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Wann/wie haftet ein 8-jähriges Kind für einen Fahrradunfall, oder: Aufsichtspflichtverletzung?

Bild von Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay

Die zweite Entscheidung des Tages kommt vom OLG Celle. Das hatte über eine Klage zu entscheiden, mit der die Klägerin von der minderjährigen Beklagten und ihren Eltern, Schadensatz, Schmerzensgeld und die Feststellung der Einstandspflicht für künftige Schäden aus einem Unfallgeschehen vom 04.10.2016 am Gardasee in Italien verlangt.

Das OLG geht im OLG Celle, Urt. v. 19.02.2020 – 14 U 69/19 – von folgendem Sachverhalt aus:

„Die Klägerin war am Unfalltag als Fußgängerin auf der Promenade des Gardasees in R./Italien mit ihrer Freundin, der Zeugin W., unterwegs. Die 2008 geborene, am Unfalltag achtjährige Beklagte zu 1) fuhr mit ihrem Fahrrad in entgegengesetzter Richtung auf der Promenade. Während der Vorwärtsfahrt drehte sich die Beklagte zu 1) eine Zeitlang zu ihren Eltern, den Beklagten zu 2) und 3) um, die einige Meter hinter ihr in Sicht- und Rufweite folgten und dabei ihre mitgeführten Fahrräder schoben. Dabei verlor sie unbemerkt ihre Fahrspur und näherte sich der an der Uferpromenade stehenden Klägerin und ihrer Freundin, der Zeugin W. Als die Eltern den Kursverlust ihrer Tochter bemerkten, versuchte die Beklagte zu 2) noch, ihre Tochter zu warnen, die eine Vollbremsung einleitete. Die Klägerin geriet indes ins Straucheln, verlor das Gleichgewicht und stürzte von der Uferpromenade auf einen ca. einen Meter darunterliegenden Betonsteg und von dort aus ins Hafenbecken. Die Zeugin W., die unmittelbar vor dem Unfall etwas schräg versetzt vor der Klägerin stand, konnte noch seitlich ausweichen.

Die Klägerin erlitt bei ihrem Sturz eine Sprunggelenkfraktur links mit Syndesmosensprengung, eine Delta-Band-Ruptur, eine Kapselruptur und ausgeprägte Hämatombildung medial/lateral sowie einen Ausriss der Peronealsehnenscheide und Hautabschürfungen am Fußrücken. Mit einem Rettungswagen wurde die Klägerin zunächst in ein Krankenhaus in Italien gebracht, sie entschied sich jedoch zu einer Operation in M. Vom 5. bis 13. Oktober 2016 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung in der S. Klinik in M. Es folgten Nachsorgetermine bei ihrem Hausarzt, Krankengymnastik und eine weitere Operation in der S. Klinik in M., bei der die eingesetzten Schrauben entfernt wurden.

Die Klägerin hat erstinstanzlich behauptet, die Beklagte zu 1) sei mit ihrem Kinderrad zunächst „sehr zügig“ in der Mitte der Promenade gefahren. Plötzlich habe ihre Freundin, die Zeugin W., einen Sprung nach links gemacht, sie habe jedoch nicht mehr reagieren können und sei von der Beklagten zu 1) angefahren worden. Durch die Berührung mit dem Lenker der Beklagten zu 1) habe sie ihr Gleichgewicht verloren und sei gestürzt.“

Das LG hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es sei nicht erwiesen, dass der Sturz und die daraus resultierenden Verletzungen und Schäden auf einer Verletzungshandlung der Beklagten zu 1) beruhten. Eine Haftung der Beklagten zu 2) und 3) scheide bereits wegen fehlender Verletzung der Aufsichtspflicht aus. Denn die Beklagte zu 1) habe Fahrrad fahren gekonnt und in dem Bereich der Uferpromenade, in dem kein Autoverkehr geherrscht habe, auch ohne unmittelbare Eingreifmöglichkeit der Eltern fahren dürfen. Kinder müssten an die Teilnahme am öffentlichen Verkehr herangeführt werden, wofür sich die Promenade angeboten habe. Zudem fehle es an einer Ursächlichkeit zwischen der vermeintlichen Aufsichtspflichtverletzung und den behaupteten Schäden, da eine Kollision zwischen der Beklagten zu 1) und der Klägerin gerade nicht bewiesen sei.

Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin hatte teilweise Erfolg.

Das OLG bejaht im OLG Celle, Urt. v. 19.02.2020 – 14 U 69/19  – eine Haftung der minderjährigen Beklagten aus. §§ 823 Abs. 1, 828 Abs. 3, 253 Abs. 2 BGB. Der Leitsatz der Entscheidung lautet:

„Einem altersgerecht entwickeltem achtjährigem Kind, das bereits seit seinem fünften Lebensjahr im Straßenverkehr Fahrrad fährt, muss bewusst sein, dass eine länger andauernde Vorwärtsfahrt mit dem Fahrrad, während der Kopf rückwärtsgewandt und damit das Blickfeld vom Fahrweg abgewandt ist, gefahrenträchtig ist.“

Und: Das OLG verneint aber eine Haftung der beklagten Eltern:

2) Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagten zu 2) und 3) gem. § 832 BGB. Danach ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit (…) der Beaufsichtigung bedarf und einem Dritten widerrechtlich Schaden zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt (…). Diese Voraussetzung liegt vor.

Die Beklagte zu 2) und 3) haben ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt, die ihnen über die Beklagten zu 1) obliegt. Grundsätzlich richtet sich das Maß der gebotenen Aufsicht über Minderjährige zum einen nach deren Alter, Eigenart und Charakter, wobei sich die Grenze der erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen nach ständiger Rechtsprechung danach bestimmt, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen tun müssen, um Schädigungen Dritter durch ihr Kind zu verhindern. Zum anderen kommt es auf die Gefährlichkeit des jeweiligen Verhaltens und die Schadensgeneigtheit des jeweiligen Umfeldes an, also auf das Ausmaß der vorhersehbaren Gefahren, die von der konkreten Situation für Dritte ausgehen. Kinder müssen dabei über die Gefahren des Straßenverkehrs frühzeitig belehrt werden. Sie müssen, insbesondere was das Radfahren betrifft, behutsam in den Straßenverkehr hineingeführt werden. Eltern müssen ihre Kinder langsam daran gewöhnen, sich auf die vielfältigen Gefahren einzustellen und ihr Verhalten danach zu steuern. Das betrifft sowohl die Verkehrsregeln als auch die Fahrtechnik. Beides muss eingeübt werden. Die sinnvolle Hinführung des Kindes zu einem selbstständigen, verantwortungsbewussten und umsichtigen Verhalten im Verkehr ist allerdings nur möglich, wenn ein Kind andererseits auch altersgerecht angepasste Gelegenheiten bekommt, sich ohne ständige Beobachtung, Kontrolle und Anleitung selbst im Verkehr zu bewähren (vgl. Wellenhofer, in: BeckOGK, Stand: 1.11.2019, BGB, § 832 Rn. 63 m.w.N.; vgl. BGH, Urteil vom 07. Juli 1987 – VI ZR 176/86 -, Rn. 12; OLG Koblenz, Beschluss vom 21. Januar 2009 – 12 U 1299/08 -, Rn. 1, beide zitiert nach juris). Denn die Erziehung der Kinder zu verantwortungsbewussten Verkehrsteilnehmern liegt auch im Gemeinschaftsinteresse, und sie ist insoweit nicht in dem Sinn der Alleinverantwortung der Eltern unterworfen, dass diese stets „für ihre Kinder“ haften müssen (OLG Koblenz, Beschluss vom 21. Januar 2009 – 12 U 1299/08 -, Rn. 3, juris).

Nach diesen Maßstäben ist es aus Sicht des Senats nicht zu beanstanden, dass die Beklagten zu 2) und 3) die Beklagte zu 1) in der Situation vor dem Unfall auf der Hafenpromenade mit dem Fahrrad fahren ließen, während sie selbst – ihre Fahrräder schiebend – in einigem Abstand folgten. Die Beklagte zu 1) war mit den Verkehrsregeln vertraut und bewegte sich bereits nach eigenen Aussagen seit ihrem fünften Lebensjahr mit dem Fahrrad im Straßenverkehr. Die Beklagten zu 2) und 3) hielten Sicht- und Rufkontakt zur Beklagten zu 1), der befahrene Weg war ausreichend breit, motorisierter Verkehr war nicht zu erwarten. Es handelte sich um eine sehr übersichtliche Gesamtsituation, die von wenigen Fußgängern geprägt war. Unter diesen Umständen war die Entscheidung der Beklagten zu 2) und 3), die Beklagte zu 1) mit dem Fahrrad vorfahren zu lassen, nicht zu beanstanden. Denn ein altersgerecht entwickeltes Kind braucht gewisse Freiräume pädagogisch vertretbarer Maßnahmen, die sich aus den Erziehungszielen der §§ 1631 Abs. 1 und 1626 Abs. 2 BGB ergeben (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 16. September 1999 – 6 U 92/99 -, Rn. 16, juris).“

Wenn der 6 1/2 Jährige mit seinem Kettcar auf einem Tankstellengelände fährt, oder: Aufsichtspflichtverletzung?

Und zu den „neuen Fahrzeugen“ passt ganz gut das AG Zeitz, Urt. v. 29.05.2018 – 4 C 22/18. Es geht zwar nicht, um ein „neues Fahrzeug“, aber um ein zumindest außergewöhnliches Fahrzeug im Straßenverkehr, nämlich um ein Kettcar.

In Anspruch genommen werden nach einem Verkehrunfall Kettcar/Pke die Eltern des (zum Unfallzeitpunkt) sechseinhalb Jahren Jungen, der im Bereich einer Tankstelle mit seinem Kettcar gefahren und plötzlich auf die Straße gefahren war. Geltend gemacht wird eine Aufsichtspflichtverletzung (§ 832 BGB). Das AG bejaht das und geht von einer Haftung zu 1/2 aus:

„Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:

Grundlage für eine Haftung der aufsichtspflichtigen Eltern ist § 832 BGB. Danach ist derjenige, der kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über ein minderjähriges Kind verpflichtet ist, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der zu Beaufsichtigende einem Dritten widerrechtlich zufügt.

Ob eine Aufsichtspflichtverletzung im konkreten Fall vorliegt, lässt sich nicht pauschal beurteilen, sondern ist eine Frage des Einzelfalls. Inhalt und Umfang der elterlichen Aufsicht richten sich nach Alter, Entwicklungsstand, Eigenart des Charakters des Kindes und den mit ihm in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass maßgeblich für Art und Umfang der Aufsichtspflicht das Ausmaß der für Dritte drohenden Gefahr durch das Handeln des Kindes und die Vorhersehbarkeit eines schädigenden Verhaltens durch das Kind ist. Die von den Eltern zu treffenden Maßnahmen durch Belehrung und Überwachung des Kindes orientieren sich schließlich an dem für sie in der konkreten Situation Zumutbaren. Im Gegensatz dazu ist natürlich zu sehen, dass von Eltern regelmäßig keine Überwachung des Kindes auf Schritt und Tritt verlangt werden kann. Eine solche würde vor allem in essenziellem Widerspruch mit ihrer Aufgabe als Eltern stehen, ihre Kinder zum mündigen, selbstständigen Erwachsenen zu erziehen, wozu speziell die sukzessive Gewährung von Freiraum gehört. Im Einzelfall ist eine Abwägung zwischen dem Erziehungsinteresse der Eltern einerseits und dem Interesse des Dritten – nicht geschädigt zu werden – vorzunehmen. Entscheidend ist stets, was verständige Eltern in der konkreten Situation unternehmen müssen, um eine Schädigung Dritter zu verhindern. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Erziehungsberechtigten ihrer Aufsichtspflicht allgemein nachgekommen sind. Maßgeblich ist, ob diese in der konkreten Situation und in Bezug auf die zur widerrechtlichen Schadenszuführung führenden Umstände erfolgt ist (Hensen, NJW-Spezial 2016, 265, beck-online, m.w.N.).

Vorliegend ist den Beklagten nach Auffassung des Gerichts eine Aufsichtspflichtverletzung zur Last zu legen. Auch wenn man unterstellt, dass die Beklagten N. hinreichend allgemein im Verkehr unterwiesen haben (was das Gericht nach dem Eindruck von den Beklagten in der mündlichen Verhandlung auch glaubt), ist das im vorliegenden Fall nicht haftungsbefreiend. Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt nämlich darin, dass N. mit sich mit einem Spielzeug im Verkehr bewegt hat, das für den Straßenverkehr nach Auffassung des Gerichts völlig ungeeignet ist. Ohne dass den Beklagten insoweit irgendein moralischer Vorwurf gemacht werden soll (das Gericht hat nach dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung keinen Anlass zu irgendwelchen Zweifeln daran, dass sich die Beklagten um die bestmögliche Erziehung bemühen), liegt die Aufsichtspflichtverletzung bereits darin, dass die Beklagten N. überhaupt eine Bewegung mit dem Kettcar im öffentlichen Verkehrsraum ohne ihre Aufsicht gestattet haben.

Zu einer vollständigen Haftung der Beklagten mit 100 % führt das allerdings nicht. Die Klägerin muss sich entgegen halten lassen, dass sie die Betriebsgefahr trägt und zudem – wie auch immer im Einzelnen – N. mit dem Kettcar zuvor schon einmal im Umfeld ihrer Fahrt gesehen hatte.“

6-jähriger überquert mit Kickboard Straße – worauf müssen Mama und Papa achten?

entnommen wikimedia-org Urheber 4028mdk09

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Am vergangenen Donnerstag ist hier das Posting zum OLG Oldenburg Urt. v. 17?.?07?.?2014? – 1 U ?3?/?14? – betreffend Aufsichtspflichtverletzung einer Mutter hinsichtlich des Schusses mit einer Soft-Air-Pistole durch ihr Kind gelaufen (vgl. Der (teure) Schuss mit der Soft-Air-Pistole – aus zivilrechtlicher Sicht). Nun bin ich auf einen weiteren „Aufsichtspflichtverletzungsfall“ gestoßen, nämlich auf das LG Köln, Urt. 11.02.2014 – 11 S 462/12 – betreffend Aufsichtspflichtverletzung der Eltern bei Verkehrsunfall eines sechsjährigen Kindes beim Überqueren eines Straße mit einem Kickboard. Zu dem Verkehrsunfall war es gekommen, als der Kläger mit seinem Pkw unterwegs war und das Kind der Beklagten, welches zu der Zeit 6 3/4 Jahre alt war, mit einem Kickboard – ohne vorher anzuhalten und sich nach dem Verkehr zu vergewissern – auf die Straße fuhr und mit der vorderen rechten Ecke des klägerischen Fahrzeuges kollidierte. Das AG hatte eine Haftung der beklagten Mutter verneint, das LG hat sie hingegen angenommen:

Vorliegend hat das Amtsgericht jedoch eine Entlastung der Beklagten nach § 832 I S. 2 BGB angenommen, obwohl die Beklagte erstinstanzlich dazu nicht ausreichend vorgetragen hat. Sie hat nur dargelegt, sie habe ihren Sohn, der zu einem Freund wollte, der auf der anderen Straßenseite wohnt, angewiesen, er solle vorsichtig die Straße überqueren, was dieser bereits täglich seit längerer Zeit problemlos praktiziert habe. Mit dem weiteren Hinweis der Beklagten an ihren Sohn, er solle wegen der Fahrzeuge aufpassen und ggf. stehen bleiben, hat sie ihrer Aufssichtpflicht auch nicht genügt. Vielmehr müsste sie dem minderjährigen Sohn, wenn dieser auch bereits 6 3/4 Jahre alt war, konkrete Verhaltensregeln beim Überqueren der Straße mit einem Kickboard geben. In zweiter Instanz hat zwar die Beklagte weiter vorgetragen, dass sie ihr Kind darauf hingewiesen habe, nicht mit dem Kickboard-Roller vom Bürgersteig direkt über die Straße zu fahren, sondern immer an der Straßenseite zunächst zu warten und sich zu vergewissern, dass weder Personen noch Fahrzeuge seinen Weg kreuzen würden, eine Anweisung, die er auch für seinen Schulweg kannte.

Nach Auffassung der Kammer ist jedoch auch dieser Vortrag nicht geeignet, die Beklagte von ihrer Aufsichtspflicht zu entlasten. Insoweit hat der Kläger zu Recht vorgetragen, dass dem Sohn der Beklagten ein verkehrswidriges Verhalten gestattet wurde, indem ihm erlaubt wurde, mit dem Kickboard die Straße zu überfahren.

Nach der Straßenverkehrsordnung ( § 2, 24 StVO) ist dies einem knapp siebenjährigen Kind nicht erlaubt. Darin sieht die Kammer auch eine klare Aufsichtspflichtverletzung der Beklagten. Sie hätte ihrem Sohn eindeutig und klar anweisen müssen, beim Überqueren der Straße vom Roller abzusteigen und am Fahrbahnrand dann nach links und rechts zu schauen, ob Verkehr kam und wenn die Straße frei war, den Roller schiebend zu Fuß die Strasse zu überqueren. Diese Anweisung hat die Beklagte ihrem Sohn unstreitig nicht gegeben.

Sie kann sich auch nicht darauf berufen, dass es sich vorliegend um eine Anliegerstraße handelt. Das von den Anwohnern angebrachte Schild ist kein amtliches Schild, sondern die Anwohner haben es selbst angebracht. Es ist unstreitig, dass die I-Straße zwar in einer verkehrsberuhigten Zone von 30 km/h liegt, dass aber am Ende der Straße sich eine Sparkasse der Stadt KölnBonn befindet, die auch nach dem Vortrag der Beklagten häufig über die I-Straße angefahren wird. Im Hinblick auch auf die unübersichtlichen Ortsverhältnisse, die hohe Hecke am Straßenrand von 1,30 m und die parkenden Fahrzeuge, war es unbedingt erforderlich, dass die Beklagte ihren Sohn anwies, am Straßenrand stehen zu bleiben, wenn er die Straße überqueren wollte und seinen Roller, nachdem er gesehen hatte, dass kein Verkehr kam, schiebend über die Straße zu Fuß schob.

Ein verkehrswidriges Verhalten des Klägers ist nicht ersichtlich, so dass ihm ein Mitverschulden nicht angelastet werden kann (§ 254 BGB). Es gibt ausweislich der Ermittlungsakte keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit seinem PKW mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist, vielmehr hat die Zeugin T ausgesagt, dass der Kläger mit sehr mäßiger, deutlich geringerer Geschwindigkeit als erlaubt gefahren sei. Der Kläger musste auch nicht damit rechnen, dass ein Kind ohne jede Vorsicht mit einem Spielgerät oder Roller auf die Strasse fährt, um sie zu überqueren. Hinweise hierfür ergeben sich auch nicht aus etwa auf der Strasse befindlichen Kreidezeichnungen von Kindern….“

Der (teure) Schuss mit der Soft-Air-Pistole – aus zivilrechtlicher Sicht

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Bisher nur eine Pressemitteilung liegt zum OLG Oldenburg Urt. v. 17‌.‌07‌.‌2014‌ – 1 U ‌3‌/‌14‌ – vor, in dem es um die Frage einer Aufsichtspflichtverletzung einer Mutter bei Umgang des Sohnes mit einer Softair-Pistole ging. Nach dem Sachverhalt hatte vier Kinder im Alter zwischen 10 und 13 Jahren auf einem Parkplatz in einer Gemeinde in Ostfriesland gespielt. Der Sohn der Beklagten und ein weiteres Kind hatten Softair-Pistolen dabei und trugen Schutzbrillen. Die beiden anderen Kinder, u.a. der Kläger, hatten einen solchen Schutz nicht. Bei einem vom Sohn der Beklagten abgegebenen Schuss wurde der Kläger am linken Auge verletzt. Er erlitt durch das Geschoss eine schwere Verletzung am linken Auge. Der Haftpflichtversicherer der Mutter hatte den Schaden zu 25 % übernehmen wollen. Die Zivilkammer des LG nahm hingegen eine 100 %-ige Haftung der Mutter an.

Das OLG Oldenburg hat die Entscheidung des LG Aurich zur 100-igen Haftung der Mutter, des „Schützen“, die zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000 €und Ausgleich weiteren Schadensersatzes verurteilt worden ist, bestätigt. Aus der PM:

„Der Senat hat eine Aufsichtspflichtverletzung der allein sorgeberechtigten Mutter festgestellt und dazu ausgeführt, bei Softair-Pistolen handele es sich um Gegenstände mit deutlich erhöhtem Gefahrenpotenzial. Sie könnten zwar regelmäßig keine lebensgefährlichen Verletzungen herbeiführen, seien aber geeignet, nicht unerhebliche Verletzungen an empfindlichen Körperteilen zu verursachen. Hinzu komme als spezifische Gefahr bei Jugendlichen, dass sich beim Einsatz solcher Softair-Waffen ein Wettkampfgefühl bis hin zu einem übersteigerten „Jagdeifer“ entwickeln könne, was zu einem gefährlichen, unüberlegten, ungesteuerten und exzessiven Einsatz solcher „Spielzeugwaffen“ führen kann.

Zumindest für Kinder, die noch keine 14 Jahre alt sind, sei es im Hinblick auf die Gefährlichkeit dieser Gegenstände erforderlich, dass die Sorgeberechtigten eine umfassende Kontrolle über den Einsatz solcher Softair-Waffen seitens ihrer Kinder behalten. Es müsse insbesondere gewährleistet sein, dass zeitnah eingegriffen werden könne, wenn etwa durch die Art des Spiels, die Spielteilnehmer oder deren Verhalten sich konkrete, besondere Gefahren ergeben. Einer solchen umfassenden Aufsichtspflicht mit entsprechender Kontrolldichte ist die Mutter aus Sicht der Richter nicht nachgekommen. Abgesehen von einer angeblich erfolgten allgemeinen Ermahnung, die Softair-Pistole nur nach Anlegung des dafür vorgesehenen Gesichts- bzw. Augenschutzes einzusetzen und auf solche Schutzmaßnahmen auch bei anderen Spielteilnehmern zu bestehen, habe die Mutter ihren Sohn weitgehend unkontrolliert schalten und walten lassen. Dabei habe der Mutter klar sein müssen, dass ihr Sohn diese Anweisungen nur schwer gegenüber anderen Kindern durchsetzen konnte, wenn diese auch gerne an dem aus ihrer Sicht faszinierenden Spiel teilnehmen wollten, gleichwohl aber über keine Schutzausrüstung verfügten.

Ein ins Gewicht fallendes Mitverschulden des verletzten Kindes nahmen die Richter nicht an. Das Kind habe durchaus gewusst, dass das Spiel mit der Softair-Pistole gefährlich war und sich deshalb auch in einer bereits zuvor erlebten Spielsituation mit einer Kiste geschützt. Dennoch sei die Aufsichtspflichtverletzung der Mutter von einem solchen Gewicht, dass das Verhalten des geschädigten Kindes sich nicht erheblich auswirke. Die entscheidende, maßgebende Ursache für die Schädigung des Klägers sei durch den Sohn der Beklagten gesetzt und von einer schwerwiegenden schuldhaften Pflichtverletzung der Mutter verursacht worden, so der Senat.

Neben dem Ausgleich für die bereits erlittenen Schäden muss die Mutter auch künftig damit rechnen, vom verletzten Kind in Anspruch genommen zu werden. Ein Sachverständiger hatte festgestellt, dass durch die Verletzungen das linke Auge lichtempfindlicher geworden ist. Dies kann im Alter zu chronischen Bindehaut-Rötungen führen. Darüber hinaus besteht die Gefahr einer in 10 bis 20 Jahren eintretenden vorzeitigen Linsentrübung, die eine sodann risikoreichere graue Star-Operation zur Folge haben kann. Schließlich kann die Eignung für bestimmte Berufe, beispielsweise im Flugverkehr und in der Seefahrt eingeschränkt sein. Der Senat stellte deshalb fest, dass auch künftig eintretende Schäden von der Mutter zu ersetzen sind.“