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Keine Pauschgebühr für den entbundenen Pflichti?, oder: OLG Frankfurt und BVerfG irren mal wieder

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Heute – man sieht es an der Überschrift – ist „Gebührenfreitag. Und heute gibt es unter dem Thema nur Entscheidungen zur Pauschgebühr nach § 51 RVG. Wer hätte das gedacht? Ich kann einen „Pasuchgebührenfreitag“ machen. Tja, tot Gesagte leben eben länger.

Ich beginne hier mit zwei – nicht so schönen – Entscheidungen – dann sind die schon mal weg – zur Frage des Bewilligungszeitpunkts. Dazu haben sich das OLG Frankfurt am Main und dann das BVerfG geäußert.

Der Rechtsanwalt war in einem Staatsschutzprozess zum Pflichtverteidiger bestellt. Er ist nach eineinhalb Jahren aber aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig entpflichtet worden. Der Rechtsanwalt hat dann beim OLG Frankfurt am Main eine Pauschgebühr in Höhe von 290.000 EUR zusätzlich zur Gewährung der Pflichtverteidigergebühr bzw. einen Vorschuss hierauf be-antragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe in der vergangenen Zeit im Wesentlichen den Staatsschutzfall bearbeitet, könne aber infolge seiner Entpflichtung sein Gehalt nun nicht mehr aus den Termingebühren „quersubventionieren“. Wegen seiner Einkommenssituation ste-he er vor der Zurückgabe seiner Anwaltszulassung. Das OLG hat den Antrag im OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 02.07.2024 – 2 ARs 12/24 abgelehnt:

„Der Senat vertritt im Anschluss an den Wortlaut und die Gesetzesbegründung zum RVG in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass eine Pauschvergütung für abgeschlossene Verfahrensabschnitte grds. nicht in Betracht kommen kann, wenn das Verfahren noch nicht insgesamt beendet ist. Der Konzeption des Gesetzgebers im RVG liegt ein Kompensationsmodell zu Grunde, das eine Pauschgebühr nur als Ausnahme für „Sonderopfer“ vorsieht, vom Grundsatz aber davon ausgeht, dass die Gebühren im Verfahren insgesamt eine ausreichende Honorierung der Tätigkeit eines Pflichtverteidigers sicherstellen. Da der Gesetzgeber in Strafsachen unter Auflösung der obergerichtlichen Kasuistik zur BRAGO im RVG die Gebühren insgesamt erhöht und Sondergebühren eingeführt hat, kann erst nach Abschluss des Verfahrens überhaupt geprüft werden, inwieweit nach Festsetzung der Gebühren dem Verteidiger eine sonderopferfähige Tätigkeit abverlangt worden ist. Das ergibt sich u.a. auch daraus, dass bis zum Abschluß nicht feststeht, wer Kostenschuldner ist und davon abhängig, wie überhaupt nach welchen Ziffern (Festgebühren oder Rahmengebühren) abgerechnet werden kann.

Insoweit kommt vorliegend bis zum Abschluß des Verfahrens bereits aus Rechtsgründen keine Pauschvergütung in Betracht.

Der vom Antragsteller hilfsweise gestellte Antrag auf „Vorschuß auf eine noch festzusetzende Pauschgebühr“ ist ebenfalls derzeit nicht tatsachenfundiert begründet.

Ein solcher Antrag ist zwar grds. möglich, setzt aber voraus, dass zum Einen bei dem Umfang und der Schwierigkeit des Verfahrens die gesetzlichen Gebühren zum jetzigen Zeitpunkt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht ausreichen und prognostisch ein „Sonderopfer“ begründen wird, zum Zweiten, dass dieses „Sonderopfer“ nicht durch den vom Gesetzgeber dafür vorgesehen Kompensationsansatz im Laufe des Verfahrens, namentlich durch die Hauptverhandlungsgebühren und die Mehrfachverteidigung kompensiert werden wird und Drittens in der Person des Pflichtverteidigers überhaupt ein „Sonderopfer“ entstehen kann, was dieser tatsachenfundiert darzulegen hat. Letztlich ist Viertens dafür notwendig, dass insbesondere bei einem Verfahren, das längere Zeit in Anspruch nehmen wird, die Teilabrechnung auf Basis der gesetzlichen Gebühren nicht ausreicht, das derzeit nicht dargelegte und auch ansonsten nicht erkennbare Sonderopfer, zu vermeiden.

Diese Voraussetzungen sind zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls erkennbar alle noch nicht gegeben, so dass auch ein Vorschuß auf eine mögliche Pauschvergütung ausgeschlossen ist.

Dagen hat der Pflichtverteidiger dann Verfassungsbeschwerde eingelegt. Die hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen. Es führt im BVerfG, Beschl. v. 08.08.2024 – 1 BvR 1680/24 – aus:

„Unabhängig davon, ob das Oberlandesgericht Frankfurt am Main im hier angegriffenen Beschluss Ausmaß und Bedeutung der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Strafverteidiger in dem konkreten Staatsschutzverfahren angesichts des vorgetragenen Bearbeitungsinhalts und -umfangs im Ausgangspunkt richtig gewürdigt hat, hat der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte nicht den Substantiierungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechend dargelegt. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat maßgeblich darauf abgestellt, dass eine Pauschvergütung beziehungsweise ein Vorschuss auf eine solche vor Abschluss des Strafverfahrens nicht in Betracht komme, weil bis zum Abschluss nicht feststehe, wer Kostenschuldner sei und wie abgerechnet werden könne. Dass diese Rechtsprechung schon im Grundsatz verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Er setzt sich überdies nicht damit auseinander, weshalb er als vorzeitig entbundener Strafverteidiger anderen kostenrechtlichen Maßstäben unterliegen soll als ein weiterhin tätiger, der ebenfalls erst nach Abschluss des Verfahrens eine Pauschgebühr abrechnen könnte.“

Die Entscheidungen sind m.E. beide falsch. Ich will mich hier kurz fassen – mehr dazu demnächst im AGS. Es ist nicht nachvollziehbar, warum man auch in den Fällen der Entbindung des Pflichtverteidigers vom Pflichtverteidigungsmandat für die Gewährung einer Pauschgebühr auf den Abschluss des Verfahrens abstellt. Zum Antragszeitpunkt gilt: Das RVG nennt keinen Zeitpunkt für die Stellung des Antrags. Daher ist es zwar grundsätzlich allgemeine Meinung, dass ein Pauschgebührenantrag grds. erst gestellt werden, wenn die zu vergütende Tätigkeit abgeschlossen ist und die gesetzliche Gebühr gem. § 8 RVG fällig ist. I.d.R. wird das angenommen, wenn zumindest die Instanz abgeschlossen ist (allgemeine Meinung, s. u.a. Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldverfahren, 6. Aufl. 2021, § 51 Rn 75). Etwas anderes gilt aber m.E. jedenfalls dann, wenn die Pauschgebühr nur für einen Verfah-rensabschnitt geltend gemacht wird. Denn dann kommt es auf die erforderliche Gesamtschau des gesamten Verfahrens nicht an. Da eine Pauschgebühr nur für einen bestimmten Verfah-rensabschnitt verlangt wird, kann es nur darauf ankommen, ob dieser „besonders umfangreich“ oder „besonders schwierig“ war ). Deshalb muss eine Pauschgebühr für einen Verfahrensabschnitt geltend gemacht werden können, wenn dieser abgeschlossen ist. Das gilt in den Fällen der vorzeitigen Entbindung des Pflichtverteidigers vom Mandat entsprechend, denn auch in dem Fall macht der Pflichtverteidiger quasi für einen „Verfahrensabschnitt“, nämlich nur für den Zeitraum seiner Beteiligung an dem – nun ohne seine Beteiligung – fortgeführten Verfahren, eine Pauschgebühr geltend. Es besteht doch überhaupt kein Grund, den ehemaligen Pflichtverteidiger bis zum Abschluss des Verfahrens – ggf. in weiter zeitlicher Ferne – warten zu lassen. Jedenfalls sehe ich den nicht und wäre daher hoch erfreut, wenn das BVerfG, den Grund es offenbar gibt, dargelegt hätte. So hat man den Eindruck, dass das Verfas-sungsgericht über den Fall hinweg bügelt.

Das gilt auch für den „Vorwurf“ an den Rechtsanwalt, er setze sich nicht damit auseinander, weshalb er als vorzeitig entbundener Strafverteidiger anderen kostenrechtlichen Maßstäben unterliegen solle als ein weiterhin tätiger, der ebenfalls erst nach Abschluss des Verfahrens eine Pauschgebühr abrechnen könnte. Meint das BVerfG das ernst? Sieht es den Unterschied nicht oder will es ihn nicht sehen? Denn der nicht entbundene Pflichtverteidiger ist noch im Verfahren tätig, der entbundene hingegen nicht mehr. Warum soll er, der ja nun mit dem Verfahrens nichts mehr zu tun hat, bis zu dessen Abschluss warten? Die Entscheidung(en) führen zu zumindest leichtem Kopfschütteln.

 

Reisekostenerstattung – da muss/sollte man schnell sein..

RVG GeldregenIch habe länger nichts mehr zum Gebührenrecht gebracht, daher heute der Hinweis auf den OLG Dresden, Beschl. v. 06.12.2013 – 20 WF 1161/13. Eine Entscheidung, in der es zwar nicht um anwaltliche Gebühren und/oder Reisekosten geht, sondern um Reisekosten der Partei, deren Erstattung sie nach Gewährung von Verfahrenskostenhilfe in einem Sorgerechtsstreit beantragt hatte. Damit also aber doch noch ein gewisser gebühren- bzw. kostenrechtlicher Bezug. 🙂

Zum Sachverhalt: Die in Baden-Württemberg wohnenden Partei hatte in dem Sorgeverfahren am 13.12.2011 einen Anhörungstermin beim AG Riesa wahrgenommen, zu dem sie persönlich geladen war. Zuvor hatte sie Verfahrenskostenhilfe – VKH – „auch für (seine) entfernungsbedingten Mehrkosten“ beantragt; die VKH ist mit Beschluss vom 30.01.2012 rückwirkend bewilligt worden.  Die Erstattung der Reisekosten wird dann (erst) mit Schriftsatz vom 16.07.2013 beantragt. Das OLG Dresden sagt: (Auf jeden Fall) zu spät:

Richtig ist jedoch auch, dass die VKH-berechtigte Partei sich dennoch nicht beliebig viel Zeit mit ihrem Erstattungsantrag lassen darf. Ist die VKH einmal bewilligt, findet im Zusammenhang mit der Erstattungsfähigkeit von Reisekosten zwar keine gesonderte Bedürftigkeitsprüfung statt. Legt die Partei jedoch Reisekosten aus eigenen Mitteln vor und verzichtet dann für längere Zeit nach deren Entstehung auf eine Abrechnung gegenüber der Staatskasse, so begründet dies die tatsächliche Vermutung, dass sie eben trotz der grundsätzlich bewilligten VKH zur Aufbringung der Reisekosten selbst in der Lage gewesen ist. Die Länge dieser Frist mag dabei ebenso wie die Frage, ob die vorgenannte Vermutung widerlegbar ist, von den Umständen des Einzelfalls abhängen. Ein Zeitablauf von 20 Monaten zwischen dem Zeitpunkt der Kostenentstehung und deren Abrechnung ist aber jedenfalls deutlich zu lang, und Gründe, warum der Antragsgegner trotz seiner im Rahmen des VKH-Verfahrens bejahten Mittellosigkeit so lange auf die Erstattung dieser Kosten verzichten konnte, sind nicht einmal ansatzweise nachvollziehbar gemacht. Bei dieser Sachlage kann der Senat nicht umhin, die Beschwerde zurückzuweisen.

Schön, wäre es gewesen, wenn das OLG Dresden gesagt hätte, wann denn der Antrag noch rechtzeitig gewesen wäre. So hängt man in der Luft.

Jedenfalls heißt es in den Fällen: Schnelligkeit ist Trumpf. Und man muss m.E. ganz schnell sein. Denn dem OLG Naumburg waren im OLG Naumburg, Beschl. v. 15.08.2013 – 4 WF 85/12 –  (MDR 2013, 56) schon „mehrere Wochen zu lang“.

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2014 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft