Auswirkungen?

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Die zweite Entscheidung kommt ebenfalls vom LG Amberg und sie ist ebenso falsch wie die heute morgen vorgestellte (vgl. den LG Amberg, Beschl. v. 31.05.2019 – 11 KLs 106 Js 7350/18 und dazu: Einziehung I: Obersatz richtig, Entscheidung falsch, oder: Nicht Halter des Pkw).

In dem dem LG Amberg, Beschl. v. 29.05.2019 – 12 KLs 107 Js 2871/18 – zugrunde liegenden Verfahren hat der Kollege Jendricke, der mir den LG-Beschluss geschickt hat, den Angeklagten als Pflichtverteidiger gegen den Vorwurf der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verteidigt. Nach Abschluss des Verfahrens hat der Kollege auch hier die Festsetzung des Gegenstandswertes für eine zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG beantragt. Der sei nach seiner Ansicht auf insgesamt 30.991,60 € festzusetzen. Dieser Betrag setzte sich aus dem Wert von Bargeld in Höhe von 1.810,82 €, dem Wert eines Smartphones in Höhe von 900 € und dem Wert für einen PKW Mercedes E 300 von 28.280,78 € zusammen.

Der Bezirksrevisor hat der Festsetzung des Gegenstandswertes auch bezüglich des PKW Mercedes widersprochen. Das LG hat den Wert des Pkws bei der Festsetzung des Gegenstandswertes dann außer Acht gelassen und hat den Gegenstandswert auf nur auf 2.710,82 € festgesetzt:

„Der Gegenstandswert war auf 2.710,82 Euro festzusetzen. Dieser Betrag setzt sich aus dem Wert des Bargeldes in Höhe von 1.810, 82 Euro und dem Wert des Smartphones in Höhe von 900,00 Euro zusammen. Im Rahmen der Hauptverhandlung wurde die Einziehung des Bargeldes .und des Smartphones erörtert. Diese Gegenstände standen jeweils im Eigentum des Verurteilten B. Insoweit war der Gegenstandswert daher wie geschehen festzusetzen.

Nicht zu berücksichtigen war jedoch der Wert des sichergestellten PKW Mercedes E 300. Zwar bezieht sich die Vorschrift Nr. 4142 VV RVG auf eine Tätigkeit des Rechtsanwalts im Hinblick auf die Einziehung oder verwandte Maßnahmen. Nr. 4142 VV RVG ist daher insbesondere anzuwenden bei einer Einziehung nach den §§ 74 ff. StGB und ausnahmsweise bei einer Beschlagnahme nach den §§ 94, 98 StPO, wenn die Sache – zumindest auch – als etwaiger Einziehungsgegenstand von Bedeutung ist. Die Vorschrift setzt zudem keine gerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwaltes voraus, insbesondere muss die Einziehung nicht im Verfahren beantragt worden sein. Ausreichend ist es, wenn sie in Betracht kommt. Die Gebühr wird grundsätzlich auch für eine außergerichtliche nur beratende Tätigkeit des Rechtsanwalts verdient. Es genügt insbesondere, wenn der Anwalt den Angeklagten nur über die außergerichtliche Einziehung berät (vgl. Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 23. Auflage 2017, Rdnrn: 6,7,12 aus Beck Online).

Vorliegend jedoch kam eine Einziehung des PKW Mercedes E 300 von vorneherein nicht in Betracht. Das Fahrzeug stand nicht im Eigentum des Verurteilten B. Die Tatsache, dass der Verteidiger fälschlicherweise aufgrund von unvollständigen oder fehlerhaften Informationen seines Mandanten davon ausging, der PKW sei lediglich finanziert und stehe im Eigentum des Verurteilten B., ändert hieran nichts. Hätte der Verurteilte die tatsächlichen Verhältnisse von vornherein wahrheitsgemäß und korrekt dargelegt, wäre eine Einziehung zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise in Betracht gekommen. Deshalb wurde der PKW nach Bekanntgabe des Umstandes, dass es sich um ein Leasing Fahrzeug handelt, durch die Staatsanwaltschaft bereits vor der Hauptverhandlung herausgegeben. Im Rahmen der Hauptverhandlung erfolgten insoweit keine Erörterungen mehr. Der Wert des PKW Mercedes E 300 spielt daher für die Festsetzung des Gegenstandswertes nach Nr. 4142 VV RVG keine Rolle.“

Diese Entscheidung ist ebenso falsch wie der Beschluss des LG Amberg vom 31.5.2019 im Verfahren 11 KLs 106 Js 7350/18 (vgl. dazu LG Amberg, Beschl. v. 31.05.2019 – 11 KLs 106 Js 7350/18 und dazu: Einziehung I: Obersatz richtig, Entscheidung falsch, oder: Nicht Halter des Pkw). Auf die dortige Anmerkung kann daher verwiesen werden. Daran ändert sich nichts dadurch, dass der Kollege offenbar von seinem Mandanten zunächst falsch informiert worden ist. Denn entscheidend sind die Informationen, die (zunächst) erteilt werden und die den Beratungsbedarf, der die Nr. 4142 VV RVG entstehen lässt, hervorrufen. Dass sich die später als falsch herausstellen, lässt die einmal entstandene Gebühr Nr. 4142 VV RVG nicht entfallen (§ 15 Abs. 4 RVG). Auch wenn das LG und/oder die Staatskasse das gerne möchten.

Zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG, oder: Das AG Mainz will oder kann es nicht begreifen

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Es war zu erwarten. Nach der Änderung des Rechts der Vermögensabschöpfung, die zu einer deutlichen Zunahme von Entscheidungen nach § 73 ff. StGB geführt hat, ist natürlich auch der Beratungsbedarf der Mandanten/Angeklagten/Beschuldigten gestiegen. Und die sind ja auch darüber zu beraten, wenn eine Einziehung pp. – aus welchen Gründen auch immer – nicht droht. Und das hat nun nichts mit der Frage der Gebühr zu tun. Denn auch, wenn eine Einziehung nicht zu erwarten ist und der Verteidiger in die Richtung berät, entsteht die zusätzliche Gebühr Nr. 4142 VV RVG.

Dass das den Hütern der Staatskassen, den Bezirksrevisoren, natürlich nicht passen wüde, war zu erwarten. Und es war auch zu erwarten, dass sich die Gerichte der Argumentation: Einziehung nicht zu erwarten –> keine Gebühr Nr. 4142 VV RVG – anschließen würden. Leider. Über eine dieser Entscheidungen habe ich neulich schon berichtet, nämlich den AG Mainz, Beschl. v. 18.01.2019 – 404 Ds 3500 Js 35811/17 (vgl. dazu Zusätzliche Verfahrensgebühr bei Einziehung, oder: Der Verteidiger hat dazu nichts ausgeführt), und mein „Missfallen kund getan“. Aber solche Kritik interessiert nicht – weder den Bezirksrevisor noch das AG. Denn: Man macht es im AG Mainz, Beschl. v. 28.05.2019 – Ls 3444 Js 80146/17 – wieder/weiterhin falsch. Nun ja, warum auch die Auffassung ändern? Ist ja nicht mein Geld.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 31.01.2019 (Blatt 250 ff. der Akte) hat das Amtsgericht Mainz nach Anhörung der Bezirkskostenrevisorin (Blatt 248 Rs. der Akte) die Pflichverteidigergebühren in dem Verfahren auf 1.246,76 € festgesetzt und dabei zum Antrag des Verteidigers (Blatt 199 f. der Akte) Absetzungen in Höhe 45 € zuzüglich anteiliger USt. vorgenommen, mit folgender Begründung:

„Die Gebühr nach VV 4142 RVG war in voller Höhe abzusetzen.

Entstehungsvoraussetzung ist, dass es sich um eine Maßnahme handeln muss, die dem Betroffenen den Gegenstand endgültig entziehen und es dadurch zu einem endgültigen Vermögensverlust kommen lassen will (Gerold/Schmidt, S. 1652, VV 4142 RVG , RnNr. 6). Das Urteil enthält keinerlei Einziehung oder verwandte Maßnahme. Eine rein beratende Tätigkeit über die Möglichkeit der Einziehung sieht die Gebühr VV 4142 RVG nicht vor.

Die Mehrwertsteuer verringert sich dem entsprechend.“

Hiergegen wendet sich der Verteidiger mit seiner Erinnerung (Blatt 260 der Akte) vom 06.02.2019, auf deren Inhalt zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird.

Die Erinnerung des Verteidigers ist nach § 56 RVG zulässig, sie hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Zwar genügt für die Gebührenentstehung jede Tätigkeit des Rechtsanwalts, die dieser im Zusammenhang mit der Einziehung erbringt. Danach wird die Gebühr bereits durch die beratende Tätigkeit des Rechtsanwalts ausgelöst, wenn eine Einziehung in Betracht kommt, die Maßnahme muss weder gerichtlich angeordnet noch beantragt sein (vgl. hierzu BeckOK RVG/Knaudt RVG VV 4142 Rn. 9-10 m.w.N.).

Es fehlt im vorliegenden Fall jedoch an der Voraussetzung, dass eine Einziehung ernsthaft in Betracht kommt. Die Einziehung war schon nicht Gegenstand der Anklageschrift, sodass ihre Anordnung gerade nicht naheliegend war. Dies ergibt sich auch aus dem Umstand, dass die Einziehung allenfalls in Höhe der in der Anklageschrift genannten geringen Tatbeute (ein nicht genau aufgeklärter Betrag zwischen 50 – 70 €) in Betracht gekommen wäre und bei Beträgen dieser Größenordnung regelmäßig aus Gründen der Geringwertigkeit und fehlenden Verhältnismäßigkeit von der Einziehung abgesehen wird. Dies gilt umso mehr bei einem erwerbs- und einkommenslosen Angeklagten, welcher von Sozialleistungen lebt und bei dem auch keine Tatbeute sicherge-stellt werden konnte. Entsprechend wurde die Einziehung auch weder beantragt, noch war sie Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung. Die Einziehung kam nach den konkreten Umständen des Falles hier folglich gerade nicht in Betracht.“

Leider mal wieder einer der Fälle, in denen der Verteidiger Tätigkeiten erbringt, die nicht honoriert werden (sollen). Ich möchte den Amtsrichter sehen, der das tut oder tun soll.

Und: Feige ist man dann auch noch. Denn:

„Die Beschwerde war nicht zuzulassen. Eine grundsätzliche Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage ist nicht erkennbar.“

Natürlich wäre die Beschwerde zuzulassen gewesen, denn die Frage ist von grundsätzlicher Bedeutung. Auch wenn das AG Mainz das nicht versteht oder verstehen will.

Dauerbrenner Mittagspause, oder: Beratungsbedarf beim OLG München

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Die zweite Entscheidung des heutigen Tages kommt auch aus Bayern – das lässt schon nichts Gutes vermuten. Und dann auch noch vom OLG München, das mal wieder zum Längenzuschlag des Pflichtverteidigers Stellung genommen hat. Konkret ging es im OLG München, Beschl. v. 24.05.2018 – 6 St (K) 8/17 – ergangen im NSU-Verfahren – um die Fragen der Berücksichtigung von längeren Pausen, insbesondere von (Mittags)Pausen, bei der Berechnung der für den Längenzuschlag maßgeblichen Hauptverhandlungsdauer.

Nun die Rechtsprechung des OLG München dazu ist bekannt: Die Zeit der Mittagspause wird nicht in die Dauer der Teilnahme an der Hauptverhandlung eingerechnt (vgl. hierzu Beschl. v. 23.10.2008, 4 Ws 150/08; Beschl. v. 12.11.2007, 2 Ws 807­809/07; Beschl. v. 01.02.2007 – 1 Ws 117/07; Beschl. v. 21.11.2011, 6 Ws 20/11).Und wir wissen: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als das das OLG München seine Rechtsprechung ändert.

So auch hier. Aber das macht den Beschluss nicht berichtenswert. Das Besondere liegt vielmehr in Folgendem:

„Soweit der Erinnerungsführer darauf abstellt, der Vorsitzende habe bei Beratungsbedarf auf die Mittagspause verwiesen, ändert dies nichts an der oben getroffenen Einschätzung. Es liegt hier allenfalls eine Anregung des Vorsitzenden vor, keinesfalls aber die verbindliche Anordnung, die Mittagspause in einer bestimmten Weise zu nutzen. Überdies wäre auch keine Ermächtigungsgrundlage für den Vorsitzenden zu einer derartigen Anordnung ersichtlich.

Soweit Unverständnis geäußert wird, weshalb auch andere längere Unterbrechungen nicht abgezogen werden, ist auf die obigen Ausführungen zur Prozessneutralität zu verweisen. Der Einzelrichter hat selbst an der gesamten bisherigen Hauptverhandlung teilgenommen. Es sind ihm in diesem Zusammenhang keine Pausen außerhalb der Mittagspause aufgefallen, die nicht durch Regenerations- und/oder Besprechungsbedarf gerechtfertigt gewesen wären. Die Argumentation mit den „aufgezwungenen“ Pausen schließt im Ergebnis an die nicht überzeugende Argumentation des Oberlandesgericht Brandenburg mit der Vorbemerkung Teil 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG an. Folge einer einheitlichen Betrachtung aller Unterbrechungen müsste im Übrigen nicht denknotwendig die Einbeziehung aller Pausen in die Verhandlungsdauer sein, sondern sie könnte sich auch im Abzug sämtlicher Pausen manifestieren.

Die vom Erinnerungsführer geltend gemachte Nutzung der Mittagspause zu Mandanten- und Verteidigergesprächen im Einzelfall steht einer Bewertung der Mittagspause als prozessneutrale Zeit nicht entgegen, weil aus Gründen der Vereinfachung bei zahlreichen Verfahrensbeteiligten ein einheitlicher Schlüssel zur Berechnung gelten muss. Hier aber bietet die Absetzung der einstündigen Mittagspause jene Lösung, die der tatsächlichen Nutzung der Pause durch den überwiegenden Teil der Beteiligten, insbesondere die Nebenklägervertreter entspricht, deren Mandanten zumeist nicht für Gespräche zur Verfügung standen. Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht geboten, dem Antrag des Erinnerungsführers am Ende seines Schriftsatzes vom 27. April 2018 näher zu treten, weil Einzelfälle in der Person des Erinnerungsführers nicht geeignet sind, das bewährte System der Bestimmung der Verhandlungsdauer unter pauschalem Abzug der Mittagspause in Frage zu stellen. Dem Erinnerungsführer ist dieses System seit Jahren bekannt. Es hätte damit die Möglichkeit gehabt, den Vorsitzenden bei gegebenem Anlass auf die aus seiner Sicht bestehende Problematik hinzuweisen und ggf. längere Unterbrechungen zu beantragen.“

Wenn man es liest, fragt man sich: Lachen oder Weinen? Der Vorsitzende weist auf die Mittagspause hin, wenn Beratungsbedarf besteht. Wird die Mittagspause dann dazu genutzt, soll die Zeit dem Verteidiger aber dennoch nicht bei der Berechnung der Hauptverhandlungsdauer „gut geschrieben“ werden. Diese Argumentation zeigt m.E. als deutlich, dass die Entscheidung des OLG falsch ist.