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Akteneinsicht beim AG Nauen – gibt es nicht….., aber dafür „Erzwingungshaft“? :-)

Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung und die Lebensakte hatte der Rechtsanwalt, der den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verteidigt, beantragt. Die Verwaltungsbehörde hat das abgelehnt. Dagegen hat der Verteidiger Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Den hat das AG Nauen im AG Nauen, Beschl. v.09.01.2012 – 34 OWiE 138/11 – weitgehend abgelehnt.

Tenor des Beschlusses: Akteneinsicht ja, aber bitte da, wo die Bedienungsanleitung aufbewahrt wird. Allerdings: Ist der Beschluss eigenständig begründet. M.E. nein, denn das AG führt nur die Entscheidungen anderer Gerichte an, die in der Vergangenheit bereits ebenso entschieden haben. Mit den davon abweichenden überwiegenden Auffassung setzt es sich nicht auseinander. Das gehört aber m.E. zu einer (guten) Begründung dazu.

Und: Das AG scheint es eilig gehabt zu haben. Sonst hätte es sicherlich gemerkt, dass es einen Beschluss in einer „Erzwingungshaftsache“ erlassen hat. So weit sind wir noch nicht, liebes AG. Wir sind noch im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde.

 

Akteneinsicht: Wird da der Bock zum Gärtner gemacht?

Und gleich – um den Ausgleich herzustellen – zum AG, Wetzlar, Beschl. v. 04.01.2012 – 45 OWi 21/11 (vgl. hier) noch eine andere Akteneinsichtsentscheidung hinterher. Das AG Gießen, Beschl. v. 23.09.2011 – 5602 OWi 56/11 macht es grundsätzlich richtig, wenn es sagt:

  1. Dem Verteidiger ist im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren auch Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung eines Messgerätes zu gewähren.
  2. Der Fertigung einer Kopie steht ein Urheberecht des Herstellers der Bedienungsanleitung nicht entgegen.
  3. Allerdings: Sofern die Bedienungsanleitung z.B. Kapitel mit technischen Angaben enthalten sollte, die mit der Aufstellung, Bedienung und Überprüfung der ordnungsgemäßen Funktion des Gerätes durch die Messbeamten nicht in direktem Zusammenhang stehen, kann jedoch von der Fertigung von Kopien abgesehen werden.

Mit Nr. 3 habe ich etwas Probleme, da ich dort ein Hintertürchen sehe bzw. Abgrenzungsprobleme vermute. Denn, wer entscheidet, was „technische Angaben“ sind, die „nicht in direktem Zusammenhang“ stehen? Die Verwaltungsbehörde? Macht man da nicht den Bock zum Gärtner?

Akteneinsicht? Nein. Kannst dir ja eine Bedienungsanleitung kaufen!

Vorab. Ich bin den Kollegen, die mir immer wieder (neue) Entscheidungen der Amtsgerichte zur Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung im Bußgelvderfahren schicken, sehr dankbar. An dieser Stelle daher ein herzliches Dankeschön.

Vor allem auch deshalb, weil damit nicht solche Knaller wie AG Wetzlar, Beschl. v. 04.01.2012 – 45 OWi 21/11 in der Versenkung verschwinden. Die Akteneinsicht wird dort abgelehnt, das AG sieht den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig an und schreibt dem Verteidiger:

Auch soweit der Verteidiger die Herausgabe der Betriebsanleitung des Geschwindigkeitsmessgeräte Riegl FG 21 P begehrt, besteht hierauf kein Anspruch. Seitens der Verteidigung darf nicht der Umfang und die Ausgestaltung des Akteninhaltes bestimmt werden. Wenn der Verteidiger die Betriebsanleitung benötigt, so kann er diese beim Regionalen Verkehrsdienst Lahn-Dill in Dillenburg einsehen oder aber diese beim Hersteller des Geschwindigkeitsmessgerätes gegebenenfalls käuflich erwerben.“

M.E. doppelt falsch. Der Antrag ist m.E. zulässig, da es sich um eine eigenständige Maßnahme der Verwaltungsbehörde handelt, der im Hinblick auf das Recht auf rechtliches Gehör auch selbständige Bedeutung zukommt. Und: Der „Kaufhinweis“ liegt m.E. völlig neben der Sache. Es kann doch nicht Aufgabe des Betroffenen sein, sich das Material zur Überprüfung des gegen ihn gemachten Vorwurfs selbst zu beschaffen. Sondern: Wenn die Messung zugrunde gelegt wird, muss ihre Überprüfbarkeit anhand des Akteninhalts möglich sein. So schafft man nur eine neue Einnahmequelle für die Hersteller der Bedienungsanleitungen.

Bedienungsanleitung zum Messgerät – kein Urheberrecht des Herstellers…

Wir haben ja schon häufig über die mit der Akteneinsicht im Bußgeldverfahren betreffend vor allem die Bedienungsanleitung berichtet _ vgl. dazu auch die Zusammenstellung in meinem Beitrag in VRR 2011, 250. Hier dann eine neue Variante, mit der sich der AG Hildesheim , Beschl. v. 29.12.2011 – 31 OWi 27/11 – auseinandersetzen musste. Der Landkreis hat in dem Verfahren die Einsicht u.a. damit verweigert, dass er darauf berufen hatte, dass der Hersteller die Erlaubnis zur Einsicht verweigert habe.

Dem schiebt das AG einen Riegel vor: Das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers in die Bedienungsanleitung eines Messgerätes sei nicht durch Urheberrechte der Herstellerfirma beschränkt. Es sei zudem von einer zumindest konkludenten Einräumung entsprechender Nutzungsrechte mit Erwerb des Messgerätes auszugehen (§ 31 Abs. 5 UrhG). Und: Die Herstellerfirma könne das Nutzungsrecht auch nicht nachträglich durch einseitige Erklärung wieder entziehen.

Der Beschluss wird jetzt im Zweifel die nächste Runde eröffnen. Nämlich: Nicht nachträgliche einseitige Erklärung, sondern vertragliche Vereinbarung zwischen Verwaltungsbehörde und Hersteller. Was ich immer noch nicht begriffen habe: Warum sträuben sich eigentlich die Hersteller/Verwaltungsbehörden so gegen eine Einsicht des Verteidigers.

Von wegen: Geheim….. Karten/Bedienungsanleitung müssen auf den Tisch….

Ziemlich unbeachtet geblieben ist bislang der VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 29. 10. 2010, VGH B 27/10, der zur Verletzung des rechtlichen Gehörs im Bußgeldverfahren Stellung nimmt.

Im Ausgangsverfahren hatte der Verteidiger eine Geschwindigkeitsmessung für unverwertbar gehalten, weil vor der Messung eine neue Eichung des eingesetzten Lasermessgeräts aufgrund einer neuen Bedienungsanleitung mit einem erweiterten Entfernungsbereich für den Aligntest (Einrichtung des Visiers) hätte erfolgen müssen. Das AG hatte einen entsprechenden Beweisantrag mit der Begründung zurückgewiesen, es sei von einer einwandfreien Funktion des Geräts auszugehen, da die neue Bedienungsanleitung von der  Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zugelassen worden sei. Der Verteidiger beantragte daraufhin zweimal vergeblich die Einsichtnahme in die dem Gericht aus anderen Verfahren vorliegenden Unterlagen der PTB. Das AG ver weigerte die Akteneinsicht und verurteilte den Beschwerdeführer. Im Urteil führte es aus, zu einer Beziehung der Unterlagen und der Gewährung von Einsichtnahme „ins Blaue hinein“ sei das Gericht mangels nachvollziehbarer Gründe nicht gehalten gewesen. Der Verteidiger hatte Verfassungsbeschwerde eingelegt und im Beschl. v. 29. 10. 2010, VGH B 27/10 Recht bekommen.

Der VGH stellt fest, dass dann, wenn sich das Gericht zur Ablehnung eines Beweisantrags auf Unterlagen bezieht, die ihm aus anderen Verfahren vorliegen, hier die Zulassung einer Bedienungsanleitung des Geschwindigkeitsmessgerätes durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, es einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör darstelle, wenn die beantragte Einsichtnahme in diese Unterlagen vom Gericht verweigert wird. An sich m.E. eine Selbstverständlichkeit, die der VerfGH da zum Ausdruck bringen muss. Die Entscheidung betrifft leider nicht den Fall der derzeit ja heftig diskutierten Frage der allgemeinen Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung. Aber: Die Ausführungen der VerfGH zum Akteneinsichtsrecht sind lesenswert und man kann sie m.E. auch übertragen. Zumindest kann man damit argumentieren.