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Mal wieder BVerfG zur Klageerzwingung, oder: Mal wieder zu hohe Anforderungen

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Heute dann mal „Verschiedenes“ 🙂 .

Ich eröffne mit dem BVerfG, Beschl. v. 02.07.2018 – 2 BvR 1550/17, in dem das BVerfG noch einmal/mal wieder zu den Anforderungen an einen (zulässigen) Klageerzwingungsantrag (§ 172 StPO) Stellung nimmt. Die Hürden sind an der Stelle in der Rechtsprechung der OLG sehr hoch gelegt, das BVerfG hat schon häufiger beanstandet, dass sie zu hoch sind.

Im entschiedenen Fall ging es um ein Klageerzwingungsverfahren, das den Tatvorwurf der fahrlässigen Tötung gegen behandelnde Ärzte wegen des Verdachts einer fehlerhaft durchgeführten Chemotherapie eines Mammakarzinoms zum Gegenstand hatte. Das OLG Rostock hatte den Klageerzwingungsantrag als unzulässig verworfen,“ weil dieser nicht den formalen Erfordernissen des § 172 Abs. 3 StPO entsprochen habe. Die Antragsschrift enthalte keine aus sich heraus verständliche, konkrete und substantiierte Sachdarstellung, die es dem Senat ermögliche, das mit dem Antrag verfolgte Begehren ohne Beiziehung der staatsanwaltlichen Ermittlungsakten und anderer Schriftstücke zu überprüfen. So werde allein zum Beweis für den verfahrensgegenständlichen Krankheitsverlauf und die angeblich fehlerhafte ärztliche Behandlung auf 16 Anlagen mit insgesamt 136 Blatt Bezug genommen, deren inhaltliche Kenntnisnahme durch den Senat notwendig sei, um sich ein eigenes Bild von der Krankheit, deren Verlauf und den Behandlungsmaßnahmen zu machen. Daran schlössen sich Ausführungen zum äußeren Ablauf der staatsanwaltlichen Ermittlungen an und eine Auseinandersetzung mit dem Ergebnis der durchgeführten Obduktion mit anschließender toxikologischer und histologischer Zusatzuntersuchung sowie mit diversen eingeholten ärztlichen und juristischen Stellungnahmen und Gutachten, die in der Antragsschrift teilweise nur insoweit zusammenfassend wiedergegeben würden, als sie die Sichtweise des Antragstellers stützten, wohingegen möglicherweise entgegenstehende Ausführungen nur verkürzt wiedergegeben würden. Der Senat müsste deshalb zur eigenen Beurteilung der Sache weitere 196 Seiten durchsehen. Bereits derart umfangreiche Bezugnahmen auf Unterlagen, die der Antragsschrift lediglich als Anlagen beigefügt seien, obwohl es auf deren genauen und vollständigen Wortlaut ankäme, seien unzulässig. Zudem seien die im Antrag genannten Anlagen erst einen Tag nach Ablauf der Frist des § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO eingegangen. Dem fristgemäß per Fax eingegangenen Klageerzwingungsantrag seien sie nicht beigefügt gewesen.“

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen. Begründung: Zwar verletzt der Beschluss des OLG Rostock den Beschwerdeführer in seinem Grundecht aus Art. 19 Abs. 4 GG. Nicht angenommen worden ist jedoch, weil die Tat möglicherweise verjährt ist. Zum Klageerwzingungsantrag führt das BVerfG unter Hinweis auf seine stäündige Rechtsprechung aus, dass die Darlegungsanforderungen an einen zulässigen Klageerzwingungsantrag nicht überspannt werden dürfen. Das sei hier aber der Fall:

„b) Gemessen daran halten die Erwägungen des Oberlandesgerichts Rostock den Anforderungen der Rechtsschutzgarantie nicht stand. Das Gericht hat die an einen Klageerzwingungsantrag zu stellenden Voraussetzungen überspannt.

aa) Der Klageerzwingungsantrag enthält entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts eine Darstellung des wesentlichen Inhalts der mitgeteilten Beweismittel.

Die Verpflichtung zur Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels dient dazu, dem Gericht die Überprüfung der schlüssigen Darlegung des genügenden Anlasses zur Erhebung der öffentlichen Klage zu ermöglichen, nicht jedoch des hinreichenden Tatverdachts an sich. Sie hat ferner den Zweck, eine Irreführung des Gerichts über den Inhalt und den Beweiswert des Beweismittels zu verhindern. Deshalb sind auch die Tatsachen mitzuteilen, die dem Antragsbegehren den Boden entziehen könnten (OLG Koblenz, Beschluss vom 21. Mai 2007 – 2 Ws 272/07 -, juris, Rn. 8). Bei einer nur selektiven, im Einzelfall vielleicht sogar sinnentstellenden Wiedergabe eines Beweismittels kann ein unzutreffendes Bild vom Ermittlungsergebnis entstehen, das nicht ohne Weiteres wieder berichtigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 2015 – 2 BvR 987/11 -, juris, Rn. 34; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 – 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 15). Die Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels versetzt das Gericht in die Lage, die Schlüssigkeitsprüfung ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten vorzunehmen (vgl. BVerfGK 2, 45 <50>; 5, 45 <48>; 14, 211 <214 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O., Rn. 14).

Es gehört im Hinblick auf ein Sachverständigengutachten dagegen nicht zur Darstellung des wesentlichen Inhalts des mitgeteilten Beweismittels, dass die Ausführungen eines Sachverständigen vollständig wiedergegeben werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Mai 2017 – 2 BvR 1107/16 -, juris, Rn. 23). Müsste der Klageerzwingungsantrag den weitgehend vollständigen Inhalt der Beweismittel enthalten, könnte das Gericht schon allein anhand der Antragsschrift das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts prüfen, und nicht nur dessen schlüssige Darstellung. Einer Beiziehung der Ermittlungsakte bräuchte es dann selbst zur Prüfung eines genügenden Anlasses für die Erhebung der öffentlichen Klage nicht mehr. Eine Arbeitserleichterung wäre mit einem derart umfassenden Darlegungserfordernis nicht verbunden, wenn das Gericht die Schlüssigkeit anhand eines Klageerzwingungsantrags prüfen müsste, dessen Inhalt und Umfang sich kaum von dem der beizuziehenden Ermittlungsakte unterscheidet.

Der Klageerzwingungsantrag gibt den wesentlichen Inhalt auch der Gutachten wieder, die gegen das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts sprechen. Dabei handelt es sich um die Auszüge aus dem vorläufigen Sektionsgutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 16. August 2010, aus dem toxikologisch-chemischen Gutachten des Arbeitsbereiches Forensische Toxikologie und Alkoholanalytik des Universitätsklinikums G. vom 6. Januar 2011, aus dem Sachverständigengutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 6. Dezember 2012, dem Onkologischen Gutachten der Klinik für Hämatologie und Medizinische Onkologie der Universitätsmedizin Gö. vom 10. Februar 2014 sowie der ergänzenden Stellungnahme des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 18. Dezember 2016. Diese Gutachten werden in ihrem Kerngehalt und ihren Schlussfolgerungen dargestellt. Ein unzutreffendes oder entstellendes Bild des Ermittlungsergebnisses wird dem Gericht hierdurch nicht präsentiert und es werden auch keine Umstände verheimlicht, die dem Antragsbegehren den Boden entziehen könnten. Hinzu kommt, dass sich der Antragsteller in seinem Klageerzwingungsantrag detailliert und argumentativ mit diesen Gutachten auseinandersetzt und versucht, deren Unrichtigkeit darzulegen. Zwar betont der Beschwerdeführer die für einen hinreichenden Tatverdacht sprechenden Umstände stärker und widmet diesen mehr Raum als Umständen, die gegen dessen Vorliegen sprechen. Das macht den Antrag jedoch noch nicht unzulässig. Die Würdigung der im Ermittlungsverfahren hervorgebrachten Beweise ist vielmehr eine Frage der Begründetheit des Antrags.

bb) Die Antragsschrift widerspricht im vorliegenden Einzelfall auch nicht deswegen den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO, weil sie Scans von und Direktzitate aus Sachverständigengutachten enthält oder auf Anlagen Bezug nimmt.

(1) Ein Klageerzwingungsantrag ist grundsätzlich unzulässig, wenn in Bezug genommene Bestandteile in die Antragsschrift hineinkopiert werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2017 – 2 BvR 225/16 -, juris, Rn. 7; VerfGH Berlin, Beschluss vom 30. April 2004 – VerfGH 128/03 -, NJW 2004, 2728; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Mai 1983 – 1 Ws 335/83 -, StV 1983, 498; OLG Celle, NStZ 1997, 406; vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 16. Dezember 2014 – III-1 Ws 521/14, 1 Ws 521/14 -, juris, Rn. 11; Graalmann-Scheerer, in: Löwe-Rosenberg, Strafprozessordnung, 26. Aufl. 2007, § 172, Rn. 156; Kölbel, in: Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2016, § 172 Rn. 70; Moldenhauer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013; § 172 Rn. 37). Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, sich den entscheidungserheblichen Sachverhalt selbst aus Anlagen zusammenzustellen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 8. September 2003 – 1 Ws 242/03 -, NStZ-RR 2003, 331; Moldenhauer, a.a.O.), insbesondere wenn durch das Einkopieren von Strafanzeigen oder Beschwerdeschriften die Sachdarstellung verunklart wird. Ausnahmen hiervon werden jedoch für zulässig erachtet, wenn es auf den Wortlaut der eingefügten Unterlagen ankommt und das Hineinkopieren lediglich das – anderenfalls notwendige – vollständige Abschreiben dieser Unterlagen ersetzt. Entscheidend ist, dass das Gericht nicht gezwungen wird, sich den relevanten Verfahrensstoff aus einer Vielzahl (möglicherweise unsystematisierter) Kopien selbst zusammenzustellen (OLG Hamm, a.a.O., Leitsatz und Rn. 11; Kölbel, a.a.O., Rn. 71). Anderenfalls läuft der Antragsteller Gefahr, zu wenig aus dem Gutachten eines Sachverständigen oder der Aussage eines Zeugen wiederzugeben, so dass sein Antrag an der Hürde zur Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels (vgl. aa) scheitern würde.

(2) Vor dem Hintergrund der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG kann es keinen Unterschied machen, ob der Antragsteller in einem Klageerzwingungsantrag entscheidende Passagen aus dem Gutachten eines Sachverständigen in indirekter Rede im Fließtext wiedergibt oder sich der Einfügung von Scans oder Direktzitaten bedient. Die in die Antragsschrift eingefügten Auszüge aus Sachverständigengutachten haben lediglich erläuternden Charakter. Sie dienen dazu, den wesentlichen Inhalt der Beweismittel darzustellen, die Argumentation der dem Antrag zugrunde gelegten Beweiswürdigung zu unterstreichen und die den Beschuldigten zur Last liegenden Pflichtverletzungen zu konkretisieren. Sie haben – gemessen am Gesamtumfang der Antragsschrift – einen nicht übermäßig ins Gewicht fallenden Umfang. Das Gericht musste sich aus den eingefügten Scans und Direktzitaten nicht erst selbst den entscheidungserheblichen Sachverhalt oder den wesentlichen Inhalt der Beweismittel heraussuchen.

cc) Der Klageerzwingungsantrag widerspricht auch nicht deshalb den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO, weil er angeblich auf weitere Anlagen mit einem Umfang von insgesamt 136 oder 196 Seiten Bezug nimmt, die das Oberlandesgericht hätte lesen müssen, um sich ein eigenes Bild vom Krankheitsverlauf und den durchgeführten Behandlungsmaßnahmen zu verschaffen. Der Strafsenat übersieht hierbei, dass die Anlagen nicht derart in Bezug genommen werden, dass die Kenntnis ihres Inhalts den im Klageerzwingungsantrag erforderlichen Sachvortrag ersetzen soll. Der wesentliche Inhalt der in Bezug genommenen Anlagen war bereits in einer § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO genügenden Art und Weise im Antrag selbst enthalten. Die an sich überflüssige Bezugnahme auf Anlagen kann einen zulässigen Klageerzwingungsantrag nicht unzulässig machen. Sie hatten offensichtlich nur den Zweck, die Übereinstimmung der Angaben des Antragstellers mit dem Akteninhalt zu belegen.“

Liest sich alles gut/schön. Nur: Es wird wahrscheinlich nicht die letzte Entscheidung des BVerfG zu § 172 StPO sein. Denn die OLG rücken – wenn überhaupt – nur widerwillig – von ihren strengen Vorgaben ab.

Opferanwalt im Revisionsverfahren, oder: Brett vorm Kopf?

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So, heute dann mal wieder drei BGH-Entscheidungen aus der letzten Zeit. Den „Opener“ macht der BGH, Beschl. v. 25.04.2017 – 5 StR 95/17 – mit einer Problematik, die für Vertreter/Vertreterinnen von Nebenklägern von Bedeutung ist. Nein, es geht nicht schon wieder um die Anforderungen an die Begründung von Rechtsmitteln. Aber es geht schon um Begründungs-/Darlegungsanforderungen, nämlich an PKH-Anträge. Im Verfahren wegen versuchten Totschlags u.a. war nämlich von der Nebenklägerin ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts – „Verletztenbeistand/Opferanwalt“ – für das Revisionsverfahren gestellt worden.

Der Vorsitzende des 5. Strafsenats des BGH lehnt ab:

„Prozesskostenhilfe ist für jeden Rechtszug gesondert zu gewähren (§ 397a Abs. 2 Satz 1 StPO, § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO); dies erfordert in jeder Instanz erneut die Prüfung und deshalb die Darlegung der wirtschaftlichen Ver-hältnisse des Antragstellers, der sich insoweit grundsätzlich des vorgeschriebenen Vordrucks, § 117 Abs. 4 ZPO, zu bedienen hat. In besonderen Fällen kann zwar die Bezugnahme auf eine in der früheren Instanz abgegebene Erklärung ausreichen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. März 1983 – IV b ZB 73/82, NJW 1983, 2145), aber auch eine solche Bezugnahme hat die Nebenklägerin unterlassen. Allein der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe löst auch keine Verpflichtung des Revisionsgerichts aus, die wirtschaftlichen Verhältnisse zu ermitteln. Das Erfordernis der Darlegung ergibt sich aus dem Gesetz, eines Hinweises auf diese Sachlage und eines Zuwartens mit der abschließenden Entscheidung durch den Senat bedurfte es nicht. Prozesskostenhilfe kann nicht über den Zeitpunkt hinaus rückwirkend bewilligt werden, zu dem erstmals ein vollständiges genehmigungsfähiges Gesuch dem Gericht vorliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 2014 – 4 StR 57/14).

Im Übrigen kam schon allein deswegen keine Gewährung von Prozesskostenhilfe in Betracht, da eine anwaltliche Vertretung im Hinblick auf die nur vom Angeklagten eingelegte und nach § 349 Abs. 2 StPO unbegründete Revi-sion nicht erforderlich ist. Nach § 397a Abs. 2 Satz 1 StPO darf Prozesskostenhilfe bei Vorliegen der wirtschaftlichen Voraussetzungen nur gewährt werden, wenn der Verletzte seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann oder ihm dies nicht zuzumuten ist. Keine dieser Voraussetzungen liegt vor (vgl. zum Ganzen auch BGH, Beschluss vom 23. Juli 2015 – 1 StR 52/15 mwN).“

Lehre daraus? Die Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse muss man im Blick haben, wenn es um eine Beiordnung nach § 397a Abs. 2 StPO geht. Und die muss für jede Instanz neu beantragt werden.

Anmerkung: Anders wäre es bei einer Beiordnung nach § 397a Abs. 1  StPO. Die gilt bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens. Nach dem Sachverhalt ist mir im Übrigen nicht ganz klar, warum es sich nicht um eine solche gehandelt hat. Denn es geht um ein „versuchtes Tötungsdelikt“. Mehr teilt der Beschluss aber nicht mit. Nun ja, der BGH wird es schon richtig gemacht haben, oder: Habe ich ein Brett vor dem Kopf?