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Ist der 1. Strafsenat des BGH befangen? – Nein, ist er nicht….

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Der 1. Strafsenat des BGH hat über eine Revision des Angeklagten zu entscheiden. Dieser ist vom LG Augsburg wegen falscher Angaben, vorsätzlichen Bankrotts, Betruges in 14 Fällen sowie Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Durch Beschluss vom 20. Oktober 2011 (1 StR 354/11) hatte der 1. Strafsenat eine erste Entscheidung auf Revision des Angeklagten aufgehoben, soweit er wegen falscher Angaben verurteilt worden war, sowie im Ausspruch über die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe, seine weitergehende Revision hingegen verworfen.
Nun ist der Angeklagte der Ansicht, die mitwirkenden Richter seien zu seinem Nachteil befangen. Denn diese hätten sich durch die erste Revisionsentscheidung in dieser Sache „der vermuteten Beihilfe zu einem Prozessbetrug schuldig gemacht“, „Akteninhalt ignoriert“ und dadurch „gegen das Gebot der Wahrheitsfindung“ verstoßen. Fehler des erstinstanzlichen Gerichts bei der Berechnung der Betrugsschadenshöhe hätten sie zudem nicht erkannt.

Darauf antwortet jetzt der BGH, Beschl.v. 07.08.2012 – 1 StR 212/12:

Die Befangenheitsanträge sind jedenfalls unbegründet. Es liegen keine Gründe vor, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Vorsitzen-den Richters am Bundesgerichtshof Nack und der Richter am Bundesgerichtshof Rothfuß, Hebenstreit und Dr. Graf zu rechtfertigen.

Denn hierfür genügt nicht das rein subjektive Empfinden des Antragstellers, dieses muss vielmehr gerechtfertigt, also in objektivierbaren Umständen begründet sein. Die Ablehnung eines Richters nach § 24 Abs. 2 StPO ist daher nur dann gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine erforderliche Neutralität, Distanz und Unparteilichkeit störend beeinflussen kann (BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 1967 – 2 BvR 235/64, BVerfGE 21, 139, 146; BGH, Urteil vom 9. Februar 1951 – 3 StR 48/50, BGHSt 1, 34, 39; BGH, Beschluss vom 18. No-vember 2008 – 1 StR 541/08, NStZ-RR 2009, 85 f.). Daran fehlt es vorliegend.

Der unsubstantiierte Vortrag des Antragstellers legt solche objektivierba-ren Umstände für die Befürchtung der Befangenheit nicht dar.

Die Vorbefassung eines Richters mit dem Verfahrensgegenstand ist für sich allein nie ein Ablehnungsgrund, da der vernünftige Angeklagte davon aus-gehen kann, dass der Richter auch dann unvoreingenommen an die Sache herantritt, wenn er sich schon früher über den Sachverhalt ein Urteil gebildet hat (BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1971 – 2 BvR 443/69, BVerfGE 30, 149, 153; BGH, Beschluss vom 18. November 2008 – 1 StR 541/08, NStZ-RR 2009, 85 f.). Dies gilt auch für den Revisionsrichter (BGH, Beschluss vom 18. November 2009 – 1 StR 541/08, NStZ-RR 2009, 85). Ein allein auf den Umstand der Vorbefassung gestützter Ablehnungsantrag ist daher schon unzulässig nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO (BGH, Beschluss vom 10. August 2005 – 5 StR 180/05, BGHSt 50, 216, 221).

Zwar trägt der Antragsteller darüber hinausgehend vor, erst die konkrete Art und Weise der Vorbefassung belege die Voreingenommenheit der Richter. Besondere Umstände, die auch für einen verständigen Antragsteller eine solche Besorgnis rechtfertigten (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 18. November 2009 – 1 StR 541/08, NStZ-RR 2009, 85; BGH, Urteil vom 30. Juni 2010 – 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44), sind aber weder vorgetragen noch sonst er-sichtlich.

Der Vorwurf einer „vermuteten“ Straftat und des damit verbundenen Schädigungsvorsatzes der abgelehnten Richter zu Lasten des Antragstellers entbehrt jeder Tatsachengrundlage. Diesen Vorwurf konkretisierende Umstände enthält auch der Ablehnungsantrag nicht.

Sein Vorbringen im Übrigen erschöpft sich seinem sachlichen Gehalt nach darin, zu beanstanden, mit der eigenen Würdigung in der ersten Revisionsentscheidung nicht durchgedrungen zu sein. Bei einer verständigen Würdigung vermögen solche dem Antragsteller im Ergebnis missliebigen Entscheidungen, die sich für ihn als vermeintlich fehlerhaft darstellen, nicht die Besorg-nis der Befangenheit zu rechtfertigen. Dies gilt zumal da der Antragsteller offen-sichtlich das Wesen der Revision verkennt. Danach ist es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, den Akteninhalt vollständig zur Kenntnis zu nehmen; es ist ihm zudem verwehrt, eine eigene Beweiswürdigung vorzunehmen, vielmehr ist es an die tatrichterlichen Feststellungen gebunden und kann nur überprüfen, ob diese rechtsfehlerfrei zustande gekommen sind (vgl. §§ 337, 338 StPO; hierzu Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., vor § 333 Rn. 1 ff. mwN).

Entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Besorgnis der Befangenheit des Rechtsmittelgerichts bei sog. Vorbefassung

Kann man sich im Strafverfahren Plädoyer und letztes Wort schenken?

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Ein Kollege hat mich neulich angeschrieben und um Rat in folgender Fallkonstellation gebeten:

„Der Richter hat das Urteil schon während meines Schlussvortrags und während des letzten Wortes des Angeklagten niedergeschrieben und 1 Sekunde nach Schluss des letzten Wortes noch im Aufstehen gesprochen.
Habe den Richter unterbrochen. Fand er nicht gut.
Habe dann eine Unterbrechung für einen „unaufschiebbaren“ Antrag“ beantragt. Der ist per Gerichtsbeschluss abgelehnt worden. Nach der Urteilsbegründung sollte ich den Antrag dann per Post schicken.
Ich habe den Antrag dann noch verlesen und zu Protokoll gegeben.
Nun bekomme ich die Akte und die dienstliche Erklärung des Richters. Dieser bestätigt in der dienstlichen Erklärung, dass er tatsächlich während des letzten Worts das Urteil geschrieben hat.
Wörtlich führt er aus:

„Nach den Plädoyers … hatte der Angeklagte das letzte Wort. Er machte umfangreiche Ausführungen und wiederholte im Wesentlichen seine vorherige Einlassung. Gegen Ende dieser Ausführungen hatte ich in der Tat das von mir verwendete Formular des Urteilstenors ausgefüllt. Ich habe dort eingetragen die Deliktsbezeichnung und Anzahl und Höhe der Tagessätze. Unmittelbar danach war der Angeklagte mit seinem letzten Wort zu Ende gekommen, so dass ich im Anschluss daran die Urteilsformel verlesen habe.“

Haben Sie eine Idee, ob man da noch was machen kann? § 25 Abs. 2 Satz 3 ist ernüchternd. Aber so kann es doch nicht gehen. Dann können wir uns Plädoyers und letztes Wort schenken.“

Nun, dass so verfahren wird, das habe ich schon häufiger gehört. In der Situation ist § 25 Abs. 2 Satz 3 StPO in der Tat „ernüchternd“, allerdings nach dem Wortlaut für die Zeit nach dem letzten Wort des Angeklagten: Dann ist ein Ablehnungsantrag nicht mehr zulässig. Bis dahin und während des letzten Wortes – und auch des Plädoyers des Verteidigers – m.E. aber nicht. Denn das ist nicht „nach“. Also wird dem Verteidiger in der Situation nichts anderes übrig bleiben, als sein Plädoyer zu unterbrechen und um Unterbrechung der Hauptverhandlung zu bitten, um sich mit dem Mandaten über einen unaufschiebbaren Antrag zu beraten. Und das ebenso, wenn er sieht, dass der Vorsitzende schon während des letzten Wortes das „Urteil schreibt“.

Und über den Antrag muss m.E. auch sofort entschieden werden. § 29 Abs. 2 StPO dürfte hier wohl nicht gelten.

Aber Vorsicht: Der BGH hat es in der Vergangenheit – ist schon ganz lange her – anders gesehen. Er hat im BGH, Beschl. v. 22.11.1957 – 5 StR 477/57 ausgeführt, dass ein Amtsrichter, der die Urteilsformel während der Schlußvorträge der Beteiligten niederschreibt, hierdurch nicht das Gesetz verletzt (BGHSt 11, 74):

Zugegeben werden muß allerdings, daß das Niederschreiben der Urteilsformel während der Schlußvorträge bei den Prozeßbeteiligten, die wissen, was der Richter schreibt, den Eindruck erwecken kann, der Richter habe sich bereits endgültig entschieden und sei daher nicht bereit, die weiteren Schlußvorträge in sich aufzunehmen und sie bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen. Dies allein kann aber im Gegensatz zur Auffassung des OLG Köln (NJW 55, NJW Jahr 1955 Seite 1291) und des OLG Hamm (DAR 56, DAR Jahr 1956 Seite 254) zur Fussnote 1 die Annahme eines Verfahrensverstoßes nicht rechtfertigen.

Das vorzeitige Niederschreiben der Urteilsformel durch den Amtsrichter braucht keineswegs immer den Eindruck zu erwecken, daß es dem Richter an der inneren Bereitschaft fehle, die weiteren Schlußvorträge in sich aufzunehmen und sie bei der – endgültigen – Urteilsfindung zu beachten. Es sind sehr wohl Fälle denkbar, in denen das nachfolgende Verhalten des Richters die Beteiligten klar erkennen läßt, daß er den weiteren Verhandlungsvorgängen folgt und sie in seine Erwägungen einbezieht (er unterbricht z.B. die Ausführungen des Verteidigers zu einer Zeugenaussage mit dem Bemerken, daß er die Aussage anders begreife, und erörtert dies mit dem Verteidiger in einer Weise, die zeigt, daß er durchaus bereit ist, sich durch etwaige Argumente des Verteidigers von dem Gegenteil seiner bisherigen Meinung überzeugen zu lassen).

M.E. eiert der BGH ein wenig herum und seine Ausführungen sind auch nicht zwingend, wenn er ausführt:

„Der Einzelrichter berät nur mit sich selbst. Bei ihm ist im Gegensatz zum Kollegialgericht die Beratung ein Vorgang, der sich im Innern eines einzelnen Menschen abspielt. Er bedeutet im Gegensatz zur Beratung des Kollegialgerichts, daß der Richter nicht mit anderen berät, sondern bei sich überlegt, wie zu entscheiden ist. Mit vorbereitenden Überlegungen hierzu beginnt ein Richter in aller Regel nicht erst nach dem Schlußwort des Angekl., sondern schon vorher. Die Beratung des Einzelrichters ist im Grunde genommen nur eine unmittelbare Fortsetzung dieser Überlegungen. Sie endet in dem Augenblick, in dem der Richter seine Überlegungen abschließt, d.h. sich endgültig entscheidet. Hierzu kann es nach dem Schlußwort des Angekl. längerer Überlegungen bedürfen. Es gibt aber auch Fälle, die so klar liegen, daß Sekunden genügen. Die so geartete Beratung des Einzelrichters kann zwar äußerlich in die Erscheinung treten, braucht dies aber nicht unbedingt zu tun. Es gibt weder ein Gesetz noch einen Rechtsgrundsatz des Inhalts, daß der Einzelrichter nach dem Schlußwort des Angekl. Vorkehrungen treffen muß, die äußerlich erkennbar machen, daß er noch überlegt.“

Ok, aber: Endgültige Entscheidung dann doch bitte erst nach dem Plädoyer des Verteidigers und dem letzten Wort. Oder?

 

Ablehnung IV: „Du hast einen Wahlverteidiger?“ – „Interessiert mich nicht“

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Meine kleine Serie zur Ablehnung hat einen Kollegen an den von ihm „erstrittenen“ AG Kamenz, Beschl. v. 22.06.2012 – 4 VRJs 2/09 – erinnert. Der Beschluss ist zwar nicht im Erkenntnisverfahren ergangen, sondern im Vollstreckungsverfahren, die zugrunde liegende Fallgestaltung trifft man aber sicherlich häufiger an.

Wenn man sich den Sachverhalt ansieht, kann man schon feststellen, dass es den Amtsrichter offenbar gar nicht interessiert hat, dass sich für den Untergebrachten ein Wahlanwalt gemeldet hatte. Daher ist es m.E. nur berechtigt, wenn der Kollege auf das Ablehnungsgesuch des Untergebrachten hin ausführt:

„Gemäß § 24 StPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, also wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

 Ein solcher ist vorliegend gegeben, indem durch die – unzu­treffende – Mitteilung des Richters an die Klinik, Rechts­anwalt pp. sei derzeit nicht Verteidiger des Unterge­brachten, eine ordnungsgemäße Vertretung des Untergebrachten nicht mehr gewährleistet war. …

… Sofern der erkennende Richter hier noch Zweifel gehegt hätte, wäre es seine Aufgabe gewesen, den Untergebrachten und vornehmlich auch Rechtsanwalt pp. hierauf hinzuweisen und erforderlichenfalls um Vorlage einer Vollmacht oder anwaltliche Versicherung der Vertretungsmacht nachzusuchen, zumal nach dem der Unterbringung zugrunde liegenden Urteil des Landgerichts Z. beim Untergebrachten eine „patholo­gisch niedrige Intelligenz“ festzustellen ist.

 Das ist jedoch nicht geschehen; sondern es erfolgte die ausdrückliche Mitteilung an die Klinik, dass Rechtsanwalt pp. derzeit nicht Verteidiger sei.

 Das völlige Ignorieren des Wahlverteidigers berührt die Belange des Untergebrachten erheblich, denn es nimmt ihm hiermit praktisch seine Möglichkeit auf rechtliches Gehör. Diese Vorgehensweise gab bzw. gibt dem Untergebrachten damit hinlänglichen Grund zu der Annahme mangelnder Unvoreingenommenheit des Richters ihm gegenüber.“

 

Karten auf den Tisch – wie geht man mit einer Absprache in einem anderen Verfahren um?

 Die Umsetzung der (neuen) Vorschriften zur Verständigungsregelung (§§ 257c, 160, 202, 212 StPO) ist noch voll im Gang. Das zeigt deutlich dir doch verhältnismäßig große Zahl von Entscheidungen zu dem Bereich. Dazu gehört auch der BGH, Beschl. v. 09.02.2012 – 1 StR 4398/11, der sich – noch einmal – mit der Frage der Befangenheit des Gerichts in Zusammenhang mit Verständigungsgesprächen, die mit anderen Verfahrensbeteiligten äußert, und zwar wie folgt:

„Die Grundsätze der genannten Rechtsprechung zur Offenlegung von Verständigungsgesprächen sind auf Fälle der vorliegenden Art nur übertragbar, soweit es um die Sicherung bestmöglicher Wahrheitsfindung geht. Sie können nicht in gleicher Weise gelten, soweit es, unabhängig von der Wahrheitsfindung, um die Vermeidung des Anscheins geht, der Richter sei nicht gegenüber allen Angeklagten gleich unvoreingenommen und unparteiisch.

(1) Bei einer Hauptverhandlung gegen mehrere Angeklagte können im Grundsatz Verständigungsgespräche mit allen Angeklagten (bzw. deren Verteidigern) zugleich durchgeführt werden. Werden sie nicht mit allen Angeklagten geführt, besteht Anlass, dem genannten Anschein gegenüber den nicht an den Gesprächen beteiligten Angeklagten durch alsbaldige Offenlegung der Gespräche in der Hauptverhandlung entgegenzuwirken. Gleichzeitige Gespräche mit den Angeklagten einer laufenden Hauptverhandlung und Angeklagten einer künftigen oder auch parallelen Hauptverhandlung sind dagegen schon wegen des nicht gleichen Verfahrensstandes und des damit naheliegend verbundenen nicht gleichen Kenntnisstandes der Beteiligten kaum sinnvoll. Ein einheitlicher Kenntnisstand fehlt auch in Fällen, bei denen dieselben (Berufs-)Richter mitwirken, jedenfalls den in die Gespräche ebenfalls einzubeziehenden Schöffen, die bei noch nicht terminierten Sachen sogar noch nicht einmal feststehen. Daher kann ein „verständiger“, zumal anwaltlich beratener Angeklagter eines anderen Verfahrens, anders als möglicherweise ein Mitangeklagter desselben Verfahrens, allein daraus, dass solche Gespräche ohne ihn stattgefunden haben, nicht die Besorgnis ableiten, der Richter sei ihm gegenüber in irgend einer Weise voreingenommen.

 (2)Dies ändert nichts an der Notwendigkeit, auch in solchen Fällen in die Würdigung einer entscheidungserheblichen (Zeugen-)Aussage eines Tatbeteiligten eine vorangegangene Verständigung in dem gegen ihn wegen derselben Tat durchgeführten Verfahren einzubeziehen (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 29. November 2011 – 1 StR 287/11 Rn. 14 mwN). Dies beruht nicht auf der Sorge, er könne dabei in irgendeiner Weise zu künftiger Falschbelastung anderer Tatverdächtiger aufgefordert worden sein. Es geht vielmehr um etwaige Anhaltspunkte dafür, ob er im Blick auf eine vorangegangene oder im Raum stehende Verständigung in seinem Verfahren irrig glauben könnte, eine Falschaussage zu Lasten des Angeklagten sei für ihn besser als eine wahre Aussage zu dessen Gunsten.

Da die Möglichkeit eines solchen Irrtums nicht davon abhängt, ob die Verfahren gegen ihn und den jetzigen Angeklagten verbunden sind oder waren oder getrennt wurden, ist eine gebotene Würdigung von Verständigungsgesprächen mit dem Zeugen von derartigen Fragen unabhängig. Was zu würdigen ist, ist auch in die Hauptverhandlung einzuführen. Geht es um Verständigungsgespräche in einer anderen, sei es auch unter Mitwirkung derselben Richter durchgeführten Hauptverhandlung, kann dies nicht in Anwendung von § 243 Abs. 4 StPO geschehen. Soweit es um die Klärung etwaiger Fehlvorstellungen des Zeugen geht, wird dies vielmehr sinnvollerweise vor allem durch dessen Befragung geschehen. Ohne dass es hier darauf ankäme, könnte es dabei zweckmäßig sein, ihm Vorhalte aus dem einschlägigen Teil der Niederschrift der gegen ihn geführten Hauptverhandlung (§ 273 Abs. 1a StPO) zu machen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 6. November 2007 – 1 StR 370/07 Rn. 14, StV 2008, 60, insoweit in BGHSt 52, 78, 81 nicht abgedruckt), sodass es die Vorbereitung der Vernehmung fördern könnte, wenn das Gericht den Verfahrensbeteiligten schon vorab entsprechende Ablichtungen überlässt.“

Also: Die Karten müssen auf den Tisch, aber aus einem anderen Verfahren und dort geführten Gesprächen lässt sich nur schwer Honig für das eigene Verfahren sauegn….

Was hat der „Jahrestag des Kriegsendes“ mit der Fertigung eines Schriftsatzes zu tun?

Die Antwort auf die Frage in der Überschrift: „Was hat der „Jahrestag des Kriegsendes“ mit der Fertigung eines Schriftsatzes zu tun?“ lautet schlicht: Nichts, und hat dazu geführt, dass das OLG Hamm – in einem Zivilverfahren – bei einem Richter, der in der mündlichen Verhandlung so einen verspätet eingegangenen Schriftsatz kommentiert hatte, die Besorgnis der Befangenheit bejaht hat. Genau hat der Richter sich wie folgt geäußert: „es sei schön, dass sich der Beklagtenvertreter noch am 08.05.2011, einem Sonntag und immerhin dem Jahrestag des Kriegsendes, die Mühe gemacht habe, einen Schriftsatz zu fertigen“.

Dazu das OLG Hamm, Beschl. v. 06.10.2011 – I-32 W 19/11:

Kommentiert ein Richter den Eingang einer Klageerwiderung, die außerhalb der hierfür gesetzten Frist zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung erstellt worden ist, mit den Worten „es sei schön, dass sich der Beklagtenvertreter noch am 08.05.2011, einem Sonntag und immerhin dem Jahrestag des Kriegsendes, die Mühe gemacht habe, einen Schriftsatz zu fertigen“, so stellt dies eine verbale Entgleisung und grobe Unsachlichkeit dar und kann nach den Umständen des Einzelfalls die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen.“

Und:

„Der Senat verkennt hierbei nicht, dass es bei einer verspäteten Vorlage von Schriftsätzen – insbesondere in oder unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung – zu Auseinandersetzungen zwischen Prozessbevollmächtigten und Gericht kommen kann, die eine gereizte Reaktion verständlich machen können. Der Richter ist dann nicht verpflichtet, gänzlich emotionslos zu reagieren und kann seinen Unmut durchaus mit deutlichen Worten und offen zum Ausdruck bringen. Er muss aber die Grenzen einer zulässigen Wortwahl beachten und darf sich nicht – wie im vorliegenden Fall geschehen – zu einer verbalen Entgleisung und groben Unsachlichkeit hinreißen lassen...“